Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 23. Feb. 2016 - 4 RVs 15/16
Gericht
Tenor
Das angefochtene Urteil wird hinsichtlich der Einzelstrafaussprüche bzgl. der Taten vom xx.12.2014 z.N. Physiotherapiepraxis T-X bzw. Sanitätshaus H Urteilsgründe Nr. 1 und 2), xx.12.2014 (z.N. T; Urteilsgründe Nr. 3) und xx.04.2015 (Diebesfalle; Urteilsgründe Nr. 5) sowie im Gesamtstrafenausspruch mit den zu Grunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Rechtsmittels - an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Münster zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
1
Gründe
2I.
3Das Amtsgericht Coesfeld hatte den Angeklagten wegen „Diebstahls (im besonders schweren Fall) in fünf Fällen, wobei es in drei Fällen beim Versuch blieb, sowie wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Für zwei versuchte Diebstahlstaten am
4xx. Dezember 2014, zwei vollendete Diebstahlstaten am xx. Dezember 2014 und
5xx. April 2015 hat es jeweils auf Einzelstrafen von einem Jahr und zwei Monaten Freiheitsstrafe und für einen weiteren versuchten Diebstahl vom xx. April 2015 auf eine solche von einem Jahr erkannt. Die Einzelstrafe bezogen auf die Widerstands-
6handlung vom xx. April 2015 hat es mit 90 Tagessätzen zu je 10 Euro festgesetzt. Auf die Berufung des Angeklagten hat das Landgericht die verhängte Gesamt-
7freiheitsstrafe auf zwei Jahre ermäßigt und das Rechtsmittel im Übrigen verworfen.
8Gegen das Urteil wendet sich der Angeklagte mit der Revision. Er erhebt die
9– nicht näher ausgeführte – Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision gem. § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen.
10II.
11Die zulässige Revision des Angeklagten hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg und führt zur teilweisen Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache insoweit (§§ 349 Abs. 4, 354 Abs. 4 StPO.
121.
13Die Einzelstrafzumessung bzgl. der im Tenor genannten Taten hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
14Bzgl. dieser Taten kann der Senat nicht überprüfen, ob das Landgericht zu Recht den Strafrahmen des Diebstahls in einem besonders schweren Fall nach § 243
15Abs. 1 StGB bzw. in den Fällen des Versuchs den nach §§ 22, 23, 49 Abs. 1 StGB entsprechend gemilderten Strafrahmen zu Grunde gelegt hat, denn nach den Feststellungen im angefochtenen Urteil kommt in Betracht, dass die Anwendung eines besonders schweren Falles jeweils nach § 243 Abs. 2 StGB ausscheidet, weil sich die Taten womöglich auf geringwertige Sachen bezogen haben.
16Bei der Tat vom xx.12.2014 z.N. der Physiotherapiepraxis T-X hat der Angeklagte nach den Feststellungen im angefochtenen Urteil lediglich ein Porzellanei im Wert von 10 Euro entwendet. Dabei handelt es sich um eine geringwertige Sache, für die der Grenzwert bei 25 Euro liegt (BGH, Beschl. v. 09.07.2004 – 2 StR 176/04 = BeckRS 2004, 07428). Dass der objektive Wert des tatsächlich entwendeten Gegenstands unter dieser Grenze lag, schließt allerdings die Anwendung von § 243 Abs. 1 StGB noch nicht aus. Dieser kann auch dann Anwendung finden, wenn sich der Vorsatz des Täters auf wertvollere Sachen bezog (vgl. Fischer, StGB, 63. Aufl.,
17§ 243 Rdn. 26 m.w.N.). Dies liegt zwar bei einem Einbruch in eine Physiotherapiepraxis wegen des dort zu erwartenden Bargelds, Computern nebst Zubehör etc. äußerst nahe, ist aber so nicht festgestellt worden.
18Entsprechendes wie zur zuvor genannten Tat gilt bzgl. der Tat vom xx.12.2014. Der in der entwendeten Geldbörse befindliche Geldbetrag belief sich auf 10 Euro. Der Wert der Geldbörse selbst wird nicht mitgeteilt.
19Bzgl. der Tat vom xx.12.2014 z.N. des Sanitätshauses H teilt der Tatrichter die Höhe des dort vorgefundenen Bargeldes nicht mit. Auch hier kann der Senat daher nicht überprüfen, ob das Landgericht zu Recht den Strafrahmen des § 243 Abs. 1 StGB zu Grunde gelegt hat. Auch hier sind keine Feststellungen dazu getroffen, auf welchen Wert sich der Vorsatz des Angeklagten bezog.
20Gleiches gilt bzgl. der am xx.04.2015 entwendeten Damenhandtasche.
21Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht in den genannten Fällen bei Berücksichtigung des § 243 Abs. 2 StGB zur Anwendung eines milderen Strafrahmens und zu geringeren Einzelstrafen gelangt wäre.
22Der Umstand, dass das Landgericht nicht straferschwerend berücksichtigt hat, dass der Angeklagte neben dem Regelbeispiel des § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 StGB auch das des § 243 Abs. 1 S.2 Nr. 3 StGB verwirklicht hat, beschwert den Angeklagten hingegen nicht.
232.
24Die Aufhebung von vier Einzelstrafen hat die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs zur Folge.
253.
26Im Übrigen ist die Revision des Angeklagten offensichtlich unbegründet i.S.v. § 349 Abs. 2 StPO.
27Der neue Tatrichter wird auch Gelegenheit haben, den Tenor des amtsgerichtlichen Urteils wegen einer offenbaren Unrichtigkeit insoweit zu berichtigen, als darin jeweils bei den Verurteilungen wegen Diebstahls ein Hinweis auf das Vorliegen eines besonders schweren Falles enthalten ist. Derartige Zusätze werden nicht tenoriert. Eine Berichtigung bzgl. der Verurteilung wegen der ersten Tat vom xx.12.2014 auf eine Verurteilung wegen vollendeten Diebstahls scheidet hingegen aus. Zwar hat das Amtsgericht diese Tat unzutreffenderweise als Versuch gewertet, obwohl der Angeklagte das Porzellanei aus den Räumen der Praxis bereits mitgenommen hatte und es erst im Rahmen der zweiten an diesem Tat begangenen Tat in den Räumlichkeiten des Sanitätshauses abgelegt. Der Schuldspruch wegen versuchten Diebstahls ist aber aufgrund der Berufungsbeschränkung in Rechtskraft erwachsen.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt.
(1) Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt.
(2) Der Versuch kann milder bestraft werden als die vollendete Tat (§ 49 Abs. 1).
(3) Hat der Täter aus grobem Unverstand verkannt, daß der Versuch nach der Art des Gegenstandes, an dem, oder des Mittels, mit dem die Tat begangen werden sollte, überhaupt nicht zur Vollendung führen konnte, so kann das Gericht von Strafe absehen oder die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2).
(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:
- 1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. - 2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze. - 3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sich im Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre, im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate, im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate, im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.
(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.
(1) In besonders schweren Fällen wird der Diebstahl mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
- 1.
zur Ausführung der Tat in ein Gebäude, einen Dienst- oder Geschäftsraum oder in einen anderen umschlossenen Raum einbricht, einsteigt, mit einem falschen Schlüssel oder einem anderen nicht zur ordnungsmäßigen Öffnung bestimmten Werkzeug eindringt oder sich in dem Raum verborgen hält, - 2.
eine Sache stiehlt, die durch ein verschlossenes Behältnis oder eine andere Schutzvorrichtung gegen Wegnahme besonders gesichert ist, - 3.
gewerbsmäßig stiehlt, - 4.
aus einer Kirche oder einem anderen der Religionsausübung dienenden Gebäude oder Raum eine Sache stiehlt, die dem Gottesdienst gewidmet ist oder der religiösen Verehrung dient, - 5.
eine Sache von Bedeutung für Wissenschaft, Kunst oder Geschichte oder für die technische Entwicklung stiehlt, die sich in einer allgemein zugänglichen Sammlung befindet oder öffentlich ausgestellt ist, - 6.
stiehlt, indem er die Hilflosigkeit einer anderen Person, einen Unglücksfall oder eine gemeine Gefahr ausnutzt oder - 7.
eine Handfeuerwaffe, zu deren Erwerb es nach dem Waffengesetz der Erlaubnis bedarf, ein Maschinengewehr, eine Maschinenpistole, ein voll- oder halbautomatisches Gewehr oder eine Sprengstoff enthaltende Kriegswaffe im Sinne des Kriegswaffenkontrollgesetzes oder Sprengstoff stiehlt.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1 bis 6 ist ein besonders schwerer Fall ausgeschlossen, wenn sich die Tat auf eine geringwertige Sache bezieht.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.