Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 29. Dez. 2015 - 32 W 25/15
Gericht
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der 08. Zivilkammer des Landgerichts Münster vom 15.06.2015 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 20.000,00 Euro festgesetzt.
1
Gründe
2I.
3Hinsichtlich der Darstellung des Sachverhaltes in erster Instanz wird auf die ausführlichen Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen.
4Der Antragsteller hat gegen diesen Beschluss unter dem 25.06.2015 sofortige Beschwerde erhoben, die er unter dem 30.07.2015 begründet hat. Darin führt er aus, dass sein Ablehnungsgesuch sich nicht isoliert auf einzelne fehlerhafte Verfahrenshandlungen stütze, sondern vielmehr die insgesamt beanstandete Vorgehensweise der abgelehnten Richter dem Begehr des Antragstellers aus subjektiven, von privaten Interessen geleiteten Motiven ablehnend gegenüber stünden. Die begangenen Fehler seien Resultat einer auf Ablehnung und Unwilligkeit beruhenden Haltung, die sich wie ein roter Faden durch die gesamte Akte ziehe.
5So finde sich in der Akte ein Vermerk vom 23.10.2014, aus dem sich ergebe, dass das Gericht ein weiteres, den Parteien nicht bekannt gemachtes Mal Kontakt mit dem Sachverständigen gehabt habe. Der Antragsteller vermutet, dass dem Sachverständigen das Vorgehen der Kammer suspekt gewesen sei.
6Einem weiteren Vermerk vom 17.06.2014 sei zu entnehmen, dass seitens des Gerichts bewusst zu Lasten des Antragstellers in Kauf genommen worden sei, dass ein unbrauchbares Gutachten erstellt werde.
7Da es sich vorliegend um eine Kammersache handele, komme es auch nicht darauf an, ob einzelne Fehlleistungen von Richtern begangen worden sind, die nicht vom Ablehnungsgesuch umfasst werden.
8Der Antragsteller beanstandet außerdem, dass im Zusammenhang mit dem Beschluss vom 03.03.2015 nicht nur übersehen wurde, dass die Behandlungsunterlagen bereits vorgelegt worden waren, sondern auch dass diesbezüglich schon keine Frist gesetzt worden war und die Übersendung der Unterlagen der F-Klinik an den Sachverständigen als nicht erfolgversprechend bezeichnet worden sei. Im Übrigen sei durch den Beschluss vom 03.03.2015 auch der Anspruch des Antragstellers auf rechtliches Gehör verletzt worden, da der Beschluss trotz Nichterledigung der Anträge auf ergänzende Begutachtung das selbständige Beweisverfahren für beendet erklärt habe.
9Die Hinweise in der Verfügung vom 18.03.2014 seien zudem nicht Ausdruck einer besonderen Fürsorge, sondern vor dem Hintergrund obergerichtlicher und höchstrichterlicher Rechtsprechung als besondere Eigensorge zu verstehen.
10Das Landgericht hat der Beschwerde durch Beschluss vom 12.08.2015 nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
11II.
12Die zulässige Beschwerde ist in der Sache nicht begründet.
13Zu Recht hat das Landgericht das Befangenheitsgesuch des Antragstellers zurückgewiesen und der gegen die Zurückweisung eingelegten Beschwerde nicht abgeholfen.
14Die Besorgnis der Befangenheit eines Richters ist anzunehmen, wenn Umstände vorliegen, die berechtigte Zweifel an seiner Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit aufkommen lassen. Geeignet, Misstrauen gegen eine unparteiische Amtsausübung des Richters zu rechtfertigen, sind nur objektive Gründe, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Richter stehe der Sache nicht (mehr) unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber (vgl. BGH V ZB 22/03, NJW 2004, 164; Zöller/Vollkommer, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 42 Rdn. 9). Rein subjektive, unvernünftige Vorstellungen und Gedankengänge reichen nicht aus. Auf eine tatsächliche Befangenheit oder auch Selbsteinschätzung eines Richters kommt es allerdings nicht an (vgl. Musielak/Voit, ZPO, 12. Aufl. 2015, § 42 Rdn. 5).
15Kriterium für die Unparteilichkeit des Richters ist die Gleichbehandlung der Parteien. Der Ablehnung setzt er sich aus, wenn er, ohne Stütze im Verfahrensrecht, eine gleich große Distanz zu den Parteien aufgibt und sich zum Berater einer Seite macht. Ein Befangenheitsgrund kann zudem bestehen, wenn das prozessuale Vorgehen des Richters einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage entbehrt und sich so sehr von dem normalerweise geübten Verfahren entfernt, dass sich für die dadurch
16betroffene Partei der Eindruck einer sachwidrigen, auf Voreingenommenheit beruhenden oder willkürlichen Benachteiligung aufdrängen muss (vgl. OLG Oldenburg, 5 W 10/08, NJOZ 2008, 2042; Vollkommer in Zöller, ZPO-Kom., 31. Aufl. 2016, § 42 Rz. 24). Abgesehen davon ist die Ablehnung eines Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit kein Instrument zur Fehlerkontrolle (BGH XI ZR 388/01, NJW 2002, 2396). Der Befangenheitsvorwurf kann daher grundsätzlich nicht auf den sachlichen Inhalt von Entscheidungen oder auf Verfahrensverstöße gestützt werden.
17Ausgehend von den dargestellten Grundsätzen ist der von dem Antragsteller gegen die abgelehnten Richter gerichtete Befangenheitsantrag nicht gerechtfertigt.
18Soweit der Antragsteller sein Ablehnungsgesuch und die sofortige Beschwerde auf Verhaltens- und Vorgehensweisen von Richtern stützt, die er – weil nicht mehr mit dem Verfahren befasst – nicht wegen der Besorgnis der Befangenheit ablehnt, begründet dies keinen Ablehnungsgrund hinsichtlich der abgelehnten Richter. Wie bereits zuvor ausgeführt, kommt es darauf an, ob der abgelehnte Richter selbst durch eigene Handlungsweisen die begründete Besorgnis hat entstehen lassen, dass er in dem Verfahren nicht mehr unparteilich tätig sein wird. Darauf, ob andere Richter womöglich voreingenommen sind oder waren, kommt es hingegen nicht an. Dabei kann auch nicht von womöglich voreingenommenen Verhaltensweisen anderer Richter auf eine Voreingenommenheit eines abgelehnten Richters geschlossen werden, nur weil dieser Dezernatsnachfolger geworden ist und demselben Spruchkörper angehört. Eine etwaige Voreingenommenheit ist höchstpersönlich. Sie erstreckt sich nicht aufgrund einer Dezernatsübernahme „automatisch“ auf den Nachfolger. Die Ablehnung eines kompletten Spruchkörpers ohne Ansehung des einzelnen Richters ist ohnehin nicht zulässig (BGH, Beschl. v. 08.07.2015 – XII ZA 34/15).
19Insoweit sind die Vermerke vom 23.10.2014 (Verfasser Richter am Landgericht Dr. L) und vom 17.06.2014 (Verfasser Richter T) nicht geeignet, einen Ablehnungsgrund hinsichtlich der hier abgelehnten Vorsitzenden Richterin am Landgericht N, des Richters am Landgericht Dr. L und der Richterin I zu begründen.
20Soweit der Antragsteller mit der sofortigen Beschwerde erneut die mit der Verfügung vom 18.03.2014 erteilten Hinweise beanstandet, ist dies, ungeachtet der Frage der Rechtzeitigkeit dieser erstmalig mit dem Ablehnungsgesuch vom 20.03.2015 und nach zwischenzeitlicher weiterer Antragstellung erfolgten Beanstandung, nicht begründet. Wie zuvor bereits ausgeführt, dient das Ablehnungsverfahren nicht der inhaltlichen Kontrolle richterlichen Handelns. Ob die erteilten Hinweise mithin in Einklang mit der vom Antragsteller zitierten – ohnehin allerdings die Kammer nicht bindenden – obergerichtlichen und höchstrichterlichen Rechtsprechung stehen, ist nicht Gegenstand der Prüfung durch den Senat im Ablehnungsverfahren. Eine dem Antragsteller gegenüber bestehende Voreingenommenheit oder eine sonstige fehlende Unparteilichkeit lässt sich der Verfügung nicht entnehmen. Die Kammervorsitzende hat hierin vielmehr allgemeine, auf die Spezialzuständigkeit der Kammer für Arzthaftungssachen gründende Hinweise zu selbständigen Beweisverfahren in Arzthaftungssachen gegeben, die keine benachteiligenden Tendenzen zu Lasten des Antragstellers und keine generelle Unwilligkeit zur ordnungsgemäßen Erledigung solcher Verfahren erkennen lassen.
21Auch die von der Kammer im Beschluss vom 03.03.2015 getroffene Entscheidung, von der Übersendung bestimmter Unterlagen an den Sachverständigen als „nicht erfolgversprechend“ abzusehen, rechtfertigt keine Ablehnung der an der Beschlussfassung beteiligten Richter. Ungeachtet der Frage, ob hierin ein Verfahrensfehler liegt, lässt die im Beschluss sachlich begründete Verfahrensweise keine zielgerichtete oder tendenzielle Benachteiligung des Antragstellers erkennen.
22Im Übrigen nimmt der Senat wegen des Vortrags des Antragstellers zu etwaigen sonstigen Ablehnungsgründen Bezug auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung. Das Landgericht hat sich ausführlich mit den vorgebrachten Beanstandungen befasst und sie mit nicht zu beanstandenden Erwägungen sämtlich für nicht tragend erachtet.
23Insbesondere ist das von der Berichterstatterin I im Rahmen ihrer dienstlichen Stellungnahme eingeräumte Übersehen der bereits eingereichten Behandlungsunterlagen der Antragsgegnerin nicht geeignet, einen Befangenheitsgrund zu begründen. Selbiges gilt für die Nennung einer Vorlagefrist im Beschluss vom 03.03.2015 sowie für den Umstand, das selbständige Beweisverfahren deswegen für beendet zu erklären. Diese irrtumsbedingte Verfahrensweise lässt keine einseitige subjektive und zum Nachteil des Antragstellers gehende Belastungstendenz der Richterin I sowie der anderen an der Beschlussfassung beteiligten Richter erkennen. Hierdurch wird auch keine Häufung prozessualer Fehler und/oder eine evident mangelnde Sorgfalt sichtbar, da andere vergleichbare Fehler nicht feststellbar sind. Für eine bewusste Außerachtlassung der bereits übersandten Behandlungsunterlagen bieten sich keinerlei Anhaltspunkte.
24Abgesehen davon stellt der deklaratorische Beschlusstenor zur Beendigung des selbständigen Beweisverfahrens keine Verweigerung des rechtlichen Gehörs zum Nachteil des Antragstellers dar. Wie bereits oben ausgeführt ging die Kammer irrtümlich davon aus, dass die Behandlungsunterlagen noch nicht überreicht worden waren und hat deshalb von einer weiteren Beauftragung des Sachverständigen abgesehen, nachdem dieser mitgeteilt hatte, dass ihm eine weitere Beurteilung ohne diese Unterlagen nicht möglich sei. Dafür, dass die Kammer an dieser Wertung auch nachdem ihr Irrtum nunmehr zutage getreten ist festhält, ist nichts ersichtlich.
25Weder die im Einzelnen benannten Beanstandungen, noch die gebotene Gesamtschau rechtfertigen im Ergebnis die Annahme eines berechtigten Ablehnungsgrundes.
26III.
27Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
28Der Wert des Beschwerdeverfahrens ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats in Höhe des Hauptsachestreitwerts zu bemessen.
Annotations
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)