Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 20. Okt. 2014 - 32 SA 70/14
Gericht
Tenor
Als zuständiges Gericht wird das Landgericht C bestimmt.
1
I.
2Der Kläger nimmt als Erbe nach seiner verstorbenen Ehefrau vor dem Landgericht N die Beklagten als Gesamtschuldner, die ihren allgemeinen Gerichtsstand im Landgerichtsbezirk C (Beklagter zu 1) und Landgericht U (Beklagter zu 2) haben, auf Rückauflassung eines im Landgerichtsbezirk N gelegenen Grundstücks in Anspruch.
3Die Ehefrau des Klägers übertrug mit notariellem Vertrag vom 14.05.2005 gegen Einräumung eines Nießbrauchs an dem Grundstück zu ihren und des Klägers Gunsten das Grundstück an die Beklagten, die leiblichen Kinder der Ehefrau, und eine Tochter des Klägers. In Vollziehung des notariellen Vertrages wurden die Beklagten und die Tochter des Klägers als Miteigentümer zu gleichen Teilen im Grundbuch eingetragen.
4Zur Begründung des geltend gemachten Anspruchs auf Rückauflassung des gegenständlichen Grundstücks beruft sich der Kläger auf den unter § 3 des o.a. Vertrages niedergelegten Widerrufsvorbehalt und den auf dieser Grundlage von ihm erklärten Widerruf der Grundstücksübertragung.
5Die Beklagten, welche durch im Landgerichtsbezirk U ansässige Rechtsanwälte vertreten werden, haben die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts N gerügt. Das Landgericht N hat durch Verfügung vom 25.08.2014 ausgeführt, dass nach seinem Dafürhalten eine örtliche Zuständigkeit des Landgerichts N nicht gegeben sei. Der Kläger hat daraufhin die Bestimmung des zuständigen Gerichts durch das Oberlandesgericht Hamm beantragt.
6II.
7Der Senat bestimmt das Landgericht C als örtlich zuständiges Gericht.
81.
9Das Oberlandesgericht Hamm ist gemäß § 36 Abs. 2 ZPO zu der Bestimmung der Zuständigkeit berufen, da zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Landgericht N gehört.
102.
11Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen vor.
12a)
13Der Kläger nimmt die Beklagten als Gesamtschuldner auf einer einheitlichen tatsächlichen und rechtlichen Grundlage in Anspruch, weshalb sie Streitgenossen i.S. der §§ 59, 60 ZPO sind.
14b)
15Der Zuständigkeitsbestimmung steht nicht entgegen, dass der Rechtsstreit bereits rechtshängig ist. Zwar geht der Wortlaut des § 36 Abs.1 Nr. 3 ZPO („verklagt werden sollen“) vom Regelfall einer Zuständigkeitsbestimmung vor Anhängigkeit bzw. Rechtshängigkeit aus; er ist jedoch - wie allgemein anerkannt - zu eng, so dass die Norm insbesondere auch noch nach einer Klageerhebung angewendet werden kann (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl., § 36 Rn 16 m. w. N.). Die Bestimmung des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO beruht auf Zweckmäßigkeitserwägungen. Es kann im Interesse der Parteien liegen, bei einer von vornherein gegen mehrere Beklagte (mit verschiedenen allgemeinen Gerichtsständen) gerichteten Klage auch noch nach Klageerhebung ein für alle Beklagten zuständiges Gericht zu bestimmen, um die Entscheidung des Rechtsstreits durch ein einziges Gericht herbeizuführen. Der Stand des gegenständlichen Prozesses steht den v.g. Zweckmäßigkeitserwägungen nicht entgegen, weil bislang weder eine mündliche Verhandlung noch eine Beweisaufnahme stattgefunden hat.
16c)
17Ein der Bestimmung des zuständigen Gerichts entgegenstehender besonderer Gerichtsstand beim Landgericht N gemäß § 26 ZPO (dinglicher Gerichtsstand für persönliche Klagen) besteht nicht.
18Allerdings ist streitig, ob § 26 ZPO bei einem schuldrechtlichen Anspruch auf Auflassung eingreift. In der Kommentarliteratur wird dies zum Teil bejaht (vgl. Musielak/Heinrich, ZPO, 11. Aufl., § 26 Rn 5; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl. § 26 Rn 6; MükoZPO/Patzina, 4. Aufl., § 26 Rn 2; Wieczorek/Schütze/Hausmann, ZPO, 3. Aufl, § 26 Rn 5), wobei zur Begründung darauf hingewiesen wird, dass nur der Eigentümer des Grundstücks die Auflassung mit der vom Kläger gewünschten Rechtsfolge erklären könne (Stein/Jonas/Roth a.a.O.).
19Die Gegenauffassung (vgl. LG Stralsund, Urteil vom 07.04.2011, 6 O 203/10, zitiert bei juris. de unter Rn 26 und 27; Zöller/Vollkommer a.a.O § 26 Rn 2; HK ZPO/Bendsten, 5. Aufl., § 26 Rn 2; Prütting/Gehrlein/Lange, 6. Aufl., § 26 Rn 3; BeckOK ZPO/Toussaint, § 26 Rnr. 2-4) lehnt eine Anwendung des § 26 ZPO ab. Zur Begründung führt sie an, dass eine Klage auf Auflassung nicht notwendig gegen den eingetragenen Eigentümer erfolgen müsse (vgl. etwa Zöller-Vollkommer a.a.O.) und zudem die Gesetzesmaterialien darauf hindeuteten, dass schuldrechtliche Ansprüche auf dingliche Rechtsänderung von § 26 ZPO nicht erfasst werden sollten (vgl. Landgericht Stralsund a.a.O.).
20Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an, wonach § 26 ZPO keine Anwendung findet, soweit schuldrechtliche Ansprüche auf Auflassung eines Grundstücks Gegenstand der Klage sind.
21Nach dem Wortlaut des § 26 ZPO können persönliche Klagen in dem dinglichen Gerichtsstand nur dann erhoben werden, wenn sie gegen den Eigentümer oder Besitzer einer unbeweglichen Sache „als solchen“ gerichtet werden. Aus dieser Formulierung folgt, dass § 26 ZPO nur dann eingreifen soll, wenn die Inanspruchnahme des Eigentümers oder Besitzers gerade auf seiner Beziehung zu der Sache beruht, wie dies etwa bei Ansprüchen aus dem Nachbarrechtsverhältnis (§§ 905 – 924 BGB) oder aus dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis (§§ 994-1003 BGB) der Fall ist. Bei einem auf Auflassung gerichteten schuldrechtlichen Anspruch ist hingegen die Passivlegitimation des Beklagten nicht davon abhängig, ob er als Eigentümer des betreffenden Grundstücks in der Lage ist, das Eigentum zu verschaffen.
22Weder die Gesetzesmaterialien noch der Sinn und Zweck des § 26 ZPO gebieten eine vom eindeutigen Wortlaut losgelöste Auslegung der Norm.
23Das Landgericht N weist in seiner Verfügung vom 25.08.2014 in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Landgerichts T (a.a.O.) zutreffend darauf hin, dass im Gesetzgebungsverfahren ein Antrag auf Ergänzung der Vorschrift dergestalt, dass auch Klagen erfasst werden sollten, „mit welchen der Kläger bezweckt, ein dingliches Recht an derselben [unbeweglichen Sache] zu erlangen“, abgelehnt wurde (vgl. Hahn, Gesammelte Materialien zur Civilprozessordnung, 2. Auflg, S. 532, 538), somit eine extensive Ausgestaltung der Norm keine Zustimmung fand.
24Der Zweck der Norm, eine Entscheidung durch den ortsnahen Richter zuzulassen und damit zur Erleichterung der Rechtsverfolgung beizutragen (vgl. etwa Musielak-Heinrich a.a.0., § 26 Rn 1 m.w.N.), gibt ebenfalls keinen Anlass, § 26 ZPO auf schuldrechtliche Auflassungsansprüche auszudehnen.
25Denn ein auf Auflassung gerichteter schuldrechtlicher Anspruch weist keine besondere Nähe zu den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen an dem Grundstück auf. Typischerweise wird – wie im gegenständlichen Rechtsstreit – der Streit der Parteien seinen Schwerpunkt in der Ausgestaltung der vertraglichen Sonderbeziehung haben; in einer solchen Lage ist es nicht angemessen, von dem allgemeinen Gerichtsstand (§§ 12, 13 ZPO) als Ausdruck einer prozessual gerechten Lastenverteilung (BayObLG MDR 96, 850) deswegen abzuweichen, weil das gegenständliche Grundstück an einem anderen Ort gelegen ist.
263.
27Der Senat bestimmt das Landgericht C als örtlich zuständiges Gericht.
28Dies beruht auf Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit und Prozesswirtschaftlichkeit (vgl. zu diesen Kriterien: Zöller/Vollkommer, a.a.O. § 36 Rn 18 m. w. N.).
29Der Beklagte zu 1. hat im Bezirk des Landgerichts C seinen allgemeinen Gerichtsstand. Der Wohnsitz des Klägers liegt dem Landgericht C ganz erheblich näher als dem Landgericht U in C1. Der insgesamt für die Teilnahme der Parteien an Verhandlungsterminen zu treibende Aufwand ist mithin bei einer Zuständigkeit des Landgerichts C deutlich geringer als im Falle einer Zuständigkeit des Landgerichts U, auch wenn die Beklagten von in U ansässigen Rechtsanwälten gemeinsam vertreten werden.
30Anhaltspunkte dafür, dass dem Beklagten zu 2. eine Rechtsverteidigung vor dem Landgericht C nicht zuzumuten wäre, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
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(1) Das zuständige Gericht wird durch das im Rechtszug zunächst höhere Gericht bestimmt:
- 1.
wenn das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Fall an der Ausübung des Richteramtes rechtlich oder tatsächlich verhindert ist; - 2.
wenn es mit Rücksicht auf die Grenzen verschiedener Gerichtsbezirke ungewiss ist, welches Gericht für den Rechtsstreit zuständig sei; - 3.
wenn mehrere Personen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand verklagt werden sollen und für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist; - 4.
wenn die Klage in dem dinglichen Gerichtsstand erhoben werden soll und die Sache in den Bezirken verschiedener Gerichte belegen ist; - 5.
wenn in einem Rechtsstreit verschiedene Gerichte sich rechtskräftig für zuständig erklärt haben; - 6.
wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben.
(2) Ist das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht der Bundesgerichtshof, so wird das zuständige Gericht durch das Oberlandesgericht bestimmt, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört.
(3) Will das Oberlandesgericht bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen, so hat es die Sache unter Begründung seiner Rechtsauffassung dem Bundesgerichtshof vorzulegen. In diesem Fall entscheidet der Bundesgerichtshof.
Mehrere Personen können als Streitgenossen gemeinschaftlich klagen oder verklagt werden, wenn sie hinsichtlich des Streitgegenstandes in Rechtsgemeinschaft stehen oder wenn sie aus demselben tatsächlichen und rechtlichen Grund berechtigt oder verpflichtet sind.
Mehrere Personen können auch dann als Streitgenossen gemeinschaftlich klagen oder verklagt werden, wenn gleichartige und auf einem im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grund beruhende Ansprüche oder Verpflichtungen den Gegenstand des Rechtsstreits bilden.
(1) Das zuständige Gericht wird durch das im Rechtszug zunächst höhere Gericht bestimmt:
- 1.
wenn das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Fall an der Ausübung des Richteramtes rechtlich oder tatsächlich verhindert ist; - 2.
wenn es mit Rücksicht auf die Grenzen verschiedener Gerichtsbezirke ungewiss ist, welches Gericht für den Rechtsstreit zuständig sei; - 3.
wenn mehrere Personen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand verklagt werden sollen und für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist; - 4.
wenn die Klage in dem dinglichen Gerichtsstand erhoben werden soll und die Sache in den Bezirken verschiedener Gerichte belegen ist; - 5.
wenn in einem Rechtsstreit verschiedene Gerichte sich rechtskräftig für zuständig erklärt haben; - 6.
wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben.
(2) Ist das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht der Bundesgerichtshof, so wird das zuständige Gericht durch das Oberlandesgericht bestimmt, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört.
(3) Will das Oberlandesgericht bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen, so hat es die Sache unter Begründung seiner Rechtsauffassung dem Bundesgerichtshof vorzulegen. In diesem Fall entscheidet der Bundesgerichtshof.
In dem dinglichen Gerichtsstand können persönliche Klagen, die gegen den Eigentümer oder Besitzer einer unbeweglichen Sache als solche gerichtet werden, sowie Klagen wegen Beschädigung eines Grundstücks oder hinsichtlich der Entschädigung wegen Enteignung eines Grundstücks erhoben werden.
Das Gericht, bei dem eine Person ihren allgemeinen Gerichtsstand hat, ist für alle gegen sie zu erhebenden Klagen zuständig, sofern nicht für eine Klage ein ausschließlicher Gerichtsstand begründet ist.
Der allgemeine Gerichtsstand einer Person wird durch den Wohnsitz bestimmt.