Oberlandesgericht Hamm Urteil, 31. Mai 2016 - 28 U 164/15
Gericht
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 09.09.2015 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 114. Zivilkammer des Landgerichts Münster aufgehoben.
Die Sache wird zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen, das auch über die Kosten des Berufungsverfahrens zu entscheiden hat.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird zugelassen.
1
Gründe:
2I.
3Der Kläger macht gegen die in A ansässigen Beklagten Schadensersatz-ansprüche unter dem Gesichtspunkt der Anwaltshaftung geltend.
4Dabei streiten die Parteien im Berufungsverfahren in erster Linie über die Frage, ob für die Regressklage die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit gegeben ist. Das wurde vom Landgericht durch Prozessurteil verneint.
5Der Regressklage liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
6Der Kläger ist als beamteter Feuerwehrmann berufstätig. Er erzielte in der Vergangenheit Nebeneinkünfte als Architekt.
7Der Kläger wurde 2005 zu Hause in N2 (Münsterland) von einem Vertriebsmitarbeiter der in A ansässigen N Vermögensverwaltung AG aufgesucht und schloss in der Folgezeit mehrere Verträge ab, durch die er Kapital in ein „Schweizer Vermögensaufbauprogramm“ bzw. ein „Schweizer Sicherheitspaket für den Mittelstand“ investierte.
8Dafür nahm der Kläger von 2005 bis 2009 mehrere Bareinzahlungen von insgesamt 56.000,00 EUR auf ein in der Schweiz geführtes Konto der D T vor. Er versprach sich eine sichere und gewinnbringende Verwaltung des Kapitals durch die N AG, durch die er in den nächsten Jahren eine Rendite von 8% p.a. erwirtschaften wollte.
9Im Jahre 2009 entstanden beim Kläger Zweifel an einer ordnungsgemäßen Verwaltung der eingezahlten Beträge. Er kündigte die abgeschlossenen Verträge und bemühte sich in der Folgezeit um die Rückerlangung des eingezahlten Kapitals. Dabei musste er jedoch einen Kapitalverlust von 55.485,84 EUR hinnehmen.
10Um wegen der gescheiterten Kapitalanlage Schadensersatzansprüche geltend zu machen, beauftragte der Kläger die in T2 ansässige Anwaltskanzlei seiner jetzigen Prozessbevollmächtigten. Diese hatten bereits in einer größeren Anzahl von Fällen die Vertretung weiterer Geschädigter der N AG übernommen.
11Soweit dabei in der Vergangenheit Vollstreckungstitel erstritten worden waren, hatten die Prozessbevollmächtigten des Klägers für die Durchsetzung der titulierten Forderungen in der Schweiz mit dem Beklagten zu 1 zusammengearbeitet.
12Der Beklagte zu 1 ist zusammen mit der Beklagten zu 2 seit 2002 Inhaber einer wirtschaftsrechtlich ausgerichteten Anwaltskanzlei, die in ihrem Internetauftritt unter www.xxxx-xxx.xxx Dienstleistungen u.a. auf den Gebieten „Wirtschaftskriminalität (national/international), Geschädigtenvertretungen, Internationales Konkursrecht“ anbietet und darauf hinweist, dass natürliche Personen und Unternehmungen aus der Schweiz und dem Ausland vertreten würden. Es heißt dort weiter, die Anwälte seien vor allen Gerichten der Schweiz zugelassen und würden neben Deutsch und Englisch teilweise auch Französisch, Italienisch, Spanisch und Tibetisch sprechen.
13Später - durch notariellen Vertrag vom 17.06.2011 - vereinbarten die Beklagten zu 1 und 2, ihre Anwaltstätigkeit in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft fortzuführen und gründeten aus diesem Anlass die Beklagte zu 3. In den Statuten der Beklagten zu 3 heißt es, dass sie unter der Firma U AG / U Attorneys-at-Law Ltd. / U Avocats SA „Rechtsdienstleistungen im In- und Ausland“ erbringt.
14Im Streitfall verhielt es sich so, dass die Prozessbevollmächtigten des Klägers im Jahr 2010 vor dem Landgericht Münster (8 O 115/10) eine Klage gegen die N AG sowie gegen deren Delegierten J, deren ehemaligen Präsidenten des Verwaltungsrates G und deren Verwaltungsrate G2 anhängig machten.
15Diese Klage war auf Ersatz des nicht zurückgezahlten Kapitals von 55.485,84 EUR sowie auf den Ersatz entgangenen Gewinns von 5.351,33 EUR gerichtet.
16Spätestens im Sommer 2010 wurde den Prozessbevollmächtigten des Klägers bekannt, dass über das Vermögen der N AG ein sogenanntes Nachlassverfahren nach dem Schweizerischen Bundesgesetz über Schuldbeitreibung und Konkurs (SchKG) anhängig war, das der Schuldensanierung dient. Im Rahmen dieses Nachlassverfahrens war der N AG durch gerichtlichen Beschluss im Oktober 2010 eine Nachlassstundung gewährt worden, die die Wirkung einer Vollstreckungs- und Verwertungssperre hatte.
17Zwischen den Prozessbevollmächtigten des Klägers und dem Beklagten zu 1 wurde daraufhin korrespondiert, ob dessen Anwaltskanzlei nicht auch für die vertretenen Geschädigten der N AG im Nachlassverfahren tätig werden könnte.
18Für eine entsprechende Mandatserteilung setzte der Beklagte zu 1 am 03.01.2011 ein an „die geschädigten Kunden der N AG“ gerichtetes Anschreiben auf, in dem es u.a. hieß (Anl. K16):
19N im Nachlassverfahren – Sicherstellen der eigenen Forderungen
20Sehr geehrte Damen und Herren,
21Wir sind eine in A ansässige Anwaltskanzlei, welche mit der Kanzlei H seit Jahren gemeinsam geschädigte Anleger der N AG vertritt.
22… Für Sie ist es somit sehr wichtig, dass Ihre Forderung rechtsgenüglich angemeldet und zugelassen wird. … Es ist nämlich notwendig, dass die Gläubiger die Forderungen korrekt eingeben und über eine Zustelladresse in der Schweiz verfügen. Ebenfalls wichtig ist die Sicherstellung und Vertretung ihrer Interessen an den Gläubigerversammlungen.
23Aus diesen Gründen hat die Kanzlei H uns angefragt, ob wir dies für ihre Mandanten – so wie wir dies bereits für unsere Mandanten tun – machen könnten.
24Wir sind uns sehr wohl bewusst, dass viele von Ihnen keine unnötigen Kosten mehr bezahlen möchten und bieten Ihnen darum eine summarische Prüfung Ihrer Forderung, die Eingabe im Nachlassverfahren sowie die Vertretung Ihrer Interessen in den Gläubigerversammlungen für einen Pauschalpreis von EUR 150.— an. Infolge des grenzüberschreitenden Charakters der Dienstleistungen fällt keine schweizerische MwSt. an. (…)
25Es würde uns freuen, Sie zu unseren geschätzten Mandanten zählen und Ihre Forderungen im Nachlassverfahren geltend machen zu dürfen.
26Des Weiteren verwendete der Beklagte zu 1 für die erwünschte Mandatierung einen Auftragsvordruck, der auszugsweise folgenden Inhalt hatte:
27AUFTRAG
28Rechtsanwalt
29Lic.iur. U
30Lic.iur. U
31…
32U, L-Strasse, CH-xxxx A
33wird/werden in Sachen eigene
34betreffend Nachlassstundung N Vermögensverwaltungs AG
35insbesondere folgende Angelegenheiten übertragen:
36- Forderungseingabe in das Nachlassverfahren
37- Vertretung an den Gläubigerversammlungen
38- darüber hinausgehende rechtliche Beratungen und individualisierte Dienstleistungen werden nur nach vorgängiger Rücksprache und ausdrücklicher Mandatierung … erbracht
39Pauschal-Honorar für Forderungseingabe sowie Vertretung an Gläubigerversammlungen
40Das Honorar (exklusive MwSt) beträgt EUR 150,--.
41Gerichtsstand und anwendbares Recht
42Für die Erledigung von Streitigkeiten aus diesem Auftragsverhältnis werden die ordentlichen Gerichte des Kantons A als zuständig anerkannt. Ausschliesslicher Gerichtsstand ist der Geschäftssitz des Beauftragten. Das schweizerische Recht, insbesondere die Artikel 394ff des Schweizerischen Obligationenrechts über den Auftrag, ist anwendbar.
43Der Beklagte zu 1 leitete das Anschreiben nebst Auftragsformular per Email vom 03.01.2011 an die Prozessbevollmächtigten des Klägers weiter (Anl. K25). Die Prozessbevollmächtigten übersandten diese Unterlagen wiederum verbunden mit einer eigenen Empfehlung zur entsprechenden Auftragserteilung an ihre betroffenen Mandanten, so auch an den Kläger.
44Am 08.01.2011 unterzeichnete der Kläger den vom Beklagten zu 1 vorbereiteten Anwaltsauftrag nebst Vollmacht und machte zusätzliche Angaben, dass sich seine Forderungen gegen die N AG auf Kapitalrückzahlung und Ersatz entgangenen Gewinns auf insgesamt 20.374,30 EUR belaufe.
45Diese Forderung wurde sodann seitens des Beklagten zu 1 im Namen des Klägers im schweizerischen Nachlassverfahren angemeldet.
46Im Rahmen des Nachlassverfahrens wurde am 07.11.2011 ein Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung abgeschlossen, durch den die Gläubiger der N AG gem. Art. 317ff SchKG das Verfügungsrecht über deren gesamtes Vermögen erhielten.
47Der hiesige Beklagte zu 1 erklärte die für den Kläger verbindliche Zustimmung zu dem Nachlassvertrag.
48In dem vor dem Landgericht Münster anhängigen Rechtsstreit wurde angenommen, dass wegen des Nachlassverfahrens bezüglich der N AG eine Unterbrechung i.S.d. § 240 ZPO eingetreten sei. Deshalb wurde hinsichtlich der N AG als dortiger Beklagter zu 1 eine Prozesstrennung angeordnet.
49Hinsichtlich der verbliebenen Beklagten J, G und G2 wies das Landgericht Münster die Klage mit Urteil vom 22.03.2012 als unbegründet ab. Dem Kläger würden gegen die verbliebenen Beklagten keine Schadensersatzansprüche zustehen, weil solche Ansprüche durch die im Namen des Klägers erklärte Zustimmung zum Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung nach Art. 303 Abs. 2 SchKG erloschen seien.
50Dort ist Folgendes geregelt:
51
G. Rechte gegen Mitverpflichtete |
|
1 |
Ein Gläubiger, welcher dem Nachlassvertrag nicht zugestimmt hat, wahrt sämtliche Rechte gegen Mitschuldner, Bürgen und Gewährspflichtige (Art. 216). |
2 |
Ein Gläubiger, welcher dem Nachlassvertrag zugestimmt hat, wahrt seine Rechte gegen die genannten Personen, sofern er ihnen mindestens zehn Tage vor der Gläubigerversammlung deren Ort und Zeit mitgeteilt und ihnen die Abtretung seiner Forderung gegen Zahlung angeboten hat (Art. 114, 147, 501 OR). |
Die vom Kläger eingelegte Berufung wurde durch Urteil des 34. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 07.11.2013 (34 U 96/12) zurückgewiesen. Der Senat bestätigte die Einschätzung des Landgerichts, dass etwaige Ansprüche nach Art. 303 Abs. 2 SchKG erloschen seien. Dabei vertrat der Senat im Anschluss an ein von Prof. Dr. N2 für mehrere Parallelverfahren erstelltes Rechtsgutachten die Auffassung, dass der wegen der unterbliebenen Mitteilung eingetretene Anspruchsausschluss sich auch auf etwaige deliktische Ansprüche beziehe.
53Der Kläger macht sich im jetzigen Regressprozess diese Rechtsauffassung zu eigen und wirft dem Beklagten zu 1 eine anwaltliche Pflichtverletzung in dem Sinne vor, dass von ihm nichts im Hinblick auf eine rechtswahrende Mitteilung der Gläubiger-versammlung an die Schuldner J, G und G2 veranlasst worden sei. Wäre diese anwaltliche Pflicht nicht verletzt worden, dann wäre - so der Kläger - der Vorprozess für ihn erfolgreich ausgegangen. Statt dessen sei ihm folgender Gesamtschaden entstanden, den die Beklagten ersetzen müssten:
54 nicht zugesprochene Schadensbeträge
55Kapitalverlust 55.485,84 EUR
56entgangener Gewinn 5.351,33 EUR
57außergerichtliche Anwaltskosten 2.429,27 EUR
5863.266,44 EUR
59 im Vorprozess angefallene Kosten 11.301,11 EUR
60 weitere zu befürchtende Kostenfestsetzung 16.319,60 EUR
61Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dass für die gegen die schweizerischen Rechtsanwälte gerichtete Regressklage die Zuständigkeit der deutschen Gerichte aus Art. 15 u. 16 LugÜ II gegeben sei. Er habe den Anwaltsdienstvertrag als Verbraucher abgeschlossen und könne die Klage im Staat seines Wohnsitzes erheben. Die Beklagten hätten ihre berufliche Tätigkeit i.S.d. Art. 15 Abs. 1 lit. c LugÜ II auch auf Deutschland ausgerichtet. Diese internationale Ausrichtung folge zum einen aus dem Inhalt der Website der Beklagten und aus der erfolgten Übersendung des Auftragsformulars nach Deutschland.
62Der Kläger hat beantragt,
631. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 63.266,44 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen
642. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 11.301,11 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen
653. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihn in Höhe von etwa 16.319,60 EUR von Kostenerstattungsansprüchen der ehemaligen Beklagten J, G2 und G freizustellen.
66Die Beklagten haben beantragt,
67die Klage abzuweisen.
68Sie haben vorrangig die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts gerügt. Zuständig sei laut getroffener Vereinbarung ausschließlich die Gerichtsbarkeit im Kanton A. Die Zuständigkeit deutscher Gerichte sei auch nicht nach Art. 15 LugÜ II gegeben. Zum einen sei der Kläger nicht als Verbraucher anzusehen. Das seinerzeit eingezahlte – vermutlich unversteuerte – Kapital stamme aus der gewerblichen Tätigkeit des Klägers. Es liege auch kein „Ausrichten“ ihrer Anwaltstätigkeit nach Deutschland vor. Vielmehr sei die Anfrage für ihr Tätigwerden von den Prozessbevollmächtigten des Klägers ausgegangen. Auch aus den Angaben auf ihrer Homepage könne kein Ausrichten im Rechtssinne geschlussfolgert werden, denn die Regelung in Art. 15 Abs. 1 lit. c LugÜ II beziehe sich inhaltlich nur auf (interaktive) Websites, die den Vertragsschluss im Fernabsatz anbieten.
69Das Landgericht hat die Klage mit Prozessurteil vom 09.09.2015 für unzulässig erachtet. Zur Begründung hat es Folgendes ausgeführt:
70Es fehle an der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte. Es sei nicht ersichtlich, dass die Beklagten ihre berufliche/gewerbliche Tätigkeit auf Deutschland ausgerichtet hätten. Das folge zum einen nicht aus dem internetauftritt der Beklagten, denn damit würden nur inländische Anwaltstätigkeiten vor schweizerischen Gerichten angeboten. Auch das Übersenden der Vertragsunterlagen könne nicht als Ausrichten angesehen werden. Es sei so gewesen, dass die Beklagten auf Veranlassung der Prozessbevollmächtigten des Klägers tätig geworden seien. Zwischen dem Kläger und den Beklagten habe nie ein Kontakt bestanden. Auch das Begrüßungsschreiben vom 03.01.2011 stelle keine werbende Maßnahme dar, denn es sei nicht ad incertas personas, sondern an einen konkret abgrenzbaren Personenkreis gerichtet gewesen. Damit sei auch nur das Geschäftsmodell umgesetzt worden, das die Prozessbevollmächtigten des Klägers mit den Beklagten ausgehandelt hätten.
71Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er rügt, dass das Landgericht die internationale Zuständigkeit rechtsfehlerhaft verneint habe. Entgegen der Einschätzung des Landgerichts hätten die Beklagten ihre anwaltliche Tätigkeit auch auf Deutschland ausgerichtet, dadurch dass am 03.01.2011 die Übersendung des Werbeschreibens und der Vertragsunterlagen veranlasst worden sei. Selbst wenn man davon ausgehe, dass seine – des Klägers – Prozessbevollmächtigten an die Beklagten mit der Bitte um Vertretung im Nachlassverfahren herangetreten seien, hindere dies nicht, von einem den Beklagten zuzurechnenden Ausrichten auszugehen. Nach dem Urteil VI ZR 70/10 des Bundesgerichtshofs vom 06.03.2012 brauche die Initiative zur Unterbreitung des Angebots nicht vom Unternehmer auszugehen. Im Übrigen sei seinerzeit auch unklar gewesen, ob der Kläger das Angebot der Beklagten überhaupt annehmen würde. Soweit das Landgericht ausgeführt habe, dass sich das Werbeschreiben nicht an einen unbestimmten Personenkreis gewendet habe, komme es auf ein solches Erfordernis nach der Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs gar nicht an.
72Unabhängig davon genüge aber ohnehin bereits der Inhalt des Internetauftritts der Beklagten dem erforderlichen Ausrichten der Anwaltstätigkeit auch nach Deutschland. Die Beklagten hätten darin im Ausland residierenden Verbrauchern angeboten, für sie in der Schweiz tätig zu werden. Dafür sei auf verschiedene Korrespondenzsprachen verwiesen worden.
73Zur Begründetheit der Regressklage verweist der Kläger auf seinen erstinstanzlichen Vortrag.
74Er beantragt,
75das landgerichtliche Urteil abzuändern und
761. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 63.266,44 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen
772. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn weitere 11.301,11 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen
783. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, ihn von Kostenerstattungsansprüchen der Herren G, J und I-Q in Höhe von 16.319,60 EUR freizustellen.
79Die Beklagten beantragen,
80die Berufung zurückzuweisen
81hilfsweise für den Fall, dass der Senat das Vorliegen der Sachent-scheidungsvoraussetzungen annimmt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Landgericht Münster zurückzuverweisen.
82Sie bekräftigen das landgerichtliche Urteil mit näheren Ausführungen. Das Landgericht sei hinsichtlich eines etwaigen Ausrichtens der Anwaltstätigkeit zutreffend davon ausgegangen, dass dafür vor dem möglichen Vertragsschluss bereits Anhaltspunkte hätten vorliegen müssen, dass der Gewerbetreibende Geschäfte mit Verbrauchern in anderen Mitgliedstaaten tätigen wollte. Die entsprechenden Voraussetzungen seien aber nicht erfüllt, weil sie – die Beklagten – sich mit ihrem Internetauftritt nur an Bewohner der Schweiz gewandt hätten. Das Übersenden der Vertragsunterlagen habe nichts anderes als bloßes doing business dargestellt, das die Prozessbevollmächtigten des Klägers durch ihre entsprechende Anfrage veranlasst hätten. Im Übrigen sei auch zu bestreiten, dass der Kläger überhaupt als Verbraucher i.S.d. Art. 15 u. 16 LugÜ II anzusehen gewesen sei.
83Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt des angefochtenen Urteils und die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Der Senat hat den Kläger zudem in der Senatssitzung persönlich angehört mit dem aus dem Berichterstattervermerk vom gleichen Tag ersichtlichen Inhalt.
84II.
85Die Berufung des Klägers ist begründet.
86Das Landgericht hat zu Unrecht seine internationale Zuständigkeit verneint, denn für die vom Kläger erhobene Regressklage ist die deutsche Gerichtsbarkeit nach den Regelungen des Luganer Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 30.10.2007 (LugÜ II) eröffnet.
87Die im Jahre 2014 erhobene Anwaltshaftungsklage fällt als Zivilsache in den Anwendungsbereich des Art. 1 Abs. 1 S. 1 LugÜ II, das am 01.01.2010 in der EU und am 01.01.2011 in der Schweiz in Kraft getreten ist.
88Innerhalb des Luganer Übereinkommens sind für den Streitfall die besonderen Regelungen über die Zuständigkeiten bei Verbrauchersachen einschlägig (Art. 15ff LugÜ II).
891.
90Nach Art. 16 Abs. 1 LugÜ II konnte der Kläger die Regressklage vor dem Gericht des Ortes erheben, an dem er seinen Wohnsitz hat, hier also vor dem für N2 zuständigen Landgericht Münster.
91Diese Zuständigkeit ergibt sich aus Art. 15 Abs. 1 lit. c) Alt. 2 LugÜ II, denn die Parteien streiten über Ansprüche aus einem Vertrag,
92(a)) den der Kläger als Verbraucher zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht seiner beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugeordnet werden kann, und
93(b)) der in den Bereich der beruflichen bzw. gewerblichen Tätigkeit der Beklagten fällt, die diese Tätigkeit als in der Schweiz ansässige Vertragspartner „auf irgendeinem Wege“ auf mehrere andere Staaten – u.a. auch auf Deutschland – „ausgerichtet“ haben.
94a) Der Kläger ist im zuständigkeitsrechtlichen Sinne als Verbraucher anzusehen.
95Der Kläger begründet den geltend gemachten Schadensersatzanspruch damit, dass der Beklagte zu 1 den am 08.01.2011 erteilten Auftrag, in dem schweizerischen Nachlassverfahren für ihn tätig zu werden, pflichtwidrig ausgeführt habe.
96Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass dieser Auftrag vom Kläger als Verbraucher erteilt wurde, liegt beim Kläger, denn er ist es, der sich auf die für ihn vorteilhafte Zuständigkeitsregelung beruft (BGH NJW 2012, 1817).
97Dabei ist für die Auslegung des Begriffs „Verbraucher“ im Rahmen des Luganer Übereinkommens von den gleichen Grundsätze auszugehen, die für die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO 2001) gelten, an deren Stelle inzwischen die Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 (EuGVVO 2012) getreten ist (BGH ZIP 2014, 1997).
98Dementsprechend kann der Verbraucherbegriff im Einzelfall enger zu verstehen sein als die nationale Regelung in § 13 BGB (BGH NJW 2012, 1817).
99Der Verbraucherbegriff in den Regelungen über die internationale Zuständigkeit stellt darauf ab, ob eine Einzelperson zur Deckung ihres Eigenbedarfs beim privaten Verbrauch einen Vertrag schließt, der nicht in Bezug zu einer gegenwärtigen oder zukünftigen beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit steht. Dabei ist der Begriff des Verbrauchers restriktiv, insbesondere nach der objektiven Stellung dieser Person innerhalb des konkreten Vertrages in Verbindung mit dessen Natur und Zielsetzung, auszulegen und nicht nach dem inneren Willen dieser Person zu bestimmen (BGH NJW 2012, 1817; Gottwald, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Aufl. 2013, EuGVO Art. 15 Rnr. 2).
100Bei Anwendung dieser Grundsätze hat der Kläger den an die (Anwälte der) Sozietät U gerichteten Auftrag als Verbraucher erteilt:
101aa) Bereits nach der objektiven Stellung des Klägers im Rahmen des erteilten Anwaltsauftrags war er als Privatperson anzusehen, ohne dass sich ein Bezug zu seiner beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit ergab. Das vom Kläger am 08.01.2011 ausgefüllte und mit „K. U3“ unterzeichnete Auftragsformular enthielt keine äußeren Anhaltspunkte dafür, dass die Rechtsanwälte im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Architekt beauftragt werden sollten. Insbesondere wurde vom Kläger keine gewerblich anmutende Email-Adresse oder sonst ein Hinweis auf seine Tätigkeit als Architekt angegeben, die er ohnehin nur in einem begrenzten Umfang neben seiner hauptberuflichen Tätigkeit als beamteter Feuerwehrmann ausführte.
102bb) Auch die Natur und Zielsetzung der vom Kläger gewünschten Anwaltstätigkeit im Nachlassverfahren wies keinen Bezug zu seiner Nebentätigkeit als Architekt auf.
103Dem Kläger ging es bei der Mandatserteilung vielmehr darum, das von ihm an die N AG gezahlte Kapital und den entgangenen Gewinn im Wege des Schadensersatzes wiederzuerlangen.
104Dabei ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, dass ein Kapitalanleger, der den pflichtwidrig agierenden Vermögensverwaltung auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch nehmen will, als Verbraucher i.S.d. Luganer Übereinkommens anzusehen ist, wenn es sich um die Anlage und Verwaltung seines privaten Vermögens handelt (BGH NJW 2011, 2809; BGH WM 2012, 852).
105Diese Zielsetzung ist dann auch für die Beurteilung der Verbrauchereigenschaft ausschlaggebend, wenn der Kapitalanleger – wie der Kläger – einen Rechtsanwalt mit der Verfolgung von Ansprüchen aus der gescheiterten Kapitalanlage beauftragt (OLG Frankfurt, Urt. 2 U 136/15 vom 05.02.2016 (S. 11); OLG München, Urt. 15 U 2342/15 vom 16.03.2016 (S. 8).
106Der Kläger hat bei seiner Anhörung vor dem Senat zu den Hintergründen der damaligen Kapitalanlage glaubhaft ausgeführt, dass das angelegte Kapital aus einem Bausparvertrag gestammt habe. Außerdem hätten er und seine Ehefrau jeden Monat 1.000,00 EUR gespart und dieses Geld in der Schweiz anlegen wollen. Auf Grundlage dieser Angaben war das angelegte Kapital privater Herkunft, zumal sich die Nebeneinkünfte des Klägers aus der Abwicklung des Architekturbüros seines Schwiegervaters ohnehin nur auf 5.000,00 EUR belaufen durften.
107Aber selbst wenn man dem - durch Schriftsatz vom 03.05.2016 vertieften - Einwand der Beklagten folgen und davon ausgehen wollte, dass das angelegte Kapital doch überwiegend aus Mitteln aufgebracht wurde, die der Kläger als Freiberufler erwirtschaftet hatte, wäre dies für die Beurteilung der Verbrauchereigenschaft ohne Belang. Ebenso wenig kommt es auf die von den Beklagten aufgestellte Behauptung an, die Kunden der N AG hätten einen Bargeldtransfer in die Schweiz vorgenommen, um Steuern zu hinterziehen.
108Für die Feststellung der Verbrauchereigenschaft kommt es nicht darauf an, wo das investierte Kapital herrührt. Denn würde man dieses von den Beklagten in den Vordergrund gerückte Kriterium für maßgeblich erachten, wäre es für einen selbstständigen Unternehmer niemals möglich, die aus seiner selbstständigen beruflichen Tätigkeit erwirtschafteten Einnahmen für private Zwecke zu verwenden, z.B. für die Anschaffung eines privaten Kraftfahrzeugs oder für die private Altersvorsorge.
109Ein solches Rechtsverständnis lässt sich aber nicht mit dem Wortlaut des Art. 15 Abs. 1 LugÜ II vereinbaren, nach dem nicht auf die Herkunft der für die Vertragsdurchführung verwendeten Finanzmittel abzustellen ist, sondern auf denZweck des Vertragsschlusses.
110Der Zweck einer Kapitalanlage kann aber durchaus privater Natur sein, selbst wenn das angelegte Kapital - was nicht selten der Fall sein wird - aus der selbständigen Berufstätigkeit des Anlegers herrührt.
111Zu dem mit der Kapitalanlage verfolgten Zweck hat der Kläger bei seiner Anhörung vor dem Senat ausgeführt, dass er die vorgenommenen Einzahlungen nach Ende der Laufzeit für seine Altersvorsorge verwenden wollte. Diese Darstellung hält der Senat für glaubhaft, denn auch die vom Kläger vorgelegten Vertragsunterlagen belegen eine solche private Zielsetzung. Aus ihnen ergibt sich, dass der Kläger den Anlageauftrag an die N AG ohne Bezug zu seiner Nebentätigkeit als Architekt, sondern als Privatperson erteilt hat. Der Kläger wurde im Rahmen der abgeschlossenen Lebensversicherung zu gesundheitlichen Problemen befragt; dabei wurde auf seine Dienstfähigkeit als feuerwehrtechnischer Beamter abgestellt. Und im Nachhinein beglückwünschte die N AG den Kläger dazu, einen wichtigen Schritt für seine „private Vermögensbildung“ getan zu haben (Anl. K 13).
112Der Inhalt der Vertragsunterlagen ist als solcher unstreitig; er stimmt auch in den von mehrerer Regressklägern parallel geführten Rechtsstreitigkeiten jeweils überein. Daraus ergibt sich der Gesamteindruck, dass das von der N AG angebotene „Schweizer Vermögensaufbauprogramm“ bzw. das „Schweizer Sicherheitspaket für den Mittelstand“ durch eine Kombination von Vermögensverwaltungs- und Lebens-versicherungsverträgen der privaten Vorsorge mittelständischer Unternehmer und selbstständiger Freiberufler dienen sollte. Anhaltspunkte dafür, dass das nach dem Willen der Anleger über Jahrzehnte hinweg einzuzahlende Kapital letztlich (wieder) einem Betriebsvermögen zugeführt werden sollte, liegen nicht vor und sind auch nicht plausibel. Das gilt im Übrigen auch und gerade dann, wenn die Behauptung der Beklagten zuträfe, es habe sich um „Schwarzgeld“ gehandelt.
113Vor dem Hintergrund der privaten Zielsetzung der Kapitalanlage war es auch folgerichtig, dass sowohl bei der damaligen Prozessführung vor dem Landgericht Siegen als auch bei der Anmeldung der Forderung im Nachlassverfahren als Forderungsinhaber nicht etwa ein betriebliches Sondervermögen angegeben wurde, sondern der Kläger als Privatperson.
114Für die Verbrauchereigenschaft des Klägers bei Vergabe des Anwaltsauftrags kommt es – entgegen der Darstellung der Beklagten – auch nicht darauf an, dass die eigentliche Kontaktaufnahme zu dem Beklagten zu 1 über die Prozessbevollmächtigten des Klägers erfolgte und dass die Mandatierung der schweizerischen Rechtsanwälte von den deutschen Prozessbevollmächtigten eigens empfohlen wurde.
115Die Anbahnung des erteilten Anwaltsauftrags ist hier mit der Konstellation vergleichbar, dass ein privater Kapitalanleger eine bestimmte Anlageform nicht aus eigener Initiative, sondern durch Hinweis eines langjährigen Vermögensberaters abschließt. Eine solche Zwischenschaltung eines Beraters führt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ebenfalls nicht zur Verneinung der Verbrauchereigenschaft des Kapitalanlegers (BGH NJW 2011, 2809; BGH NJW 2012, 455).
116Diese rechtliche Einschätzung ändert sich auch nicht durch die jetzige Behauptung der Beklagten, die Unterschrift des Klägers auf dem Auftragsformular sei ohnehin nur reine Formsache gewesen. Nach der damaligen Handhabung war es gerade nicht so, dass der Beklagte zu 1 sich damit begnügt hätte, sich von den Prozessbevollmächtigten des Klägers eine (Unter-) Vollmacht für die Forderungsanmeldung im Nachlassverfahren erteilen zu lassen. Der Beklagte zu 1 hat es vielmehr für notwendig erachtet, am 03.01.2011 ein Rundschreiben an die potentiellen Mandanten aufzusetzen und deren Unterschrift auf dem Auftragsformular einzuholen. Diese Vorgehensweise belegt, dass es für ihn sehr wohl auf eine eigene Willensbildung der deutschen Mandanten über den zusätzlichen Abschluss eines Anwaltsvertrages mit den beklagten Rechtsanwälten ankam. Die Verbrauchereigenschaft der deutschen Mandanten ging also durch die organisatorische Zwischenschaltung der jetzigen Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht verloren, sondern die Mandanten traten sowohl ihren deutschen als auch ihren neuen schweizerischen Anwälten als Verbraucher gegenüber.
117b) Der vom Kläger als Verbraucher abgeschlossene Anwaltsvertrag fiel in die berufliche Tätigkeit der Beklagten, die diese Tätigkeit nicht nur auf die Schweiz, sondern auch auf mehrere andere Staaten – u.a. auf Deutschland – ausgerichtet hatten.
118aa) Der Kläger hat am 08.01.2011 zwar nur den Beklagten zu 1 und 2 einen Anwaltsauftrag erteilt, während die Beklagte zu 3 erst am 17.06.2011 gegründet wurde. Sie ist deshalb nicht im eigentlichen Sinne „Vertragspartner“ des Klägers gewesen. Dieser Umstand führt aber nicht zu einem Auseinanderfallen der Gerichtsstände hinsichtlich der Beklagten zu 1 und 2 einerseits und der Beklagten zu 3 andererseits (OLG München, Urt. 15 U 2342/15 v. 16.03.2016 (S. 21f)).
119Nach dem Vortrag des Klägers soll zunächst ein vertraglicher Haftungsanspruch gegenüber der zwischen den Beklagten zu 1 und 2 bestehenden „einfachen Gesellschaft“ bestanden haben. Diese Verbindlichkeit soll die Beklagte zu 3 durch ihren Gründungsvertrag vom 17.06.2011 sowie durch den Sacheinlage- und Sachübernahmevertrag vom gleichen Tag übernommen haben.
120Eine solche Haftungsübernahme kann aber nicht dazu führen, dass ein vormals vertraglicher Anspruch seinen Rechtscharakter ändert und dem Verbraucher dadurch der für ihn günstige Wohnsitzgerichtsstand entzogen wird. Vielmehr muss die im Luganer Übereinkommen verwendete Begrifflichkeit „Ansprüche aus Vertrag“ im Falle der Rechtsnachfolge auf Schuldnerseite auch auf die akzessorische Haftung des neuen Schuldners ausgedehnt werden. Dafür spricht auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, nach der die Zuständigkeit in Verbrauchersachen nicht auf vertragliche Ansprüche im eigentlichen Sinne beschränkt ist, sondern auch konkurrierende nichtvertragliche Ansprüche umfasst, solange diese mit den vertraglichen Ansprüchen in einer so engen Verbindung stehen, dass sie von diesen nicht getrennt werden können (BGH NJW 2011, 2809; Geimer, in: Zöller ZPO, 31. Aufl. 2016, EuGVVO Art. 17 Rnr. 17 m.w.N.).
121bb) Entgegen dem Vortrag der Beklagten scheidet eine Zuständigkeit der deutschen Gerichte im Rahmen des Art. 15 LugÜ II auch nicht deshalb aus, weil die von Beklagtenseite verlangte Anwaltstätigkeit von vornherein nicht in Deutschland erbracht werden sollte, sondern sich auf ein Tätigwerden im schweizerischen Nachlassverfahren beschränkte.
122Der Erfüllungsort der geschuldeten vertraglichen Leistung mag für die Regelung des Art. 15 Abs. 1 lit. c Alt. 1 LugÜ II maßgeblich sein, weil es dort heißt „wenn der Vertragspartner in dem … Staat, in dessen Hoheitsgebeiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt“. Auf diesen Regelungsgehalt kommt es aber für Art. 15 Abs. 1 lit. c Alt. 2 LugÜ II nicht an, weil dafür allein ausschlaggebend ist, auf welchen Staat der Vertragspartner seine Tätigkeit „ausrichtet“.
123Es gehört nicht zu den konstitutiven Merkmalen des „Ausrichtens“ auf einen anderen Staat, dass die vertragliche Leistung aus Sicht des Verpflichteten im Ausland erbracht wird. Vielmehr wurde in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wiederholt über ein „Ausrichten“ auf einen anderen Staat entschieden, obwohl die Vertragsleistungen des in Deutschland ansässigen Unternehmens in Deutschland erbracht werden sollten, so beim gewerblichen Vermieten von Wohnmobilen (BGH WM 2013, 1234) und beim Vermitteln von Grundstücken (BGH NJW 2015, 2339).
124cc) Zu der Auslegung des Begriffs „Ausrichten auf einen anderen Staat“ hat der Europäische Gerichtshof bezüglich der gleichlautenden Regelung in Art. 15 Abs. 1 c der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 Folgendes ausgeführt (EuGH NJW 2011, 505):
12561. Der Wortlaut des Art. 15 Abs. 1 Buchst. c ist dahin zu verstehen, dass er die früheren Begriffe des „ausdrücklichen“ Angebots und der „Werbung“ einschließt und ersetzt und, wie die Worte „auf irgendeinem Wege“ deutlich machen, ein breiteres Spektrum von Tätigkeiten erfasst.
12675. Daraus ist zu folgern, dass für die Anwendbarkeit des Art. 15 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 44/2001 der Gewerbetreibende seinen Willen zum Ausdruck gebracht haben muss, Geschäftsbeziehungen zu Verbrauchern eines oder mehrerer anderer Mitgliedstaaten, darunter des Wohnsitzmitgliedstaats des Verbrauchers, herzustellen.
12780. Zu den Anhaltspunkten, anhand deren sich feststellen lässt, ob eine Tätigkeit auf den Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers „ausgerichtet“ ist, gehören alle offenkundigen Ausdrucksformen des Willens, Verbraucher in diesem Mitgliedstaat als Kunden zu gewinnen.
12883. Weitere Anhaltspunkte sind, möglicherweise miteinander kombiniert, geeignet, das Bestehen einer auf den Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers „ausgerichteten“ Tätigkeit zu belegen. In Verfahren wie den Ausgangsrechtsstreitigkeiten sind die folgenden Merkmale, die vor dem Gerichtshof geltend gemacht worden sind und deren Aufzählung nicht erschöpfend ist, unter dem Vorbehalt, dass der nationale Richter ihr Vorliegen feststellt, als Anhaltspunkte für eine Tätigkeit anzusehen, die auf einen oder mehrere andere Mitgliedstaaten im Sinne von Art. 15 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 44/2001 „ausgerichtet“ ist. Hierbei handelt es sich um den internationalen Charakter der fraglichen Tätigkeit, wie bestimmter touristischer Tätigkeiten, die Angabe von Telefonnummern mit internationaler Vorwahl, die Verwendung eines anderen Domänennamens oberster Stufe als den des Mitgliedstaats, in dem der Gewerbetreibende niedergelassen ist, z. B. „.de“, oder die Verwendung von neutralen Domänennamen oberster Stufe wie „.com“ oder „.eu“, Anfahrtsbe-schreibungen von einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten aus zum Ort der Dienstleistung oder die Erwähnung einer internationalen Kundschaft, die sich aus in verschiedenen Mitgliedstaaten wohnhaften Kunden zusammensetzt, insbesondere durch die Wiedergabe von Kundenbewertungen.
129Auch nach der zu Art. 15 Abs. 1 c EuGVVO ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt es für ein „Ausrichten“ darauf an, ob ein Gewerbetreibender seinen Willen zum Ausdruck gebracht hat, Geschäftsbeziehungen zu Verbrauchern (auch) im Wohnsitzmitgliedsstaat des Verbrauchers herzustellen; also zum Vertragsschluss mit diesen bereit zu sein (BGH NJW 2012, 455; BGH NJW 2015, 2339).
130Die auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers ausgerichtete Tätigkeit des Unternehmers soll den späteren Vertragsschluss durch eine auf den Gewinn von Kunden gerichtete Handlung zumindest motiviert haben müssen (BGH NJW 2012, 1817). Dabei soll es darauf ankommen, dass der Gewerbetreibende bereits vor dem Vertragsschluss seinen Willen zum Ausdruck gebracht hat, Geschäftsbeziehungen zu Verbrauchern (auch) im Wohnsitzstaat des Verbrauchers herzustellen, also zu einem Vertragsschluss mit diesen bereit zu sein (a.a.O.).
131dd) Ausgehend von diesen Grundsätzen haben die Beklagten ihre Anwaltstätigkeit im hier maßgeblichen Zeitraum (Ende 2005 / Anfang 2006) auch auf Mandanten ausgerichtet, die als Verbraucher in Deutschland ansässig waren.
132(1) Bereits die wirtschaftliche Ausgangslage spricht dafür, dass die beklagten Rechtsanwälte bei ihrer auf Gewinnerzielung ausgerichteten Anwaltstätigkeit den potentiellen Markt deutscher Mandanten nicht unnötig ausklammern wollten, zumal sich bei deutschen Auftraggebern von vornherein keine sprachlichen Barrieren ergaben.
133Die Beklagten zu 1 und 2 verstanden sich als wirtschaftsrechtlich tätige Rechtsanwälte, die - wie es in den Statuten der später gegründeten Beklagten zu 3 heißt - „Rechtsdienstleistungen im In- und Ausland“ erbringen wollten.
134Der Beklagte zu 1 war außerdem im Komplex der gescheiterten Vermögensverwaltung der N AG bereits in der Vergangenheit für in Deutschland ansässige Geschädigte tätig geworden, als es um die Durchsetzung titulierter Forderungen ging. Es spricht - gerade auch vor dem Hintergrund der vielen mittlerweile anhängigen Rechtsstreitigkeiten - nichts für die Annahme, dass er einem Tätigwerden im Nachlassverfahren ablehnend gegenüberstand.
135(2) Diese bereits vor der eigentlichen Auftragserteilung bestehende Bereitschaft der beklagten Rechtsanwälte, sich Mandate aus Deutschland erteilen zu lassen, wurde auch – wie es der Europäische Gerichtshof verlangt - nach außen hin zum Ausdruck gebracht.
136(a) Die Kundgabe der internationalen Ausrichtung der Anwaltstätigkeit ging zum einen aus dem Internetauftritt der Beklagten hervor.
137Zu der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Internetauftritt eines Unternehmens ein Ausrichten auf einen anderen Staat bedeuten kann, wurde hinsichtlich der Regelung in Art. 15 EuGVVO vom Europäischen Rat und von der Kommission die Auffassung vertreten, für ein Ausrichten der Tätigkeit auf andere Staaten genüge nicht die bloße Zugänglichkeit einer (passiven) Website; vielmehr sei erforderlich, das diese Website auch zum Vertragsschluss auffordere und dass tatsächlich ein Vertragsschluss im Fernabsatz erfolge - mit welchen Mitteln auch immer (Wagner, in: Stein/Jonas ZPO, 22. Aufl. 2011, EuGVVO Art. 15 Rnr. 46).
138Dieser restriktiven Auslegung ist der Europäische Gerichtshof indessen vor dem Hintergrund nicht gefolgt, dass das Ausrichten nach der Formulierung in der Verordnung ohne inhaltliche Einschränkung „auf irgendeinem Wege“ erfolgen kann. Deshalb hat der Europäische Gerichtshof klargestellt, dass es auf eine Differenzierung zwischen aktiven und passiven Websites nicht ankomme (EuGH NJW 2011, 505).
139Auch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist ein Vertragsabschluss gerade im Wege des Fernabsatzes nicht erforderlich. Vielmehr kann auch die bloße Verwendung einer passiven Website nach den Gesamtumständen ein Ausrichten auf eine im Ausland ansässige Kundschaft bedeuten, z.B. bei einem Hinweis auf Fremdsprachenkenntnisse und bei einer grenzüberschreitenden Anfahrtsskizze (BGH ZIP 2013, 1141).
140Durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist zudem klargestellt, dass der Inhalt der Website für den Vertragsschluss nicht ursächlich geworden sein muss (EuGH NJW 2013, 3504). Es kommt vielmehr auf die allgemein zugängliche Außendarstellung im Sinne eines werbenden Auftretens an.
141Diese Außendarstellung der Beklagten über das Internet hatte nach dem Klägervortrag bereits vor Januar 2011 den aus Anl. K17 ersichtlichen Inhalt, in dem es u.a. hieß:
142U vertritt natürliche Personen und Unternehmungen aus der Schweiz und dem Ausland
143Dies wird von den Beklagten nicht in Abrede gestellt, sondern es wird lediglich ausgeführt, diese auf der Homepage veröffentlichte Aussage sei einschränkend so zu verstehen, dass nur in der Schweiz lebende Personen - nämlich Schweizer und Nicht-Schweizer - hätten angesprochen werden sollen.
144Eine solche Auslegung der Internetangaben entspricht aber nicht der Sicht eines verständigen Erklärungsempfängers. Für diesen ergibt sich vielmehr aus mehreren anderen Inhalten der Website der Eindruck, dass generell die Bereitschaft der Rechtsanwälte bestehe, ausländische Mandanten zu vertreten, auch wenn sie aktuell nicht in der Schweiz leben oder ansässig sind.
145So wurde von den Beklagten seinerzeit ohne Einschränkungen bezüglich des Wohn- oder Geschäftssitzes des potentiellen Mandaten darauf hingewiesen, dass die Rechtsberater zahlreiche Korrespondenzsprachen beherrschen - und zwar auch solche, die nicht zu den schweizerischen Amtssprachen zählen (Englisch, Spanisch, Tibetisch).
146Der Begrüßungstext der Website wurde zur Erleichterung der Zugänglichkeit in deutscher und englischer Sprache abgefasst. Die Homepage konnte durch Anwählen entsprechender Felder wahlweise in „deutsch“ und „english“ gelesen werden.
147Zudem wurden als Kernkompetenzen internationale Tätigkeitsfelder hervorgehoben. Gerade das auf der Website erwähnte und für den Streitfall relevante „Internationale Konkursrecht“ legte ein grenzüberschreitendes Tätigwerden nahe.
148Außerdem enthielt die Homepage die für im Ausland lebende Personen relevanten Kontaktdaten, nämlich die Telefonnummer mit Ländervorwahl für die Schweiz und den Hinweis auf die E-Mail-Anschrift „####@##.##“.
149Auch wenn einzelne dieser Indizien für sich betrachtet möglicherweise nicht ausreichen würden, um dem Internetauftritt der Beklagten den Gehalt eines Ausrichtens der Anwaltstätigkeit auf mehrere Staaten - darunter Deutschland - beizumessen, brachte die Gestaltung der Website doch jedenfalls in der Gesamtschau zum Ausdruck, dass die Beklagten uneingeschränkt bereit waren, Mandate aus dem Inland und aus dem Ausland zu übernehmen.
150Diese Einschätzung deckt sich im Übrigen mit der von dem Beklagten nunmehr verwendeten Formulierung der aktuellen Homepage, in der es heißt (Stand: 05.04.2016):
151Wir sind eine national und international tätige Anwaltskanzlei, die sowohl Privatpersonen als auch Unternehmen aus der Schweiz und dem Ausland berät und vertritt.
152Soweit das Oberlandesgericht Nürnberg in seinem einen Parallelfall betreffenden Urteil 3 U 1548/15 vom 26.01.2016 gegen die Annahme eines Ausrichtens auf deutsche Mandanten anführt, die Homepage der Beklagten enthalte die Einschränkung, dass die Rechtsanwälte nur vor Gerichten der Schweiz zugelassen seien und die Anfahrtsskizze zum Kanzleisitz weise auch nicht die Anfahrt aus Deutschland aus, misst der Senat dem keine ausschlaggebende Relevanz bei.
153Die zweite Alternative des Art. 15 Abs. 1 lit. c LugÜ II setzt - wie oben dargestellt - nicht voraus, dass der Vertragspartner seine Tätigkeit im Wohnsitzstaat des Verbrauchers erbringen will. Es genügt vielmehr, wenn der Unternehmer im Ausland ansässigen Kunden eine aus Sicht des Unternehmers inländische Tätigkeit anbietet.
154Die fehlende Darstellung des Anreisewegs von Deutschland nach A spricht ebenfalls nicht gegen eine Ausrichtung der Anwaltstätigkeit auch auf deutsche Mandanten, denn die prinzipielle Erreichbarkeit der Großstadt A ist ohnehin allgemeinkundig.
155(b) Unabhängig davon hat der Beklagte zu 1 die internationale Ausrichtung der Anwaltstätigkeit seiner Kanzlei auch durch sein Begrüßungsschreiben vom 03.01.2011 nach außen kundgetan.
156In diesem an die geschädigten Kunden der N AG gerichteten Schreiben greift der Beklagte zu 1 einleitend seine Vorbefassung mit dem N-Komplex auf, indem er ausführt:
157Wir sind eine in A ansässige Anwaltskanzlei, welche mit der Kanzlei H seit Jahren gemeinsam geschädigte Anleger der Unternehmung N AG vertritt.
158Im weiteren Verlauf des Schreibens bietet der Beklagte zu 1 den geschädigten Kunden der N AG ausdrücklich „grenzüberschreitende Dienstleistungen“ an, die aus Sicht des Beklagten zu 1 in der Fremdwährung EUR bezahlt werden sollten.
159Damit hat der Beklagte zu 1 keinen Zweifel daran gelassen, dass er in Deutschland ansässige potentielle Mandanten zu einer Auftragsvergabe motivieren wollte, wie es in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verlangt wird (BGH NJW 2012, 1817).
160Zwar hat das Oberlandesgericht Stuttgart in einem gleich gelagerten Fall die Auffassung vertreten, das Schreiben des Beklagten zu 1 vom 03.01.2011 sei nicht als Werbeschreiben anzusehen, sondern darin komme nur ein „Doing-Business“ zum Ausdruck (Urteile 12 U 106/15 und 12 U 91/15 vom 22.12.2015). Dieser Auffassung haben sich das Oberlandesgericht Nürnberg (Urteil 3 U 1548/15 vom 26.01.2016) und das Thüringer Oberlandesgericht (Urteil 7 U 698/15 vom 03.02.2016) angeschlossen.
161Der Senat teilt diese Einschätzung indessen nicht und schließt sich den Ausführungen in den Urteilen des Oberlandesgerichts Frankfurt (2 U 136/15 vom 05.02.2016) und des Oberlandesgerichts München (15 U 2342/15 vom 16.03.2016) an, in denen das Anschreiben vom 03.01.2011 ebenfalls als Ausdruck des Ausrichtens der Anwaltstätigkeit nach Deutschland angesehen wurde.
162Dabei wird hinsichtlich des Ausrichtens im Einzelfall zu differenzieren sein:
163So mag es durchaus vorkommen, dass sich zwei potentielle Vertragspartner im Rahmen der Vertragsanbahnung bereits so weit annähern, dass der eigentliche Vertragsschluss praktisch schon „perfekt“ ist. Wenn in einem solchen weit fortgeschrittenen Stadium der Vertragsanbahnung noch vertragsrelevante Unterlagen übersandt werden, kann diesen je nach den Umständen möglicherweise kein werbender Charakter mehr beigemessen werden, weil darin nur noch der Vollzug einer bereits „beschlossenen Sache“ zum Ausdruck kommt (dazu BGH NJW 2012, 1817).
164Auf den Streitfall trifft dies aber nicht zu, denn bei Übersendung des Anschreibens vom 03.01.2011 mitsamt Auftragsformular war die Erteilung des Mandats vom Kläger an die beklagten Rechtsanwälte - wie bereits oben dargestellt - nicht lediglich eine bloße Formsache.
165Zwar mögen die Beklagten und die Prozessbevollmächtigten des Klägers darin einig gewesen sein, dass eine Beauftragung der beklagten Rechtsanwälte wünschenswert sei. Diese Übereinkunft der beteiligten Rechtsanwälte führte aber nicht zum Ausschluss der Anwendung des Art. 15 LugÜ II, denn entscheidend ist, wie der Verbraucher zu dem Vertragsabschluss bewogen wird.
166Dabei muss die Initiative zur Unterbreitung des Angebots nicht zwingend vom Unternehmer ausgehen (BGH NJW 2011, 2809). Auch die empfehlende Stellungnahme eines Vermittlers steht dem zuständigkeitsbegründenden Merkmal des Ausrichtens nicht entgegen (BGH NJW 2012, 455).
167Auf der anderen Seite sind allerdings auch Konstellationen denkbar, in denen sich der deutsche Verbraucher bereits mit seinem in Deutschland ansässigen Prozessbevollmächtigten über die Hinzuziehung eines schweizerischen Rechtsanwalts einig geworden ist, der dann unmittelbar durch Vertretererklärung des deutschen Prozessbevollmächtigten mandatiert wird. Ein solches Vorgehen kann im Einzelfall der Anwendung des Art. 15 LugÜ II entgegenstehen (Senat, Urt. I-28 U 83/15 vom 07.04.2016).
168Ein derartiges Vertretergeschäft hat es im Streitfall aber nicht gegeben. Vielmehr waren dem Kläger die näheren Konditionen für ein anwaltliches Tätigwerden im schweizerischen Nachlassverfahren vor Erhalt des Anschreibens vom 03.01.2011 nicht bekannt. Er hatte sich darüber jedenfalls noch keinen abschließenden Willen gebildet. Umgekehrt waren offenbar auch dem Beklagte zu 1, als er das Anschreiben aufsetzte, die Person des Klägers und dessen konkretes Rechtsbegehren noch nicht bekannt; jedenfalls richtete er das Begrüßungsschrieben nicht an ihn persönlich, sondern allgemein „an die geschädigten Kunden der Firma N AG“.
169Dementsprechend kam es dem Beklagten zu 1 bei der Abfassung des Anschreibens darauf an, die angeschriebenen Geschädigten erst noch davon zu überzeugen, dass eine Mandatierung seiner Kanzlei empfehlenswert sei. Dazu wurden die besonderen Kompetenzen aufgrund der Vorbefassung mit dem Komplex N AG, die Notwendigkeit einer Zustelladresse in der Schweiz, die erforderliche Teilnahme an Gläubigerversammlungen und insbesondere die preisgünstige Pauschalvergütung von lediglich 150,00 EUR hervorgehoben.
170Dadurch erhielt das Anschreiben vom 03.01.2011 einen typisch werbenden Charakter. Es handelte sich letztlich um ein gezieltes auf Deutschland ausgerichtetes Marketing.
171Allein der Umstand, dass mit dem Anschreiben des Beklagten vom 03.01.2011 nicht sämtliche in Deutschland ansässigen Verbraucher angesprochen wurden, sondern ein auf ca. 60 bis 100 Personen begrenzter Kreis an Geschädigten der N AG, ändert nichts an dem werbenden Charakter des Anschreibens. Es wird vielmehr bei Anwendung des Art. 15 LugÜ II nicht selten sein, dass die vom Vertragspartner angebotene berufliche oder gewerbliche Tätigkeit nur für einen beschränkten Personenkreis überhaupt von Interesse ist. Das allein kann aber nicht dazu führen, dass diesem begrenzten Personenkreis die Schutzwirkung des Art. 15 LugÜ II vorenthalten wird.
1722.
173Weil damit zugunsten des Klägers nach Art. 15 u. 16 LugÜ II der besondere Gerichtsstand an seinem Wohnsitz begründet war ist, konnte die im Auftrag vom 11.01.2011 vorgesehene Vereinbarung über die Zuständigkeit der Gerichte im Kanton A nicht wirksam getroffen werden. Dies wäre nur nach Maßgabe des Art. 17 LugÜ II möglich gewesen, dessen Voraussetzungen aber nicht erfüllt sind. Die Gerichtsstandvereinbarung wurde nämlich nicht erst nach Entstehen der Streitigkeit getroffen und sie enthält auch keine Ausweitung der Befugnisse des Verbrauchers, Gerichte unabhängig von Art. 15, 16 LugÜ II anzurufen. Schließlich bestand zwischen den Parteien auch nie ein Wohnsitz/gewöhnlicher Aufenthalt in demselben Staat.
174III.
175Die Voraussetzung für die von den Beklagten beantragte Aufhebung und Zurückverweisung liegt vor, denn das Landgericht hat nur über die Frage der Zulässigkeit der Klage entschieden (§ 538 Abs. 2 Nr. 3 ZPO).
176IV.
177Die Kostenentscheidung ist dem erstinstanzlichen Schlussurteil vorzubehalten. Gleichwohl ist das zurückverweisende Urteil für vorläufig vollstreckbar zu erklären (Götz, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Aufl. 2012, ZPO § 704 Rnr. 6); eine Abwendungsbefugnis ist dabei nicht auszusprechen (OLG Düsseldorf JurBüro 1985, 1729).
178V.
179Die Revision war gem. § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
180Der Streitfall wirft Fragen zur Auslegung des Begriffs des Ausrichtens i.S.d. Art. 15 Abs. 1 lit. c) LugÜ II auf, die in der obergerichtlichen Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet werden und zu denen noch keine klärende höchstrichterliche Entscheidung vorliegt.
181Im Einzelnen wird wegen der Notwendigkeit der Revisionszulassung auf die vom Senat für zutreffend erachteten Ausführungen in dem Urteil des Oberlandesgerichts München 15 U 2342/15 vom 16.03.2016 Bezug genommen.
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Im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei wird das Verfahren, wenn es die Insolvenzmasse betrifft, unterbrochen, bis es nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Insolvenzverfahren beendet wird. Entsprechendes gilt, wenn die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf einen vorläufigen Insolvenzverwalter übergeht.
Verbraucher ist jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können.
(1) Das Berufungsgericht hat die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden.
(2) Das Berufungsgericht darf die Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszuges nur zurückverweisen,
- 1.
soweit das Verfahren im ersten Rechtszuge an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist, - 2.
wenn durch das angefochtene Urteil ein Einspruch als unzulässig verworfen ist, - 3.
wenn durch das angefochtene Urteil nur über die Zulässigkeit der Klage entschieden ist, - 4.
wenn im Falle eines nach Grund und Betrag streitigen Anspruchs durch das angefochtene Urteil über den Grund des Anspruchs vorab entschieden oder die Klage abgewiesen ist, es sei denn, dass der Streit über den Betrag des Anspruchs zur Entscheidung reif ist, - 5.
wenn das angefochtene Urteil im Urkunden- oder Wechselprozess unter Vorbehalt der Rechte erlassen ist, - 6.
wenn das angefochtene Urteil ein Versäumnisurteil ist oder - 7.
wenn das angefochtene Urteil ein entgegen den Voraussetzungen des § 301 erlassenes Teilurteil ist