Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 12. Nov. 2014 - 20 U 120/14
Gericht
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Es wird Gelegenheit gegeben, binnen drei Wochen dazu Stellung zu nehmen.
1
Gründe:
2Die Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern ebenfalls keine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung.
3I.
4Der Kläger nimmt die Beklagte, die ihren Sitz in Liechtenstein hat und eine 100 %ige Tochter der X mit Sitz in Österreich ist, auf Schadensersatz im Zusammenhang mit dem Abschluss einer Lebensversicherung mit Vermögensverwaltung am 08.11.2006 in Anspruch. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Tatbestand des angegriffenen Urteils Bezug genommen.
5Das Landgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen, weil eine internationale Zuständigkeit dort nicht bestehe. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird ebenfalls auf die angegriffene Entscheidung Bezug genommen.
6Gemäß § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
71.
8Entgegen der Rechtsmeinung des Klägers ergibt sich die Zuständigkeit nicht aus § 215 VVG n.F.. Bei Altverträgen ist bei einem Versicherungsfall vor dem 01.01.2009 das VVG in seiner früheren Fassung anzuwenden. Denn Art. 1 EGVVG lässt nach seinem klaren Wortlaut für eine Differenzierung zwischen prozessualen und materiellen Regelungen keinen Raum. Auf den Zeitpunkt der Klageerhebung oder Einreichung eines Prozesskostenhilfeantrages kommt es nicht an (Senat, Beschluss vom 08.04.2011, Az. 20 W 8/11, NJW-RR 2011, 1405 m.w.N. unter Hinweis auf die Gegenansicht). Bei den hier geltend gemachten vorvertraglichen Pflichtverletzungen handelt es sich um einen bereits unter Geltung des VVG a.F. vollständig abgeschlossenen Sachverhalt, für den das VVG n.F. nicht gilt (Prölls/Martin-Armbrüster, VVG, 28. Auflage 2010, Art. 1 EGVVG, Rn. 9), der Versicherungsfall ist hier somit nicht nach dem 31.12.2008 eingetreten.
92.
10Die internationale Zuständigkeit ergibt sich auch nicht aus Art. 9 Abs. 2 EuGVVO. Voraussetzung ist hiernach, dass sich der Gegenstand des Rechtsstreits auf den Betrieb der Zweigniederlassung, Agentur oder sonstigen Niederlassung bezieht (Zöller/Geimer, ZPO, 30. Auflage 2014, Art. 5 EuGVVO Rn. 49).
11Soweit der Kläger meint, auch die Muttergesellschaft könne eine Zweigniederlassung in diesem Sinne sein, ist die Regelung zwar anwendbar, wenn eine in einem Vertragsstaat ansässige juristische Person in einem anderen Vertragsstaat zwar keine unselbständige Zweigniederlassung, Agentur oder sonstige Niederlassung unterhält, dort aber ihre Tätigkeiten mit Hilfe einer gleichnamigen selbständigen Gesellschaft mit identischer Geschäftsführung entfaltet, die in ihrem Namen verhandelt und Geschäfte abschließt und deren sie sich wie einer Außenstelle bedient (EUGH, Urteil vom 09.12.1987, Az. 218/86, zitiert nach juris). Hierzu reicht es jedoch nicht aus, dass sich aus der Korrespondenz der Beklagten ergibt, dass sie eine 100 %ige Tochter einer Gesellschaft mit Sitz in einem Mitgliedsstaat ist.
12Selbst wenn man die Muttergesellschaft als Zweigniederlassung der Beklagten i.S.v. Art. 9 Abs. 2 EuGVVO ansehen würde, fehlt die notwendige Betriebsbezogenheit. Der erforderliche Bezug ist zwar bei allen Rechtsgeschäften gegeben, die zumindest mit Rücksicht auf die Geschäftstätigkeit der Niederlassung abgeschlossen wurden oder als deren Folge erscheinen. Unabhängig von der Frage, ob es hierzu ausreicht, dass ein werbendes Auftreten Einfluss auf den Vertragsschluss genommen hat, wäre jedenfalls erforderlich, dass sich der von den Parteien geschlossene Vertrag als Folge des werbenden Auftretens darstellt (BGH, Urteil vom 18.01.2011, Az. X ZR 71/10, NJW 2011, 2056). Dies ist weder dargetan noch ersichtlich.
13Die Berufung bietet danach keine Aussicht auf Erfolg.
14II.
15Auf die Gebührenermäßigung bei Berufungsrücknahme (KV Nr. 1222) wird hingewiesen.
16Hamm, 12. November 2014
17Oberlandesgericht, 20 Zivilsenat
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(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Die Berufung kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546) beruht oder nach § 529 zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.
(2) Die Berufung kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat.
Das Recht ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist.
(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:
- 1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.
(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.
(1) Für Klagen aus dem Versicherungsvertrag oder der Versicherungsvermittlung ist auch das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Versicherungsnehmer zur Zeit der Klageerhebung seinen Wohnsitz, in Ermangelung eines solchen seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Für Klagen gegen den Versicherungsnehmer ist dieses Gericht ausschließlich zuständig.
(2) § 33 Abs. 2 der Zivilprozessordnung ist auf Widerklagen der anderen Partei nicht anzuwenden.
(3) Eine von Absatz 1 abweichende Vereinbarung ist zulässig für den Fall, dass der Versicherungsnehmer nach Vertragsschluss seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt aus dem Geltungsbereich dieses Gesetzes verlegt oder sein Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht bekannt ist.