Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 14. März 2014 - 15 W 136/13
Gericht
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Beteiligte zu 2) hat der Beteiligten zu 1) die ihr in der Beschwerdeinstanz entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Der Geschäftswert wird auf 10.000 € festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
1
G r ü n d e :
2I.
3Die Beteiligte zu 1) ist die aus der ersten Ehe des Erblassers hervorgegangene Tochter. Der Beteiligte zu 2) ist ein Neffe der zweiten Ehefrau des Erblassers, der Frau C.
4Als maßgebliche letztwillige Verfügung hat der Erblasser ein gemeinsam mit seiner zweiten Ehefrau errichtetes, eigenhändig geschriebenes und unterschriebenes Testament vom 30.03.2005 hinterlassen, in dem die folgenden Verfügungen getroffen werden:
5„Wir setzen uns gegenseitig zu alleinigen Erben ein.
6Als Erben des Zuletztversterbenden von uns setzen wir zu gleichen Teilen ein:
7S, geborenen C, ….
8H, ….“
9Mit einer am 26.10.2012 beim Nachlassgericht eingegangenen Erklärung hat Frau C2 die Erbschaft nach dem Erblasser aus allen gesetzlichen und testamentarischen Berufungsgründen ausgeschlagen (AG Bocholt 37 VI 400/12).
10Am 30.10.2012 ist die letztwillige Verfügung des Erblassers eröffnet worden (AG Bocholt 37 IV 743/12).
11Unter dem 7.01.2013 hat die Beteiligte zu 1) die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der sie als Alleinerbin nach gesetzlicher Erbfolge ausweist.
12Der Beteiligte zu 2) ist dem Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1) entgegen getreten und hat die Auffassung vertreten, dass er neben der Beteiligten zu 1) aufgrund der letztwilligen Verfügung vom 30.03.2005 Erbe zu ½ geworden sei.
13Durch Beschluss vom 19.02.2013 hat das Amtsgericht – Nachlassgericht – in Bezug auf den Antrag der Beteiligten zu 1) die zur Erteilung des Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet.
14Gegen diesen dem Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 2) am 27.02.2013 zugestellten Beschluss hat der Beteiligte zu 2) durch Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 26.03.2013 Beschwerde eingelegt. In dem Beschwerdeschriftsatz hat der Beteiligte zu 2) die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins, der die beiden Beteiligten als Erben zu je ½ Anteil ausweist, beantragt.
15Die Beschwerdeschrift ist am 26.03.2013 beim Amtsgericht eingegangen.
16Das Amtsgericht hat durch Beschluss vom 8.04.2013 das Verfahren über den Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 2) ausgesetzt, der Beschwerde nicht abgeholfen und selbige dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
17Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des übrigen Sachverhaltes wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.
18II.
19Die Beschwerde ist gemäß § 58 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig.
20Der Beschwerdewert von 600 Euro gemäß § 61 Abs. 1 FamFG ist erreicht.
21Schließlich ist die Beschwerde form- und fristgerecht eingelegt (§§ 63, 64 FamFG).
22In der Sache hat die Beschwerde keinen Erfolg.
23Die Beteiligte zu 1) ist als einziger Abkömmling des Erblassers dessen Alleinerbin geworden (§§ 1922, 1924 BGB). Ein gesetzliches Erbrecht der Ehefrau des Erblassers besteht nicht, da Frau C2 die Erbschaft aus allen Berufungsgründen wirksam ausgeschlagen hat (§§ 1944, 1945 BGB).
24Dem gesetzlichen Erbrecht der Beteiligten zu 1) steht auch keine letztwillige Verfügung des Erblassers entgegen.
25Die in dem formwirksam errichteten Ehegattentestament vom 30.03.2005 von dem Erblasser zur Alleinerbin berufene Frau C2 hat die ihr zugedachte Erbschaft wirksam ausgeschlagen.
26Die in dem Ehegattentestament vom 30.03.2005 weiter ausdrücklich geregelte Konstellation, dass die Beteiligten zu 1) und 2) zu gleichen Teilen Schlusserben nach dem Letztversterbenden werden, ist vorliegend nicht gegeben, da der Erblasser der Ehegatte ist, der als erster verstorben ist.
27Die Beteiligten zu 1) und 2) sind in dem Ehegattentestament auch nicht zu Ersatzerben für den Fall berufen, dass der überlebende Ehegatte die ihm zufallende Erbschaft ausschlägt. Eine ausdrückliche Berufung der Beteiligten zu 1) und 2) zu Ersatzerben enthält die letztwillige Verfügung nicht. Dass die Beteiligten zu 1) und 2) als Ersatzerben für den Fall der Ausschlagung durch den überlebenden Ehegatten berufen sein sollen, kann der letztwilligen Verfügung auch nicht im Wege der Auslegung entnommen werden.
28Die Testamentsauslegung hat zum Ziel, den wirklichen Willen des Erblassers zu erforschen. Dabei ist vom Wortlaut auszugehen. Dieser ist jedoch nicht bindend. Vielmehr sind der Wortsinn und die vom Erblasser benutzten Ausdrücke zu hinterfragen, um festzustellen, was er mit seinen Worten hat sagen wollen und ob er mit ihnen genau das wiedergegeben hat, was er zum Ausdruck bringen wollte (BGH NJW 1993, 256 m. w. N.). Maßgeblich ist insoweit allein sein subjektives Verständnis der von ihm verwendeten Begriffe (BGH FamRZ 1987, 475, 476; Palandt-Weidlich, BGB, 73. Aufl., § 2084 Rn.1). Zur Ermittlung des Inhalts der testamentarischen Verfügungen ist der gesamte Inhalt der Testamentsurkunde einschließlich aller Nebenumstände, auch solcher außerhalb des Testaments, heranzuziehen und zu würdigen (BGH NJW 1993, 256 m. w. N.). Solche Umstände können vor oder auch nach der Errichtung des Testamentes liegen. Dazu gehört das gesamte Verhalten des Erblassers, seine Äußerungen und Handlungen (Palandt-Weidlich, a. a. O., § 2084 BGB Rn.2 mit weiteren Nachweisen). Kann sich der Richter auch unter Auswertung aller Umstände von dem tatsächlich vorhandenen wirklichen Willen des Erblassers nicht überzeugen, muss er sich mit dem Sinn begnügen, der dem Erblasserwillen mutmaßlich am ehesten entspricht (BGH NJW 1993, 256).
29Sinn und Zweck eines Ehegattentestaments mit Einsetzung des überlebenden Ehegatten als Alleinerben und weiteren Personen als Schlusserben ist es, dass das gemeinsam erwirtschaftete Vermögen der Ehegatten zunächst dem überlebenden Ehegatten ohne jede Einschränkung zukommen zu lassen, um das gemeinsame Vermögen nach dem Tode des Letztversterbenden den Schlusserben zukommen zu lassen. Dem liegt regelmäßig die Erwartung zugrunde, dass der überlebende Ehegatte das ihm Zugewandte auch annimmt. Diesen Zweck hat die Ehefrau des Erblassers im vorliegenden Fall unterlaufen, indem sie das ihr Zugewandte gerade ausgeschlagen hat, um die Verfügungsbefugnis über ihr eigenes Vermögen zurückzuerlangen (§ 2271 Abs. 2 BGB). Dass der Erblasser für diese Konstellation den Willen haben soll, die als Schlusserben für das gemeinsame Vermögen ausgewählten Personen als (Ersatz-)Erben für sein Vermögen zu bestimmen, kann regelmäßig nicht angenommen werden. Auch im vorliegenden Fall spricht nichts für einen derartigen Willen des Erblassers. Denn mit der Ausschlagung der überlebenden Ehefrau verliert die Beteiligte zu 1) die mit erbrechtlicher Bindungswirkung ausgestattete Aussicht, nach deren Tod zur Schlusserbin berufen zu sein. Darin liegt ein Unterschied mit tragender Bedeutung gegenüber der Fallgestaltung, in der die Ehegatten ihre Regelung in einem Erbvertrag getroffen haben, deren vertragliche Bindungswirkung durch eine Ausschlagung des überlebenden Ehegatten nicht berührt wird. Es spricht deshalb nichts dafür, dass der Erblasser auch für den Fall des Erlöschens der Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments das gesetzliche Erbrecht seiner Tochter in der Weise hat beschränken wollen, dass sie aus seinem eigenen Nachlass wertmäßig nur den Pflichtteil erhält, während sie von der Schlusserbfolge insgesamt ausgeschlossen wird. Das konkrete Vorbringen der Beteiligten rechtfertigt keine andere Beurteilung. Dass das Verhältnis des Erblassers zum Beteiligten zu 2) gut gewesen sein soll, und dass der Erblasser zunächst nicht willens gewesen sein soll, die Beteiligte zu 1) als Schlusserbin einzusetzen, lässt keinen Schluss darauf zu, dass er die Beteiligten zu 1) und 2) zu seinen Erben berufen hätte, wenn ihm die Ausschlagung durch seine Ehefrau bekannt gewesen wäre.
30Auf die vom Amtsgericht behandelte Frage einer wirksamen Testamentsanfechtung kommt es danach nicht an.
31Zu einer Bescheidung des Erbscheinsantrags des Beteiligten zu 2) war der Senat nicht berufen, da das Amtsgericht die Bescheidung dieses Antrags sachgerecht bis zum Abschluss des Beschwerdeverfahrens über den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1) ausgesetzt hat.
32Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in § 84 FamFG.
33Die Wertfestsetzung beruht auf den §§ 131 Abs. 4, 30 Abs. 1 und 2 S. 1 KostO.
34Der Senat geht bei der Wertbestimmung von den von den Beteiligten übereinstimmend gemachten Angaben zum Nachlasswert aus. Der Senat bewertet das Interesse des Beteiligten zu 2) an dem Nachlass allerdings nur mit der Hälfte des Nachlasses, da dieser nur den entsprechenden Teil des Nachlasses für sich beansprucht.
35Die Voraussetzungen zur Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 70 Abs. 2 FamFG liegen nicht vor.
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(1) Die Beschwerde findet gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Endentscheidungen der Amtsgerichte und Landgerichte in Angelegenheiten nach diesem Gesetz statt, sofern durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.
(2) Der Beurteilung des Beschwerdegerichts unterliegen auch die nicht selbständig anfechtbaren Entscheidungen, die der Endentscheidung vorausgegangen sind.
(1) In vermögensrechtlichen Angelegenheiten ist die Beschwerde nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt.
(2) Übersteigt der Beschwerdegegenstand nicht den in Absatz 1 genannten Betrag, ist die Beschwerde zulässig, wenn das Gericht des ersten Rechtszugs die Beschwerde zugelassen hat.
(3) Das Gericht des ersten Rechtszugs lässt die Beschwerde zu, wenn
Das Beschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.(1) Die Beschwerde ist, soweit gesetzlich keine andere Frist bestimmt ist, binnen einer Frist von einem Monat einzulegen.
(2) Die Beschwerde ist binnen einer Frist von zwei Wochen einzulegen, wenn sie sich gegen folgende Entscheidungen richtet:
- 1.
Endentscheidungen im Verfahren der einstweiligen Anordnung oder - 2.
Entscheidungen über Anträge auf Genehmigung eines Rechtsgeschäfts.
(3) Die Frist beginnt jeweils mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses an die Beteiligten. Kann die schriftliche Bekanntgabe an einen Beteiligten nicht bewirkt werden, beginnt die Frist spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses.
(1) Die Beschwerde ist bei dem Gericht einzulegen, dessen Beschluss angefochten wird. Anträge auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für eine beabsichtigte Beschwerde sind bei dem Gericht einzulegen, dessen Beschluss angefochten werden soll.
(2) Die Beschwerde wird durch Einreichung einer Beschwerdeschrift oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle eingelegt. Die Einlegung der Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle ist in Ehesachen und in Familienstreitsachen ausgeschlossen. Die Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie ist von dem Beschwerdeführer oder seinem Bevollmächtigten zu unterzeichnen.
(3) Das Beschwerdegericht kann vor der Entscheidung eine einstweilige Anordnung erlassen; es kann insbesondere anordnen, dass die Vollziehung des angefochtenen Beschlusses auszusetzen ist.
(1) Gesetzliche Erben der ersten Ordnung sind die Abkömmlinge des Erblassers.
(2) Ein zur Zeit des Erbfalls lebender Abkömmling schließt die durch ihn mit dem Erblasser verwandten Abkömmlinge von der Erbfolge aus.
(3) An die Stelle eines zur Zeit des Erbfalls nicht mehr lebenden Abkömmlings treten die durch ihn mit dem Erblasser verwandten Abkömmlinge (Erbfolge nach Stämmen).
(4) Kinder erben zu gleichen Teilen.
(1) Die Ausschlagung kann nur binnen sechs Wochen erfolgen.
(2) Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in welchem der Erbe von dem Anfall und dem Grund der Berufung Kenntnis erlangt. Ist der Erbe durch Verfügung von Todes wegen berufen, beginnt die Frist nicht vor Bekanntgabe der Verfügung von Todes wegen durch das Nachlassgericht. Auf den Lauf der Frist finden die für die Verjährung geltenden Vorschriften der §§ 206, 210 entsprechende Anwendung.
(3) Die Frist beträgt sechs Monate, wenn der Erblasser seinen letzten Wohnsitz nur im Ausland gehabt hat oder wenn sich der Erbe bei dem Beginn der Frist im Ausland aufhält.
(1) Die Ausschlagung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht; die Erklärung ist zur Niederschrift des Nachlassgerichts oder in öffentlich beglaubigter Form abzugeben.
(2) Die Niederschrift des Nachlassgerichts wird nach den Vorschriften des Beurkundungsgesetzes errichtet.
(3) Ein Bevollmächtigter bedarf einer öffentlich beglaubigten Vollmacht. Die Vollmacht muss der Erklärung beigefügt oder innerhalb der Ausschlagungsfrist nachgebracht werden.
Lässt der Inhalt einer letztwilligen Verfügung verschiedene Auslegungen zu, so ist im Zweifel diejenige Auslegung vorzuziehen, bei welcher die Verfügung Erfolg haben kann.
(1) Der Widerruf einer Verfügung, die mit einer Verfügung des anderen Ehegatten in dem in § 2270 bezeichneten Verhältnis steht, erfolgt bei Lebzeiten der Ehegatten nach den für den Rücktritt von einem Erbvertrag geltenden Vorschrift des § 2296. Durch eine neue Verfügung von Todes wegen kann ein Ehegatte bei Lebzeiten des anderen seine Verfügung nicht einseitig aufheben.
(2) Das Recht zum Widerruf erlischt mit dem Tode des anderen Ehegatten; der Überlebende kann jedoch seine Verfügung aufheben, wenn er das ihm Zugewendete ausschlägt. Auch nach der Annahme der Zuwendung ist der Überlebende zur Aufhebung nach Maßgabe des § 2294 und des § 2336 berechtigt.
(3) Ist ein pflichtteilsberechtigter Abkömmling der Ehegatten oder eines der Ehegatten bedacht, so findet die Vorschrift des § 2289 Abs. 2 entsprechende Anwendung.
Das Gericht soll die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels dem Beteiligten auferlegen, der es eingelegt hat.
(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) Die Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Beschwerdegerichts ist ohne Zulassung statthaft in
- 1.
Betreuungssachen zur Bestellung eines Betreuers, zur Aufhebung einer Betreuung, zur Anordnung oder Aufhebung eines Einwilligungsvorbehalts, - 2.
Unterbringungssachen und Verfahren nach § 151 Nr. 6 und 7 sowie - 3.
Freiheitsentziehungssachen.
(4) Gegen einen Beschluss im Verfahren über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung oder eines Arrests findet die Rechtsbeschwerde nicht statt.