Oberlandesgericht Hamm Urteil, 10. Apr. 2014 - 10 U 112/13
Gericht
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 10.10.2013 verkündete Teilurteil des Amtsgerichts – Landwirtschaftsgericht – Steinfurt teilweise abgeändert.
Der Widerklageantrag zu 1) wird insgesamt abgewiesen.
Die Berufung des Beklagten gegen das vorgenannte Teilurteil wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn der Kläger nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
G r ü n d e:
2I.
3Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 48 a LwVG, 313 a I, 540 II ZPO abgesehen.
4II.
51. Die zulässige Berufung des Klägers und Widerbeklagten gegen das am 10.10.2013 verkündete Teilurteil des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgericht - Steinfurt hat Erfolg und führt zur vollständigen Abweisung der erhobenen Widerklage zu 1).
6Die Berufung des Beklagten und Widerklägers gegen das ergangene Teilurteil mit dem Ziel einer weitergehenden Verurteilung zur Herausgabe des streitbefangenen Pachtlandes ist unbegründet.
72. Dem mit den Berufungsanträgen des Senatstermins vom 10.04.2014 präzisierten Widerklagebegehren des Beklagten auf Herausgabe der von dem Kläger gepachteten Landwirtschaftsflächen aus der G 36, Flurstücke X und X sowie Flur X, Flurstücke X und X zum 31.12.2013 ist insgesamt nicht zu entsprechen.
8Der Pächter eines Landpachtvertrages ist gemäß § 596 I BGBerst nach Beendigung des Pachtverhältnisses zur Rückgabe im Zustand vertragsgemäßer Bewirtschaftung verpflichtet. Vorliegend ist der Kläger jedoch aufgrund der vertraglichen Abreden vom März 2002 befugt, das streitgegenständliche Pachtland ungeachtet der von dem Beklagten zum Jahresende 2013 ausgesprochenen Kündigung vom 30.12.2012 (Bl. 85 f. d.A.) bis zum Jahresende 2014 als Landpächter zu bewirtschaften.
9Insoweit ist zwischen den Parteien unstreitig, dass der Beklagte mit dem Kläger Anfang 2002 übereingekommen war, ihm ab dem Pachtjahr 2002 die mit den Berufungsanträgen präzisierten Landwirtschaftsflächen zur Gesamtgröße von 16,65 ha zu einem jährlichen Preis von 615 € je Hektar pachtweise zu überlassen, wobei als Pachtjahr das Kalenderjahr und eine Laufzeit bis Ende 2011 vereinbart war.
10Aufgrund dieser Pachtabrede, die zwischen den Parteien ein Landpachtverhältnis i.S.d. §§ 585 ff. BGB begründete, ist der Kläger nach wie vor zur Verweigerung der Herausgabe an den Beklagten berechtigt:
11Weder ist die ursprünglich ins Auge gefasste Befristung der Pacht bis zum 31.12.2011 wirksam geworden, noch ist für die Zeit vor dem Jahresende 2014 wirksam gekündigt worden.
12Soweit § 594 S. 1 BGB bestimmt, dass ein Landpachtverhältnis mit Ablauf der Zeit endet, für die es eingegangen ist, kann sich der Beklagte - auch mit Blick auf die schriftlichen Fixierungen im „Zupachtvertrag“ vom März 2002 (Bl. 5 ff. d.A.) - nicht auf das dort unter § 2 vermerkte Pachtzeitende (zum 31.12.2011) und auf die dem zugrundeliegenden Abreden berufen. Denn Landpachtverträge, die für längere Zeit als zwei Jahre nicht in schriftlicher Form geschlossen werden, gelten gemäß § 585 a BGB alsfür unbestimmte Zeit geschlossen und müssen zu ihrer Beendigung fristwahrend gekündigt werden. Vorliegend ist die Pachtabrede der Parteien indes - wie nachfolgend unter Ziffer 3. ausgeführt - insgesamt nicht in der gesetzlichen Schriftform (§ 126 BGB) verfasst worden, so dass einunbefristetes Landpachtverhältnis zustande gekommen ist (§ 585 a BGB).
13Für dieses (auf unbestimmte Zeit laufende) Landpachtverhältnis der Parteien gilt gemäß § 594 a I BGB, dass jeder Vertragsteil spätestens am dritten Werktag eines Pachtjahresfür das Ende des nächsten Pachtjahres kündigen kann. Die dem Kläger am 06.11.2012 zugestellte Kündigung vom 30.10.2012 konnte mithin die Landpacht erst zum Jahresende 2014 - und nicht schon zum 31.12.2013 - beenden.
143. Die Parteien haben ihre Abreden vom März 2002 bzgl. der pachtweisen Überlassung der Landwirtschaftsflächen aus der G 36, Flurstücke X und X und Flur X, Flurstücke X und X an den Kläger nicht gemäß §§ 585 a, 126 BGBin schriftlicher Form geschlossen.
15Dabei kann es für die Entscheidung des Berufungsverfahrens letztlich dahin stehen, ob die Parteien seinerzeit ihre Unterschriften unter den vom Kläger vorgelegten Vertragstext mit Datum vom 11.03.2002 gesetzt hatten oder die abweichenden Ausfüllungen des Vertragsformulars unterzeichnet wurden, die der Beklagte in Händen hält oder ob zwei unterschiedliche Textvarianten zur Unterzeichnung gelangten.
16Selbst dann, wenn die Vertragsunterzeichnung im Jahr 2002 so von statten gegangen sein sollte, wie es der Beklagten dargestellt hat, ist es bei der handschriftlichen Vervollständigung des unterzeichneten Pachtvertragsformulars nur in der Weise zur Bezeichnung des Pachtgegenstandes gekommen, wie dies aus den Eintragungen auf der ersten Formularseite ersichtlich ist (vgl. Bl. 5 und Bl. 33 d.A.). Danach war in der vorgegebenen ersten Spalte unter „Gemarkung, Flurstück - Nr.“ einmalig die Bezeichnung „X1, ##, ##, ##“ vermerkt und wurden in den für die „Flurstück-Nr.“ vorgesehenen Feldern der nächsten Spalte diverse Flurstückbezeichnungen als Ziffern nach der Erinnerung der Ehefrau des Beklagten untereinander eingefügt. Von den nach dem übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien zur Verpachtung vorgesehenen streitgegenständlichen Flächen ist dabei ausschließlich die Flurstück-Nr. X korrekt niedergeschrieben worden,- dies allerdings ohne jede Flurzuordnung in der Zeile neben der Flurbezeichnung „##, ##, ##“. Weitergehende Fixierungen zur Bezeichnung des Pachtgegenstandes enthalten die vorhandenen Schriftstücke unstreitig nicht, wobei allerdings das Flurstück X irrtümlich mit „##“ bezeichnet worden sein soll.
17Bei dieser Sachlage vermag der Senat einen dem Schriftformerfordernis aus §§ 585 a, 126 BGB entsprechenden Landpachtvertragnicht festzustellen.
18Es entspricht gefestigter höchstrichterlicher und obergerichtlicher Rechtsprechung, dass ein Landpachtvertrag der Schriftform nur dann genügt, wenn sich alle wesentlichen Vertragsbedingungen - insbesondere auch der Pachtgegenstand - aus der Urkunde ergeben (vgl. BGH, Urteil vom 05.11.2004 - LwZR 2/04), NJ 2005, 173 f. - Juris-Rz. 13; OLG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 29.01.2009 - 2 U 108(08 (Lw), NL-BzAR 2009, 152 - Juris-Rz. 43 m.w.N.; OLG Hamm, Urteil vom 13.03.2014 -10 U 92/13 (unveröffentlicht) unter II.; für den Mietvertrag ebenso : OLG Hamm, Urteil vom 24.05.2013 - 30 U 66/11 - Juris-Rz. 78).
19Bei der Entscheidung der Frage, ob ein schriftlich fixierter Landpachtvertrag dem gesetzlichen Schriftformerfordernis entspricht, ist zu beachten, dass § 585 a BGB weniger den Pächter oder den Verpächter vor der Eingehung langer Vertragsbindungen warnen oder schützen soll; vorrangig dient die Schriftform der Information eines an dem Vertragsschluss nicht beteiligten potentiellen Grundstückserwerbers, der in den bestehenden Landpachtvertrag eintritt. Der Hauptzweck des Formerfordernisses aus § 585 a BGB besteht insoweit darin, einem potentiellen Grundstückserwerber zu ermöglichen, sich über den Inhalt der auf ihn übergehenden langfristigen Bindungen durch Vertragseinsicht zuverlässig zu unterrichten (vgl. BGH, aaO; OLG Karlsruhe, AgarR 1996, 378 - Juris-Rz. 38 m.w.N.: OLG Sachsen-Anhalt, aaO; Senatsurteil vom 13.03.2014, aaO).
20Diesem Schutzzweck entsprechend ist die Schriftform nur dann gewahrt, wenn sich die von dem Landpachtvertrag betroffenen Flächen (zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses) als Pachtgegenstand für einen unbeteiligten Dritten aus der Vertragsurkunde selbst ergeben (OLG Sachsen-Anhalt, aaO; Senatsurteil, aaO).
21Eben dies ist bei den von den Parteien zu Beginn des Pachtverhältnisses erfolgten schriftlichen Fixierungen unterblieben. Die Berufung des Klägers hat zu Recht unter Wiederholung und Vertiefung des entsprechenden erstinstanzlichen Vortrags darauf verwiesen, dass die von der Verpachtung betroffenen Flurstücke X und X der Flur X und auch das Flurstück X der Flur X überhaupt gar keine Erwähnung gefunden haben, obschon sie unstreitig von Anfang an Pachtgegenstand sein sollten. Andererseits sind weitere Flurstücke (ohne nähere Flurzuordnung) im Vertrag aufgelistet worden, obschon sie nicht - jedenfalls nicht von vorneherein oder zu einem bestimmten späteren Zeitpunkt - dem Kläger als Pächter zur Bewirtschaftung überlassen werden sollten und obschon sie auch später nicht „durch Austausch im Zuge eines Rahmenvertrages“ als Pachtobjekt zur Verfügung gestellt worden sind. Hinzu kommt, dass nach dem übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien von den Flurstücken X und X der Flur X lediglich bestimmte Teilstücke als Pachtgegenstand überlassen sein sollten, nicht indes die vollen Flurstücke, ohne dass irgendwelche Anhaltspunkte zur Lagebezeichnung im Text oder in einer einbezogenen Vertragsanlage festgehalten wären.
22Da die von den Vertragsparteien getroffene Bestimmung der Pachtsache in der Vertragsurkunde so in verschiedenen Belangen nicht für einen Dritten bestimmbar fixiert worden ist, fehlt der getroffenen Landpachtabrede insgesamt die Schriftform.
234. Ohne Erfolg verweist die Berufung des Beklagten auf die von der Rechtsprechung anerkannten Grundsätze zur sog. falsa demontratio, die besagen, dass das von den Parteien eines Vertragsschlusses übereinstimmend Gewollte Vorrang vor einer irrtümlichen oder absichtlichen Falschbezeichnung hat (vgl. dazu: Palandt, BGB, 73. Aufl., §133 BGB, § 133 BGB, Rz. 8).
24Diese Grundsätze zur Maßgeblichkeit des übereinstimmenden Vertragswillens haben hier zwar zur Folge, dass zwischen den Parteien ungeachtet der unzutreffenden schriftlichen Vertragsbezeichnungen überhaupt ein wirksamer Landpachtvertrag mit dem übereinstimmend gewollten Inhalt zustande gekommen ist. Sie bewirken hingegen nicht darüber hinaus, dass die von § 585 a BGB für bestimmte (längerfristige) Landpachtverträge und von § 594 a I 3 BGB für die Verkürzung der gesetzlichen Kündigungsfrist erforderteSchriftform als solche gewahrt ist.
25Dem Schriftformerfordernis ist wegen des mit ihm in erster Linie verfolgten Zwecks, einen späteren Grundstückserwerber anhand der Urkunde vollständig zu den übergehenden Rechten und Pflichten zu informieren, nicht schon dann Genüge getan, wenn den Vertragsparteien bei Abschluss des Vertrages klar war, aus welchen Flurstücken (und Flurstücksteilen) sich der Pachtgegenstand zusammensetzt; die Bestimmbarkeit des Vertragsinhaltes – insb. zum Gegenstand der Landpacht - muss durch Auslegung anhand der Urkunde und ggfls. dort in Bezug genommener äußerer Umstände vielmehr auch für den daran unbeteiligten Dritten möglich sein (vgl. OLG Sachsen-Anhalt, NL-BzAR 2009, 152 f. - Juris-Rz. 43). Das von den Vertragsparteien subjektiv übereinstimmend Gewollte vermag einem Dritten indes zur Bestimmung der Pachtsache anhand der Urkunde keinen Aufschluss zu geben.
26Die strenge Handhabung des für langfristige Pachtverträge geltenden Schriftformerfordernisses entspricht vor dem Hintergrund des Regelungszwecks allgemeiner Überzeugung und erscheint auch nicht unbillig. – selbst wenn die an Landpachtverträgen beteiligten Verkehrskreise dem Formerfordernis nicht immer die gebotene Beachtung schenken mögen (vgl. OLG Karlsruhe, AgrarR 1996, 378 – Juris-Rz. 38). Das Gesetz bietet insoweit eine interessengerechte Lösung dadurch, dass es dem ohne Einhaltung der Formvorschrift Pachtvertrag nicht die rechtliche Anerkennung versagt, sondern mittels einer Fiktion (Pachtvertragsbschluss auf unbestimmte Zeit) in den Vertrag eingreift, um eine angemessene Kündigungsmöglichkeit zu verschaffen (OLG Karlsruhe, aaO).
275. Weil nach alledem das zwischen den Parteien einheitlich begründete Landpachtverhältnis zu den streitgegenständlichen Flurstücken und Flurstücksteilen der G nicht im Einklang mit der gesetzlichen Schriftform fixiert worden ist, konnte die für den gesamten Pachtgegenstand ausgesprochene Kündigung vom Oktober 2012 es erst zum Ablauf des übernächsten Pachtjahres (31.12.2014) beenden. Die auf eine frühzeitigere Herausgabe gerichtete Widerklage zu 1) konnte daher insgesamt keinen Erfolg haben.
286. Der im Rechtsmittelzug zu den wechselseitig eingelegten Berufungen vollends unterlegene Beklagte und Widerkläger hat die Kosten der Berufungsinstanz hinsichtlich des die Widerklage zu 1) abschließend bescheidenden Teilurteils nach § 97 I ZPO zu tragen. Über die insoweit erstinstanzlich angefallenen Kosten wird mit dem Schlussurteil zu entscheiden sein.
29Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Zif. 10, 711 ZPO, 48 a LwVG.
307. Eine Zulassung der Revision - wie sie der Beklagte beantragt hat - war nicht veranlasst. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Weder die Rechtsfortbildung noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Der Senat hat den vorliegenden Einzelsachverhalt insbesondere auf der Grundlage gefestigter höchstrichterlicher und obergerichtlicher Rechtsprechung zum Inhalt und Zweck des Schriftformerfordernisses beim Landpachtvertrag entschieden.
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Das Pachtverhältnis endet mit dem Ablauf der Zeit, für die es eingegangen ist. Es verlängert sich bei Pachtverträgen, die auf mindestens drei Jahre geschlossen worden sind, auf unbestimmte Zeit, wenn auf die Anfrage eines Vertragsteils, ob der andere Teil zur Fortsetzung des Pachtverhältnisses bereit ist, dieser nicht binnen einer Frist von drei Monaten die Fortsetzung ablehnt. Die Anfrage und die Ablehnung bedürfen der schriftlichen Form. Die Anfrage ist ohne Wirkung, wenn in ihr nicht auf die Folge der Nichtbeachtung ausdrücklich hingewiesen wird und wenn sie nicht innerhalb des drittletzten Pachtjahrs gestellt wird.
(1) Ist durch Gesetz schriftliche Form vorgeschrieben, so muss die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden.
(2) Bei einem Vertrag muss die Unterzeichnung der Parteien auf derselben Urkunde erfolgen. Werden über den Vertrag mehrere gleichlautende Urkunden aufgenommen, so genügt es, wenn jede Partei die für die andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichnet.
(3) Die schriftliche Form kann durch die elektronische Form ersetzt werden, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.
(4) Die schriftliche Form wird durch die notarielle Beurkundung ersetzt.