Oberlandesgericht Düsseldorf Beschluss, 26. März 2015 - III-3 RVs 3/15
Gericht
Tenor
Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision und die notwendigen Auslagen der Nebenklägerin, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen.
1
Gründe:
3I.
4Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 15 Euro verurteilt und 20 Tagessätze dieser Strafe als Kompensation für die überlange Verfahrensdauer als vollstreckt erklärt. Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge (vorläufigen) Erfolg.
5II.
61. Die Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand. Sie ist lückenhaft und weist damit einen Rechtsfehler auf (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Auflage, § 337 Rn. 26 m.w.N.).
7Zwar hat die geschädigte Zeugin H. den Angeklagten – wie sich dem angefochtenen Urteil entnehmen lässt – bei der polizeilichen Lichtbildvorlage wiedererkannt. Diese Lichtbildvorlage entsprach aber nicht den für eine belastbare Täteridentifizierung erforderlichen Voraussetzungen. Denn entgegen Nr. 18 RiStBV wurden der Zeugin bei der Polizei nicht Lichtbilder anderer Personen „ähnlicher Erscheinung“ vorgelegt. Aus den gem. § 267 Abs. 1 S. 3 StPO wirksam in Bezug genommenen Lichtbildern ergibt sich nämlich, dass von den dort gezeigten acht Männern nur der Angeklagte die von der Zeugin als Wiedererkennungsmerkmal angegebenen Charakteristika aufwies („längere eher glatte Haare“ und „Haarfarbe“, UA S. 7). Dies scheint auch dem Amtsgericht bewusst gewesen zu sein, das eine „besonders vorsichtige Würdigung“ vorgenommen haben will, „da die Lichtbildvorlage nicht ordnungsgemäß“ und deshalb „für die Überzeugungsbildung des Gerichts nur von untergeordneter Bedeutung“ gewesen sei (UA S. 7). Beweismittel von übergeordneter Bedeutung, die die Täterschaft des Angeklagten nachvollziehbar belegen, sind dem angefochtenen Urteil allerdings nicht zu entnehmen. Dass das wiederholte Wiedererkennen in der Hauptverhandlung – zumal nur der Person auf dem Lichtbild – nur äußerst geringen Beweiswert hat, hat das Amtsgericht selbst erkannt. Das Übereinstimmen der „Täterbeschreibung der Zeugin H. mit den Erkenntnissen der erkennungsdienstlichen Behandlung des Angeklagten“ (UA S. 6) hat nicht die ihr vom Amtsgericht zugeschriebene besondere Bedeutung, da die Täterbeschreibung (älterer Herr, weiße, etwas längere, eher glatte Haare, mindestens 1,80 m groß, kräftig, stark und schwer) auf eine kaum begrenzbare Zahl von Menschen zutreffen mag.
82. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
9Nimmt der Tatrichter eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung an, so hat er – woran es im angefochtenen Urteil gefehlt hat – Art, Ausmaß und Ursache der Verzögerung konkret festzustellen. Erst in einem zweiten Schritt ist dann das Maß der zu gewährenden Kompensation zu bestimmen (BGH, Beschluss vom 06. Dezember 2007 – 5 StR 478/07 – juris-Datenbank, Rn. 6). Überdies bedarf es bei Schätzung der Einkünfte des Angeklagten im Rahmen des § 40 Abs. 3 StGB der Mitteilung konkreter Schätzungsgrundlagen (vgl. Fischer, StGB, 62. Aufl., § 40 Rn. 20 m.w.N.).
103. Die gleichfalls erhobene Kostenbeschwerde ist mit der Urteilsaufhebung und -zurückverweisung gegenstandslos (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 464 Rn. 20).
moreResultsText
Annotations
(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.
(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.
(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.
(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.
(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.
(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.
(1) Die Geldstrafe wird in Tagessätzen verhängt. Sie beträgt mindestens fünf und, wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt, höchstens dreihundertsechzig volle Tagessätze.
(2) Die Höhe eines Tagessatzes bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters. Dabei geht es in der Regel von dem Nettoeinkommen aus, das der Täter durchschnittlich an einem Tag hat oder haben könnte. Ein Tagessatz wird auf mindestens einen und höchstens dreißigtausend Euro festgesetzt.
(3) Die Einkünfte des Täters, sein Vermögen und andere Grundlagen für die Bemessung eines Tagessatzes können geschätzt werden.
(4) In der Entscheidung werden Zahl und Höhe der Tagessätze angegeben.