Oberlandesgericht Düsseldorf Beschluss, 24. Okt. 2016 - I - 4 U 131/16
Gericht
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das im Tenor bezeichnete erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Wuppertal hat keine Aussicht auf Erfolg. Da auch die weiteren Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO offensichtlich vorliegen, beabsichtigt der Senat, das Rechtsmittel durch Beschluss zurückzuweisen, ohne dass es einer mündlichen Verhandlung bedarf.
1
G r ü n d e
3Die Berufung des Klägers gegen das im Tenor bezeichnete erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Wuppertal hat keine Aussicht auf Erfolg. Da auch die weiteren Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO offensichtlich vorliegen, beabsichtigt der Senat, das Rechtsmittel durch Beschluss zurückzuweisen, ohne dass es einer mündlichen Verhandlung bedarf.
I.
4Der Kläger macht Ansprüche gegen die Beklagte wegen eines von ihm erklärten Widerspruchs einer nach dem Policenmodell abgeschlossenen Rentenversicherung geltend.
5Der Kläger vereinbarte mit der Beklagten im sogenannten Policenmodell eine Rentenversicherung mit ergänzender Hinterbliebenen-Zusatzversicherung und Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung. Den Versicherungsantrag unterschrieb der Kläger unter dem 24.09.1999 (Bl. 75 ff. GA). Später erhielt er den Versicherungsschein vom 15.11.1999 (Bl. 79 ff. GA). Beginn der Hauptversicherung war der 01.11.1999; die Aufschubzeit und Beitragszahlungsdauer sollte bis zum 01.11.2024 dauern. Garantiert war zunächst eine monatliche Rente in Höhe von 808 DM sowie hinsichtlich der Hinterbliebenen-Zusatzversicherung eine monatliche Rente in Höhe von 606 DM bzw. hinsichtlich der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung eine jährliche Rente in Höhe von 24.005 DM zuzüglich Beitragsbefreiung. Der monatliche Versicherungsbeitrag betrug zunächst 650 DM einschließlich 187,40 DM für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung sowie 99,40 DM für die Hinterbliebenen-Zusatzversicherung. Vereinbart war eine jährliche Beitragsdynamik.
6Auf der dritten Seite des Versicherungsscheins vom 15.11.1999 stand folgende Belehrung über das Widerspruchsrecht des Klägers:
7„Sie können dem Versicherungsvertrag ab Stellung des Antrages bis zum Ablauf von vierzehn Tagen nach Zugang des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der übrigen Verbraucherinformation schriftlich widersprechen. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs.“
8In den dem Versicherungsschein beigefügten Verbraucherinformationen war keine Angabe zur Bindungsfrist an den Antrag des Klägers im Sinne von Abschnitt I Nr. 1 lit. f) der Anlage D zu § 10a VAG a.F. enthalten.
9Mit Schreiben vom 04.07.2001 änderte der Kläger das vereinbarte Bezugsrecht (Bl. 104 GA).
10Mit Schreiben vom 28.02.2002 eines vom Kläger unter dem 07.11.2001 (Bl. 105 GA) beauftragten Maklers kündigte der Kläger den Versicherungsvertrag zum 01.04.2002 (Bl. 106 GA). Die Beklagte rechnete daraufhin mit Schreiben vom 14.03.2002 den Versicherungsvertrag zum 01.04.2002 ab und zahlte an den Kläger den Rückkaufswert zuzüglich verzinslicher Ansammlung abzüglich Kapitalertragsteuer und Solidaritätsabschlag in Höhe von insgesamt 2888,15 € (Bl. 107 f. GA). Mit Schreiben vom 11.06.2002 bat der Kläger die Beklagte darum, den Versicherungsvertrag rückwirkend zum 01.04.2002 wieder in Kraft zu setzen, weil er festgestellt habe, durch einen unseriösen Makler getäuscht worden zu sein (Bl. 109 GA). Er übersandte der Beklagten zwei Schecks über die zwischenzeitlichen Versicherungsbeiträge sowie den ausgezahlten Rückkaufswert, die von der Beklagten auch eingelöst wurden. Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 11.07.2002 mit, dass sie mit der Wiederinkraftsetzung einverstanden sei (Bl. 110 GA). Unter dem 02.07.2003 stellte sie einen entsprechenden Nachtrag zum Versicherungsschein aus (Bl. 111 ff. GA).
11Im Dezember 2003 bat der Kläger um Beitragsfreistellung des Versicherungsvertrages (Bl. 119 GA) sowie um Verrechnung von Beitragsrückständen mit dem Vertragsguthaben (Bl. 120 GA). Unter dem 20.12.2003 stellte die Beklagte einen entsprechenden Nachtrag zum Versicherungsschein aus (Bl. 121 ff. GA).
12Mit Schreiben vom 12.07.2004 bat ein vom Kläger beauftragter Makler um Beitragsfreistellung des Versicherungsvertrages für ein Jahr (Bl. 129 GA), worauf hin die Beklagte eine Beitragsstundung bis zum 01.02.2005 mit der Möglichkeit anbot, die gestundeten Beiträge mit Gewinnanteilen zu verrechnen (Bl. 130 GA); dieses Angebot nahm der Kläger mit Schreiben vom 15.07.2004 an (Bl. 131 GA). Einen entsprechenden Nachtrag zum Versicherungsschein stellte die Beklagte unter dem 14.01.2005 aus (Bl. 132 ff. GA).
13Mit Schreiben vom 15.12.2005 bat der Kläger um Beitragsfreistellung für das Jahr 2006 (Bl. 141 GA). Die Beklagte stellte unter dem 09.02.2006 einen entsprechenden Nachtrag zum Versicherungsschein aus (Bl. 142 ff. GA). Mit Schreiben vom 10.11.2006 bot die Beklagte dem Kläger die Wiederinkraftsetzung des Versicherungsvertrages zum 31.12.2006 an (Bl. 146 GA). Der Kläger reagierte auf diese Schreiben zunächst nicht. Erst mit Schreiben vom 26.04.2007 beantragte der Kläger über einen Versicherungsmakler die Wiederinkraftsetzung des Versicherungsvertrages (Bl. 147 ff. GA). Die Beklagte stellte unter dem 22.05.2007 einen entsprechenden Nachtrag zum Versicherungsschein aus (Bl. 151 ff. GA).
14Zuletzt bat der Kläger mit Schreiben vom 21.04.2009 um Beitragsfreistellung bis Dezember 2009 (Bl. 164 GA), worauf die Beklagte unter dem 12.06.2009 einen entsprechenden Nachtrag zum Versicherungsschein ausstellte (Bl. 165 ff. GA).
15Der Kläger zahlte insgesamt ein Betrag in Höhe von 24.838,05 € als Versicherungsbeiträge an die Beklagte.
16Mit Anwaltsschreiben vom 30.10.2012 erklärte der Kläger den Widerspruch gemäß § 5a VVG a.F. (Bl. 184 f. GA), der von der Beklagten mit Schreiben vom 27.11.2012 zurückgewiesen wurde (Bl. 169 GA). Mit – im Rechtsstreit nicht vorgelegtem – Schreiben vom 06.12.2012 blieb der Kläger dabei, dass sein Widerspruch wirksam wäre und erklärte hilfsweise die Kündigung des Versicherungsvertrages. Die Beklagte akzeptierte diese Kündigung zum 01.01.2013 und rechnete den Versicherungsvertrag mit Schreiben vom 02.01.2013 ab (Bl. 170 f. GA). Sie zahlte an den Kläger zunächst 14.437,70 € sowie später unberechtigter Stornoabzüge in Höhe von 1247,81 €, insgesamt also 15.685,51 €.
17Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dass die Widerspruchsbelehrung inhaltlich fehlerhaft und auch nicht drucktechnisch deutlich hervorgehoben sei. Ferner seien die ihm übersandten Unterlagen aufgrund der fehlenden Angabe gemäß Abschnitt I Nr. 1 lit. f) der Anlage D zu § 10a VAG a.F. unvollständig. Er habe daher immer noch wirksam den Widerspruch vom Versicherungsvertrag erklären können, zumal das Policenmodell ohnehin europarechtswidrig sei. Die Beklagte habe aus seinen Prämien Nutzungen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gezogen, insgesamt 19.766,79 €. Jedenfalls betrügen die Nutzungen der Beklagten auf Basis ihrer Unternehmenszahlen 1999 bis 2012 entsprechend der Berechnung auf Bl. 250 ff. GA insgesamt 8140,81 €. Der Kläger hat seinen Anspruch wie folgt berechnet:
18Summe der eingezahlten Prämien: 24.838,05 €
19zuzüglich gezogene Nutzungen: 19.776,79 €
20abzüglich außergerichtliche Zahlung: 15.685,51 €
21Klageforderung: 28.919,33 €
22Die Beklagte hat die Widerspruchsbelehrung für ordnungsgemäß gehalten und sich auf die Verwirkung eines Widerspruchsrechts des Klägers berufen, da dieser im Laufe der Vertragsgeschichte mehrfach in eindeutiger und unmissverständlicher Weise zu verstehen gegeben habe, an dem Vertrag festhalten zu wollen. Ohnehin sei der Wert des Versicherungsschutzes in Abzug zu bringen, der hinsichtlich der Hauptversicherung 16,90 €, hinsichtlich der Hinterbliebenen-Zusatzversicherung 1531,13 €, hinsichtlich der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (Beitragsbefreiung) 1479,96 € und hinsichtlich der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (Rente) 4113,08 € betrage. Ferner seien auch die Steuervorteile des Klägers in Abzug zu bringen, die bei ca. 8700 € lägen. Schließlich hat sich die Beklagte auch auf die Verjährung des Bereicherungsanspruchs des Klägers berufen, da ihr die Klage nicht „demnächst“, sondern erst am 28.01.2016 zugestellt worden sei.
23Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen erstinstanzlichen Vortrags und der von den Parteien vor dem Landgericht gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des Landgerichts Wuppertal vom 09.06.2016 in Verbindung mit dem Berichtigungsbeschluss vom 26.08.2016 und die in den Entscheidungsgründen enthaltenen tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen.
24Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 09.06.2016 (Bl. 273 ff. GA) abgewiesen, weil ein Anspruch des Klägers jedenfalls verwirkt sei, da er insbesondere nach der Kündigung des Versicherungsvertrages am 28.02.2002 den Eindruck erweckt habe, den Vertrag unbedingt fortsetzen zu wollen.
25Mit seiner gegen das landgerichtliche Urteil gerichteten form- und fristgerechten Berufung wiederholt und vertieft der Kläger sein erstinstanzliches Vorbringen. Wegen der Einzelheiten der Rechtsmittelbegründung wird auf die Berufungsschrift vom 30.08.2016 Bezug genommen.
26Der Kläger beantragt, unter Abänderung des am 09.06.2016 verkündeten Urteils des Landgerichts Wuppertal, Aktenzeichen 7 O 368/15, die Beklagte zu verurteilen,
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1. an ihn 28.919,33 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
- 29
2. an ihn 1621,87 € außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten und Hebegebühr nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
31die Berufung zurückzuweisen.
II.
32Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg. Der Kläger hat weder Umstände vorgetragen, aus denen sich eine Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt, noch konkrete Anhaltspunkte bezeichnet, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Solche sind auch sonst nicht ersichtlich.
1.
33Dabei kann der Senat – wie das Landgericht – dahinstehen lassen, ob die Widerspruchsbelehrung der Beklagten ordnungsgemäß ist, wobei dies – jedenfalls nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand – fraglich ist.
a)
34Allerdings dürfte die Belehrung drucktechnisch wohl doch noch hinreichend deutlich hervorgehoben sein. Die Belehrung geht hier keineswegs im Konvolut der übersandten Vertragsdokumente nahezu unter. Bei dem Versicherungsschein, in dem sie aufgenommen worden ist, handelt es sich um eine wichtige Urkunde, deren besondere Bedeutung für das – grundsätzlich auf lange Dauer angelegte – Rechtsgeschäft der in Rede stehenden Art jedem durchschnittlichen Versicherungsnehmer ohne Weiteres bewusst ist, deren Übersendung er erwartet und die er deshalb regelmäßig auch in Augenschein nimmt. Die Police besteht im Streitfall lediglich aus drei Seiten nebst einseitiger Beilage, die übersichtlich gegliederte Angaben zu dem betreffenden Versicherungsverhältnis enthalten. Die Widerspruchsbelehrung ist – wenn auch nicht mit einer seitlichen Überschrift, wie andere Absätze – als gesonderter Absatz gestaltet, der – wie allerdings auch die Absätze zuvor – von den übrigen Passagen mittels einer gestrichelten Linie abgetrennt ist. Er befindet sich direkt über der Firmenangabe der Beklagten und zwei faksimilierten Unterschriften mit Datum, die zusätzlich die Aufmerksamkeit des Betrachters auf diesen Teil des Versicherungsscheins lenken. Deshalb fällt der Blick schon bei bloßem Durchblättern der Police auf die Belehrung, selbst wenn man nicht nach einer Widerspruchsmöglichkeit sucht. Die verwendete Schriftart ist gut lesbar und ausreichend groß gehalten. Weitergehende formelle Anforderungen ergeben sich aus dem Gesetz nicht. Insbesondere wird keinerlei exklusive Hervorhebung des Belehrungstextes verlangt (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 14. Januar 2015 – 11 U 112/13 –, Rn. 38, juris).
b)
35Demgegenüber dürfte die Widerspruchsbelehrung inhaltlich eher nicht zutreffend sein, da für den Beginn der Widerspruchsfrist an den „Zugang des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der übrigen Verbraucherinformation“ angeknüpft wird. Es fehlt damit eine eindeutige Benennung der nach § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. fristauslösenden Unterlagen. Danach beginnt der Lauf der Frist erst, wenn dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein und die Unterlagen nach § 5a Abs. 1 VVG a.F. vollständig vorliegen; zu diesen Unterlagen gehören die Versicherungsbedingungen und insbesondere die „Verbraucherinformation nach § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes“. Letztere wird hier in der Belehrung der Beklagten allerdings nicht konkret bezeichnet, sondern lediglich pauschal als „Verbraucherinformation“ aufgeführt. Was unter dieser Verbraucherinformation zu verstehen sein soll, ist für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer aus der Belehrung nicht ersichtlich. Etwas anderes ergibt sich – nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand – auch nicht unter Einbeziehung des Gesamtinhaltes der Police, da auch an anderer Stelle nicht aufgeführt ist, welche Unterlagen ihm überlassen worden sein müssen, damit die Widerspruchsfrist in Gang gesetzt wird (vgl. BGH, Urteil vom 07. September 2016 – IV ZR 306/14 –, Rn. 11, juris).
2.
36Jedenfalls kann aber ein treuwidriges Verhalten des Versicherungsnehmers festgestellt werden, so dass sein Widerspruch gemäß § 242 BGB ohne Wirkung ist, selbst wenn der Senat zu seinen Gunsten eine fehlerhafte Belehrung unterstellt.
37Dabei muss hier nicht entschieden werden, ob bei einer – als Neuabschluss des Versicherungsvertrages zu wertenden – Wiederinkraftsetzung des Rentenversicherungsvertrages die Voraussetzungen eines Widerspruchs oder Rücktritts nach den Umständen des Erstabschlusses oder der Wiederinkraftsetzung zu beurteilen sind. Denn ein Bereicherungsanspruch ist gemäß § 242 BGB wegen widersprüchlichen Verhaltens des Versicherungsnehmers auch dann ausgeschlossen, selbst wenn eine etwa erforderliche Belehrung über ein Widerspruchsrecht gemäß § 5a VVG a.F. unterblieb. Allgemein gültige Maßstäbe dazu, ob und unter welchen Voraussetzungen eine fehlende Belehrung über das Widerspruchsrecht gemäß § 5a VVG a.F. einer Anwendung von § 242 BGB entgegensteht, können dabei nicht aufgestellt werden. Die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben im Einzelfall obliegt grundsätzlich dem Tatrichter.
a)
38Hier liegen jedenfalls besonders gravierende Umstände vor, die dem Kläger die Geltendmachung seines Anspruchs verwehren, und die zwischen den Parteien unstreitig sind. Der Kläger hat zunächst unstreitig und wirksam den Rentenversicherungsvertrag zum 01.04.2002 gekündigt (Bl. 106 GA). Er hat folgerichtig die Auszahlung des Rückkaufswertes der Beklagten ohne weiteres entgegen genommen und ebenfalls folgerichtig von der Zahlung weiterer Versicherungsbeiträge abgesehen. Für beide Parteien war damit die Vertragsbeziehung beendet. Einige Monate später bat der Kläger indes mit Schreiben vom 11.06.2002 (Bl. 109 GA) unstreitig um die Fortführung des Versicherungsvertrages und rückwirkende Wiederinkraftsetzung. Er zahlte die von der Beklagten erlangten Leistungen wieder an diese zurück und zahlte auch die zwischenzeitlichen Versicherungsbeiträge an die Beklagte nach. Der Kläger machte damit deutlich, dass er an dem Versicherungsvertrag festhalten will, und zwar trotz der zuvor erklärten Kündigung. Hinzu kommt, dass der Kläger rund fünf Jahre später auch mit Schreiben vom 26.04.2007 die Wiederinkraftsetzung des Versicherungsvertrages beantragte (Bl. 147 ff. GA), nachdem der Versicherungsvertrag für 2006 beitragsfrei gestellt worden war. Damit machte der Kläger durch seine zweimalige im Abstand von mehreren Jahren geäußerte Bitte, den Vertrag doch weiter fortzuführen, gegenüber der Beklagten unmissverständlich deutlich, dass er an dem Vertrag festhalten wolle.
39Zu diesen Zeitpunkten war er auch durch die 1999 erteilte, umfassende Verbraucherinformation und die Versicherungsbedingungen über alle Vertragsmodalitäten informiert. Er hatte damit sämtliche Vertragsunterlagen. Soweit der Kläger darauf abstellt, in der Verbraucherinformation seien keine Angaben über die Frist, während der der Antragsteller an den Antrag gebunden sein soll, enthalten gewesen (Abschnitt I Nr. 1 lit. f) der Anlage D zu § 10a VAG a.F.), ist dies jedenfalls zu den Zeitpunkten im Juni 2002 und April 2007 unerheblich, da der Vertrag bereits in der Durchführung war und eine solche Bindungsfrist ohnehin nicht mehr in Rede stehen konnte – abgesehen davon, dass darüber hinaus durchaus zweifelhaft ist, ob diese Angabe bei einem Vertragsabschluss im Policenmodell erforderlich ist, da der Versicherungsnehmer nie an seinen Antrag gebunden ist. Der Versicherer konnte deshalb darauf vertrauen, dass der Vertrag zu den ursprünglichen Bedingungen erneut abgeschlossen und fortgeführt werden solle, zumal der Kläger nicht erkennen ließ, dass er erneute oder wiederholte Informationen über die Vertragsmodalitäten benötigte, und den neu abgeschlossenen Vertrag jeweils ohne diesbezügliche Beanstandungen durchführte. Bei dieser Sachlage ist der gleichwohl später erklärten Widerspruch als grob widersprüchliches Verhalten zu werten (vgl. BGH, Beschluss vom 11. November 2015 – IV ZR 117/15 –, Rn. 15 ff., juris)
40Dabei ist der Einwand unerheblich, die Beklagte könne schutzwürdiges Vertrauen deshalb nicht beanspruchen, weil sie – unterstellt – dem Kläger keine ordnungsgemäße Belehrung über sein Widerspruchsrecht erteilt habe (vgl. dazu nur BGH, Urteil vom 07. Mai 2014 – IV ZR 76/11 –, BGHZ 201, 101-121, Rn. 40). Die Treuwidrigkeit knüpft hier nicht an die jahrelange Prämienzahlung an, sondern liegt darin, dass der Kläger bei der Beklagten durch sein Verhalten im Zusammenhang mit den beiden Wiederinkraftsetzungen des Vertrages den begründeten Eindruck erweckt hat, den Vertrag unbedingt fortsetzen zu wollen (BGH, Beschluss vom 11. November 2015 – IV ZR 117/15 –, Rn. 19, juris; vgl. auch BGH, Beschluss vom 27. Januar 2016 – IV ZR 130/15 –, Rn. 16, juris; die bloße Inanspruchnahme eines Policendarlehens fünf Jahre nach Vertragsschluss genügt demgegenüber dafür nicht, BGH, Beschluss vom 23. März 2016 – IV ZR 329/15 –, Rn. 26, juris).
b)
41Auch das Zeitmoment ist hier gegeben. Der Kläger hat den Versicherungsvertrag nach der ersten Wiederinkraftsetzung im Sommer 2002 noch mehr als zehn Jahre lang durchgeführt. Und auch nach der Wiederinkraftsetzung im April 2007 hat er erst nach mehr als fünf Jahren den Widerspruch erklärt.
3.
42Ob der nach dem Policenmodell geschlossene Versicherungsvertrag wegen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des § 5a VVG a.F. Wirksamkeitszweifeln unterliegt (vgl. dazu BGH, Urteil vom 16. Juli 2014 - IV ZR 73/13, BGHZ 202, 102 Rn. 16 ff.; BVerfG, Beschluss vom 2. Februar 2015 - 2 BvR 2437/14, WM 2015, 514 Rn. 30 ff.), kann im Streitfall dahinstehen. Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union scheidet bereits deshalb aus, weil es auf die Frage, ob das Policenmodell mit den genannten Richtlinien unvereinbar ist, hier nicht entscheidungserheblich ankommt. Einem Versicherungsnehmer ist es auch im Falle einer unterstellten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells nach Treu und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten, wenn er durch sein Verhalten den Eindruck erweckt hat, den Vertrag unbedingt fortsetzen zu wollen (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Januar 2016 – IV ZR 117/15 –, Rn. 3 ff., juris; BGH, Beschluss vom 22. März 2016 – IV ZR 130/15 –, Rn. 2 ff., juris).
III.
43Der Streitwert ist grundsätzlich lediglich auf die Höhe der vom Kläger zurückverlangten Versicherungsbeiträge festzusetzen, während die von ihm geltend gemachten herauszugebenden angeblichen Nutzungen der Beklagten – in Abänderung der bisherigen Praxis des Senates in vergleichbaren Fällen – grundsätzlich außer Betracht zu bleiben haben.
1.
44Bei der Festsetzung des Gebührenstreitwerts ist zu berücksichtigen, dass die vom Kläger als Anspruch auf Ersatz tatsächlich gezogener Nutzungen (§ 818 Abs. 1 BGB) geltend gemachte Zinsforderung aus den der Beklagten überlassenen Versicherungsbeiträgen eine den Streitwert nicht erhöhende Nebenforderung im Sinne von § 43 Abs. 1 GKG darstellen (vgl. BGH, NJW-RR 2000, 1015). Daran ändert es nichts, dass der Anspruch mit der Hauptforderung auf Rückerstattung der Beiträge als einheitliche Klageforderung im Klageantrag verfolgt wird. Auf diese Weise werden Nebenforderungen nicht zu eigenständig zu bewertenden Hauptforderungen (BGH, aaO; OLG Köln, Urteil vom 17. April 2015 – 20 U 218/14 –, Rn. 25, juris; vgl. auch BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2014 – IV ZR 116/14 –, Rn. 1, juris). Anders als in der der vom Kläger angeführten Entscheidung des OLG Stuttgart, Beschluss vom 17. Januar 2011 – 13 W 76/10 –, juris, zugrunde liegenden Fallgestaltung besteht hier zwischen den vom Kläger geltend gemachten Nutzungen der Beklagten und seiner Rückforderung der von ihm geleisteten Versicherungsprämien auch eine Abhängigkeit, da der Kläger nur dann einen Anspruch auf Zahlung der gezogenen Nutzungen haben kann, wenn er zunächst einen Rückzahlungsanspruch hinsichtlich seiner Prämien hatte.
45Im Hinblick darauf, dass die Beklagte allerdings bereits Zahlungen auf einen Rückzahlungsanspruch des Klägers erbracht hat, sind nicht mehr die gesamten Versicherungsbeiträge, aus denen die Beklagte die geltend gemachten Nutzungen gezogen haben soll, mit der Hauptforderung streitgegenständlich. Die aus den vom Kläger bezahlten Prämien geltend gemachten Nutzungen sind daher nicht sämtlich Teil der Hauptforderung (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 28. Juli 2016 – 7 U 80/16 –, Rn. 103, juris), denn wenn und soweit infolge der Auszahlung eines mit dem Prämienrückzahlungsanspruch des Versicherungsnehmers zu saldierenden Rückkaufswertes durch den Versicherer ein Teil der Hauptforderung nicht anhängig ist, sind Nutzungen bei der Streitwertbemessung über die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung von Versicherungsverträgen gemäß § 43 GKG zu berücksichtigen (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 23. März 2015 – 12 W 6/15, 12 U 188/14 –, juris).
2.
46Für den Streitwert sind daher zunächst 9152,54 Euro anzusetzen (24.838,05 Euro abzgl. 15.685,51 Euro). Der Streitwert erhöht sich sodann um denjenigen Anteil der geltend gemachten Nutzungen, der dem im Januar 2013 zurückgezahlten Rückkaufswert in Höhe von 14.437,70 Euro zuzurechnen ist.
47Dieser Betrag errechnet sich durch Abzug desjenigen Teils der von dem Kläger in Form von Nutzungen verlangten Nebenforderungen, der auf die noch anhängige Hauptforderung, nämlich die Restprämien in Höhe von 9.152,54 Euro entfällt. Das sind zunächst diejenigen Nutzungen, die für den Zeitraum nach Auszahlung des Rückkaufwertes gefordert werden. Für den Zeitraum Januar 2013 bis September 2013 verlangt der Kläger Nutzungen entsprechend seiner Aufstellung in Anlage K5 (Bl. 239R GA) in Höhe von rund 1050 Euro. Soweit für den Zeitraum November 1999 bis Dezember 2012 Nutzungen geltend gemacht werden, lässt sich der auf die noch anhängigen Restprämien entfallende Anteil der Nebenforderung bestimmen, indem festgestellt wird, welcher Anteil der ursprünglichen Gesamtforderung auf die Restprämien entfällt. Die Restprämien machen 37 Prozent der insgesamt gezahlten Prämien aus. Damit müssen 37 Prozent der angeblichen Nutzungen für den Zeitraum November 1999 bis Dezember 2012 in Höhe von 18.716,72 Euro (19.766,79 Euro abzgl. 1050,07 Euro) bei der Streitwertberechnung unberücksichtigt bleiben, das sind rund 6925 Euro. Nicht bei der Streitwertbemessung zu berücksichtigen sind mithin rund 7975 Euro (1050 Euro zzgl. 6925 Euro). Streitwertrelevant sind damit die nach Abzug dieses Betrages von den insgesamt geltend gemachten Nutzungen in Höhe von 19.766,79 Euro verbleibenden Nutzungen in Höhe von 11.791,79 Euro.
48Insgesamt beträgt der Streitwert daher 20.944,33 Euro (9152,54 Euro zzgl. 11.791,79 Euro).
IV.
49Vorsorglich wird auf die kostenreduzierenden Folgen einer etwa beabsichtigten Rücknahme der Berufung bis zu einer Senatsentscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO hingewiesen.
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Annotations
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil
- 1.
die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen, - 2.
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Die Verpflichtung zur Herausgabe erstreckt sich auf die gezogenen Nutzungen sowie auf dasjenige, was der Empfänger auf Grund eines erlangten Rechts oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung des erlangten Gegenstands erwirbt.
(2) Ist die Herausgabe wegen der Beschaffenheit des Erlangten nicht möglich oder ist der Empfänger aus einem anderen Grunde zur Herausgabe außerstande, so hat er den Wert zu ersetzen.
(3) Die Verpflichtung zur Herausgabe oder zum Ersatz des Wertes ist ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist.
(4) Von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an haftet der Empfänger nach den allgemeinen Vorschriften.
(1) Sind außer dem Hauptanspruch auch Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten als Nebenforderungen betroffen, wird der Wert der Nebenforderungen nicht berücksichtigt.
(2) Sind Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten als Nebenforderungen ohne den Hauptanspruch betroffen, ist der Wert der Nebenforderungen maßgebend, soweit er den Wert des Hauptanspruchs nicht übersteigt.
(3) Sind die Kosten des Rechtsstreits ohne den Hauptanspruch betroffen, ist der Betrag der Kosten maßgebend, soweit er den Wert des Hauptanspruchs nicht übersteigt.
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.