Oberlandesgericht Düsseldorf Urteil, 18. Dez. 2018 - 24 U 13/18
Gericht
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 17.11.2017 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal - Einzelrichterin - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 4.021,25 nebst Zinsen iHvon fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.06.2015 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger zu 91% und die Beklagte zu 9%. Die Kosten der Berufung tragen der Kläger zu 23% und die Beklagte zu 77%.
Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
1
Gründe:
2I.
3Die Berufung des Klägers gegen das am 17.11.2017 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal - Einzelrichterin - ist zulässig und hat teilweise, namentlich iHvon € 1.200,34 nebst Zinsen Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet.
41.
5Die Berufung wendet sich im Ergebnis ohne Erfolg gegen die Feststellung des Landgerichts, dass das dem Kläger aufgrund der nicht ordnungsgemäßen Widerspruchsbelehrung zustehende Widerspruchsrecht im Zeitpunkt der Ausübung am 30.10.2012 nicht verwirkt war.
6Die Verwirkung als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung wegen der illoyal verspäteten Geltendmachung von Rechten setzt neben einem Zeitmoment ein Umstandsmoment voraus. Ein Recht ist verwirkt, wenn sich der Schuldner wegen der Untätigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, so dass die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt. Zu dem Zeitablauf müssen besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde sein Recht nicht mehr geltend machen (st. Rspr., vgl. BGH v. 12.07.2016, XI ZR 564/15, Rn. 60 mwN, juris).
7Noch zutreffend weist die Berufung darauf hin, dass auch im Falle einer nicht ordnungsgemäßen Widerspruchsbelehrung eine Verwirkung in Betracht kommen kann (vgl. BGH v. 27.01.2016, IV ZR 130/15, Rn. 14 + 16, juris). Nach der Rechtsprechung kann der Versicherer ein schutzwürdiges Vertrauen auf den Bestand des Versicherungsvertrages dann nicht in Anspruch nehmen, wenn er die Situation durch eine nicht ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung herbeigeführt hat, indem er dem Versicherungsnehmer keine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung erteilte (so in BGH v. 23.03.2016, IV ZR 329/15, Rn. 23, juris; v. 01.06.2016, IV ZR 482/14, Rn. 22, juris; v. 11.11.2015, IV ZR 513/14, Rn. 27, juris; v. 29.07.2015, IV ZR 448/14, Rn. 29, juris; v. 29.07.2014, IV ZR 384/14, Rn. 31, juris; v. 07.05.2014, IV ZR 76/11, Rn. 39f, juris). Allerdings hat der BGH auch ausgeführt, dass es der tatrichterlichen Beurteilung vorbehalten bleibt, ob ausnahmsweise ein schutzwürdiges Vertrauen des Versicherers angenommen werden kann, wenn besonders gravierende Umstände hinzutreten, etwa wenn sich das Verhalten des Versicherungsnehmers als widersprüchlich darstellt und bei dem Versicherer - für den Versicherungsnehmer erkennbar - ein schutzwürdiges Vertrauen in den unbedingten Bestand des Vertrages begründet; dann ist die Ausübung des zeitlich unbefristeten Widerspruchsrechts rechtsmissbräuchlich und ein bereicherungsrechtlicher Rückabwicklungsanspruch ausgeschlossen (vgl. BGH v. 01.06.2016, IV ZR 482/14, Rn. 24; v. 27.01.2016, IV ZR 130/15, Rn. 16, juris). Derartige besonders gravierende Umstände können im vorliegenden Fall jedoch nicht festgestellt werden.
8Besonders gravierende Umstände in diesem Sinne liegen nach Auffassung des BGH vor in einem Fall, in welchem der Versicherungsnehmer bereits zwei Monate nach Erhalt des Versicherungsscheins seine Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag als Sicherheit für ein Darlehn an eine Bank abgetreten und nach Prämienzahlung über mehr als acht Jahre ein weiteres Mal an eine Bank zur Sicherung der Ansprüche aus einem Kreditvertrag abgetreten hatte; die Abtretung umfasste jeweils auch die Todesfallleistung; aufgrund des dort bestehenden engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen dem Abschluss des Versicherungsvertrages und dessen Einsatz zur Kreditsicherung sowie die Abtretung auch der Todesfallleistung wurde nach den Ausführungen des BGH bei dem Versicherer ein schutzwürdiges Vertrauen in den unbedingten Bestand des Vertrages begründet, wobei die vertrauensbegründende Wirkung für den Versicherungsnehmer auch erkennbar war (vgl. BGH v. 27.01.2016, IV ZR 130/15, Rn. 16 mwN, juris). Nach Auffassung des 4. Zivilsenats des OLG Düsseldorf ist dem Versicherungsnehmer in aller Regel auch dann, wenn die Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag lediglich einmalig zeitnah zum Abschluss des Lebensversicherungsvertrages abgetreten wurden und der Vertrag über viele Jahre bedient wurde, gemäß § 242 BGB die Rückabwicklung des Vertrages verwehrt (vgl. OLG Düsseldorf v. 28.11.2016, 4 U 150/16). Der 24. Zivilsenat des OLG Düsseldorf hat einen engen zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Abschluss des Versicherungsvertrages und dessen Einsatz als Kreditsicherungsmittel bejaht in einem Fall, in dem die Versicherungsnehmerin ihre Ansprüche aus den Versicherungsverträgen noch am Tag der jeweiligen Antragsstellung als Sicherheit für ein Darlehen abgetreten hatte, wobei die Abtretung ausdrücklich die Todesfallleistung umfasste (OLG Düsseldorf, v. 09.10.2018, 24 U 10/18). Ferner hat er einen engen zeitlichen Zusammenhang bei einem Zeitablauf von bis zu einem Jahr, zumindest jedoch von bis zu 6 Monaten angenommen, da es allgemeiner Lebenserfahrung entspreche, dass der Vorlauf bei Aufnahme eines größeren Darlehensbetrages einen Zeitraum von bis zu einem Jahr umfasse, so dass unterstellt werden könne, dass ein (zukünftiger) Kreditnehmer, welcher sich in diesem Zeitfenster zum Abschluss eines Versicherungsvertrages entschließt, bereits bei Abschluss des Vertrages die Absicht habe, diesen bei Darlehensaufnahme als Kreditsicherungsmittel einzusetzen (OLG Düsseldorf Hinweisbeschluss v. 03.07.2018, 24 U 5/18).
9Die Inanspruchnahme eines Policendarlehens einmalig fünf Jahre nach Vertragsschluss hat der BGH hingegen nicht als besonders gravierenden Umstand gewertet. Dabei handele es sich um eine Vorauszahlung auf die künftige Versicherungsleistung, die der Versicherer entsprechend nach der Kündigung des Versicherungsvertrages mit dem Rückkaufswert verrechnet habe. Die Inanspruchnahme dieser Vorauszahlung ließe nach den Ausführungen des BGH mit Rücksicht darauf, dass der Versicherungsnehmer nicht ordnungsgemäß über das Widerspruchsrecht belehrt worden war, keinen Schluss darauf zu, der Versicherungsnehmer hätte auch bei Kenntnis des Widerspruchsrechts an dem Versicherungsvertrag festgehalten und werde von dem ihm zustehenden Widerspruchsrecht keinen Gebrauch machen (vgl. BGH v. 23.03.2016, IV ZR 329/15, Rn. 26, juris). Entsprechendes gilt auch für den Einsatz der Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag zur Sicherung der Rechte eines Dritten aus einem Darlehensvertrag ca. zwei Jahre nach Versicherungsbeginn (vgl. BGH v. 01.06.2016, IV ZR 482/14, Rn. 24, juris) bzw. ca. viereinhalb Jahre nach Versicherungsbeginn (vgl. BGH v. 11.05.2016, IV ZR 334/15, Rn. 16, juris).
10In Ansehung des bereits im Jahr 2002 geschlossenen Versicherungsvertrages begründen die vom Kläger im Jahr 2006 vorgenommene Risikozwischenfinanzierung aus dem Kapital mit der Folge einer Beitragssenkung von € 412,59 auf € 159,09 und die zum 01.10.2012 vorgenommene Beitragsfreistellung keine besonders gravierenden Umstände, die ein Rückabwicklung als rechtsmissbräuchlich darstellen könnten. Es kann nicht festgestellt werden, dass hierdurch - für den Kläger erkennbar - ein schutzwürdiges Vertrauen der Beklagten in den unbedingten Bestand des Vertrages begründet wurde. Es gibt keine Umstände, die den Rückschluss darauf zulassen, dass der Kläger auch bei Kenntnis seines Widerrufsrechts hiervon nicht Gebrauch gemacht und am Versicherungsvertrag festgehalten hätte, die mithin seinen unbedingten Fortführungswillen belegen. Der erstmalige Einsatz der fraglichen Lebensversicherung als Sicherung für ein zur Zwischenfinanzierung aufgenommenes Darlehen erfolgte hier vier Jahre nach Vertragsbeginn, die Beitragsfreistellung über zehn Jahre nach Vertragsbeginn, und stehen daher nicht mehr in einem engen zeitlichen Zusammenhang zum Vertragsschluss.
11Entgegen der Auffassung der Beklagten führt die Parallelbewertung zu § 124 Abs. 3 BGB (GA 548ff) nicht dazu, dass dem Kläger die Ausübung des Widerspruchs verwehrt wäre. Zwar wurde der Widerspruch hier erst mit Schreiben vom 30.10.2012 und damit mehr als zehn Jahre nach Abgabe der Willenserklärung am 19.02.2002 (GA 82) bzw. Vertragsbeginn (01.04.2002) erklärt. Nach dieser Zeit wäre selbst eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nicht mehr möglich, § 124 Abs. 3 BGB. Allerdings führt eine Zeitspanne von mehr als zehn Jahren zwischen Vertragsschluss und Widerspruch allein nicht zur Annahme einer Verwirkung (vgl. BGH v. 01.06.2016, IV ZR 482/14, juris: Versicherungsbeginn 2000, Widerspruch 2013; BGH v. 11.11.2015, IV ZR 513/14, Rn. 27, juris: Versicherungsbeginn 1999, Widerspruch 2013; v. 29.07.2015, IV ZR 448/14, 29, juris: Versicherungsbeginn 1999, Widerspruch 2010). Soweit dies in der Rechtsprechung teilweise anders gesehen wird (wohl OLG Dresden v. 03.01.2018, 4 U 1235/17, Rn. 11, juris, zu § 8 VVG: „bei der Wertung zu berücksichtigen“, in der Entscheidung wurde allerdings ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Abschluss des Versicherungsvertrages und dessen Einsatz zur Kreditsicherung angenommen; KG Berlin v. 17.11.2017, 26 U 88/17, Rn. 8f, juris: „aus Gründen der Rechtssicherheit und -klarheit“), kann dem nach Auffassung des Senats nicht gefolgt werden. Zu berücksichtigen ist vielmehr, dass ein die Verwirkung begründender Vertrauenstatbestand nicht durch bloßen Zeitablauf geschaffen werden kann, sondern das Hinzutreten weiterer Umstände voraussetzt (vgl. BGH v. 12.07.2016, XI ZR 564/15, Rn. 60 mwN, juris). Schon deshalb kann nicht mit Erfolg darauf verwiesen werden, dass selbst die Anfechtung wegen Täuschung oder Drohung nach § 123 BGB gemäß § 124 Abs. 3 BGB ausgeschlossen ist, wenn seit der Abgabe der Willenserklärung zehn Jahre verstrichen sind. Es bliebe auch unberücksichtigt, dass die Ausschlussfrist des § 124 Abs. 3 BGB nur zum Tragen kommt, wenn nicht zuvor die kürzere kenntnisabhängige Frist des § 124 Abs. 2 BGB abgelaufen ist. Der Beginn der Widerrufsfrist ist hingegen kenntnisunabhängig, es kommt allein auf eine ordnungsgemäße Belehrung an. Bereits dieser unterschiedliche Ansatz steht einer Übertragung des der Ausschlussfrist zu Grunde liegenden Rechtsgedankens auf die Widerrufsfrist entgegen (vgl. OLG Brandenburg v. 22.11.2017, 4 U 205/16, Rn. 50, juris, zu § 355 BGB; OLG Stuttgart v. 21.12.2017, 7 U 80/17, Rn. 60, juris: „analoge Anwendung des § 124 Abs. 3 BGB scheidet insoweit aus“).
122.
13Erfolgreich ist allerdings der Einwand der Berufung, das Landgericht habe die aus der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung folgenden Ansprüche falsch berechnet. Im Ergebnis hat der Kläger noch einen Anspruch auf Zahlung von € 4.021,25, statt wie vom Landgericht errechnet € 5.221,59.
14a.
15Geschuldet war nach den mit der Berufung nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts die Herausgabe von Prämienzahlungen wie folgt:
16gesamte Beiträge € 53.409,39
17- Beiträge BUZ € 18.129,39
18- Risikoanteil Hauptversicherung € 2.733,27
19- Kapitalertragssteuer € 1.283,98
20- Solidaritätszuschlag € 70,62
21= € 31.192,13
22Entgegen der Auffassung der Berufung hat das Landgericht den geltend gemachten, vermeintlich auf die Abdeckung der biometrischen Risiken bezogenen Kostenanteil iHvon € 563,87 zu Recht nicht bereicherungsmindernd in Abzug gebracht. Die von der Beklagten angeführten, auf die Risikobeiträge anteilig entfallenden Gesamtkosten iHvon € 7.279,16 (GA 551) setzen sich ausweislich ihres anwaltlichen Schriftsatzes v. 29.01.2016, S. 2 (GA 409) zusammen aus:
23- Verwaltungskosten iHvon € 2.563,13 (streitig, vgl. GA 62, 472, 479),
24- Abschlusskosten iHvon € 3.853,48 (unstreitig, vgl. GA 63, 472, 479) und
25- Ratenzahlungszuschlägen iHvon € 862,55 (streitig, vgl. GA 64, 472, 479).
26Zutreffend ist, dass der BGH in seinen Entscheidungen v. 29.07.2015 (IV ZR 448/14, Rn. 36, juris, und IV ZR 384/14, Rn. 39, juris) geprüft hat, ob neben dem bereicherungsrechtlich nicht auszugleichenden Risikoanteil der Prämien auch ein darauf entfallender Kostenanteil in Abzug zu bringen ist, wenn der Versicherer geltend macht, dass die Verwaltung des übernommenen Risikos mit Kosten verbunden sei, die nicht durch die Risikokosten gedeckt seien, sondern separat in die Prämie einkalkuliert würden. In den dort zu entscheidenden Fällen konnte dies nicht festgestellt werden, weil der Versicherer zu dem Kostenanteil nicht hinreichend vorgetragen hatte. Vorliegend teilt die Beklagte die insgesamt angefallenen Kosten anteilmäßig nach dem Verhältnis der Gesamtkosten zu den Gesamtprämien der Hauptversicherung auf (GA 453, 551). Dies ersetzt indes keinen hinreichenden Vortrag zu etwaigem tatsächlich auf die Verwaltung der Risikoanteile entfallenden Kostenaufwand. Ein solcher Vortrag wäre jedoch erforderlich gewesen, da grundsätzlich gilt: Verwaltungskosten sind nicht bereicherungsmindernd zu berücksichtigen, weil sie nicht adäquat-kausal auf der Bereicherung des Versicherers durch die Prämienzahlungen beruhen (vgl. BGH v. 24.02.2016, IV ZR 512/14, Rn. 33, juris; v. 29.07.2015, IV ZR 448/14, Rn. 47, juris, und IV ZR 384/14, Rn. 42, juris). Abschlusskosten sind nicht bereicherungsmindernd anzuerkennen, weil insoweit nach den maßgeblichen Wertungsgesichtspunkten das Entreicherungsrisiko dem Versicherer zugewiesen ist (vgl. BGH v. 24.02.2016, IV ZR 512/14, Rn. 34, juris; v. 29.07.2015, IV ZR 448/14, Rn. 48, juris, und IV ZR 384/14, Rn. 43, juris). Hinsichtlich der Ratenzahlungszuschläge ist zu differenzieren: Dienen sie dem Ausgleich für einen Zinsausfall und ein besonderes Beitragszahlungsrisiko, ist eine Wegfall der Bereicherung nicht ersichtlich; anders kann es dann sein, wenn sie einen Verwaltungsaufwand kompensieren sollen (vgl. BGH v. 29.07.2015, IV ZR 448/14, Rn. 49, juris, und IV ZR 384/14, Rn. 44, juris; BGH v. 24.02.2016, IV ZR 512/14, Rn. 35, juris; OLG Stuttgart v. 23.10.2014, 7 U 54/14, Rn. 90, juris: mit einem Anteil von durchschnittlich 2,87 Prozent allerdings im Rahmen der Schätzung zu vernachlässigen). Zu letzterem aber fehlt hier jeglicher Vortrag. Dieser kann auch nicht durch die von der Beklagten zum Beweis angebotene Auskunft der BaFin oder ein versicherungsmathematisches Sachverständigengutachten (GA 453) ersetzt werden.
27b.
28Die Berufung beanstandet zu Recht, die Nutzungsberechnung im erstinstanzlichen Urteil sei rechtsfehlerhaft. Die Beklagte hat lediglich Nutzungen herauszugeben iHvon € 7.136,66, statt wie vom Landgericht angenommen € 8.186,35.
29aa.
30Der vom Landgericht für die Berechnung der gezogenen Nutzungen errechnete Grundwert von € 26.298,60 für die Zeit vom 01.04.2002 (Vertragsbeginn) bis 31.12.2012 (Abrechnung) ist letztlich nur geringfügig zu korrigieren. Auszugehen ist von einem Grundwert von € 26.476,10,-, mithin von einem Anteil von 49,57% der Gesamtprämien. Insoweit hatte der Senat gem. Verfügung des Vorsitzenden v. 25.09.2018 (GA 587) zunächst einen Grundbetrag von € 24.944,- genannt, in der Sitzung am 23.10.2018 jedoch im Rahmen der Erörterung des Beratungsergebnisses darauf hingewiesen, dass richtigerweise - ohne Abzug der Verwaltungskosten - von einem Grundwert von € 26.476,10 auszugehen ist.
31Die Beklagte hatte nach den obigen Ausführungen unter Pkt. a) Prämienzahlungen iHvon € 31.192,13 herauszugeben. Es muss aber unterschieden werden zwischen der rechtlichen Verteilung des Entreicherungsrisikos (s.o.) und dem tatsächlich zur Ziehung von Nutzungen zur Verfügung stehenden Vermögen (vgl. BGH v. 11.11.2015, IV ZR 513/14, Rn. 44, juris). Hier hat das Landgericht zu Recht berücksichtigt, dass hinsichtlich des auf die Abschlusskosten entfallenden Prämienanteils keine Verpflichtung zur Herausgabe von Nutzungen besteht. Mangels abweichender Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass die beklagte Versicherung Prämienanteile, welche sie für Abschlusskosten aufwandte, nicht zur Kapitalanlage nutzen konnte (BGH v. 11.11.2015, IV ZR 513/14, Rn. 45, juris). Hinsichtlich des Verwaltungskostenanteils der Prämien ist jedoch entgegen der Auffassung des Landgerichts mangels anderweitiger Anhaltspunkte anzunehmen, dass die Beklagte, wenn sie diesen Prämienanteil zur Bestreitung von Verwaltungskosten aufwandte, auf diese Weise den Einsatz sonstiger Finanzmittel ersparte, die sie zur Ziehung von Nutzungen verwenden konnte (BGH aaO, Rn. 47, juris; v. 29.07.2015, IV ZR 384/14, Rn. 42, juris; IV ZR 448/14, Rn. 47, juris). Mithin sind beim Grundwert für die Berechnung der Nutzungen lediglich folgende Positionen abzusetzen
32herauszugebende Prämienanteile (a) € 31.192,13
33- Abschlusskosten € 3.853,48
34- Ratenzuschläge € 862,55
35= € 26.476,10,-.
36Die Beklagte schuldet die Herausgabe von Nutzungen (hier: Zinsen) - wie das Landgericht zutreffend angenommen hat - für die Zeit v. 01.04.2002 (Vertragsbeginn) bis zum 31.12.2012 (Abrechnung). Für die Zeit ab dem 01.01.2013 schuldet sie hingegen keine Nutzungsherausgabe. Die Beklagte hatte nach den obigen Ausführungen unter Pkt. a) Prämienzahlungen iHvon € 31.192,13 herauszugeben. Sie hat gem. Schreiben v. 18.12.2012 noch im Dezember 2012 einen Betrag iHvon gesamt € 31.831,45 (GA 57, BLD 7, GA 106f, GA 593) an den Kläger ausgezahlt, so dass der Herausgabeanspruch hinsichtlich der Prämienzahlungen Ende 2012 (ohne Nutzungen) vollständig erfüllt war, die Beklagte ab dem 01.01.2013 aus den herauszugebenden Prämienanteilen mithin keine weiteren Nutzungen (Zinsen) mehr gezogen hat.
37bb.
38Die Berufung wendet mit Erfolg ein, der Vortrag des Klägers genüge hinsichtlich des für die Berechnung der Nutzungen maßgeblichen Zinswertes nicht den Anforderungen, die der BGH an die Schlüssigkeit des Vortrags zur konkreten Ertragslage des betroffenen Versicherers stelle.
39Zutreffend ist, dass die Darlegungs- und Beweislast für die nach § 818 Abs. 1 S. 1 BGB herauszugebenden tatsächlich gezogenen Nutzungen dem Versicherungsnehmer obliegt; dies verlangt einen Tatsachenvortrag, der nicht ohne Bezug zur Ertragslage des jeweiligen Versicherers auf eine tatsächliche Vermutung einer Gewinnerzielung in bestimmter Höhe - etwa anhand von Informationsunterlagen
40(BGH v. 29.07.2015, IV ZR 448/14, Rn. 51, juris) oder der Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz (BGH v. 29.07.2015, IV ZR 384/14, Rn. 46, juris) - gestützt werden kann (vgl. BGH v. 11.11.2015, IV ZR 513/14, Rn. 48, juris). Erforderlich ist, dass der Versicherungsnehmer einen aus der Ertragslage des Versicherers abgeleiteten Gewinn darlegt und nicht nur pauschal durchschnittliche Zinsgewinne behauptet. Eine tatsächliche Vermutung, dass ein Versicherer Nutzungen iHdes gesetzlichen Verzugszinses gezogen hat - wie hier der Kläger noch erstinstanzlich unter Verweis auf die Entscheidung des OLG Bamberg v. 20.11.2014, 1 U 45/14, geltend gemacht hat (GA 364) - gibt es nicht. Ist nicht erkennbar, dass dem Versicherungsnehmer entsprechender Vortrag, etwa auf der Grundlage veröffentlichter Geschäftsberichte nicht möglich gewesen wäre, greifen auch die Grundsätze der sekundären Darlegungslast nicht ein (vgl. BGH v. 11.11.2015, IV ZR 513/14, Rn. 49f, juris).
41Hier hat der Kläger gem. Verfügung des Senatsvorsitzenden v. 25.09.2018 (GA 582) mit Schriftsatz v. 22.10.2018 eine Neuberechnung der Nutzungen unter Zugrundelegung des Reinzinses gem. des mit Schriftsatz v. 23.11.2015, S. 10 (GA 364) vorgelegten Ausschnitts der BaFin Anl. K4 = GA 384ff, ergänzt um die Angaben für 2002 bis 2004 vorgenommen (vgl. BK3 = GA 589ff). Diese Berechnung basiert zwar auf gezahlten Prämienanteilen iHvon gesamt € 24.936,65 (Grundwert), kann aber auf den gem. Pkt. aa) maßgeblichen Grundwert von € 26.476,10,- hochgerechnet werden, indem man die errechneten Nutzungen für die Zeit bis 31.12.2012 (gesamt € 6.721,70) im selben Verhältnis erhöht (Faktor 1,0617344). Danach ergeben sich für die Zeit v. 01.04.2002 bis zum 31.12.2012 Nutzungen iHvon € 6.721,70 x 1,0617344 = € 7.136,66.
42cc.
43Im Ergebnis hat der Kläger mithin einen Anspruch auf Zahlung iHvon
44€ 31.192,13 Prämien
45+ € 7.136,66 Nutzungen (Zinsen)
46- € 31.831,45 Zahlung am 27.12.2012
47- € 2.325,44 Zahlung am 15.10.2013
48- € 87,65 Zahlung am 06.11.2013 (vgl. Berechnung des Klägers BK3, S. 5).
49€ 4.021,25
50II.
51Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
52Gründe für eine Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.
53Wert der Berufung: € 5.221,59.
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Annotations
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Die Anfechtung einer nach § 123 anfechtbaren Willenserklärung kann nur binnen Jahresfrist erfolgen.
(2) Die Frist beginnt im Falle der arglistigen Täuschung mit dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungsberechtigte die Täuschung entdeckt, im Falle der Drohung mit dem Zeitpunkt, in welchem die Zwangslage aufhört. Auf den Lauf der Frist finden die für die Verjährung geltenden Vorschriften der §§ 206, 210 und 211 entsprechende Anwendung.
(3) Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit der Abgabe der Willenserklärung zehn Jahre verstrichen sind.
(1) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten.
(2) Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben war, nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung kannte oder kennen musste. Soweit ein anderer als derjenige, welchem gegenüber die Erklärung abzugeben war, aus der Erklärung unmittelbar ein Recht erworben hat, ist die Erklärung ihm gegenüber anfechtbar, wenn er die Täuschung kannte oder kennen musste.
(1) Die Anfechtung einer nach § 123 anfechtbaren Willenserklärung kann nur binnen Jahresfrist erfolgen.
(2) Die Frist beginnt im Falle der arglistigen Täuschung mit dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungsberechtigte die Täuschung entdeckt, im Falle der Drohung mit dem Zeitpunkt, in welchem die Zwangslage aufhört. Auf den Lauf der Frist finden die für die Verjährung geltenden Vorschriften der §§ 206, 210 und 211 entsprechende Anwendung.
(3) Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit der Abgabe der Willenserklärung zehn Jahre verstrichen sind.
(1) Wird einem Verbraucher durch Gesetz ein Widerrufsrecht nach dieser Vorschrift eingeräumt, so sind der Verbraucher und der Unternehmer an ihre auf den Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärungen nicht mehr gebunden, wenn der Verbraucher seine Willenserklärung fristgerecht widerrufen hat. Der Widerruf erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Unternehmer. Aus der Erklärung muss der Entschluss des Verbrauchers zum Widerruf des Vertrags eindeutig hervorgehen. Der Widerruf muss keine Begründung enthalten. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.
(2) Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage. Sie beginnt mit Vertragsschluss, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(3) Im Falle des Widerrufs sind die empfangenen Leistungen unverzüglich zurückzugewähren. Bestimmt das Gesetz eine Höchstfrist für die Rückgewähr, so beginnt diese für den Unternehmer mit dem Zugang und für den Verbraucher mit der Abgabe der Widerrufserklärung. Ein Verbraucher wahrt diese Frist durch die rechtzeitige Absendung der Waren. Der Unternehmer trägt bei Widerruf die Gefahr der Rücksendung der Waren.
(1) Die Anfechtung einer nach § 123 anfechtbaren Willenserklärung kann nur binnen Jahresfrist erfolgen.
(2) Die Frist beginnt im Falle der arglistigen Täuschung mit dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungsberechtigte die Täuschung entdeckt, im Falle der Drohung mit dem Zeitpunkt, in welchem die Zwangslage aufhört. Auf den Lauf der Frist finden die für die Verjährung geltenden Vorschriften der §§ 206, 210 und 211 entsprechende Anwendung.
(3) Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit der Abgabe der Willenserklärung zehn Jahre verstrichen sind.
(1) Die Verpflichtung zur Herausgabe erstreckt sich auf die gezogenen Nutzungen sowie auf dasjenige, was der Empfänger auf Grund eines erlangten Rechts oder als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung des erlangten Gegenstands erwirbt.
(2) Ist die Herausgabe wegen der Beschaffenheit des Erlangten nicht möglich oder ist der Empfänger aus einem anderen Grunde zur Herausgabe außerstande, so hat er den Wert zu ersetzen.
(3) Die Verpflichtung zur Herausgabe oder zum Ersatz des Wertes ist ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist.
(4) Von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an haftet der Empfänger nach den allgemeinen Vorschriften.
(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.
(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn
- 1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder - 2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.