Oberlandesgericht Bamberg Urteil, 22. Juni 2018 - 3 OLG 110 Ss 38/18

published on 22/06/2018 00:00
Oberlandesgericht Bamberg Urteil, 22. Juni 2018 - 3 OLG 110 Ss 38/18
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Tatbestand

Das AG verurteilte den Angekl. am 26.10.2017 wegen Steuerhinterziehung in 6 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren, deren Vollstreckung es zur Bewährung aussetzte. Daneben hat es gegen den Angekl. eine Gesamtgeldstrafe von 120 Tagessätzen verhängt und die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 238.000 Euro angeordnet.

Gegen dieses Urteil legte der Angekl. am 02.11.2017 Berufung ein, welche er mit Verteidigerschriftsatz vom 02.02.2018 „auf das Strafmaß und die Rechtsfrage“ beschränkte, „ob für die Veranlagungszeiträume 2007, 2008 und 2009 ein besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung gemäß § 370 III 2 Nr. 1 AO“ vorliege.

Mit Urteil vom 23.02.2018 hat das LG, das von einer wirksamen Beschränkung des Rechtsmittels auf den „Rechtsfolgenausspruch“ ausging, die Berufung des Angekl. mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass die Höhe der angeordneten Einziehung von Wertersatz 228.000 Euro beträgt.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Angekl. mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und sachlichen Rechts rügt. Sein Rechtsmittel bleibe ohne Erfolg.

Gründe

I.

Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der statthaften und auch im Übrigen zulässigen Revision deckt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angekl. auf.

1. Eine den Begründungsanforderungen des § 344 II Satz 2 StPO genügende Verfahrensrüge ist mangels Ausführung nicht erhoben.

2. Die Beschränkung der Berufung auf das Strafmaß ist wirksam, was der Senat aufgrund der zulässigen Revision von Amts wegen zu prüfen hat (st.Rspr., vgl. nur BGH, Beschluss vom 30.11.1976 - 1 StR 319/76 = BGHSt 27, 70 = NJW 1977, 442 = JZ 1977, 142 = MDR 1977, 326 = DAR 1977, 136 = JR 1978, 70; BayObLG, Beschl. vom 02.02.2001 - 5St RR 20/01 = VRS 100 [2001], 354 = NZV 2001, 353 = BA 38, 290; OLG Bamberg, Beschluss vom 03.04.2018 – 3 Ss OWi 330/18; 30.10.2017 - 3 Ss OWi 1206/17 = VM 2018, Nr. 7 = ZfS 2018, 114; 09.10.2017 - 3 OLG 6 Ss 94/17; Urt. vom 14.03.2017 - 3 OLG 6 Ss 22/17 [jeweils bei juris]; Meyer-Goßner/Schmitt StPO 61. Aufl. § 318 Rn. 33, § 327 Rn. 9, § 352 Rn. 4).

a) Die Bestimmung des § 302 II StPO steht der Wirksamkeit der vom Verteidiger erklärten Berufungsbeschränkung auf das Strafmaß nicht entgegen. Der Verteidiger war nach dem Inhalt seiner gegenüber dem Senat […] abgegebenen Stellungnahme ausdrücklich vom Angekl. dazu ermächtigt, die als Teilrücknahme des zunächst unbeschränkt eingelegten Rechtsmittels zu wertende nachträgliche Beschränkung der Berufung auf das Strafmaß (vgl. für den Fall der Einspruchsbeschränkung nach § 67 II OWiG zuletzt OLG Bamberg, Beschluss vom 03.04.2018 – 3 Ss OWi 330/18 [bei juris] m.w.N.) zu erklären.

b) Auch sonst begegnet die Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung keinen Bedenken.

aa) Die tatsächlichen Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteils entsprechen zwar nicht den Anforderungen an eine Verurteilung wegen Steuerhinterziehung, weil die Darstellung der Steuerberechnung im Einzelnen (st.Rspr., vgl. zuletzt nur BGH, Beschluss vom 24.5.2017 − 1 StR 176/17 = NStZ 2018, 341 = NZWiSt 2018, 38 = StV 2018, 39 = wistra 2017, 445; Urt. v. 19.12.2017 – 1 StR 56/17 [bei juris]; 28.10.2015 – 1 StR 465/14 = NStZ 2016, 292) unterbleibt, sich stattdessen auf die Mitteilung der erklärten zu versteuernden Einkommen, der tatsächlichen Einkommen und der Bezifferung der verkürzten Steuerbeträge beschränkt. Dieser Darstellungsmangel berührt indes nicht die Wirksamkeit der Beschränkung des Rechtsmittels auf das Strafmaß, weil die Angaben zur Höhe der hinterzogenen Steuern für die jeweiligen Veranlagungszeiträume im amtsgerichtlichen Urteil eine hinreichende Grundlage für die Strafzumessung bieten.

bb) Die Berufungsbeschränkung ist auch nicht etwa deshalb unwirksam, weil die entsprechende Erklärung die Wendung enthält, dass sie sich zusätzlich auf die Rechtsfrage beschränke, ob für die Veranlagungszeiträume 2007, 2008 und 2009 ein besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung gemäß § 370 III Satz 2 Nr. 1 AO vorlag.

(1) Durch diesen Zusatz wurde das Rechtsmittel nicht auf die Rechtsfrage des Vorliegens eines besonders schweren Falls beschränkt. Vielmehr ist nach dem eindeutigen Wortlaut der Erklärung klargestellt, dass sich die Berufung gegen den Strafausspruch insgesamt wendet und dabei auch die Prüfung durch das Rechtsmittelgericht erstrebt wird, ob die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils eine Subsumtion unter die Vorschrift des § 370 III 2 Nr. 1 AO rechtfertigen. Zu einer derartigen Prüfung wäre das Berufungsgericht aber auch ohne einen entsprechenden Zusatz verpflichtet gewesen, sodass der Rekurs auf die Rechtsfrage des Vorliegens eines besonders schweren Falles lediglich als Hinweis auf die Rechtslage anzusehen ist. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn der Rechtsmittelführer gleichzeitig zum Ausdruck gebracht hätte, dass er sich auch gegen die insoweit maßgeblichen tatsächlichen Feststellungen zur Höhe der hinterzogenen Steuerbeträge wenden wollte. Dies war aber zweifelsfrei nicht der Fall, was sich schon daraus ergibt, dass es ihm allein um die Klärung der „Rechtsfrage“ ging.

(2) Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass es dem Angekl. vor allem darum ging, dass im Falle der Verneinung besonders schwerer Fälle bei einem Teil der Taten das Verfahrenshindernis der Verfolgungsverjährung eingetreten sei. Zwar kann dann nicht von einer wirksamen Beschränkung einer Berufung auf das Strafmaß ausgegangen werden, wenn der Beschwerdeführer sich auch gegen die Richtigkeit des Schuldspruchs oder der ihm zugrunde liegenden Feststellungen wendet (vgl. hierzu etwa OLG Bamberg, Beschluss vom 30.10.2017 – 3 Ss OWi 1206/17 = VM 2018, Nr 7 = ZfS 2018, 114 m.w.N.), weil bei einer derartigen Konstellation die Beschränkung dem erklärten Ziel des Rechtsmittels widerspräche. Etwas anderes gilt aber dann, wenn der Beschwerdeführer - wie hier - der Auffassung ist, es sei Verjährung eingetreten. In einem solchen Falle besteht gerade kein Widerspruch im Willen des Rechtsmittelführers. Denn auch im Falle der horizontalen Teilrechtskraft, die durch die Beschränkung der Berufung auf das Strafmaß eintritt, wäre das Verfahrenshindernis der Verjährung von Amts wegen zu berücksichtigen (vgl. speziell zur Verjährung nur BGH, Beschluss vom 11.04.2013 – 2 StR 401/12 [bei juris]).

3. Der Strafausspruch hält rechtlicher Nachprüfung stand. Insbesondere hat die Berufungskammer zu Recht für die Veranlagungszeiträume 2007 bis 2010 den Strafrahmen des besonders schweren Falles nach § 370 III 2 Nr. 1 AO wegen Steuerverkürzungen „in großem Ausmaß“ zugrunde gelegt, sodass auch keine Verjährung eintrat, weil die Verjährungsfrist gemäß § 376 I AO jeweils 10 Jahre beträgt.

a) Für die genannten Veranlagungszeiträume liegt die Höhe der hinterzogenen Beträge jeweils über 50.000 Euro, was nach nunmehr gefestigter höchstrichterlicher Rspr. für die Erfüllung des Regelfallbeispiels der Steuerverkürzung in großem Ausmaß gemäß § 370 III 2 Nr. 1 AO ausreichend ist (BGH, Urt. v. 27.10.2015 – 1 StR 373/15 = BGHSt 61, 28 = NJW 2016, 965 = NZWiSt 2016, 102 = wistra 2016, 157 = NStZ 2016, 288 = StV 2016, 565). Der Umstand, dass nach früherer, insbesondere zu den jeweiligen Tatzeitpunkten maßgeblicher Rspr. ein besonders schwerer Fall i.S. dieser Vorschrift erst ab einem Hinterziehungsbetrag von 100.000 Euro angenommen wurde, wenn sich das Verhalten des Täters darauf beschränkt hat, die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis zu lassen und hierdurch lediglich eine Gefährdung des Steueranspruchs bewirkt wurde (vgl. BGH, Urt. v. 02.12.2008 – 1 StR 416/08 = BGHSt 53, 71 = NJW 2009, 528 = wistra 2009, 107 = StV 2009, 188 = NStZ 2009, 271 = BGHR AO § 370 Abs 1 Strafzumessung 19), führt nicht zu einem abweichenden Ergebnis. Denn nach den tatrichterlichen Feststellungen hat der Angekl. besondere Verschleierungshandlungen dadurch vorgenommen, dass er die Einnahmen auf ein Konto einer Schweizer Bank gutschreiben ließ. Bei dieser Sachlage war schon bei Zugrundelegung der früheren Rechtsprechung die Grenze zum besonders schweren Fall bei 50.000 Euro anzusetzen, weil sich das Verhalten des Angekl. gerade nicht auf ein bloßes Verschweigen steuerpflichtiger Einkünfte beschränkt hatte (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 26.10.2016 – 1 StR 172/16 = NZWiSt 2017, 68 = wistra 2017, 196). Darauf, dass bei einer Änderung der Rechtsprechung das in Art. 103 II GG, § 1 StGB normierte Rückwirkungsverbot nicht tangiert wird (vgl. nur BVerfG, Kammerbeschl. vom 27.06.1994 – 2 BvR 1269/94 = NJW 1995, 125 = VRS 88, 1 [1995] = NZV 1995, 76 = BA 32 [1995], 127 = DAR 1995, 103; BGH, Urt. v. 20.03.1995 – 5 StR 111/94 = BGHSt 41, 101 = NStZ 1995, 401 = MDR 1995, 945 = NJW 1995, 2728 = NJ 1995, 539 = BGHR GG Art. 103 II Rückwirkung 4; Beschluss vom 08.04.2010 – 5 StR 491/09 = wistra 2010, 263; BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 16.05.2011 – 2 BvR 1230/10 = BVerfGK 18, 430 [offen gelassen für den Fall, dass die frühere Rechtsprechung durch ein Mindestmaß an Kontinuität einen Vertrauenstatbestand begründen konnte]), kommt es deshalb nicht an.

b) Auch die Strafzumessung im engeren Sinne weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angekl. auf. Insbesondere verfängt die Beanstandung, die Berufungskammer habe rechtsfehlerhaft strafschärfend berücksichtigt, dass eine „Verschleierung“ durch die Verwendung eines Schweizer Kontos erfolgt sei, obwohl es selbst festgestellt habe, dass das Konto nicht zu diesem Zweck eingerichtet worden sei, schon deshalb nicht, weil das LG diesen Umstand lediglich als flankierendes Argument zur Bejahung besonders schwerer Fälle für die Veranlagungszeiträume 2007 bis 2010 heranzog, nicht aber bei der Strafzumessung im engeren Sinn berücksichtigt hat. Ungeachtet dessen wäre die gezielte Umleitung der Einnahmen zum Zwecke der Steuerhinterziehung auf ein ausländisches Konto, was das LG explizit festgestellt hat, Ausdruck besonderer krimineller Intensität und hätte deshalb bei der Straffindung durchaus Berücksichtigung finden können. Der Umstand, dass das Konto ursprünglich zu einem anderen Zweck „eingerichtet“ worden war, worauf die Revision abstellt, ist demgegenüber ohne Bedeutung.

4. Dass das LG trotz wirksamer Beschränkung der Berufung auf das Strafmaß rechtsfehlerhaft die Höhe des einzuziehenden Geldbetrags herabgesetzt hat, nachdem es sich bei der Einziehung nicht um eine Strafe, sondern eine Maßnahme eigener Art nach § 11 Nr. 8 [Alt. 2] StGB handelt (vgl. nur Fischer StGB 65. Aufl. § 73 Rn. 4 m.w.N.), so dass dies seiner Entscheidungskompetenz entzogen war (vgl. zuletzt OLG Bamberg, Beschluss vom 06.11.2017 – 3 OLG 7 Ss 108/17 [bei juris]), beschwert den Angekl. nicht. […]

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Annotations

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht,
3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht,
4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder
6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.

(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.

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