Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Beschluss, 16. Aug. 2016 - L 4 AS 218/16 B
Gericht
Tenor
Die Beschwerde wird als unzulässig verworfen.
Gründe
I.
- 1
Die Erinnerungsgegner und Beschwerdeführer (im Folgenden: Erinnerungsgegner) wenden sich gegen einen Beschluss des Sozialgerichts (SG) Dessau-Roßlau, mit welchem – in Abänderung des vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erlassenen Kostenfestsetzungsbeschlusses – die vom Erinnerungsführer und Beschwerdegegner (im Folgenden: Erinnerungsführer) zu erstattenden außergerichtlichen Kosten für ein sozialgerichtliches Verfahren festgesetzt worden sind.
- 2
Die Erinnerungsgegner standen als Bedarfsgemeinschaft beim Erinnerungsführer im Leistungsbezug nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Der Erinnerungsführer lehnte mit Bescheid vom 1. April 2014 einen Überprüfungsantrag der Erinnerungsgegner gemäß § 44 des Zehntes Buches Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) ab. Hiergegen legten die Erinnerungsgegner mit Anwaltsschriftsatz vom 23. April 2014 Widerspruch ein. Am 25. Juli 2014 erhoben die Erinnerungsgegner vor dem SG zum Aktenzeichen S 13 AS 2057/14 Untätigkeitsklage und begehrten die Verurteilung des Erinnerungsführers zur Bescheidung des Widerspruchs. Nach Erlass des Widerspruchsbescheides am 26. August 2014 endete das Untätigkeitsklageverfahren durch Abgabe einer Erledigungserklärung der Erinnerungsgegner. Zuvor hatte der Erinnerungsführer ein Kostengrundanerkenntnis abgegeben.
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Die Erinnerungsgegner beantragten am 15. Oktober 2014 die Festsetzung der Kosten für das Verfahren S 13 AS 2057/14 gegen den Erinnerungsführer und setzten dabei folgende Gebühren und Auslagen an:
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Verfahrensgebühr Nr. 3102, 1008 VV RVG:
228,00 EUR
Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG:
108,00 EUR
Post- und Telekommunikationspauschale Nr. 7002 VV RVG:
20,00 EUR
Zwischensumme netto:
356,00 EUR
19 % Mehrwertsteuer Nr. 7008 VV RVG:
67,64 EUR
Gesamtbetrag:
423,64 EUR.
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Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle setzte mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 25. November 2014 die vom Erinnerungsführer zu erstattenden außergerichtlichen antragsgemäß fest.
- 6
Gegen den ihm am 10. Dezember 2014 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss hat der Erinnerungsführer am 29. Dezember 2014 Erinnerung eingelegt: Die angesetzte Terminsgebühr sei unbillig; sie stehe den Erinnerungsgegnern lediglich in Höhe der Mindestgebühr von 50,00 EUR zu.
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Mit Beschluss vom 11. Februar 2016 hat das SG den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 25. November 2014 abgeändert und folgende außergerichtliche Kosten in Ansatz gebracht:
- 8
Verfahrensgebühr Nr. 3103, 3102, 1008 VV RVG:
228,00 EUR
Post- und Telekommunikationspauschale Nr. 7002 VV RVG:
20,00 EUR
Zwischensumme netto:
248,00 EUR
19 % Mehrwertsteuer Nr. 7008 VV RVG:
47,12 EUR
Gesamtbetrag:
275,12 EUR.
- 9
Eine (fiktive) Terminsgebühr sei nicht entstanden, da das Verfahren S 13 AS 2057/14 nicht durch Annahme eines vom Erinnerungsführer abgegebenen Anerkenntnisses, sondern durch Klagerücknahme geendet habe. Zu berücksichtigen sei indes, dass der Erinnerungsführer selbst – auf Grundlage einer angenommenen (fiktiven) Terminsgebühr in Höhe von 50,00 EUR – bereits Kosten in Höhe von 354,62 EUR zuerkannt habe und die vom Erinnerungsführer eingelegte Erinnerung deshalb dahingehend auszulegen gewesen sei, dass der Kostenfestsetzungsbeschluss lediglich in dem Umfang angegriffen werde, in dem die festgesetzten Kosten über den bereits zuerkannten Betrag hinaus gingen. Die vom Erinnerungsführer zu erstattenden Kosten seien daher auf 354,62 EUR festzusetzen gewesen.
- 10
Gegen den ihnen am 17. Februar 2016 zugestellten Beschluss haben die Erinnerungsgegner am 22. Februar 2016 "Erinnerung" eingelegt: Die prozessualen Erklärungen der Beteiligten seien dahingehend auszulegen gewesen, dass das Verfahren durch ein angenommenes Anerkenntnis beendet worden sei. Das SG hat am 26. Februar 2016 darauf hingewiesen, dass eine "neue Erinnerung" gegen den Beschluss vom 11. Februar 2016 nicht zulässig sei. Die gerichtliche Entscheidung gemäß § 197 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) sei endgültig. Es werde um Mitteilung gebeten, ob die Erinnerung zurückgenommen werde. Andernfalls werde die Erinnerung als Beschwerde gegen den Beschluss vom 11. Februar 2016 ausgelegt und an das Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt weitergeleitet. Eine entsprechende Weiterleitung an das LSG ist aufgrund richterlicher Verfügung vom 12. April 2016 erfolgt.
- 11
Der Erinnerungsführer hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
- 12
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Gerichtsakte S 13 AS 2057/14 hat vorgelegen und ist Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
II.
- 13
Die Beschwerde ist unzulässig und war daher zu verwerfen.
- 14
Da sich die Erinnerungsgegner gegen einen bereits vom SG im Erinnerungsverfahren erlassenen Beschluss wenden, ist ihre so bezeichnete (nochmalige) "Erinnerung" als Beschwerde auszulegen, weil diese gemäß § 172 Abs. 1 SGG als einziges statthaftes Rechtsmittel gegen die Entscheidung des SG – zumindest im Grundsatz – überhaupt in Betracht kommt.
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Indes ist vorliegend die spezielle Regelung des § 197 Abs. 2 SGG maßgeblich. Nach dieser Vorschrift kann gegen Kostenfestsetzungsentscheidungen des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle binnen eines Monats nach Bekanntgabe das Gericht angerufen werden, das endgültig entscheidet. Eine solche "endgültige" Entscheidung ist hier mit dem Beschluss des SG vom 11. Februar 2016 auf die Erinnerung des Erinnerungsführers ergangen. Eine Beschwerde gegen diese Entscheidung des SG ist nach dem eindeutigen Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung ausgeschlossen (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 17. Juni 2015 – L 2 AS 712/15 B; vgl. hierzu auch: LSG für das Saarland, Beschluss vom 29. Januar 2009 – L 1 B 16/08 R; Sächsisches LSG, Beschluss vom 17. April 2013 – 8 AS 277/13 B KO; Bayerisches LSG, Beschluss vom 7. August 2014 – L 15 SF 146/14 E; Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 197 Rn. 10). Dass etwas anderes für Entscheidungen gilt, die in einem Kostenfestsetzungsverfahren gegen die Staatskasse ergangen sind, ist insoweit unerheblich. Denn dort folgt die grundsätzliche Statthaftigkeit der Beschwerde aus den Vorschriften des § 1 Abs. 3 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) in Verbindung mit §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 1, 3 RVG. Im Erinnerungsverfahren gegen den ursprünglichen Klagegegner greifen aber insoweit – anders als im Erinnerungsverfahren gegen die Staatskasse – nicht die genannten Normen des RVG ein; vielmehr ist dort ausschließlich § 197 Abs. 2 SGG maßgebend (vgl. hierzu Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 17. Juli 2008 – L 6 B 93/07).
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Auch der Umstand, dass andere Prozessordnungen in vergleichbaren Konstellationen Beschwerden unter gewissen Voraussetzungen zulassen, führt angesichts der ausdrücklichen und eindeutigen Regelung im SGG zu keiner anderen Beurteilung. Mangels Vergleichbarkeit der Personengruppen und der Verfahrensordnungen liegt hierin auch keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung (Sächsisches Landessozialgericht, a. a. O.; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, a. a. O.).
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Annotations
(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.
(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.
(1) Auf Antrag der Beteiligten oder ihrer Bevollmächtigten setzt der Urkundsbeamte des Gerichts des ersten Rechtszugs den Betrag der zu erstattenden Kosten fest. § 104 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 der Zivilprozeßordnung findet entsprechende Anwendung.
(2) Gegen die Entscheidung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle kann binnen eines Monats nach Bekanntgabe das Gericht angerufen werden, das endgültig entscheidet.
(1) Gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte findet die Beschwerde an das Landessozialgericht statt, soweit nicht in diesem Gesetz anderes bestimmt ist.
(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Vertagungsbeschlüsse, Fristbestimmungen, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen und Sachverständigen können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.
(3) Die Beschwerde ist ausgeschlossen
- 1.
in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, wenn in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte, - 2.
gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe, wenn - a)
das Gericht die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint, - b)
in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte oder - c)
das Gericht in der Sache durch Beschluss entscheidet, gegen den die Beschwerde ausgeschlossen ist,
- 3.
gegen Kostengrundentscheidungen nach § 193, - 4.
gegen Entscheidungen nach § 192 Abs. 4, wenn in der Hauptsache kein Rechtsmittel gegeben ist und der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro nicht übersteigt.
(1) Auf Antrag der Beteiligten oder ihrer Bevollmächtigten setzt der Urkundsbeamte des Gerichts des ersten Rechtszugs den Betrag der zu erstattenden Kosten fest. § 104 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 der Zivilprozeßordnung findet entsprechende Anwendung.
(2) Gegen die Entscheidung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle kann binnen eines Monats nach Bekanntgabe das Gericht angerufen werden, das endgültig entscheidet.
(1) Die Vergütung (Gebühren und Auslagen) für anwaltliche Tätigkeiten der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte bemisst sich nach diesem Gesetz. Dies gilt auch für eine Tätigkeit als besonderer Vertreter nach den §§ 57 und 58 der Zivilprozessordnung, nach § 118e der Bundesrechtsanwaltsordnung, nach § 103b der Patentanwaltsordnung oder nach § 111c des Steuerberatungsgesetzes. Andere Mitglieder einer Rechtsanwaltskammer, Partnerschaftsgesellschaften und sonstige Gesellschaften stehen einem Rechtsanwalt im Sinne dieses Gesetzes gleich.
(2) Dieses Gesetz gilt nicht für eine Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt (§ 46 Absatz 2 der Bundesrechtsanwaltsordnung). Es gilt ferner nicht für eine Tätigkeit als Vormund, Betreuer, Pfleger, Verfahrenspfleger, Verfahrensbeistand, Testamentsvollstrecker, Insolvenzverwalter, Sachwalter, Mitglied des Gläubigerausschusses, Restrukturierungsbeauftragter, Sanierungsmoderator, Mitglied des Gläubigerbeirats, Nachlassverwalter, Zwangsverwalter, Treuhänder oder Schiedsrichter oder für eine ähnliche Tätigkeit. § 1877 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs und § 4 Absatz 2 des Vormünder- und Betreuervergütungsgesetzes bleiben unberührt.
(3) Die Vorschriften dieses Gesetzes über die Erinnerung und die Beschwerde gehen den Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensvorschriften vor.
(1) Über Erinnerungen des Rechtsanwalts und der Staatskasse gegen die Festsetzung nach § 55 entscheidet das Gericht des Rechtszugs, bei dem die Festsetzung erfolgt ist, durch Beschluss. Im Fall des § 55 Absatz 3 entscheidet die Strafkammer des Landgerichts. Im Fall der Beratungshilfe entscheidet das nach § 4 Absatz 1 des Beratungshilfegesetzes zuständige Gericht.
(2) Im Verfahren über die Erinnerung gilt § 33 Absatz 4 Satz 1, Absatz 7 und 8 und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Entscheidung über die Erinnerung § 33 Absatz 3 bis 8 entsprechend. Das Verfahren über die Erinnerung und über die Beschwerde ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
(1) Auf Antrag der Beteiligten oder ihrer Bevollmächtigten setzt der Urkundsbeamte des Gerichts des ersten Rechtszugs den Betrag der zu erstattenden Kosten fest. § 104 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 der Zivilprozeßordnung findet entsprechende Anwendung.
(2) Gegen die Entscheidung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle kann binnen eines Monats nach Bekanntgabe das Gericht angerufen werden, das endgültig entscheidet.
Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.