Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 22. Mai 2014 - L 1 RS 21/13 ZVW

ECLI: ECLI:DE:LSGST:2014:0522.L1RS21.13ZVW.0A
published on 22/05/2014 00:00
Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 22. Mai 2014 - L 1 RS 21/13 ZVW
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Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 24. März 2005 sowie der Bescheid der Beklagten vom 12. Dezember 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09. April 2003 insoweit aufgehoben, als die Beklagte verpflichtet wird, die Zeit vom 01. Juni 1990 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz sowie die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte seiner außergerichtlichen Kosten in sämtlichen gerichtlichen Instanzen zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Klägers auf Feststellungen der Beklagten nach dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) im Zusammenhang mit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech). Im gerichtlichen Verfahren ist nach einem Teil-Überprüfungsvergleich noch der Zeitraum vom 01. Februar 1990 bis zum 30. Juni 1990 umstritten.

2

Der am ... 1946 geborene Kläger ist ausweislich der Urkunde der Universität R. vom 31. März 1971 berechtigt, den akademischen Grad "Diplom-Ingenieur" zu führen. Nach dem Universitätsabschluss war er wie folgt beschäftigt:

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vom 03. Mai 1971 bis zum 25. Juni 1971 als Techniker im Bereich Anlagen- und Gerätebau beim VEB M. "W. P.",

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vom 05. Juli 1971 bis zum 31. Januar 1977 als Problemanalytiker beim VEB L. "W. U.",

5

vom 01. Februar 1977 bis zum 30. Juni 1985 als Abteilungsleiter beim VVB Agrotechnik und Zwischenprodukte bzw. ab 01. Januar 1979 bei dessen Rechtsnachfolger Chemie-Beratungsstelle H., wobei seine Tätigkeit der eines Fernmeldetechnikers entsprach,

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vom 01. Juli 1985 bis zum 31. Januar 1988 als Betriebsdirektor beim VEB G.,

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vom 01. Februar 1988 bis zum 1. März 1989 als Direktor für Produktion beim VEB S. Möbelwerke T.,

8

vom 02. März 1989 bis zum 31. Januar 1990 als Direktor für Produktion beim VEB E. H.,

9

vom 01. Februar 1990 bis zum 30. Juni 1990 als Fachdirektor "Ökonomie" im VEB E. H., wobei er wesentlich an der Umstrukturierung zur Vorbereitung der Privatisierung des Betriebes mitwirkte.

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Ab dem 01. Januar 1986 bis zum 30. Juni 1990 zahlte er Beiträge zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR). Eine schriftliche Versorgungszusage erhielt er während des Bestehens der DDR nicht.

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Am 04. April 2000 beantragte der Kläger die Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 12. Dezember 2002 mit der Begründung ab, er habe am 30. Juni 1990 keine Beschäftigung ausgeübt, die aus bundesrechtlicher Sicht dem Kreis der obligatorisch Versorgungsberechtigten zuzuordnen wäre. Den gegen diesen Bescheid am 09. Januar 2003 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 09. April 2003 mit der Begründung zurück, der Kläger sei am 30. Juni 1990 nicht als Ingenieur, sondern als Fachdirektor-Ökonomie beschäftigt gewesen. Dabei habe es sich nicht um eine ingenieurtechnische Beschäftigung im Sinne der AVItech gehandelt.

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Dagegen hat der Kläger am 13. Juni 2003 Klage beim Sozialgericht Halle (SG) erhoben und u. a. vorgetragen, der VEB E. H. habe elektrische Wärmegeräte bzw. Wärmeanlagen hergestellt. Während seiner dortigen Beschäftigung ab 01. Februar 1990 habe er den Betrieb umstrukturiert, um den Produktionsvorgang den Wärmeinduktionsvorgängen anzupassen und ihn mit anderen Betrieben konkurrenzfähig zu machen. Ausweislich des Funktionsplanes vom 01. Februar 1990 war er als Sonderbeauftragter des Betriebsdirektors für die Umstrukturierung eingesetzt. Zu seinen Aufgaben gehörte:

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Erarbeitung einer Grundkonzeption zur Überleitung des VEB E. in marktfähige Strukturen bei der Reprivatisierung,

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Analyse der Arbeitskräftesituation,

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Ermittlung der wirtschaftlichen Situation der PGH vor dem Zusammenschluss zum VEB E.,

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Feststellung von Ansprüchen der Mitglieder der damaligen PGH,

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weitere Vorbereitungen zur Reprivatisierung in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht.

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Das SG hat dem Kläger ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 24. März 2005 wegen der Versäumung der Klagefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt und die Klage mit Urteil vom selben Tag als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger sei am 30. Juni 1990 nicht mehr ingenieurtechnisch beschäftigt gewesen. Er habe überwiegend betriebswirtschaftliche Aufgaben zu verrichten gehabt, welche vorrangig der Umstellung seines Betriebes auf marktwirtschaftliche Erfordernisse gedient hätten. Damit habe er keinen unmittelbaren Einfluss auf die technische Ausführung der Produktion gehabt.

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Gegen das am 02. Mai 2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 01. Juni 2005 Berufung eingelegt. Das Berufungsverfahren hat von März 2007 bis April 2008 geruht, um Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Frage der fiktiven Einbeziehung abzuwarten. Der Kläger hat sich u. a. auf die Auskunft des ehemaligen Leiters des Personalbüros des VEB E. H., G. S., vom 08. Juli 2005 berufen. Dieser hat darin ausgeführt, Schwerpunkt der Arbeiten des Klägers seien die konstruktive Vorbereitung der Veränderung der Produktionsprozesse und die eigenverantwortliche Umsetzung mit den vorhandenen technischen Gegebenheiten gewesen. Er habe konstruktive und technologische Abläufe entwickelt, auf deren Grundlage unter seiner aktiven Mitarbeit Produktionslinien aus- und umgelagert und strikt getrennte Einheiten realisiert worden seien, die zum 01. Juli 1990 als GmbH hätten tätig werden können. Er sei als Direktor für Ökonomie berufen worden, weil diese Planstelle im Zeitpunkt der Einstellung frei gewesen sei und seinen gehaltlichen Vorstellungen entsprochen habe. Ergänzend hat der Kläger ausgeführt, die während des Bestehens der DDR verwendete Arbeitsklassifizierung und die entsprechende Einordnung seiner Tätigkeit sei nicht entscheidend für die Frage, inwiefern er den Produktionsprozess aktiv beeinflusst habe, sondern allein die von ihm ausgeübte Arbeitstätigkeit, mit der er unmittelbaren Einfluss auf den Produktionsprozess genommen habe. Hinsichtlich der betrieblichen Tätigkeit des VEB E. H. sei nach seinen Erinnerungen der Hauptteil des betrieblichen Ergebnisses, nach heutigen Maßstäben des Gewinns, im Produktionsbereich erzielt worden, auch wenn möglicherweise die überwiegende Anzahl der Arbeitnehmer in der Elektroinstallation beschäftigt gewesen sei. Im Übrigen habe er während seiner Beschäftigung bei dem VEB G. einen Antrag auf Einbeziehung in die AVItech gestellt. Ihm liege zwar keine Urkunde über eine tatsächliche Einbeziehung vor. Allerdings stelle sich im Falle der unterbliebenen Entscheidung über den Antrag die Frage, inwieweit der Stichtag des 30. Juni 1990 maßgeblich sei.

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Mit Urteil vom 15. Dezember 2011 hat der erkennende Senat die Berufung zurückgewiesen und ausgeführt, auch wenn man der Rechtsprechung des BSG folge, habe das Begehren des Klägers keinen Erfolg. Zwar sei der Kläger berechtigt, den akademischen Grad "Diplom-Ingenieur" zu führen. Auch die sachliche Voraussetzung der Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit habe er während seiner Beschäftigung beim VEB E. H. erfüllt. Allerdings sei die betriebliche Voraussetzung am 30. Juni 1990 zu verneinen. Unabhängig von der Frage, ob die im VEB E. H. angesiedelte Produktion (Antennen-, Heizkörper-, Plastschweißgeräte- und Leuchtenproduktion) die Voraussetzungen des Produktionsbegriffs des BSG erfülle, habe sie jedenfalls nicht den Schwerpunkt der betrieblichen Tätigkeit gebildet. Die Elektroinstallation könne nicht als serielle Produktion angesehen werden.

21

Gegen das am 01. Februar 2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 01. März 2012 Revision beim BSG eingelegt (B 5 RS 3/12 R) und vorgetragen, der VEB E. H. habe schwerpunktmäßig Antennen, Heizkörper, Plastschweißgeräte und Leuchten produziert. Im Bereich der Elektroinstallation seien nur zehn Mitarbeiter im Außeneinsatz tätig gewesen. Mit Urteil vom 20. März 2013 hat das BSG das Senatsurteil vom 15. Dezember 2011 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Ob der Kläger auch die sachliche und die betriebliche Voraussetzung für eine Anwartschaft auf Versorgung im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG entsprechend der erweiternden Auslegung des BSG erworben habe, könne auf der Grundlage der bisherigen Tatsachenfeststellungen nicht entschieden werden. Im wiedereröffneten Berufungsverfahren hält der Kläger an seiner bisherigen Auffassung und Argumentation fest. Ergänzend hat er betont, an dem Vorliegen der sachlichen Voraussetzung für eine fiktive Einbeziehung könne kein Zweifel bestehen. Darüber hinaus hat er zur betrieblichen Voraussetzung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass gerade im Bereich der Elektroinstallation im ersten Halbjahr 1990 viele Mitarbeiter den Betrieb verlassen hätten und dieser Bereich daher weder personell noch unter Beachtung des Umsatzes den Schwerpunkt des VEB E. H. dargestellt habe.

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Der Kläger beantragt,

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das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 24. März 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. Dezember 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09. April 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Zeit vom 01. Februar 1990 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz sowie die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Berufung des Klägers das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 24. März 2005 zurückzuweisen.

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Sie meint, die sachliche und die betriebliche Voraussetzung für einen fiktiven bundesrechtlichen Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage seien am Stichtag 30. Juni 1990 nicht erfüllt gewesen. Die vom Kläger ausgeübte (Haupt-)Aufgabe sei ausschließlich dem Anforderungsprofil des in der ehemaligen DDR ausgebildeten Diplom-Ingenieurs der Fachrichtung Arbeitsgestaltung zuzuordnen. Über diese Ausbildung verfüge der Kläger nicht. Die betriebliche Voraussetzung sei nicht erfüllt, weil der Bereich der Elektroinstallation, der vor dem 30. Juni 1990 jedenfalls nicht im Rechtssinne weitgehend ausgegliedert gewesen sei, den wirtschaftlichen Schwerpunkt des VEB E. H. gebildet habe. Bei der Elektroinstallation habe es sich nicht um serielle Massenproduktion im Sinne der Rechtsprechung des BSG gehandelt.

27

Der Senat hat einen Auszug aus dem Register der volkseigenen Wirtschaft zum VEB E. H. beigezogen. Außerdem hat er eine schriftliche Auskunft des ehemaligen Betriebsdirektors des VEB E. H., P. W., vom 29. März 2006 eingeholt; dieser wurde darüber hinaus in einem Erörterungstermin am 19. Dezember 2013 als Zeuge vernommen. Des Weiteren ist das Protokoll der öffentlichen Sitzung des erkennenden Senats vom 24. März 2011 in dem Verfahren L 1 R 105/08, in dem es ebenfalls um den VEB E. H. ging, in das Verfahren eingeführt worden. Überdies hat die Beklagte weitere Unterlagen zum VEB E. H. bzw. zu dessen Nachfolgeunternehmen übersandt.

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Die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der anschließenden Beratung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Sachvortrags der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt dieser Akten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung hat teilweise, nämlich für den Monat Juni 1990, Erfolg. Für die Zeit vom 01. Februar 1990 bis zum 31. Mai 1990 ist sie dagegen zurückzuweisen.

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Sie ist teilweise begründet, weil der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 12. Dezember 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09. April 2003 teilweise – bezogen auf den Monat Juni 1990 – rechtswidrig ist und den Kläger insoweit im Sinne der §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert.

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Der Kläger hat einen Anspruch darauf, dass gem. § 8 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 und § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG für den Monat Juni 1990 Zugehörigkeitszeiten zu einem Zusatzversorgungssystem festgestellt werden. Er unterfällt in diesem Monat dem Geltungsbereich des § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG, weil er zwar nicht tatsächlich, aber im Wege der Unterstellung der AVItech (Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG) angehörte.

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Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG gilt dieses Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden sind. Der Kreis der potentiell vom AAÜG erfassten Personen umfasst diejenigen Personen, die entweder (1.) durch einen nach Art. 19 Einigungsvertrag (EVertr) bindend gebliebenen Verwaltungsakt der DDR oder einer ihrer Untergliederungen oder (2.) später durch eine Rehabilitierungsentscheidung oder (3.) nach Art. 19 Satz 2 oder 3 EVertr (wieder) in ein Versorgungssystem einbezogen waren (BSG, Urteil vom 09. April 2002 – B 4 RA 31/01 R –, SozR 3-8570 § 1 AAÜG, Nr. 2, S. 11).

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Der Kläger erfüllt keine dieser Voraussetzungen. Weder ist ihm von Organen der DDR eine Versorgung zugesagt worden noch ist er aufgrund einer Rehabilitierungsentscheidung in ein Versorgungssystem einbezogen worden. Auch ein rechtsstaatswidriger Entzug einer Versorgungsanwartschaft hat in seinem Fall nicht stattgefunden.

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Die Voraussetzungen der Rechtsprechung des früheren 4. Senats und des jetzigen 5. Senats des BSG (dessen rechtliche Beurteilung der erkennende Senat seiner Entscheidung aufgrund der Zurückverweisung gemäß § 170 Abs. 5 SGG zugrunde zu legen hat), wonach die Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG auch im Wege der Unterstellung vorliegen kann, sind aber für den Monat Juni 1990 erfüllt. Danach hängt der Anspruch auf eine fiktive Einbeziehung im hier allein in Frage kommenden Fall gemäß § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (GBl. DDR I, Nr. 93 S. 844 – im Folgenden: VO-AVItech) i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 1 der Zweiten Durchführungsbestimmung zur VO-AVItech vom 24. Mai 1951 (GBl. DDR I, Nr. 62 S. 487 – im Folgenden: 2. DB) von drei Voraussetzungen ab, die alle zugleich vorliegen müssen. Generell war dieses Versorgungssystem eingerichtet für

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Personen, die berechtigt waren, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung) und

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die entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt haben (sachliche Voraussetzung), und zwar

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in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens oder einem gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).

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Nach der Rechtsprechung des BSG müssen diese drei Voraussetzungen, damit das AAÜG überhaupt anwendbar ist, am 30. Juni 1990 vorgelegen haben. Selbst wenn der Kläger während seiner Beschäftigung bei dem VEB G. einen Antrag auf Einbeziehung in die AVItech gestellt haben sollte, der nicht beschieden wurde, führt dies nicht dazu, dass hinsichtlich der Frage, ob das AAÜG überhaupt anwendbar ist, auf den Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen ist. Denn für eine fiktive Einbeziehung ist eine entsprechende Antragstellung unerheblich.

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In Anwendung der genannten Maßstäbe hatte der Kläger am 01. August 1991 (dem Tag des Inkrafttretens des AAÜG) einen fiktiven Anspruch auf Einbeziehung in das Versorgungssystem der AVItech in Bezug auf den Monat Juni 1990. Denn der Kläger erfüllte insoweit die abstrakt-generellen und zwingenden Voraussetzungen (vgl. dazu BSG, Urteil vom 09. April 2002 – B 4 RA 41/01 R –, SozR 3-8570 § 1 Nr. 6) des hier betroffenen Versorgungssystems.

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Der Kläger war ausweislich der Urkunde der Universität R. vom 31. März 1971 berechtigt, den akademischen Grad "Diplom-Ingenieur" zu führen. Auch die sachliche Voraussetzung der Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit erfüllte er während seiner Beschäftigung beim VEB E. H. Nach der Rechtsprechung des früheren 4. Senats des BSG (Urteil vom 23. August 2007 – B 4 RS 2/07 R – juris, Rdnr. 18) und der Rechtsprechung des nunmehr zuständigen 5. Senats (Urteile vom 09. Oktober 2012 – B 5 RS 9/11 R – juris, Rdnr. 19; vom 09. Mai 2012 – B 5 RS 7/11 R – juris, Rdnr. 24; vom 20. März 2013 – B 5 RS 3/12 R – juris, Rdnr. 21, 22) erfüllen Ingenieure die sachliche Voraussetzung für eine Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz nur dann, wenn der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit entsprechend ihrem Berufsbild im produktionsbezogenen ingenieurtechnischen Bereich lag und damit die Aufgabenerfüllung prägte. Lag der Schwerpunkt dagegen in anderen Bereichen, z.B. im wirtschaftlichen bzw. kaufmännischen Bereich, waren die Ingenieure nicht schwerpunktmäßig, d.h. überwiegend, entsprechend ihrem Berufsbild, sondern vielmehr berufsfremd eingesetzt. Nach der ständigen Rechtsprechung bedeutet "berufsfremd" die Ausübung einer Tätigkeit, die nicht schwerpunktmäßig durch die durchlaufene Ausbildung und die im Ausbildungsberuf typischerweise gewonnenen Erfahrungen geprägt ist.

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Aus der vom Kläger eingereichten Bescheinigung der Fakultät für Ingenieurwissenschaften der Universität R. vom 02. Mai 1996 ergibt sich, dass das Diplomverfahren in der Studienrichtung Starkstromtechnik durchgeführt wurde. Auch der Zulassungsbescheid zum Studium an der Universität R. vom 15. November 1965 bezog sich auf die Fachrichtung Starkstromtechnik. Das Studium hatte zwar bedingt einen Bezug zur Schiffstechnik, wie der Kläger im Erörterungstermin am 19. Dezember 2013 eingeräumt hat. Dies erscheint angesichts des Studienortes R. auch nicht ungewöhnlich. Es handelte sich aber eben nicht um ein Studium in der Fachrichtung Schiffstechnik. Dem Zeugnis der Universität R. vom 02. November 1970 sind u. a. folgende Einzelleistungen zu entnehmen: Elektrische Maschinen, Netzwerk- und Systemanalyse, analoge und digitale Schaltungen, Theorie der Schaltsysteme, elektronische Messtechnik, theoretische E.-Technik, elektrische Antriebe und Regelungstechnik. Im Hinblick darauf geht der Senat in der Gesamtschau von dem Berufsbild des Elektroingenieurs aus. In dem Erörterungstermin am 19. Dezember 2013 hat der Kläger bekundet, im Auftrag des Betriebsdirektors die Aufgabe gehabt zu haben, die einzelnen Bereiche des VEB E. H. so zu trennen, dass daraus bei der Überleitung funktionsfähige Einzelbetriebe entstehen konnten. Dabei sei er insbesondere für die technische Seite zuständig gewesen. Hier habe er seine Vorkenntnisse nutzen können, weil er über viele Jahre immer im Bereich Technik und Produktion tätig gewesen sei. Der Senat hält diese Aussagen für glaubhaft, zumal sie im Einklang stehen mit den Bekundungen des ehemaligen Betriebsdirektors des VEB E. H., W., im Erörterungstermin am 19. Dezember 2013. Der Zeuge W. hat erklärt, der Kläger sei als ökonomischer Direktor eingestellt worden. Allerdings könne man es sich nicht so vorstellen, dass der Kläger nur am Schreibtisch gesessen habe. Die Produktion sei zu organisieren gewesen. Es sei nicht nur um Zahlen gegangen, sondern auch um die Lösung technischer Probleme. Dabei sei auch der Kläger entsprechend stark mit einbezogen worden. Der Zeuge hat den betriebswirtschaftlich-ökonomischen Teil des Klägers in etwa so groß eingeschätzt wie den Arbeitsanteil des Klägers im technisch-produzierenden Bereich.

42

Der Schwerpunkt der Tätigkeit des Klägers lag zur Überzeugung des Senats nicht in anderen, nicht produktionsbezogenen Bereichen, insbesondere nicht im wirtschaftlichen bzw. kaufmännischen Bereich. Die im Funktionsplan vom 01. Februar 1990 geschilderten Aufgaben (Erarbeitung einer Grundkonzeption zur Überleitung des VEB E. in marktfähige Strukturen bei der Reprivatisierung, Analyse der Arbeitskräftesituation, Ermittlung der wirtschaftlichen Situation der PGH vor dem Zusammenschluss zum VEB E., Feststellung von Ansprüchen der Mitglieder der damaligen PGH, weitere Vorbereitungen zur Reprivatisierung in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht) sprechen nicht für einen berufsfremden Einsatz. Denn die meisten geschilderten Aufgaben setzten zwingend vertiefte Kenntnisse des technischen Bereichs des VEB E. H. voraus, wie sie der Kläger mit seinem Berufsbild als Elektroingenieur vorweisen konnte. Die Erarbeitung einer Grundkonzeption zur Überleitung des VEB E. in marktfähige Strukturen bei der Reprivatisierung ist ohne technische Kenntnisse gar nicht vorstellbar. Diese Aufgabe steht an erster Stelle im Funktionsplan und war zur Überzeugung des Senats die Kernaufgabe des Klägers im VEB E. H., zumal die übrigen Aufgabenbeschreibungen entweder mittelbar mit dieser Kernaufgabe verbunden waren oder Zuarbeiten zu dieser Kernaufgabe darstellten. Der Kläger hat dies im Erörterungstermin eindrucksvoll beschrieben. Er hat darauf hingewiesen, dass die technisch-technologische Vorbereitung der Trennung der einzelnen Bereiche des VEB E. H. Bestandteil der im Funktionsplan beschriebenen Aufgaben oder Voraussetzung für diese Aufgaben war. Er hat darüber hinaus bekundet, dass der Schwerpunkt seiner Tätigkeit ab dem 01. Februar 1990 in den Bereichen der Punkte 1 und 2 des Funktionsplanes (= Erarbeitung einer Grundkonzeption zur Überleitung des VEB E. in marktfähige Strukturen bei der Reprivatisierung, Analyse der Arbeitskräftesituation) lag. Die übrigen Punkte 3 bis 10 fielen federführend in den Aufgabenbereich des Betriebsdirektors W., so der Kläger. Dies bedeute aber nicht, dass er damit gar nichts zu tun gehabt habe. Allerdings habe darin eben nicht der Schwerpunkt seiner Tätigkeit bestanden. Der Senat kann keinen Anlass, an dieser Aussage Zweifel zu hegen. Die Bezeichnung "Direktor für Ökonomie" in dem Funktionsplan ist dagegen zur Überzeugung des Senats kein Ausschlusskriterium für die sachliche Voraussetzung, weil nicht die Funktionsbezeichnung entscheidend ist, sondern der tatsächliche Tätigkeitsinhalt.

43

Im Übrigen ist – im Hinblick auf die Argumentation der Beklagten mit dem Anforderungsprofil des in der ehemaligen DDR ausgebildeten Diplom-Ingenieurs der Fachrichtung Arbeitsgestaltung – darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des früheren 4. Senats des BSG die sachliche Voraussetzung nicht allein nach der Beschäftigung in bestimmten Arbeitsbereichen im Sinne der Anordnung über die Einführung der Rahmenrichtlinie für die neue Gliederung der Beschäftigten der Industrie oder des Bauwesens (vom 10. Dezember 1974, GBl. DDR I 1975 S. 1, im Folgenden: AO) bestimmt werden kann. Dem 4. Senat ging es anscheinend vielmehr darum, den im Wesentlichen berufsfremden Einsatz auszuschließen. So hat der 4. Senat ausgeführt (BSG, Urteil vom 18. Oktober 2007 – B 4 RS 17/07 R – juris, Rdnr. 43), aus der AO könne nicht geschlossen werden, eine z. B. dem Beruf des Ingenieurs entsprechende Tätigkeit sei nur ausgeübt worden, wenn der Betreffende in den Arbeitsbereichen "Produktionsdurchführung", "Produktionshilfe" und "Produktionsvorbereitung" eingesetzt gewesen sei. Auch Tätigkeiten in leitungs- und produktionssichernden Bereichen, bei Beschaffung und Absatz sowie bei der Betriebssicherheit könnten der Qualifikation eines der in § 1 Abs. 1 der 2. DB genannten Berufe entsprechen. Ob auch ein Einsatz in den Arbeitsbereichen "Kultur-, Sozialwesen und Betreuungseinrichtung" oder "Kader und Bildung" ausreiche, um eine der beruflichen Qualifikation entsprechende Tätigkeit annehmen zu können, hat der 4. Senat in dieser Entscheidung ausdrücklich dahingestellt. Eine andere Betrachtung hätte – so der 4. Senat – zur Folge, dass bei Arbeitsplatzwechseln innerhalb des volkseigenen Produktionsbetriebs für jeden Zeitabschnitt zu prüfen wäre, in welchem genauen Arbeitsbereich des Betriebs der Ingenieur, Konstrukteur, Architekt oder Techniker eingesetzt gewesen sei. Der damit verbundene Ermittlungsaufwand erscheine für die Verwaltung und die Instanzgerichte schwerlich praktikabel und könne zu zufälligen Ergebnissen führen (BSG, Urteil vom 18. Oktober 2007 – B 4 RS 17/07 R –, a.a.O.). Der 5. Senat des BSG hat sich der Rechtsprechung des 4. Senats des BSG zur sachlichen Voraussetzung ausdrücklich angeschlossen (BSG, Urteil vom 20. März 2013 – B 5 RS 3/12 R –, juris, Rdnr. 21, 22). Der Senat ist nach alledem überzeugt, dass der Schwerpunkt der Tätigkeit des Klägers im VEB E. H. entsprechend dem ermittelten Berufsbild im produktionsbezogenen ingenieurtechnischen Bereich lag, diese Tätigkeiten somit die Aufgabenerfüllung prägten.

44

Der Kläger war vom 01. Juni 1990 bis zum 30. Juni 1990 auch in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie beschäftigt. Für die Zeit davor, also vom 01. Februar 1990 bis zum 31. Mai 1990 ist dies nach Auffassung des Senats aber nicht nachgewiesen. Der Begriff des Produktionsbetriebes erfasst nach der Rechtsprechung des BSG nur solche Betriebe, die Sachgüter im Hauptzweck industriell (d.h. serienmäßig wiederkehrend: BSG, Urteil vom 18. Dezember 2003 – B 4 RA 14/03 R –, juris) gefertigt haben. Der Betrieb muss auf die industrielle Fertigung, Fabrikation, Herstellung bzw. Produktion von Sachgütern ausgerichtet gewesen sein (BSG, Urteil vom 09. April 2002 – B 4 RA 41/01 R –, SozR 3-8570 § 1 Nr. 6 S. 47; Urteil vom 27. Juli 2004 – B 4 RA 11/04 R – juris). Versorgungsrechtlich relevant ist allein die Tätigkeit in einem Produktionsdurchführungsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens. Erfasst sind daher nur Betriebe, die ihr Gepräge durch die Massenproduktion erhalten haben. An dieser Rechtsprechung des früheren 4. Senat des BSG hat der jetzt zuständige 5. Senat festgehalten (BSG, Urteil vom 19. Juli 2011 – B 5 RS 7/10 R –, juris, Rdnr. 24; Urteil vom 20. März 2013 – B 5 RS 3/12 R –, juris, Rdnr. 24, 25).

45

Vor diesem Maßstab war der VEB E. H. jedenfalls im Monat Juni 1990 ein volkseigener Produktionsbetrieb im Sinne von § 1 der 2. DB. Denn die soeben beschriebene Art von Produktion gab dem Betrieb zur Überzeugung des Senats in diesem Monat das Gepräge. Der Kläger hat bekundet, dass sich die Zahl der Mitarbeiter im Bereich Elektroinstallation bis Mitte Juni 1990 drastisch auf etwa 10 verringert habe. Dies hält der Senat für glaubhaft, denn der Zeuge W. hat in dem ihn selbst betreffenden Verfahren L 1 R 105/08 in der Sitzung am 24. März 2011 bekundet, die Anzahl der Mitarbeiter (im gesamten Betrieb) habe sich bis Mitte des Jahres 1990 auf ca. 120 verringert. Im Juni 1990 hätten sich die Mitarbeiterzahlen wie folgt auf die einzelnen Bereiche verteilt: Heizelemente 20, Einschweißgeräte 15, Antennen 70 bis 80, Verwaltung maximal 10, Elektroinstallation ebenfalls 10. Auch im Erörterungstermin am 19. Dezember 2013 hat der Zeuge W. erklärt, im Juni 1990 seien noch zehn Monteure im Bereich der Elektroinstallation tätig gewesen. Es handelt sich insoweit also um eine stringente in sich widerspruchsfreie Darstellung. Der Zeuge W. hat am 19. Dezember 2013 weiterhin angegeben, dass der Schwerpunkt der Tätigkeit des VEB E. H. im Juni 1990 im Bereich der Antennenproduktion gelegen habe, was dem Senat angesichts der Mitarbeiterzahlen in den einzelnen Bereichen plausibel erscheint. So seien allein im Monat Juni 1990 ca. 100.000 Antennen produziert worden. Der Zeuge W. hat eingeräumt, dass im Bereich Antennen-, Heizköper-, Plastschweißgeräte- und Leuchtenproduktion auch eine Anpassung an Kundenwünsche erfolgt sei, so nicht zuletzt im Bereich der Antennenproduktion. Es seien unterschiedliche Größen hergestellt worden. Die Herstellung verschiedener Größen bedeutet angesichts der hergestellten Mengen zur Überzeugung des Senats aber nicht, dass keine Serienproduktion vorgelegen hat. Auch die Aussage des Zeugen W., die Leuchtenproduktion wie auch die Antennenproduktion habe aus Handarbeit bestanden, spricht nicht gegen eine serielle Produktion. Der Zeuge W. hat ein Beispiel aus der Leuchtenproduktion beschrieben: Die Leuchten seien aufgehängt und dann sozusagen von Hand lackiert worden. Diese "Handarbeit" bedeutet aber nicht, dass keine Fließbandproduktion vorgelegen hat. Lediglich die technischen Möglichkeiten haben sich seit 1990 enorm verbessert, weil die technologischen Prozesse in der Zwischenzeit weiterentwickelt worden sind. Hierauf hat der Zeuge W. zutreffend hingewiesen.

46

Nicht überzeugt hat den Senat dagegen die Argumentation der Beklagten, nach der die betriebliche Voraussetzung nicht erfüllt sei, weil der Bereich der Elektroinstallation vor dem 30. Juni 1990 jedenfalls nicht im Rechtssinne weitgehend ausgegliedert gewesen sei. Der Senat hat nicht der Frage nachzugehen, in welchen Betrieben außerhalb des VEB E. H. die betroffenen Mitarbeiter des Bereichs Elektroinstallation im Juni 1990 möglicherweise gearbeitet haben und ob diese Betriebe ihrerseits rechtsfähig waren oder ob einige ehemalige Mitarbeiter sich selbständig gemacht haben. Denn es ist entscheidend auf die tatsächlichen Verhältnisse im VEB E. H. abzustellen. Diesem Betrieb standen die genannten Mitarbeiter im Juni 1990 tatsächlich nicht mehr zur Verfügung. Insoweit folgt der Senat hinsichtlich der tatsächlichen Angaben den weitgehend übereinstimmenden Aussagen des Klägers und des Zeugen W., wonach der Bereich Elektroinstallation im Verlauf des 1. Halbjahres 1990 weitgehend ausgegliedert wurde und zuletzt nur noch ca. 10 Mitarbeiter übrig geblieben waren. Die von der Beklagten erwähnten Urteile des 5. Senats des BSG vom 15. Juni 2010 zur so genannten "leeren Hülle" (B 5 RS 16/09 R u.a.) können nicht zu einer anderen Bewertung führen, weil sie einen anderen Zusammenhang betrafen. Denn es kommt vorliegend nicht darauf an, ob der VEB E. H. zu irgendeinem Zeitpunkt eine leere Hülle war. Zur Überzeugung des Senats ist nachgewiesen, dass dem VEB E. H. im Juni 1990 nur noch 10 Mitarbeiter im Bereich der Elektroinstallation zur Verfügung standen. Bei insgesamt 120 Mitarbeitern hatte dieser Bereich also keine wesentliche Bedeutung mehr, so dass es an dieser Stelle nicht darauf ankommt, ob es sich bei der Elektroinstallation im VEB E. H. um eine serielle Massenproduktion im Sinne der Rechtsprechung des BSG gehandelt hat.

47

Anders ist der Zeitraum vom 01. Februar 1990 bis zum 31. Mai 1990 zu beurteilen. Aus der schriftlichen Auskunft des Zeugen W. vom 29. März 2006, die sich auf das 1. Halbjahr 1990 bezog, ergibt sich, dass in dem Bereich Antennen-, Heizköper-, Plastschweißgeräte- und Leuchtenproduktion 107 Arbeitnehmer beschäftigt waren, während in den Bereichen Verwaltung (78 Arbeitnehmer), Lagerwirtschaft (acht Mitarbeiter), Projektierung (20 Arbeitnehmer) und Elektroinstallation (250 Arbeitnehmer) insgesamt eine deutlich höhere Zahl von Arbeitnehmern beschäftigt war. Die Zahl von 250 Mitarbeitern im Bereich der Elektroinstallation bestätigt sich in den Aussagen des Klägers und des Zeugen W. im Erörterungstermin am 19. Dezember 2013 und wird vom Senat deshalb als glaubhaft angesehen. Im Februar sei der Bereich Elektroinstallation größer gewesen als später im Juni 1990, so der Zeuge W. Es seien einmal 200 bis 250 Mitarbeiter im Bereich Elektroinstallation tätig gewesen, die dann den Betrieb nach und nach verlassen hätten. Der Kläger hat am 19. Dezember 2013 die Zahl der Mitarbeiter im Bereich Elektroinstallation zum 01. Februar 1990 mit 250 bestätigt. Zur Überzeugung des Senats ergibt sich daraus ein deutlicher Schwerpunkt der Betriebstätigkeit im Bereich der Elektroinstallation, und zwar selbst dann, wenn man allein die Zahl der in der Elektroinstallation Beschäftigten der Summe aller übrigen Beschäftigten (außer Verwaltung) gegenüberstellt. Es ist zur Überzeugung des Senats nicht nachgewiesen, dass sich diese Gewichtung bis Ende Mai 1990 deutlich und wesentlich verschoben hat. Weitere Erkenntnismöglichkeiten sind für den Senat nicht ersichtlich.

48

Die Elektroinstallation kann zur Überzeugung des Senats nicht als serielle Produktion im Sinne der Rechtsprechung des BSG angesehen werden. Bei der Installation werden keine neuen Produkte seriell hergestellt, sondern es werden – ggf. seriell hergestellte – Sachgüter verarbeitet, in dem z. B. Leuchten und Kabel angebracht bzw. verlegt werden. Dies wird bestätigt durch die Aussage des Zeugen W. am 19. Dezember 2013. Nach seinem Verständnis war die Elektroinstallation eine Handwerksarbeit. Die Elektroinstallation sei an die örtlichen Verhältnisse angepasst worden, es habe sich nicht um Serienproduktion gehandelt. Es sei die Spezialität des VEB E. H. gewesen, individuelle Kundenwünsche zu berücksichtigen. Es seien auch Wartungs- und Reparaturleistungen erbracht worden. Das Angebot des VEB E. H. habe im Prinzip die gesamte Palette eines Elektroinstallationsbetriebes umfasst.

49

Dagegen erscheint es hier nicht möglich, den Schwerpunkt der betrieblichen Tätigkeit des VEB E. H. anhand des in den einzelnen Bereichen erzielten Gewinns zu beurteilen, wie es dem Kläger anscheinend vorschwebt. Dies gilt zum einen deshalb, weil es insoweit an belastbaren Zahlen fehlt. Ein für die jeweiligen Bereiche abgrenzbarer Gewinn bzw. Verlust bezogen auf den Zeitraum vom 01. Februar bis 30. Juni 1990 lässt sich den vom Kläger in der mündlichen Verhandlung überreichten Bilanzen nicht entnehmen. Weitere Erkenntnismöglichkeiten darüber hinaus sind für den Senat nicht ersichtlich. Zum anderen kristallisiert sich schon anhand der Verteilung der Arbeitskräfte der Schwerpunkt des Betriebes vor Juni 1990, hier die Elektroinstallation, deutlich heraus. Denn auf den Aufwand lässt sich nicht zuletzt durch den jeweiligen Mitarbeitereinsatz schließen. Hingegen ist der Gewinn oder die Bilanz als Gradmesser für den betrieblichen Schwerpunkt zudem problematisch, weil dessen Ermittlung von den systembedingten Vorgaben abhängt und häufig nicht den tatsächlichen Aufwand und Umsatz bzw. Ertrag abbildet. So wurde in der DDR nach den Bestimmungen der Rechnungsführung und Statistik (RuSt) bilanziert. Die durch die RuSt ermittelten Zahlen dienten der Leitung und Planung der Volkswirtschaft der DDR (§ 2 Abs. 1 und 2 der Verordnung über Rechnungsführung und Statistik vom 11. Juli 1985, GBl. DDR I, S. 261) und damit einem anderen Zweck als eine handelsrechtliche Bilanzierung. Das System der RuSt entsprach den Erfordernissen einer zentralgeleiteten Wirtschaft, ein einheitliches Rechnungswesen in der gesamten Volkswirtschaft zu schaffen, das nicht nur die einzelnen Betriebe und Kombinate erfasste, sondern zugleich eine volkswirtschaftliche Gesamtrechnung darstellte (von Wysocki/Glaubig/Rammert/Wenzler, DB 1990, S. 945). Eine Rechnungslegung nach den Grundsätzen der RuSt war somit erforderlich, um ablesen zu können, ob ein Betrieb seine Planvorgaben erreicht hatte.

50

Der VEB E. H. war auch kein gleichgestellter Betrieb im Sinne von § 1 Abs. 2 der 2. DB, denn ein derartiger Betrieb ist dort nicht genannt. Die in dieser Vorschrift enthaltene Aufzählung ist jedoch abschließend (BSG, Urteil vom 09. April 2002 – B 4 RA 41/01 R – SozR 3-8570 § 1 Nr. 6).

51

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

52

Der Senat hat sich nicht veranlasst gesehen, die Revision erneut wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).


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published on 20/03/2013 00:00

Tenor Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 15. Dezember 2011 aufgehoben.
published on 19/07/2011 00:00

Tenor Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 19. August 2010 aufgehoben.
published on 15/06/2010 00:00

Tenor Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 8. September 2009 aufgehoben.
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Annotations

(1) Dieses Gesetz gilt für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen (Versorgungssysteme) im Beitrittsgebiet (§ 18 Abs. 3 Viertes Buch Sozialgesetzbuch) erworben worden sind. Soweit die Regelungen der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaften bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Verlust als nicht eingetreten.

(2) Zusatzversorgungssysteme sind die in Anlage 1 genannten Systeme.

(3) Sonderversorgungssysteme sind die in Anlage 2 genannten Systeme.

Das Landessozialgericht prüft den Streitfall im gleichen Umfang wie das Sozialgericht. Es hat auch neu vorgebrachte Tatsachen und Beweismittel zu berücksichtigen.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Dieses Gesetz gilt für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen (Versorgungssysteme) im Beitrittsgebiet (§ 18 Abs. 3 Viertes Buch Sozialgesetzbuch) erworben worden sind. Soweit die Regelungen der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaften bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Verlust als nicht eingetreten.

(2) Zusatzversorgungssysteme sind die in Anlage 1 genannten Systeme.

(3) Sonderversorgungssysteme sind die in Anlage 2 genannten Systeme.

Vor dem Wirksamwerden des Beitritts ergangene Verwaltungsakte der Deutschen Demokratischen Republik bleiben wirksam. Sie können aufgehoben werden, wenn sie mit rechtsstaatlichen Grundsätzen oder mit den Regelungen dieses Vertrags unvereinbar sind. Im übrigen bleiben die Vorschriften über die Bestandskraft von Verwaltungsakten unberührt.

(1) Dieses Gesetz gilt für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen (Versorgungssysteme) im Beitrittsgebiet (§ 18 Abs. 3 Viertes Buch Sozialgesetzbuch) erworben worden sind. Soweit die Regelungen der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaften bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Verlust als nicht eingetreten.

(2) Zusatzversorgungssysteme sind die in Anlage 1 genannten Systeme.

(3) Sonderversorgungssysteme sind die in Anlage 2 genannten Systeme.

(1) Ist die Revision unbegründet, so weist das Bundessozialgericht die Revision zurück. Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Gesetzesverletzung, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision ebenfalls zurückzuweisen.

(2) Ist die Revision begründet, so hat das Bundessozialgericht in der Sache selbst zu entscheiden. Sofern dies untunlich ist, kann es das angefochtene Urteil mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Gericht zurückverweisen, welches das angefochtene Urteil erlassen hat.

(3) Die Entscheidung über die Revision braucht nicht begründet zu werden, soweit das Bundessozialgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Dies gilt nicht für Rügen nach § 202 in Verbindung mit § 547 der Zivilprozeßordnung und, wenn mit der Revision ausschließlich Verfahrensmängel geltend gemacht werden, für Rügen, auf denen die Zulassung der Revision beruht.

(4) Verweist das Bundessozialgericht die Sache bei der Sprungrevision nach § 161 zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück, so kann es nach seinem Ermessen auch an das Landessozialgericht zurückverweisen, das für die Berufung zuständig gewesen wäre. Für das Verfahren vor dem Landessozialgericht gelten dann die gleichen Grundsätze, wie wenn der Rechtsstreit auf eine ordnungsgemäß eingelegte Berufung beim Landessozialgericht anhängig geworden wäre.

(5) Das Gericht, an das die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts zugrunde zu legen.

(1) Dieses Gesetz gilt für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen (Versorgungssysteme) im Beitrittsgebiet (§ 18 Abs. 3 Viertes Buch Sozialgesetzbuch) erworben worden sind. Soweit die Regelungen der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaften bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Verlust als nicht eingetreten.

(2) Zusatzversorgungssysteme sind die in Anlage 1 genannten Systeme.

(3) Sonderversorgungssysteme sind die in Anlage 2 genannten Systeme.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.