Landessozialgericht NRW Urteil, 21. Apr. 2015 - L 18 KN 136/13
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dortmund vom 7.8.2013 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Streitig ist (große) Witwenrente.
3Die 1942 geborene Klägerin ist marokkanische Staatsangehörige und lebt in Marokko. Sie ist die Witwe des im Jahre 1940 geborenen und am 3.4.2000 verstorbenen N I, der von 1964 bis 1984 in Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt war, zunächst bis 1973 im deutschen Steinkohlenbergbau, anschließend bei Arbeitgebern außerhalb des Bergbaus.
4Im Januar 2004 wandte sich die Klägerin erstmals an die Beklagte mit dem Antrag, ihr die aus der Versicherung ihres Ehemanns zustehenden Rechte zu gewähren. Sie legte ein Schreiben der Bundesknappschaft C vom 31.10.1983 vor (gerichtet an ihren Ehemann - damals wohnhaft in N), das die Mitteilung enthält, das Versicherungsverhältnis sei bis zum 22.11.1982 als geklärt anzusehen. Dem Antrag fügte sie weitere Unterlagen bei, insbesondere Geburtsurkunden der 8 gemeinsamen Kinder.
5Die Beklagte entnahm den bei ihr gespeicherten Angaben aus dem Versicherungskonto des Ehemanns der Klägerin, dass diesem die Beiträge für die Zeit vom 22.4.1964 bis zum 29.6.1984 mit Bescheid vom 16.1.1985 erstattet worden seien, und lehnte deshalb ab, der Klägerin Witwen- und den 8 gemeinsamen Kindern Waisenrente zu gewähren (jeweils gleichlautende Bescheide vom 6.2.2004). Den Widerspruch der Klägerin gegen die Ablehnung der Witwenrente wies sie zurück (Widerspruchsbescheid vom 18.5.2004, zugestellt am 4.6.2004). Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.
6Im Jahr 2005 meldete sich der Sohn der Klägerin J I und bat die Beklagte, ihm Informationen hinsichtlich der Aktenlage seines verstorbenen Vaters an die Hand zu geben. Er lebe in einer sehr komplizierten Situation und bitte daher, ihm so schnell wie möglich Auskünfte zu übermitteln. Nachdem sich J I Anfang 2006 erneut in gleicher Angelegenheit gemeldet und in Ablichtung einen "Antrag auf Sparprämie" seines Vaters für 1979 beigefügt hatte, behandelte die Beklagte sein Anliegen als Antrag auf Gewährung einer Rentenleistung aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung. Diesen Antrag lehnte sie ab, weil wegen der Erstattung auf die Wartezeit anrechenbare deutsche Versicherungszeiten nicht mehr vorhanden seien (Bescheid vom 16.1.2006).
7Im Februar 2006 gingen bei der Beklagten einige Unterlagen ohne Anschreiben ein. Dazu gehörte u.a. eine auf den Sohn J I ausgestellte Vollmacht der Klägerin und ihrer übrigen Kinder, die diesen berechtigte, für sie in allen behördlichen Angelegenheiten zu handeln und finanzielle Ansprüche geltend zu machen, die sich aus dem Nachlass des verstorbenen Vaters ergeben, und alle notwendigen Anträge für die deutschen und marokkanischen Behörden zu formulieren. Außerdem beigefügt war "Blatt 02" eines Erstattungsbescheides vom 16.1.1985, überschrieben mit "Berechnung des Erstattungsbetrages", worin die vom 22.4.1964 bis zum 6.2.1973 zur knappschaftlichen Rentenversicherung und vom 18.9.1973 bis 29.6.1984 zur Rentenversicherung der Arbeiter entrichteten Versichertenentgelte und die daraus errechneten anteiligen Arbeitnehmerbeiträge zu einem Erstattungsbetrag von insgesamt 36.128,09 DM addiert werden. Die Beklagte bearbeitete diese Unterlagen als "erneute" Anträge auf Gewährung einer Rentenleistung aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung und lehnte gegenüber der Klägerin die Gewährung einer Witwenrente und gegenüber den 8 gemeinsamen Kindern die Gewährung einer Waisenrente ab (jeweils gleichlautende Bescheide vom 24.3.2006). Diese Bescheide wurden bestandskräftig.
8Im November 2009 meldete sich erneut der Sohn J I bei der Beklagten und teilte mit, dass die Ansprüche, die seinem Vater gemäß der deutschen Gesetzgebung zustünden, immer noch nicht erfüllt worden seien. Mit weiterem, im Februar 2010 eingegangenem Schreiben bat er erneut im Namen der Erben, die Ansprüche zu prüfen, insbesondere die Ansprüche der Klägerin auf Gewährung einer Hinterbliebenenrente. Die Beklagte wertete die Schreiben von November 2009 und Februar 2010 als Widersprüche gegen die Bescheide vom 24.3.2006 und wies diese zurück (Widerspruchsbescheide vom 12.4.2010). Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Dortmund (S 6 KN 180/10) wurde die Klage zurückgenommen, nachdem sich die Beklagte bereit erklärt hatte, die geltend gemachten Ansprüche nochmals "nach § 44 SGB X" zu überprüfen. Sodann entschied die Beklagte, dass die Bescheide vom 24.3.2006 der Rechtslage entsprechen und nicht zurückzunehmen seien. Die Klägerin und ihre Kinder hätten keine neuen Gesichtspunkte vorgetragen, die nicht bereits berücksichtigt worden sind (für alle 9 Personen in einem Bescheid vom 18.5.2011 getroffene Regelung).
9Im Juni 2011 ging bei der Beklagten ein "Aufklärungsgesuch (Witwen- und Waisenrente)" ein, mit dem die Klägerin und die 8 gemeinsamem Kinder um eine Aufklärung über ihre Witwen- und Waisenrente baten. Dazu teilte die Beklagte mit, dass die Ansprüche auf Hinterbliebenenrente aus der Versicherung des N I bereits bindend abgelehnt worden seien. Das Klageverfahren sei mit Rücknahme der Klage beendet worden der Überprüfungsantrag sei mit Bescheid vom 18.5.2011 abgelehnt worden. Rechtsmittel seien dagegen nicht eingelegt worden (Schreiben vom 9.6.2011).
10Mit weiterem Schreiben von Oktober 2011 wies wiederum J I darauf hin, dass nach dem Schreiben vom 9.6.2011 keine Antwort eingegangen sei. Man habe der Beklagten alle angeforderten Unterlagen zugesandt und bitte nun um eine günstige Entscheidung. Die Beklagte wies erneut auf die Sachlage hin, insbesondere auf die bereits erfolgte bindende Ablehnung der Ansprüche, und führte aus, falls trotzdem erneut Anträge gestellt werden sollten, bitte sie um Einsendung von Lebensbescheinigungen (Schreiben vom 12.10.2011). In der Folge übersandte J I solche Lebensbescheinigungen. Die Beklagte lehnte danach erneut (originär) ab, Witwen- oder Waisenrente zu gewähren (gleichlautende Bescheide vom 13.12.2011). Mit Schreiben vom 2.1.2012 bat J I um Übersendung eines vom Vater ordnungsgemäß unterschriebenen Nachweises über den Erhalt der Beiträge. Er bitte erneut um Prüfung des Rentenanspruchs der Mutter auf Ehegattenrente und diese Rente zu gewähren. Die Beklagte wertete das mit "Reclamation" überschriebene Schreiben als Widersprüche gegen die Bescheide vom 13.12.2011 und wies diese mit einheitlichen Widerspruchsbescheiden vom 27.2.2012 zurück.
11Am 26.3.2012 übersandte die Beklagte dem SG Dortmund ein an dieses Gericht gerichtetes Schreiben des J I vom 16.3.2012 mit der Überschrift "Réclamation et Information", das das SG als Klage bearbeitet hat. Sein Vater habe die Klägerin ohne Geld und Einkünfte zurückgelassen. Die Familie lebte in großer Not und benötigte daher die Ernten sämtlicher Anstrengungen, die Deutschland gewidmet worden seien. Nach der deutschen Sozialgesetzgebung habe jede Person, die ihr Leben der Entwicklung des deutschen Staates gewidmet hat, Anspruch auf Pensionen. Die Witwenrente stehe der Klägerin nach deutschem Recht zu. Dieser Anspruch sei bisher nicht erfüllt worden. Es sei für ihn eine zusätzliche Belastung, dass er für den Lebensunterhalt der Mutter aufkommen müsse, da er verheiratet und dreifacher Familienvater sei. Der Fall müsse zum Abschluss gebracht werden, um ihn von dem Druck zu befreien, für den Lebensunterhalt seiner Mutter aufkommen zu müssen.
12Die Beklagte hat weiter gemeint, sie habe den Anspruch der Klägerin auf Witwenrente zu Recht wegen nicht erfüllter Wartezeit abgelehnt. Sie hat auf Nachfrage des SG mitgeteilt, dass außer den im Versicherungskonto elektronisch gespeicherten Daten und Blatt 2 des Bescheides vom 16.1.1985 keine weiteren Unterlagen vorhanden seien, da die Aufbewahrungsfrist bereits abgelaufen und die Originalunterlagen vernichtet worden seien.
13Nach Anhörung der Beteiligten zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat das SG die Klage durch Gerichtsbescheid abgewiesen: Streitig sei nur ein Anspruch auf Witwenrente. Diesen habe die Beklagte zu Recht abgelehnt, weil die allgemeine Wartezeit nicht erfüllt sei. Das Gericht habe keine Zweifel, dass dem Versicherten die Beiträge auf seinen Antrag mit Bescheid vom 16.1.1985 erstattet worden sind. Dies werde bereits durch das vorgelegte Blatt 2 des Beitragserstattungsbescheides hinreichend belegt. Hätte der Ehemann der Klägerin den Erstattungsbetrag nicht erhalten, hätte er sich bereits zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt bei der Beklagten gemeldet und seinen Anspruch auf Erstattung weiter verfolgt. Die Erstattung werde auch durch den von der Beklagten erstellten Gesamtkontospiegel vom 14.12.2011 bestätigt (Gerichtsbescheid vom 7.8.2013).
14Dieser Entscheidung hat die Klägerin mit am 23.10.2013 beim SG eingegangenem Schreiben widersprochen. Dem Schreiben in Kopie beigefügt war ein (vom damaligen Arbeitgeber?) ausgefüllter Vordruck "unverbindliche Berechnung" der Gelder (Gesamtbetrag 77.887,79 DM), die ihrem Ehemann im Zeitpunkt des geplanten Ausreisetermins voraussichtlich zustanden (gefertigt in Mülheim/Ruhr am 17.4.1984). Aus dieser Übersicht ergibt sich, dass neben einer Rückkehrhilfe, einer Abfindung bei Aufhebungsvertrag, eine Abgeltung von Tarifurlaub und Freizeitansprüchen "entsprechend § 20 MTV" und einer Abfindung der Werksrente auch ein Anspruch auf voraussichtliche Beitragsrückerstattung aus der gesetzlichen Rentenversicherung (Arbeitnehmeranteil) von (vorläufig etwa) 34.355,57 DM zustand. Außerdem beigefügt war in Kopie nunmehr der vollständige Erstattungsbescheid vom 16.1.1985 über einen Betrag von 36.128,09 DM, mit dem Hinweis, dass die Erstattung weitere Ansprüche aus den bisher zurückgelegten Versicherungszeiten und das Recht zur freiwilligen Weiterversicherung ausschließe. Schließlich noch beigefügt war ein Schreiben der Deutschen Botschaft in Rabat vom 7. Februar 1985, gerichtet an den Ehemann der Klägerin an seine marokkanische Adresse, mit dem Hinweis, dass die Bundesknappschaft in Bochum am 16. Januar 1985 entschieden habe, ihm auf seinen Antrag 36.128,09 DM zu erstatten. Die Klägerin hat außerdem eine Vereinbarung zwischen ihrem Ehemann und den N in N vom 29.6.1984 zur Ablösung des Betriebsrentenanspruches vorgelegt, nach der ihm ein Abfindungsanspruch von DM 4.206,00 zustand. Ihr Ehemann habe nach Rückkehr in seine Heimat die entsprechenden Stellen um Rückzahlung der Beiträge gebeten, die er in die Sozialversicherung eingezahlt hat, als er in Deutschland arbeitete. Er habe aber nur 36.128,09 DM erhalten, obwohl er Anspruch auf eine Gesamtsumme von 77.887,79 DM gehabt habe.
15Die Klägerin meint, unter Berücksichtigung dieser Unterlagen bestehe zwischen dem Gesamtbetrag von 77.887,79 DM und den erstatteten DM 36.128,09 eine Differenz, und bittet um Zahlung der Differenz. Die 36.128,09 DM, die ihr Ehemann erhalten habe, seien schnell zu Ende gegangen, das meiste sei für seine Rückkehr investiert worden. Später hat sie vorgetragen, tatsächlich habe ihr Ehemann nichts von diesen Summen erhalten. Deshalb bitte sie zu veranlassen, dass sie von der in der Zusammenfassung erwähnten Gesamtsumme profitieren könne.
16Die Klägerin hat auf Anfrage des Senats ausdrücklich erklärt, dass es im Berufungsverfahren nur um den Anspruch der Klägerin auf Witwenrente gehe.
17Sie ist vom Termin zur mündlichen Verhandlung durch Einschreiben mit Rückschein am 26.2.2015 mit dem Hinweis benachrichtigt worden, dass auch im Falle ihres Ausbleibens verhandelt und entschieden werden könne.
18Im Termin zur mündlichen Verhandlung ist für die Klägerin niemand erschienen.
19Die Beklagte beantragt,
20die Berufung zurückzuweisen.
21Sie hat ihre Entscheidung weiter für richtig gehalten und auf Nachfrage des Senats vorsorglich erklärt, dass sie im Falle des Obsiegens der Klägerin auch über alle Ansprüche auf Waisenrente originär erneut entscheiden werde.
22Wegen der Darstellung der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand nimmt der Senat auf die Gerichtsakten sowie die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
23Entscheidungsgründe:
24A. Der Senat kann trotz Nichterscheinens der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung aufgrund einseitiger mündlicher Verhandlung entscheiden. Denn die Klägerin ist in der ordnungsgemäß erfolgten Ladung (§§ 63 Abs 1 und 2 SGG, 175 Zivilprozessordnung iVm Art 31 Abs 1 Satz 3 des Deutsch-Marokkanischen Sozialversicherungsabkommens (DMSVA) vom 25.3.1981, in Kraft seit dem 1.8.1986, BGBl II 1986, 550 ff, 562, 772) auf diese Möglichkeit hingewiesen worden, § 62 SGG.
25Die zulässige Berufung ist unbegründet.
26I. Die Berufung ist zulässig.
27Bei dem "Widerspruch" der Klägerin handelt es sich in der Sache um eine Berufung, weil dieses Rechtsmittel der einzig statthafte Rechtsbehelf ist, mit dem die Klägerin eine sachliche Prüfung des von ihr erhobenen Anspruchs durch das zuständige (Berufungs - ) Gericht erreichen kann. Die Berufung ist wirksam und fristgerecht eingelegt worden. Es kann nicht genau festgestellt werden, wann der am 10.9.2013 mit Einschreiben und (Auslands-)Rückschein übersandte Gerichtsbescheid vom 7.8.2013 der Klägerin zugestellt worden ist, da ein Rückschein nicht zu den Akten gelangt ist. Die Frist zur Einlegung der Berufung beträgt drei Monate seit der Zustellung, §§ 153 Abs 1 iVm 87 Abs 1 Satz 2, 151 SGG (allgemeine Meinung, vgl nur Bundessozialgericht (BSG), SozR Nr 11 zu § 151 SGG), und endete frühestens im Dezember 2013. Die Berufung der Klägerin, mit der sie den Erhalt des Schreibens vom 10.9.2013 bestätigt hat, ist bereits am 23.10.2013, und damit sicher innerhalb der Frist beim SG eingegangen. Die Klägerin durfte das Rechtsmittel auch beim SG einlegen, § 151 Abs 2 SGG.
28II. Die Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 14.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.2.2012 ist rechtmäßig und beschwert die Klägerin nicht. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf (große) Witwenrente nach ihrem am 3.4.2000 verstorbenen Ehemann.
291. Gegenstand des Verfahrens ist nur (noch) der Bescheid vom 14.12.2011 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.2.2012, § 95 SGG) betreffend die Ablehnung einer Witwenrente. Mag auch zunächst nicht ganz klar gewesen sein, ob mit der Klageschrift vom 16.03.2012 auch die Ansprüche auf Waisenrenten ablehnenden übrigen Bescheide angefochten werden sollten ("[ ... im Namen aller Erben ...]") so ist doch später (Schreiben vom 10. und 17.8.2012) deutlich geworden, dass es in diesem Verfahren (von vorneherein) lediglich um die Witwenrente der Klägerin ging und ihr Sohn J I aufgrund der bereits früher vorgelegten umfassenden Vollmacht (nur) als ihr Bevollmächtigter auftritt. Davon ist das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend ausgegangen und hat folglich auch nur über den Anspruch auf Witwenrente entschieden. Die Klägerin hat diese Auslegung durch die in zweiter Instanz abgegebene Erklärung, dass es in diesem Verfahren nur um den Anspruch auf Witwenrente gehe, nochmals bestätigt. Vorsorglich hat die Beklagte überdies erklärt, dass sie im Falle des Obsiegens der Klägerin auch über die Anträge auf Waisenrente erneut originär entscheiden werde.
302. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Hinterbliebenenrente in Form einer (großen) Witwenrente. Ein solcher Anspruch ist hier vollständig zu prüfen, obwohl die Beklagte ihn in der Vergangenheit bereits mehrmals abgelehnt hat. Sie hat sich im angefochtenen Bescheid nämlich erkennbar nicht auf die Bestandskraft der früheren Entscheidungen berufen, sondern über den geltend gemachten Anspruch erneut originär befunden, also erneut eine vollständige Sachprüfung durchgeführt. Folglich hat das Gericht die Rechtmäßigkeit dieser vollständigen Sachprüfung zu beurteilen.
31Ein Anspruch auf (große) Witwenrente setzt u.a. voraus, dass der verstorbene Versicherte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, § 46 Abs 2 Satz 1 SGB VI. Die allgemeine Wartezeit beträgt fünf Jahre, § 50 Abs 1 Satz 1 SGB VI. Auf diese Zeit werden Kalendermonate mit Beitragszeiten und Ersatzzeiten angerechnet, §§ 51 Abs 1 und 4, 54 f SGB VI. Der Versicherte hat die allgemeine Wartezeit nicht erfüllt. Zwar sind nach Art 24 DMSVA ggf. auch marokkanische Zeiten berücksichtigungsfähig. Voraussetzung ist jedoch, dass der verstorbene Ehemann überhaupt deutsche Beitragszeiten hat. Das ist nicht (mehr) der Fall. Denn wegen der durchgeführten Beitragserstattung liegen bei ihm für die Erfüllung der Wartezeit anrechenbare deutsche Beitragszeiten überhaupt nicht (mehr) vor (vgl dazu BSG, Beschluss vom 7.4.2008, Az 5b KN 1/08 BH mwN).
32Zwar trifft zu, dass der verstorbene Ehemann der Klägerin (mit Unterbrechungen) von April 1964 bis Juni 1984 in Deutschland gearbeitet und Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet hat. Dadurch sind zunächst - eine Rentenanwartschaft begründende - Beitragszeiten vorhanden gewesen. Daraus kann die Klägerin jedoch heute keine Rechte mehr herleiten, weil die Beklagte ihrem Ehemann die gezahlten Beiträge im Jahr 1985 nach der damals maßgeblichen Vorschrift des § 95 Abs 7 Reichsknappschaftsgesetz (RKG) (gleichlautend damals: § 1303 Abs 7 Reichsversicherungsordnung (RVO) für die damalige Rentenversicherung der Arbeiter) erstattet hat und die Anwartschaft damit erloschen ist. Durch die Beitragserstattung ist das zuvor bestehende Versicherungsverhältnis aufgelöst worden. Ansprüche aus den bis zur Erstattung zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten bestehen nicht mehr, § 210 Abs 6 Sätze 2 und 3 SGB VI (im Zeitpunkt der Erstattung maßgeblich: §§ 95 Abs 7 RKG, 1303 Abs 7 RVO). Die Gesetzesregelung ist so konzipiert, dass - und das galt auch schon früher - eine Erstattung nur insgesamt und nicht teilweise beansprucht werden kann, § 210 Abs 6 Satz 1 SGB VI. Kommt es zu einer (immer: vollständigen) Erstattung, wird das Versicherungsverhältnis, das bis zum Erstattungszeitpunkt bestand, gänzlich und unwiederbringlich aufgelöst (§ 210 Abs 6 Satz 2 SGB VI). Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass nur die Hälfte der gezahlten Beiträge zu erstatten war und erstattet wurde (BSG, Beschluss vom 7.4.2008, Az 5b KN 1/08 BH), und ist mit deutschem Verfassungsrecht vereinbar (BVerfG SozR 2200 § 1303 Nr 34; BSG SozR 3-2600 § 210 Nr 2).
33Nach dem Gesamtinhalt der Akten steht zur Überzeugung des Senats fest, dass dem Ehemann der Klägerin sämtliche Beiträge (wie gesetzlich vorgesehen: zur Hälfte, hier in Höhe von DM 36.128,09) rechtswirksam erstattet worden sind.
34Eine rechtswirksame Beitragserstattung setzt voraus, dass nachweislich (1) ein Erstattungsantrag, (2) ein wirksamer Erstattungsbescheid und (3) eine rechtswirksame, befreiende Bewirkung der Leistung (= Erfüllung des Erstattungsanspruchs entsprechend § 362 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) vorliegen (vgl dazu und besonders zur Beweislast: BSGE 80, 41 ff = SozR 3-2200 § 1303 Nr 6; vgl auch LSG NRW, Beschluss vom 21.9.2003, Az L 2 KN 19/03 und Urteile vom 16.8.2007, Az L 2 KN 259/06, vom 16.12.2010, Az L 2 KN 169/09, vom 13.9.2011, Az L 18 (2) KN 223/07, vom 15.11.2011, Az L 18 (2) KN 42/08, L 18 KN 30/10 und L 18 (2) KN 239/09, vom 24.4.2012, Az L 18 KN 82/10, vom 29.4.2014, Az L 18 KN 120/12, vom 6.5.2014, Az L 18 KN 210/11, vom 19.8.2014, Az L 18 KN 63/10 und L 18 KN 45/11 und zuletzt vom 16.12.2014, Az L 18 KN 118/12). Das ist hier der Fall. Für den Senat steht jedenfalls unter Berücksichtigung der im Berufungsverfahren vorgelegten Unterlagen und der eigenen Eingaben der Klägerin hierzu mit an Sicherheit grenzender, vernünftige Zweifel ausschließender Wahrscheinlichkeit (Beweismaßstab des Vollbeweises) fest, dass alle drei Voraussetzungen erfüllt sind.
35Es kann offen bleiben, ob die rechtsgestaltende Wirkung der Beitragserstattung aus dem Erstattungsantrag oder aus dem Erstattungsbescheid folgt (vgl LSG NRW, Urteil vom 18.10.2001, Az L 2 KN 64/01 mwN; z.Zt. ist beim BSG unter dem Az B 5 R 16/14 R ein Verfahren anhängig, in dem Ausführungen dazu zu erwarten sind), und unter welchen Voraussetzungen sich die Beklagte bei Nichterfüllung nach Treu und Glauben später darauf nicht (mehr) berufen kann. Denn hier sind ein wirksamer Antrag und ein dadurch in Gang gebrachtes und ordnungsgemäß abgeschlossenes Erstattungsverfahren erwiesen. Zwar sind die entsprechenden Urkunden (Antragsformular oder -schreiben; Erstattungsbescheid; Überweisungsträger oder Empfangsquittung) nicht mehr in den Akten der Beklagten vorhanden. Der Senat kann vorliegend jedoch unentschieden lassen, ob in einem solchen Fall allein die im Versicherungskonto elektronisch gespeicherten Daten genügen, eine vollständige wirksame Beitragserstattung mit an Sicherheit grenzender, vernünftige Zweifel ausschließender Wahrscheinlichkeit zu beweisen (verneinend: Urteil des Senats vom 19.8.2014, Az L 18 KN 45/11). Denn die Klägerin hat vorliegend den Erstattungsbescheid vom 16.1.1985 selbst vorgelegt und dazu vorgetragen, dass ihr Ehemann den darin ausgewiesenen Erstattungsbetrag von DM 36.128,09 erhalten habe, das Geld jedoch "schnell zu Ende gegangen" sei, weil er das meiste für seine Rückkehr investiert habe. Daneben ergibt sich aus dem ebenfalls vorgelegten Schreiben der Deutschen Botschaft in Rabat an den Versicherten, dass dieser von dort zeitnah über die Entscheidung der Beklagten (damals als "Bundesknappschaft") zu seinem Erstattungsantrag informiert worden ist. Die Vorlage dieser Unterlagen durch die Klägerin belegt, dass sie dem Versicherten bekannt gegeben worden sind. Das genügt bei Mitberücksichtigung der bei der Beklagten elektronisch gespeicherten inhaltsgleichen Daten für den Nachweis eines vollständig durchgeführten und abgeschlossenen Erstattungsverfahrens.
36Soweit Beweisunterlagen (Urkunden) gänzlich fehlen (etwa ein schriftlicher Erstattungsantrag oder die von der Klägerin angemahnte Quittung über den Erhalt des Erstattungsbetrags), leitet der Senat seine Überzeugung aus einem Beweis des ersten Anscheins her (sog prima facie-Beweis). Diese Beweisregel gilt auch im sozialgerichtlichen Verfahren (BSGE 8, 245, 247; 12, 242, 246; 19, 52, 54; Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer. SGG. 11. Aufl. 2014. § 128 RdNr 9 mwN; Pawlak in Hennig. SGG. Stand Dezember 2014. § 128 RdNr 96; Zeihe. Das SGG und seine Anwendung. Stand 1. Dezember 2014. 3.G. vor § 103; stRspr des Senats, vgl Urteile vom 13.9.2011, Az L 18 (2) KN 223/07, vom 15.11.2011, Az L 18 KN 30/10, L 18 (2) KN 42/08 und L 18 (2) KN 239/09, Urteil vom 24.4.2012, Az L 18 KN 32/10, Az L 18 KN 120/12, vom 19.8.2014, Az L 18 KN 63/10 und L 18 KN 45/11 und zuletzt vom 16.12.2014, Az L 18 KN 118/12, alle bei juris). Sie besagt, dass bei typischen Geschehensabläufen auf eine Tatsache geschlossen werden kann, die nach der allgemeinen Lebenserfahrung regelmäßig Ursache oder Folge eines solchen Geschehensablaufs ist (BSG in: Breithaupt 1999, 357, 362; Leitherer. aaO. RdNr 9a). Dabei wird der (Voll-)Beweis einer Tatsache vermutet, solange nicht Tatsachen erwiesen sind, die den vermuteten typischen Geschehensablauf in Zweifel ziehen (vgl Leitherer. aaO. RdNr 9e mwN; Pawlak. aaO. RdNrn 94, 99).
37Ein durch nachweislich bekannt gegebenen bewilligenden Bescheid abgeschlossenes Verwaltungsverfahren zur (vollständigen) Beitragserstattung lässt bei Fehlen entgegenstehender Tatsachen typischerweise den Schluss zu, dass dem Bescheid ein Erstattungsantrag vorausgegangen und die geschuldete Leistung anschließend bewirkt worden ist.
38Hier steht fest, dass der Versicherte einen Erstattungsbescheid über den Betrag von DM 36.128,09 erhalten hat und außerdem noch durch die Deutsche Botschaft in Rabat über die Erstattung informiert worden ist. Die Klägerin hat die (anschließende) Leistungsbewirkung nicht substantiiert bestritten, sondern im Gegenteil einräumt, dass der Versicherte den Betrag von DM 36.128,09 erhalten habe. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Leistung nicht zeitnah bewirkt worden ist (wie etwa zeitnahe Nachfragen des Versicherten, wo das Geld bleibe, vgl LSG NRW, Urteile vom 17.2.1997, Az L 4 J 16/95, und vom 3.6.2005, Az L 4 RJ 12/03; Bayerisches LSG, Urteile vom 14.5.2002, Az L 19 RJ 3/02, und vom 8.12.2004, Az L 19 RJ 203/03). Die widerspruchslose Entgegennahme des Erstattungsbescheides und des Erstattungsbetrags lassen schließlich prima facie den Schluss zu, dass der Versicherte zuvor einen Erstattungsantrag gestellt, das Verfahren also selbst eingeleitet hatte. Soweit die Klägerin ihre Angaben später dahingehend geändert hat, dass der Versicherte nichts erhalten habe, hält der Senat dies für eine zweckgerichtete, nicht (mehr) glaubhafte Behauptung. Soweit sie meint, dem Kläger habe ein höherer Erstattungsbetrag zugestanden (die Differenz zwischen DM 77.887,79 und DM 36.128,09), ist dies für den allein streitbefangenen Anspruch auf Witwenrente ohne Belang, weil ein solcher Erstattungsanspruch nicht Gegenstand dieses Verfahrens ist, in der Sache aber auch nicht zutreffend. Denn in der vorgelegten Übersicht vom 17.4.1984 sind neben dem Anspruch auf Erstattung von in die Sozialversicherung entrichteten Beiträgen weitere Zahlungsansprüche aufgeführt, die sich nicht gegen den Träger der gesetzlichen Rentenversicherung, also hier die Beklagte, sondern gegen andere Schuldner (z.B. den damaligen Arbeitgeber "N AG") richten. Der Anspruch auf Beitragserstattung ist darin (nur) mit "ca." 34.355,57 DM beziffert. Der später erstattete Betrag von DM 36.128,09 liegt sogar über diesem Betrag.
39B. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 Satz 1, 193 Abs 1 Satz 1 SGG.
40C. Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor, § 160 Abs 2 SGG. Maßgeblich für die Entscheidung sind die konkreten Umstände des Einzelfalls.
Urteilsbesprechung zu Landessozialgericht NRW Urteil, 21. Apr. 2015 - L 18 KN 136/13
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Landessozialgericht NRW Urteil, 21. Apr. 2015 - L 18 KN 136/13 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).
(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.
(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.
(1) Anordnungen und Entscheidungen, durch die eine Frist in Lauf gesetzt wird, sind den Beteiligten zuzustellen, bei Verkündung jedoch nur, wenn es ausdrücklich vorgeschrieben ist. Terminbestimmungen und Ladungen sind bekannt zu geben.
(2) Zugestellt wird von Amts wegen nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung. §§ 173, 175 und 178 Abs. 1 Nr. 2 der Zivilprozessordnung sind entsprechend anzuwenden auf die nach § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 9 zur Prozessvertretung zugelassenen Personen.
(3) Wer nicht im Inland wohnt, hat auf Verlangen einen Zustellungsbevollmächtigten zu bestellen.
Vor jeder Entscheidung ist den Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren; die Anhörung kann schriftlich oder elektronisch geschehen.
(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.
(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.
(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.
(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.
(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.
(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.
(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.
Hat ein Vorverfahren stattgefunden, so ist Gegenstand der Klage der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat.
(1) Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, haben nach dem Tod des versicherten Ehegatten Anspruch auf kleine Witwenrente oder kleine Witwerrente, wenn der versicherte Ehegatte die allgemeine Wartezeit erfüllt hat. Der Anspruch besteht längstens für 24 Kalendermonate nach Ablauf des Monats, in dem der Versicherte verstorben ist.
(2) Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, haben nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, Anspruch auf große Witwenrente oder große Witwerrente, wenn sie
- 1.
ein eigenes Kind oder ein Kind des versicherten Ehegatten, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erziehen, - 2.
das 47. Lebensjahr vollendet haben oder - 3.
erwerbsgemindert sind.
- 1.
Stiefkinder und Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 1 und 2 Erstes Buch), die in den Haushalt der Witwe oder des Witwers aufgenommen sind, - 2.
Enkel und Geschwister, die in den Haushalt der Witwe oder des Witwers aufgenommen sind oder von diesen überwiegend unterhalten werden.
(2a) Witwen oder Witwer haben keinen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.
(2b) Ein Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente besteht auch nicht von dem Kalendermonat an, zu dessen Beginn das Rentensplitting durchgeführt ist. Der Rentenbescheid über die Bewilligung der Witwenrente oder Witwerrente ist mit Wirkung von diesem Zeitpunkt an aufzuheben; die §§ 24 und 48 des Zehnten Buches sind nicht anzuwenden.
(3) Überlebende Ehegatten, die wieder geheiratet haben, haben unter den sonstigen Voraussetzungen der Absätze 1 bis 2b Anspruch auf kleine oder große Witwenrente oder Witwerrente, wenn die erneute Ehe aufgelöst oder für nichtig erklärt ist (Witwenrente oder Witwerrente nach dem vorletzten Ehegatten).
(4) Für einen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente gelten als Heirat auch die Begründung einer Lebenspartnerschaft, als Ehe auch eine Lebenspartnerschaft, als Witwe und Witwer auch ein überlebender Lebenspartner und als Ehegatte auch ein Lebenspartner. Der Auflösung oder Nichtigkeit einer erneuten Ehe entspricht die Aufhebung oder Auflösung einer erneuten Lebenspartnerschaft.
(1) Die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit von fünf Jahren ist Voraussetzung für einen Anspruch auf
Die allgemeine Wartezeit gilt als erfüllt für einen Anspruch auf- 1.
Regelaltersrente, wenn der Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder eine Erziehungsrente bezogen hat, - 2.
Hinterbliebenenrente, wenn der verstorbene Versicherte bis zum Tod eine Rente bezogen hat.
(2) Die Erfüllung der Wartezeit von 20 Jahren ist Voraussetzung für einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung an Versicherte, die die allgemeine Wartezeit vor Eintritt der vollen Erwerbsminderung nicht erfüllt haben.
(3) Die Erfüllung der Wartezeit von 25 Jahren ist Voraussetzung für einen Anspruch auf
- 1.
Altersrente für langjährig unter Tage beschäftigte Bergleute und - 2.
Rente für Bergleute vom 50. Lebensjahr an.
(4) Die Erfüllung der Wartezeit von 35 Jahren ist Voraussetzung für einen Anspruch auf
(5) Die Erfüllung der Wartezeit von 45 Jahren ist Voraussetzung für einen Anspruch auf Altersrente für besonders langjährig Versicherte.
(1) Beiträge werden auf Antrag erstattet
- 1.
Versicherten, die nicht versicherungspflichtig sind und nicht das Recht zur freiwilligen Versicherung haben, - 2.
Versicherten, die die Regelaltersgrenze erreicht und die allgemeine Wartezeit nicht erfüllt haben, - 3.
Witwen, Witwern, überlebenden Lebenspartnern oder Waisen, wenn wegen nicht erfüllter allgemeiner Wartezeit ein Anspruch auf Rente wegen Todes nicht besteht, Halbwaisen aber nur, wenn eine Witwe, ein Witwer oder ein überlebender Lebenspartner nicht vorhanden ist. Mehreren Waisen steht der Erstattungsbetrag zu gleichen Teilen zu.
(1a) Beiträge werden auf Antrag auch Versicherten erstattet, die versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreit sind, wenn sie die allgemeine Wartezeit nicht erfüllt haben. Dies gilt nicht für Personen, die wegen Geringfügigkeit einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreit sind. Beiträge werden nicht erstattet,
- 1.
wenn während einer Versicherungsfreiheit oder Befreiung von der Versicherungspflicht von dem Recht der freiwilligen Versicherung nach § 7 Gebrauch gemacht wurde oder - 2.
solange Versicherte als Beamte oder Richter auf Zeit oder auf Probe, Soldaten auf Zeit, Beamte auf Widerruf im Vorbereitungsdienst versicherungsfrei oder nur befristet von der Versicherungspflicht befreit sind.
(2) Beiträge werden nur erstattet, wenn seit dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht 24 Kalendermonate abgelaufen sind und nicht erneut Versicherungspflicht eingetreten ist.
(3) Beiträge werden in der Höhe erstattet, in der die Versicherten sie getragen haben. War mit den Versicherten ein Nettoarbeitsentgelt vereinbart, wird der von den Arbeitgebern getragene Beitragsanteil der Arbeitnehmer erstattet. Beiträge aufgrund einer Beschäftigung nach § 20 Abs. 2 des Vierten Buches, einer selbständigen Tätigkeit oder freiwillige Beiträge werden zur Hälfte erstattet. Beiträge der Höherversicherung werden in voller Höhe erstattet. Erstattet werden nur Beiträge, die im Bundesgebiet für Zeiten nach dem 20. Juni 1948, im Land Berlin für Zeiten nach dem 24. Juni 1948 und im Saarland für Zeiten nach dem 19. November 1947 gezahlt worden sind. Beiträge im Beitrittsgebiet werden nur erstattet, wenn sie für Zeiten nach dem 30. Juni 1990 gezahlt worden sind.
(4) Ist zugunsten oder zulasten der Versicherten ein Versorgungsausgleich durchgeführt, wird der zu erstattende Betrag um die Hälfte des Betrages erhöht oder gemindert, der bei Ende der Ehezeit oder Lebenspartnerschaftszeit als Beitrag für den Zuschlag oder den zum Zeitpunkt der Beitragserstattung noch bestehenden Abschlag zu zahlen gewesen wäre. Dies gilt beim Rentensplitting entsprechend.
(5) Haben Versicherte eine Sach- oder Geldleistung aus der Versicherung in Anspruch genommen, können sie nur die Erstattung der später gezahlten Beiträge verlangen.
(6) Der Antrag auf Erstattung kann nicht auf einzelne Beitragszeiten oder Teile der Beiträge beschränkt werden. Mit der Erstattung wird das bisherige Versicherungsverhältnis aufgelöst. Ansprüche aus den bis zur Erstattung zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten bestehen nicht mehr.
(1) Das Schuldverhältnis erlischt, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird.
(2) Wird an einen Dritten zum Zwecke der Erfüllung geleistet, so finden die Vorschriften des § 185 Anwendung.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dortmund vom 14.12.2010 geändert. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 22.5.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.11.2009 verurteilt, dem Kläger ab dem 1.1.2011 Regelaltersrente zu gewähren. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten für beide Rechtszüge zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Streitig ist Regelaltersrente, hilfsweise eine finanzielle Unterstützung.
3Der 1945 geborene Kläger ist marokkanischer Staatsangehöriger und war in Deutschland vom 6.10.1972 bis zum 5.3.1974, vom 1.4.1974 bis zum 30.11.1976, vom 1.2.1977 bis zum 31.3.1977 und vom 6.4.1977 bis zum 31.10.1978 versicherungspflichtig im Bergbau beschäftigt. Danach kehrte er nach Marokko zurück, wo er bis heute lebt.
4Im Juni 2004 beantragte der Kläger Rentenleistungen unter Vorlage einer Lohnabrechnung der S Bergbau AG Westfalen betreffend den Monat 7/1976. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, weil keine auf die Wartezeit anrechenbaren deutschen Versicherungszeiten mehr bestünden. Die zur deutschen Rentenversicherung in der Zeit vom 6.10.1972 bis zum 30.10.1978 entrichteten Beiträge seien mit Bescheid vom 20.7.1982 erstattet worden. Versicherungszeiten nach dem 20.7.1982 seien weder behauptet noch nachgewiesen (Bescheid vom 3.9.2004). Dieser Bescheid konnte trotz Einschaltung der Deutschen Botschaft in Rabat dem Kläger nicht wirksam zugestellt werden.
5Im April 2009 beantragte der Kläger die Gewährung einer Altersrente. Die Beklagte nahm einen (verschlüsselten) Ausdruck des den Kläger betreffenden (elektronisch gespeicherten) "Gesamtkontospiegels" zu den Akten. Darin sind im Versicherungskonto des Klägers unter der Schlüssel-Nr 1830 folgende Daten gespeichert: "Antrag 16.06.1982", "Bescheid 20.07.1982", "Erstattung von 06.10.1972 bis 31.10.1978", "Erstattungsbetrag 0,00" sowie "ESBT-KN 15661,20". Ferner ist nach diesem Kontospiegel - unter der Schlüssel-Nr 1860 "Ablehnung Versichertenrente" - der Bescheid vom 3.9.2004 gespeichert. Anschließend lehnte die Beklagte die Gewährung einer Regelaltersrente mit derselben Begründung wie 2004 ab (Bescheid vom 22.5.2009; Widerspruchsbescheid vom 11.11.2009). Der per Einschreiben mit Auslandsrückschein versandte Widerspruchsbescheid konnte wiederum nicht an den Kläger zugestellt werden; die Beklagte sandte ihn daraufhin erneut mit Begleitschreiben vom 25.1.2010 an den Kläger, dieses Mal mit einfachem Brief.
6Mit seiner am 19.2.2010 beim Sozialgericht (SG) Dortmund in französischer Sprache erhobenen und nicht in die deutsche Sprache übersetzten Klage ("réclamation"), der eine Kopie des Schreibens vom 25.1.2010 und des diesem Schreiben beigefügten Widerspruchsbescheides vom 11.11.2009 beigefügt waren, hat der Kläger darauf hingewiesen, dass er in Deutschland gearbeitet und Beiträge gezahlt habe. Er sei ein alter Mann und befinde sich in einer schlechten finanziellen Situation. Er bitte, seine Akten nochmals zu prüfen und ihm eine Rente oder eine finanzielle Hilfe zu gewähren.
7Die Beklagte hat ihre Entscheidung weiter für richtig gehalten.
8Auf die in französischer Sprache verfasste Aufforderung des SG, Stellung zu der im Jahr 1982 erfolgten Beitragserstattung zu nehmen und hierzu ggf noch vorhandene Unterlagen vorzulegen, hat der Kläger mitgeteilt, er besitze die angeforderten Dokumente nicht.
9Nach Hinweis auf die beabsichtigte Entscheidung durch Gerichtsbescheid hat das SG die Klage abgewiesen: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Regelaltersrente, weil die allgemeine Wartezeit nicht erfüllt sei. Auf Grund der Beitragserstattung sei das Versicherungsverhältnis aufgelöst. Es sei davon auszugehen, dass dem Kläger die von ihm entrichteten Beiträge erstattet worden seien. Der Vorgang der Beitragserstattung ergebe sich aus dem Gesamtkontospiegel. Es bestehe kein Anhaltspunkt, dass die sich hieraus ergebenden Grunddaten fehlerhaft sein könnten. Der Kläger habe weder im Verwaltungs- noch im Gerichtsverfahren die Durchführung des vollständigen Beitragserstattungsverfahrens auch nur ansatzweise in Abrede gestellt. Schließlich zeige das Verhalten des Klägers nach der ersten Antragstellung im Jahr 2004, dass er selbst nicht davon ausgehe, einen berechtigten Anspruch gegenüber der Beklagten zu haben. Denn anderenfalls hätte er sich nicht erst wieder im Jahr 2009 bei der Beklagten gemeldet, um seinen vermeintlichen Anspruch geltend zu machen (Gerichtsbescheid vom 14.12.2010, zugestellt am 18.1.2011).
10Mit seiner am 23.2.2011 eingegangenen, in französischer Sprache verfassten Berufung ("recours"), deren in Auftrag gegebene deutsche Übersetzung dem Gericht am 30.3.2011 vorgelegen hat, hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt. Er bittet erneut um die Überprüfung seiner Akte, damit er eine Altersrente oder eine finanzielle Unterstützung erhalte. Auf die Bitten des Gerichts - auch in französischer Sprache -, sämtliche Unterlagen, die er noch besitze, vorzulegen sowie Fragen zu der Beitragserstattung zu beantworten, hat der Kläger ergänzend ausgeführt, er widerspreche der Darstellung der Beklagten. Er bitte um eine günstige Entscheidung; für weitere Informationen stehe er jederzeit zur Verfügung.
11Der Kläger ist am 4.6.2014 vom Termin zur mündlichen Verhandlung mit dem Hinweis benachrichtigt worden, dass auch im Falle seines Ausbleibens verhandelt und entschieden werden könne.
12Im Termin zur mündlichen Verhandlung ist für den Kläger niemand erschienen.
13Die Beklagte beantragt,
14die Berufung zurückzuweisen.
15Sie hält ihre Entscheidung sowie den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend und ist weiter der Auffassung, die für den Kläger vorgenommene Beitragserstattung ergebe sich nachweislich aus dem Gesamtkontospiegel. Die im Versicherungskonto gespeicherte Dokumentation der Beitragserstattung korrespondiere schlüssig mit den im Versicherungskonto abgelegten Versicherungszeiten. Sie hat eine Versicherungskarte des Klägers vorgelegt, auf der lediglich - neben dem Namen, dem Geburtsort sowie zwei Versicherungsnummern des Klägers - das Datum des Beschäftigungsbeginns am 6.10.1972 eingetragen ist. Diese Karte sei bei Aufnahme der knappschaftlich versicherten Beschäftigung ausgefertigt worden. Der Umstand, dass auf dieser Karte keine weiteren Eintragungen, insbesondere keine Vermerke über die durchgeführte Beitragserstattung vorhanden seien, erkläre sich damit, dass im Zeitpunkt der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses im Oktober 1978 sowie im Zeitpunkt der durchgeführten Beitragserstattung keine manuellen Notierungen in Papierform mehr vorgenommen worden seien.
16Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat die Beklagte die Parteivernehmung des Klägers beantragt zum Beweis der Tatsache, dass - wie in ihrem Gesamtkontospiegel vermerkt - ein vollständiges Beitragserstattungsverfahren durchgeführt worden ist. Sie ist der Ansicht, ihr müsse "im Falle eines Beweisnotstandes" als letztes Beweismittel auch die Parteivernehmung des betroffenen Versicherten offen stehen.
17Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes nimmt der Senat Bezug auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Gerichtsakten. Sämtliche Akten sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
18Entscheidungsgründe:
19A. Der Senat kann trotz Nichterscheinens des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung aufgrund einseitiger mündlicher Verhandlung entscheiden. Denn der Kläger ist in der ordnungsgemäß erfolgten Ladung (§§ 63 Abs 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), 175 Zivilprozessordnung (ZPO) iVm Art 31 Abs 1 S 3 des Deutsch-Marokkanischen Sozialversicherungsabkommens (DMSVA) vom 25.3.1981, in Kraft seit dem 1.8.1986, BGBl II 1986, 550 ff, 562, 772) auf diese Möglichkeit hingewiesen worden, § 62 SGG.
20I. Die Berufung ist zulässig, insbesondere fristgerecht und wirksam eingelegt worden. Der Gerichtsbescheid vom 14.12.2010 wurde dem Kläger ausweislich des Zustellungsvermerks am 18.1.2011 zugestellt. Die Frist zur Einlegung der Berufung beträgt drei Monate seit der Zustellung, §§ 153 Abs 1 iVm 87 Abs 1 S 2, 151 SGG (allgemeine Meinung, vgl nur Bundessozialgericht (BSG), SozR Nr 11 zu § 151 SGG), und endete mit Ablauf des 18.4.2011. Es kann offen bleiben, ob der Kläger bereits mit seinem am 23.2.2011 eingegangenen, in französischer Sprache verfassten Schreiben wirksam Berufung ("recours") eingelegt hat. Die Gerichtssprache ist (nur) die deutsche Sprache, § 61 SGG iVm § 184 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG); eine in einer anderen Sprache eingelegte Berufung wahrt (vorbehaltlich zwischenstaatlicher Sonderregelungen) die Rechtsmittelfrist grundsätzlich nicht. Diese Regelung ist zwingend und von Amts wegen zu beachten (BSG, Urteil vom 22.10.1986, Az 9a RV 43/85, SozR 1500 § 61 Nr 1; Landessozialgericht (LSG) Berlin, Urteil vom 22.3.2001, Az L 3 U 23/00, juris). Der Senat kann hier dahinstehen lassen, ob die Einlegung der Berufung in französischer Sprache ausnahmsweise - nämlich nach Art 31 Abs 2 DMSVA und der tatsächlichen Handhabung der jeweiligen Verbindungsstellen - zulässig ist, weil die französische Sprache wie eine Amtssprache Marokkos im Rechtsverkehr mit dem (europäischen) Ausland anzusehen ist - wofür Vieles spricht und wohin auch der Senat tendiert -, oder dem Kläger gegebenenfalls Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren wäre (vgl dazu auch: Urteile des Senats vom 15.11.2011, Az L 18 KN 30/10, vom 29.4.2013, Az L 18 KN 83/12, beide in juris und zuletzt vom 6.5.2014, Az L 18 KN 210/11). Das Gericht hat nämlich das Berufungsschreiben, aus dem sich zweifelsfrei ergibt, dass der Kläger sich gegen den Gerichtsbescheid ("la décision") wendet, ins Deutsche übersetzen lassen; die deutsche Übersetzung lag dem Gericht spätestens am 30.3.2011 und damit innerhalb der dreimonatigen Berufungsfrist vor. Zwar war das Gericht nicht zur Übersetzung einer in einer Fremdsprache verfassten Berufungsschrift verpflichtet (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer. SGG. 11. Aufl 2014. § 61 RdNr 7c mwN); die deutsche Übersetzung ist vom Gericht jedoch zu beachten, wenn sie vorliegt (vgl BSG, Urteil vom 22.10.1986, Az 9a RV 43/85, SozR 1500 § 61 Nr 1).
21II. Die Berufung ist begründet.
22Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid vom 22.5.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.11.2009 (§ 95 SGG), mit dem die Beklagte einen Anspruch des Klägers auf Regelaltersrente abgelehnt hat. Streitgegenstand ist damit das Begehren des Klägers, die genannten Bescheide abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm Regelaltersrente zu gewähren. Der Senat geht davon aus, dass ausschließlich Regelaltersrente im Streit ist, weil andere Altersrenten für den Kläger ersichtlich nicht in Betracht kommen. Insoweit ist die Klage zulässig und entgegen der Auffassung des SG auch begründet. Da die Berufung des Klägers bereits mit dem Hauptbegehren auf Regelaltersrente erfolgreich ist, kann dahin stehen, ob das bereits in der ersten Instanz verfolgte Hilfsbegehren des Klägers, eine finanzielle Unterstützung ("une aide financière") zu erhalten, auch Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden ist.
231. Die als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage statthafte Klage ist zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben. Zwar hat das SG die Klageschrift - wohl versehentlich, wie das weitere Verfahren zeigt - nicht in die deutsche Sprache übersetzen lassen. Allerdings ist, da der Kläger seinem Klageschriftsatz vom 8.2.2010 eine Kopie des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 11.11.2009 beigefügt hat, mit hinreichender Deutlichkeit zu erkennen, dass der Kläger sich gegen die im Widerspruchsbescheid getroffene Regelung mit dem zulässigen Rechtsbehelf - der Klage - wenden wollte. Dass der Kläger mit dieser Entscheidung der Beklagten nicht einverstanden war und diese durch das Gericht überprüfen lassen wollte, ergibt sich zudem daraus, dass er im Betreff des Schriftsatzes den auch im Deutschen verständlichen Begriff "réclamation" angegeben hat. Entsprechend hat das SG das Rechtsschutzbegehren des Klägers durchweg als ordnungsgemäß erhobene "Klage" behandelt und ihm nicht die ansonsten wohl erforderliche "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand" gewährt.
242. Die Klage ist auch begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 22.5.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.11.2009 ist rechtswidrig und beschwert den Kläger, § 54 Abs 2 S 1 SGG. Der Kläger hat ab dem 1.1.2011 Anspruch auf Regelaltersrente.
25Nach § 235 Abs 1 S 1 iVm Abs 2 S 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) erhalten Versicherte, die - wie der Kläger - vor dem 1.1.1947 geboren sind, Regelaltersrente, wenn sie das 65. Lebensjahr vollendet und die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Der an einem unbekannten Tag eines unbekannten Monats im Jahr 1945 geborene Kläger hat (spätestens) Ende Dezember 2010 das 65. Lebensjahr vollendet. Er hat auch die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren mit Beitragszeiten (§§ 50 Abs 1, 51 Abs 1 SGB VI) erfüllt, weil er unstreitig in Deutschland 71 Monate mit (ausschließlich knappschaftlichen) Beitragszeiten zurückgelegt hat, so dass es nicht darauf ankommt, ob außerdem nach Art 24 DMSVA (zur "Aufstockung") marokkanische Zeiten zu berücksichtigen sind.
26Dagegen kann die Beklagte nicht mit Erfolg einwenden, Ansprüche aus den zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten bestünden nicht mehr, weil dem Kläger die entsprechenden Beiträge erstattet worden seien und das Versicherungsverhältnis aufgelöst worden sei, § 210 Abs 6 S 2 und 3 SGB VI. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens steht nämlich nicht zur Überzeugung des Senats fest, dass eine solche Beitragserstattung erfolgt ist. Die verbleibenden (Rest-)Zweifel wirken sich nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten der Beklagten aus. Dieser Grundsatz besagt, dass der Nachteil der Nichterweislichkeit von Tatsachen sich zu Lasten desjenigen auswirkt, der aus diesen Tatsachen Rechtsfolgen herleitet. Dies ist hier die Beklagte, die gegen den Rentenanspruch des Klägers - rechtsvernichtend - einwendet, das Versicherungsverhältnis sei 1982 durch eine Beitragserstattung aufgelöst worden.
27Eine rechtswirksame Beitragserstattung setzt voraus, dass nachweislich (1) ein Erstattungsantrag, (2) ein wirksamer Erstattungsbescheid und (3) eine rechtswirksame, befreiende Bewirkung der Leistung (= Erfüllung des Erstattungsanspruchs entsprechend § 362 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) vorliegen. Für die ordnungsgemäße und wirksame Durchführung der Beitragserstattung trägt die Beklagte die objektive Beweislast (vgl dazu und besonders zur Beweislast: BSGE 80, 41 ff = SozR 3-2200 § 1303 Nr 6; vgl auch LSG NRW, Beschluss vom 21.9.2003, Az L 2 KN 19/03, und Urteil vom 16.8.2007, Az L 2 KN 259/06; stRspr des Senats, vgl Urteile vom 13.9.2011, Az L 18 (2) KN 223/07, vom 15.11.2011, Az L 18 (2) KN 42/08, L 18 KN 30/10 und L 18 (2) KN 239/09, vom 24.4.2012, Az L 18 KN 82/10, alle bei juris, und zuletzt Urteile vom 29.4.2014, Az L 18 KN 21/11, L 18 KN 120/12 und vom 6.5.2014, Az L 18 KN 210/11). Es kann offen bleiben, ob die rechtsgestaltende Wirkung der Beitragserstattung aus dem Erstattungsantrag oder aus dem Erstattungsbescheid folgt (LSG NRW, Urteil vom 18.10.2001, Az L 2 KN 64/01 mwN) und unter welchen Voraussetzungen sich die Beklagte bei nicht erwiesener Erfüllung der Erstattungsforderung nach Treu und Glauben darauf nicht (mehr) berufen kann. Denn hier ist weder erwiesen, dass der Kläger einen Antrag auf Erstattung der Beiträge gestellt hat noch dass die Beklagte einen Erstattungsbescheid erlassen, dem Kläger wirksam bekannt gegeben und ihre Erstattungsschuld erfüllt hat.
28Allein aufgrund der im Versicherungskonto elektronisch gespeicherten Daten (dem so genannten "Gesamtkontospiegel") sowie der Einlassungen des Klägers steht nicht mit der erforderlichen, an Sicherheit grenzenden, vernünftige Zweifel ausschließenden Wahrscheinlichkeit (Beweismaßstab des Vollbeweises) fest, dass die drei genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Dies gilt selbst dann, wenn man zugunsten der beweisbelasteten Beklagten ergänzend die Grundsätze des Beweises des ersten Anscheins (sog prima facie-Beweis) heranzieht. Diese Beweisregel gilt auch im sozialgerichtlichen Verfahren (BSGE 8, 245, 247; 12, 242, 246; 19, 52, 54; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer. SGG. 11. Auf 2014. § 128 RdNr 9 mwN; Pawlak in Hennig. SGG. Stand August 2007. § 128 RdNr 96; Zeihe. Das SGG und seine Anwendung. Stand November 2010. 3.G. vor § 103; stRspr des Senats, vgl Urteile vom 13.9.2011, Az L 18 (2) KN 223/07, vom 15.11.2011, Az L 18 KN 30/10, L 18 (2) KN 42/08 und L 18 (2) KN 239/09, vom 24.4.2012, Az L 18 KN 32/10, alle bei juris, und zuletzt Urteile vom 29.4.2014, Az L 18 KN 21/11, L 18 KN 120/12 und vom 6.5.2014, Az L 18 KN 210/11). Sie besagt, dass bei typischen Geschehensabläufen auf eine Tatsache geschlossen werden kann, die nach der allgemeinen Lebenserfahrung regelmäßig Folge eines solchen Geschehensablaufs ist (BSG in: Breithaupt 1999, 357, 362; Keller. aaO. RdNr 9a). Dabei wird der (Voll )Beweis einer Tatsache vermutet, solange nicht Tatsachen erwiesen sind, die den vermuteten typischen Geschehensablauf in Zweifel ziehen (vgl Keller. AaO. RdNr 9e mwN; Pawlak. AaO. RdNrn 94, 99). Ein nachweislich durch eigenen Antrag eingeleitetes und durch bewilligenden Bescheid abgeschlossenes Verwaltungsverfahren zur (vollständigen) Beitragserstattung lässt bei Fehlen entgegenstehender Tatsachen typischerweise den Schluss zu, dass ein (Erstattungs )Bescheid zugegangen und die geschuldete Leistung bewirkt worden ist (stRspr des Senats, vgl Urteile vom 13.9.2011, Az L 18 (2) KN 223/07, vom 15.11.2011, Az L 18 (2) KN 42/08, L 18 KN 30/10 und L 18 (2) KN 239/09, vom 24.4.2012, Az L 18 KN 82/10, alle bei juris, und zuletzt Urteile vom 29.4.2014, Az L 18 KN 21/11, L 18 KN 120/12 und vom 6.5.2014, Az L 18 KN 210/11; LSG NRW, Urteile vom 3.6.2005, Az L 4 RJ 12/03, sowie vom 22.11.2007, Az L 2 KN 140/06; LSG Hamburg, Urteil vom 27.4.2006, Az L 6 RJ 89/04 mwN). Letzteres muss jedenfalls dann gelten, wenn die Leistungsbewirkung nicht substantiiert bestritten worden ist und sich auch sonst keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Leistungserbringung nicht zeitnah erfolgt ist (wie etwa zeitnahe Nachfragen des Versicherten, wo das Geld bleibe, vgl LSG NRW, Urteile vom 17.2.1997, Az L 4 J 16/95, und vom 3.6.2005, Az L 4 RJ 12/03; Bayerisches LSG, Urteile vom 14.5.2002, Az L 19 RJ 3/02, und vom 8.12.2004, Az L 19 RJ 203/03). Auch von einem solchen typischen Geschehensablauf kann nicht ausgegangen werden, weil es bereits an Urkunden (oder sonstigen Beweismitteln) fehlt, die einen Erstattungsantrag des Klägers beweisen.
29Urkundliche Unterlagen zu dem von der Beklagten behaupteten Erstattungsverfahren (zB Antrag(sformular), Erstattungsbescheid) finden sich in den gesamten Akten nicht; dies gilt gleichermaßen für Nachweise über den Zugang eines Erstattungsbescheides sowie die Auszahlung bzw Überweisung des Erstattungsbetrages. Die aktenkundige Versicherungskarte ist als Urkunde insoweit unergiebig. Die Beklagte stützt sich zum Nachweis eines ordnungsgemäß durchgeführten Erstattungsverfahrens deshalb ausschließlich auf die im elektronischen Versicherungskonto des Klägers gespeicherten Daten. Diese Daten allein genügen zur Überzeugung des Senats aber nicht, eine vollständige wirksame Beitragserstattung mit der erforderlichen, an Sicherheit grenzenden, vernünftige Zweifel ausschließenden Wahrscheinlichkeit zu beweisen. Sie lassen bestenfalls den Schluss auf einen intern abgelaufenen Verwaltungsvorgang zu und (im Übrigen) allenfalls als denkbar erscheinen, dass (außerdem) ein wirksamer Erstattungsantrag des betreffenden Versicherten gestellt und ein Erstattungsbescheid an ihn ergangen ist (vgl zuletzt Senatsurteil vom 24.4.2012, Az L 18 KN 82/10, und Urteile vom 15.11.2011, Az L 18 (2) KN 42/08, L 18 (2) KN 239/09 und L 18 KN 30/10, sämtlich zitiert nach juris; zuvor insbesondere Urteile des 2. Senats des LSG NRW vom 16.12.2010, Az L 2 KN 169/09, vom 22.11.2007, Az L 2 KN 140/06, und vom 16.8.2007, Az L 2 KN 259/06, diese zitiert nach www.sozialgerichtsbarkeit.de). Zum Nachweis der wirksamen Antragstellung durch den Versicherten, des Zugangs eines Erstattungsbescheids und der Erfüllung der Erstattungsforderung bedarf es in der Regel (mindestens) weiterer feststehender Hilfstatsachen, die den Schluss auf die maßgeblichen Haupttatsachen (Antragstellung, Zugang eines Erstattungsbescheides, Leistung mit befreiender Wirkung an den - ehemaligen - Versicherten) zulassen. Der - vom SG zitierten - abweichenden Auffassung des Bayerischen LSG (zB Urteil vom 17.7.2013, Az L 13 R 275/12 sowie Urteil vom 18.11.2009, Az L 13 R 559/08, beide zitiert nach juris) schließt sich der Senat nicht an, weil diese Rechtsprechung nicht erklärt, inwiefern sich aus elektronisch gespeicherten Daten nach den maßgeblichen prozessualen Beweisgrundsätzen im Wege des Strengbeweises (vgl dazu M. Kühl in: Breitkreutz-Fichte. SGG. Kommentar. 2. Aufl. 2014, § 118 Rdnr 2) die Antragstellung, die Bekanntgabe des darin erwähnten Bescheids und die Erfüllung des festgestellten Erstattungsanspruchs ergeben sollen.
30Der Ausdruck des Gesamtkontospiegels, also der in dem von der Beklagten geführten elektronischen Versicherungskonto des Klägers gespeicherten Daten, ist keine öffentliche Urkunde, aus der sich die genannten Haupttatsachen ergeben, weder eine öffentliche Urkunde über Erklärungen nach § 118 Abs 1 S 1 SGG iVm § 415 Abs 1 ZPO noch eine öffentliche Urkunde über eine amtliche Entscheidung nach § 417 ZPO. Allein mit einem solchen Ausdruck kann nicht bewiesen werden, dass die dort gespeicherten Vorgänge (Datum eines Antrags sowie eines Bescheids, Erstattungszeitraum sowie -betrag) so wie dort gespeichert stattgefunden haben. Der Ausdruck kann insoweit keine Urkunde sein, weil es sich lediglich um einen "Ausdruck" handelt, der (allenfalls) dokumentiert, dass die entsprechenden Daten elektronisch gespeichert sind. Zur objektiven Richtigkeit der Daten besagt er nichts. Urkunden in diesem Sinne können nur schriftliche Dokumente sein, von denen ein Original existiert bzw existiert hat, vgl § 435 ZPO. Beweiskraft kann einer Urkunde nur zukommen, wenn sie echt ist oder dies vermutet wird (§§ 437 ff ZPO; vgl Huber in: Musielak. ZPO. 11. Aufl 2014. § 415 RdNr 2). Diese Anforderungen kann ein (beliebig wiederholbarer) Ausdruck elektronisch gespeicherter Daten von vornherein nicht erfüllen.
31Der Ausdruck des Gesamtkontospiegels steht auch nicht - selbst wenn er mit einem Beglaubigungsvermerk versehen wäre - nach § 416a ZPO einer öffentlichen Urkunde in beglaubigter Abschrift gleich. Nach dieser Vorschrift steht der mit einem Beglaubigungsvermerk versehene Ausdruck eines öffentlichen elektronischen Dokuments gemäß § 371a Abs 3 ZPO einer öffentlichen Urkunde in beglaubigter Abschrift gleich, wenn ihn eine öffentliche Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnisse oder eine mit öffentlichem Glauben versehene Person innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises in der vorgeschriebenen Form erstellt hat. Bei dem elektronischen Gesamtkontospiegel, also den in dem Versicherungskonto gespeicherten Daten, handelt es sich gerade nicht um ein öffentliches elektronisches Dokument nach § 371a Abs 3 S 1 ZPO. Danach sind öffentliche elektronische Dokumente (nur) elektronische Dokumente, die von einer öffentlichen Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnisse oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises in der vorgeschriebenen Form erstellt worden sind. Die Regelung des § 416a ZPO soll gewährleisten, dass der Beweis durch Urkunden in Papierform auch dann geführt werden kann, wenn das Originaldokument (nur) in elektronischer Form besteht. Die Vorschrift bestimmt, unter welchen Voraussetzungen dem Papier-Ausdruck eines bestimmten elektronischen Dokuments die Wirkungen einer Urkunde zukommen können (Huber. AaO. § 416a RdNr 1). Daraus ergibt sich, dass ein öffentliches elektronisches Dokument iS der § 371a Abs 3 S 1 und § 416a ZPO mit Ausnahme der Schriftlichkeit die Merkmale einer öffentlichen Urkunde iS der §§ 415, 417 f ZPO erfüllen muss, um mit diesen gleichgestellt werden zu können. Dies ist bei dem elektronischen Gesamtkontospiegel nicht der Fall.
32Der elektronische Gesamtkontospiegel kann keiner öffentlichen Urkunde über Erklärungen nach § 415 Abs 1 ZPO gleichgestellt werden. Die Beweiskraft nach dieser Vorschrift erstreckt sich darauf, dass die Erklärung samt dem niedergelegten Inhalt und den Begleitumständen (Zeit, Ort, Behörde, Urkundsperson) zutreffend und vollständig so wie beurkundet, bzw - bei öffentlichen elektronischen Dokumenten - gespeichert, und nicht anders abgegeben wurde (Huber. aaO. § 415 RdNr 10). Daten mit dieser Aussagekraft über bei der Beklagten abgegebene Erklärungen enthält der elektronische Gesamtkontospiegel nicht. Der Kontospiegel gibt lediglich die Daten "Antrag 16.06.1982" wieder. Dies stellt die bloße Angabe dar, dass an dem genannten Datum eine Erklärung gegenüber der Beklagten bzw ihrer Rechtsvorgängerin, der Bundesknappschaft, abgegeben worden sein soll. Der tatsächliche Inhalt der Erklärung, der die Bewertung zulässt, es handele sich rechtlich um einen Antrag auf Erstattung der zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichteten Beiträge, ist dem Gesamtkontospiegel gerade nicht zu entnehmen. Auch aus dem Umstand, dass die Beklagte diesen Antrag unter der "Schlüsselnummer" 1830, die nach Angabe der Beklagten für die Speicherung von Beitragserstattungsverfahren gebraucht wird, gespeichert haben mag, kann nicht auf den Inhalt der abgegebenen Erklärung geschlossen werden. Vielmehr muss sich aus dem öffentlichen elektronischen Dokument selbst die Erklärung mitsamt dem niedergelegten Inhalt ergeben, damit sich die Beweiskraft nach § 415 Abs 1 ZPO hierauf erstrecken kann. Darüber hinaus geht die Zuweisung zu dieser "Schlüsselnummer" nicht auf den Erklärenden, sondern auf die Beklagte zurück. Sie kann deshalb auch auf einer unzutreffenden Wertung einer Erklärung beruhen. Daneben ergibt sich aus den Daten des elektronischen Gesamtkontospiegels auch nicht, wer den etwaigen "Antrag" gestellt haben soll, ob dies der Kläger persönlich, ein Bevollmächtigter oder eine - uU nicht wirksam bevollmächtigte - dritte Person war. Da der Kläger nur bis Oktober 1978 in Deutschland beschäftigt war, liegt nahe, dass er im Zeitpunkt, an dem der Antrag gestellt worden sein soll, bereits nach Marokko zurückgekehrt war, so dass mindestens möglich erscheint, dass ein Dritter den (etwaigen) Antrag gestellt hat. In diesem Fall müsste die Beklagte nachweisen, dass diese dritte Person ordnungsgemäß von dem Kläger bevollmächtigt worden ist. Die Person des Erklärenden sowie mögliche Vollmachten des Versicherten lassen sich den gespeicherten Daten nicht entnehmen, so dass eine wirksame, dem Kläger zurechenbare Antragstellung dem elektronischen Gesamtkontospiegel gerade nicht mit der erforderlichen Sicherheit zu entnehmen ist.
33Dem elektronischen Gesamtkontospiegel kann auch nicht die Beweiskraft von öffentlichen Urkunden über amtliche Anordnungen, Verfügungen oder Entscheidungen nach § 417 ZPO zukommen, da er keine amtliche Entscheidung iS eines Verwaltungsakts ist. Im hier maßgeblichen Zusammenhang sind ihm lediglich die Daten "Bescheid 20.7.1982", "Erstattung von 06.10.1972 bis 31.10.1978", "Erstattungsbetrag 0,00" sowie "ESBT-KN 15661,20" zu entnehmen. Dies reicht nicht aus, um den elektronischen Gesamtkontospiegel einer öffentlichen Urkunde nach § 417 ZPO gleichstellen zu können. Die Beweiskraft nach dieser Vorschrift umfasst, dass die Anordnung, Verfügung oder Entscheidung tatsächlich erlassen wurde und hierbei den Inhalt hat, der sich aus der Urkunde ergibt, und unter den in der Urkunde angegebenen Umständen ergangen ist, also Beweis erbringt auch hinsichtlich Ort und Zeit (Krafka in: BeckOK ZPO. Stand: 15.6.2014. § 417 RdNr 5). Der vorliegende Sachverhalt zeigt besonders deutlich, dass sich aus dem elektronischen Gesamtkontospiegel nicht entnehmen lässt, ob die dort gespeicherten Bescheide formell wirksam erlassen, also dem Versicherten (auch) bekannt gegeben worden sind, § 39 Abs 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Denn in dem Kontospiegel ist unter der "Schlüsselnummer" 1860 sowie dem Hinweis "Ablehnung Versichertenrente" der Bescheid vom 3.9.2004 gespeichert. Nach dem Inhalt der Akten der Beklagten konnte dieser Bescheid aber trotz mehrfacher Versuche dem Kläger gerade nicht zugestellt werden, ist mithin also nie wirksam geworden. Im elektronischen Versicherungskonto ist er gleichwohl (wie der angebliche Bescheid vom 20.7.1982) gespeichert. Vor diesem Hintergrund ist der Senat nicht restlos davon überzeugt, dass sich aus der bloßen Speicherung von Bescheiddaten in einem elektronischen Gesamtkontospiegel mit der nötigen Sicherheit entnehmen lässt, diese Bescheide seien wirksam erlassen worden.
34Im Wege des Augenscheinbeweises kann dem Ausdruck des elektronischen Gesamtkontospiegel allenfalls entnommen werden, dass Bedienstete (oder Beauftragte) der Beklagten diese Daten irgendwann eingegeben und gespeichert haben. Den sicheren Schluss auf die entscheidungserheblichen Tatsachen lässt die Inaugenscheinnahme des elektronischen Gesamtkontospiegel bzw der Ausdrucke nicht zu. Es kann daraus bestenfalls der - wahrscheinliche, da Eingabefehler nie ganz auszuschließen sind - Schluss gezogen werden, dass zum Versichertenkonto des Klägers ein Vorgang existierte, den die Beklagte intern als "Erstattungsverfahren" bewertet und bearbeitet hat.
35Selbst Geschehensabläufe, die typischerweise den Schluss auf eine Beitragserstattung zulassen, sind danach nicht erwiesen. Dies gilt selbst dann, wenn man in Rechnung stellt, dass die zur Beitragserstattung gespeicherten Daten durchaus eine gewisse Plausibilität haben. Den letzten Pflichtbeitrag in Deutschland hat der Kläger im Oktober 1978 entrichtet. Nach § 95 Abs 1 S 2 Reichsknappschaftsgesetz war eine Beitragserstattung auch damals idR erst zwei Jahre nach Ende der versicherungspflichtigen Beschäftigung möglich. Im Zeitpunkt der gespeicherten Antragstellung im Juni 1982 (aber auch bereits 1980) war diese Frist abgelaufen. Daraus lässt sich aber gerade nicht typischerweise folgern, dass eine Beitragserstattung immer nach Ablauf der maßgeblichen Wartefrist wirksam durchgeführt worden ist. So sind dem Senat (und damit auch der Beklagten) auch Fälle bekannt, in denen eine Beitragserstattung gar nicht oder nicht zeitnah dokumentiert ist oder vom Rentenversicherungsträger (zB anlässlich eines Rentenantrags) angeregt worden ist. Auch die Versicherungskarte kann - ungeachtet des Beweiswerts im Übrigen - nicht für einen typischen Geschehensablauf herangezogen werden, da auf ihr nicht - wie in vielen vergleichbaren Fällen - eine Beitragserstattung (durch Stempel oder handschriftlich) vermerkt ist. Worauf dies ggf. beruhen könnte, ist unerheblich. Wesentlich ist in diesem Zusammenhang, dass ein solcher Vermerk fehlt.
36Entgegen der Auffassung des SG und der Beklagten folgt nichts Anderes daraus, dass der Kläger weder im Verwaltungs- noch im Gerichtsverfahren den Vortrag der Beklagten substantiiert bestritten hat. Dieses Schweigen des Klägers ist unergiebig. Immerhin ist der Kläger dem Vortrag der Beklagten ausdrücklich entgegengetreten ("trifft nicht zu") und hat erklärt, die angeforderten Unterlagen lägen ihm nicht vor. Welche weitergehenden Angaben zu "Nichttatsachen" von einem (mit hoher Wahrscheinlichkeit prozessunerfahrenen) Kläger verlangt werden sollen, ist dem Senat nicht klar. Aus den Äußerungen des Klägers ergeben sich (anders als in vielen ähnlich gelagerten Verfahren) auch keine mittelbaren Hinweise auf eine Erstattung oder den Erhalt eines Geldbetrages (dies unterscheidet den vorliegenden Sachverhalt im Übrigen von demjenigen, der dem Urteil des Bayerischen LSG vom 18.11.2009, Az L 13 R 559/08, zugrunde lag, da der dortige Kläger "nach anfänglichem Zögern eingeräumt (hatte), er habe damals einen Geldbetrag erhalten; er (hatte) diesen nur nicht als Beitragserstattung, sondern als Zahlung von Arbeitsentgelt" eingestuft).
37Ein Anhaltspunkt dafür, dass die Beitragserstattung rechtswirksam erfolgt ist, ergibt sich schließlich entgegen der Auffassung des SG nicht aus dem Verhalten des Klägers nach dem ersten Antrag, insbesondere nicht aus der Tatsache, dass er sich erst wieder im Jahr 2009 bei der Beklagten gemeldet hat. Auch dieses Verhalten ist unergiebig. Aus dem fünfjährigen Zuwarten bis zur erneuten Antragstellung kann nicht der Schluss gezogen werden, der Kläger selbst wisse, dass er - wegen der Beitragserstattung - keinen Anspruch auf die Regelaltersrente habe. Denn daraus, dass der zum zweiten Mal von der Beklagten die Gewährung einer Rente begehrt und diesen Anspruch bis in die zweite Instanz verfolgt, kann ebenso der gegenteilige Schluss gezogen werden.
38Es liegt schließlich kein Sachverhalt vor, der zu einer Umkehr der Beweislast oder einer Absenkung des Beweismaßstabs führte. Die von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung als "Beweisnotstand" bezeichnete Beweislage resultiert in erster Linie daraus, dass sie ihre etwaigen (Original-)Unterlagen zu dem von ihr behaupteten Beitragserstattungsverfahren vernichtet hat, so dass ihr nur noch der elektronische Datenbestand des Versicherungskontos, der Gesamtkontospiegel, zu Nachweiszwecken zur Verfügung steht. Hieraus ergeben sich weder eine Absenkung des Beweismaßstabs noch eine Umkehr der Beweislast oder eine der Beklagten zugutekommende Beweiserleichterung. In Fällen einer Beweisnot (bei typischen und unverschuldeten Beweisschwierigkeiten) kann im sozialgerichtlichen Verfahren im Einzelfall zwar eine Beweiserleichterung angenommen werden, so dass sich das Gericht über Zweifel hinwegsetzen und eine Tatsache als bewiesen ansehen kann (BSG, Urteil vom 2.9.2004, Az B 7 AL 88/03 R, juris RdNr 17; vgl auch Keller. aaO. § 128 RdNr 3e mwN). Selbst wenn ein typischer und unverschuldeter Beweisnotstand vorläge, wäre der Senat jedoch weder befugt, das Beweismaß zu verringern (BSG, Urteil vom 27.5.1997, Az 2 RU 38/96, juris RdNr 25), noch träte eine Umkehr der Beweislast ein (BSG, Beschluss vom 4.2.1998, Az B 2 U 304/97 B, juris RdNr 4). Nach den dargestellten Grundsätzen können die Beweisschwierigkeiten der Beklagten nicht dazu führen, dass zu ihren Gunsten Beweiserleichterungen eingreifen, so dass an den Beweis der ordnungsgemäßen Beitragserstattung weniger hohe Anforderungen gestellt werden könnten.
39Es handelt sich weder um typische noch um unverschuldete Beweisschwierigkeiten. Typische Beweisschwierigkeiten sind solche, die auf den Besonderheiten des jeweiligen Sachverhalts basieren, also etwa regelmäßig eintreten, wenn Versicherte, die im Ausland leben, Rentenleistungen beantragen. Das ist hier nicht der Fall. Vielmehr ist dem Senat aus vielen vergleichbaren Verfahren bekannt, dass andere Rentenversicherungsträger, gelegentlich auch die Beklagte selbst, noch über Unterlagen zu Beitragserstattungsverfahren verfügen, selbst wenn diese vor langer Zeit stattgefunden haben. Dies beruht offenbar auf der klugen Entscheidung, Unterlagen auch nach Ablauf von Aufbewahrungsfristen aufzubewahren, wenn sie zum Nachweis der darin urkundlich belegten Tatsachen noch benötigt werden. Es liegen damit auch keine unverschuldeten Beweisschwierigkeiten vor, da die Beklagte diese selbst dadurch herbeigeführt hat, dass sie die Unterlagen zu dem behaupteten Beitragserstattungsverfahren vernichtet hat.
40Die Regelaltersrente beginnt mit dem Monat Januar 2011, § 99 Abs 1 Satz 1 SGB VI. Die Voraussetzungen dieser Norm liegen erst für den Beginn des Monats Januar 2011 nachweislich vor. Es ist nach Lage der Akten nämlich lediglich erwiesen, dass der Kläger im Jahr 1945 geboren wurde. Dass kein früheres Geburtsdatum als der letzte Tag dieses Jahres erwiesen ist, wirkt sich nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Klägers aus. Der Senat geht davon aus, dass er durch diese gesetzeskonforme Rentengewährung dem allgemein gefassten (Haupt-)Begehren des Klägers vollständig entspricht, so dass eine Zurückweisung der Berufung im Übrigen nicht erforderlich ist.
413. Der Rechtsstreit ist entscheidungsreif. Eine weitergehende Beweiserhebung iS des "Beweisantrags" der Beklagten ist nicht geboten.
42Bei dem Antrag auf "Parteivernehmung des Klägers", also den Kläger persönlich anzuhören, handelt es sich nicht um einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag. Nach den Vorschriften des SGG ist die Parteivernehmung kein im Sozialgerichtsverfahren zulässiges Beweismittel, denn § 118 Abs 1 SGG verweist nicht auf die §§ 445 ff ZPO (stRspr; vgl nur BSG, Beschlüsse vom 24.11.1990, Az 1 BA 45/90, juris, sowie vom 18.2.2003, Az B 11 AL 273/02 B, juris; M. Kühl. AaO). Hieran ändert sich entgegen der Auffassung der Beklagten nichts dadurch, dass sie sich auf einen "Beweisnotstand" beruft. Die im Sozialgerichtsverfahren zulässigen (Streng-)Beweismittel werden auch dann nicht erweitert, wenn ein Beweisnotstand iS von typischen und unverschuldeten Beweisschwierigkeiten (s.o.) vorliegt.
43Es ist zwar zutreffend, dass besondere Beweisschwierigkeiten bei der Beweiswürdigung berücksichtigt werden können, etwa wenn übliche Beweismittel (Zeugen, Urkunden) nicht zur Verfügung stehen, so dass vorhandene Erkenntnisquellen, etwa Beteiligtenvorbringen, an Gewicht gewinnen (vgl hierzu Keller. aaO. § 128 RdNr 3e mwN). Das gilt insbesondere für den Fall, dass der Beteiligte Tatsachen aus eigener Wahrnehmung angibt, und andere Beweismittel nicht zur Verfügung stehen (vgl dazu Beschluss des Senats vom 22.5.2013, Az L 18 KN 52/10; juris Rdnr 28). So liegt der Fall hier aber nicht. Die Beklagte erhofft sich vielmehr vom Kläger "ins Blaue hinein", dass er Angaben machen könnte, die ihren Standpunkt bestätigen. Allein deshalb fühlt sich der Senat nicht gedrängt, dem "Beweisantrag" der Beklagten nachzugehen und den Kläger entweder in Marokko oder in Deutschland zu der von der Beklagten behaupteten Beitragserstattung persönlich anzuhören. Denn der Senat hat sämtliche vorhandenen Erkenntnisquellen einschließlich des Vorbringens der Beteiligten - und damit auch das des Klägers - berücksichtigt und in die Beweiswürdigung eingezogen. Der Kläger hat den Vortrag der Beklagten zur Erstattung zur Gänze bestritten und vorgetragen, die angeforderten Unterlagen lägen ihm (folglich) nicht vor. Dieser Vortrag des Klägers blieb über die Dauer des gesamten Verfahrens frei von Widersprüchen. Welche über diesen Vortrag hinausgehenden Erkenntnisse die Beklagte sich von der persönlichen Anhörung des Klägers zu der von ihr behaupteten Beitragserstattung verspricht, vermag der Senat nicht zu erkennen. Auch die Beklagte trägt keinen konkreten Sachverhalt vor, den der Kläger vortragen oder bestätigen soll. Der Beweisantrag ist offenbar lediglich von der vagen Hoffnung getragen, der Kläger könnte - anders als mit seinem Vortrag im schriftlichen Verfahren - nunmehr ihre Behauptungen bestätigen. Da hierfür angesichts des bisherigen Vortrags des Klägers tatsächliche Grundlagen gänzlich fehlen, handelt es sich bei dem "Beweisantrag" der Beklagten um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis (vgl hierzu: BSG, Beschluss vom 19.11.2009, Az B 13 R 303/09 B, juris RdNr 12).
44B. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 S 1, 193 Abs 1 S 1 SGG.
45C. Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor, vgl § 160 Abs 2 SGG. Maßgeblich für die Entscheidung sind die konkreten Umstände des Einzelfalls.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dortmund vom 9.8.2012 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Streitig ist Regelaltersrente.
3Der 1942 in Marokko geborene Kläger ist marokkanischer Staatsangehöriger und lebt in Marokko. In der Zeit von 1964 bis 1973 war er unter seinem damaligen Namen I B N in Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt, zunächst vom 25.11.1964 bis zum 15.1.1967 im deutschen Steinkohlenbergbau, danach in verschiedenen - meist kurzzeitigen - Beschäftigungen als (Hilfs-)Arbeiter bei den Arbeitgebern F, L, C, O & Sohn, T, X, N & Co., L, bei der Stückfärberei T & M GmbH in I und - mehrfach - bei der I G Produktion GmbH und Co. KG. Versicherungspflichtige Beschäftigungen sind bis einschließlich 19.9.1973 belegt. 1975 kehrte der Kläger nach Marokko zurück.
4Mit am 12.6.1989 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben vom 1.6.1989 teilte der Kläger (unter seinem jetzigen Namen) mit, er habe niemals "Erstattungsgeld aus der deutschen Rentenversicherung der Arbeiter genommen". Er habe am 4.6.1975 viele Arbeitspapiere "an der Männerkassen für das G.J.R. Finanz vergeben", um Erstattung geltend zu machen. Er habe aber nie Geld erhalten. Er habe auch keinen Erstattungsbescheid erhalten. Da er niemals Geld bekommen habe, müssten die Arbeitsunterlagen noch "bei der Finanzmänner" liegen. Dem Schreiben beigefügt war die Durchschrift eines Schreibens des Klägers vom 2.6.1989 an die H & S Finanz in C, in dem der Kläger diese darauf hinwies, dass damals eine Beitragserstattung abgemacht worden sei, er aber bis heute noch kein Geld erhalten habe. Er wolle wissen, ob sein gesamtes Geld in Höhe von 16.000 DM noch "dort stehe". Er habe sämtliche Arbeitsunterlagen nach dort gegeben, damit man mit der deutschen Rentenversicherung zusammen die Erstattung nach Marokko veranlasse. Ihm sei erklärt worden, er solle erst einmal nach Marokko zurückkehren.
5Die Beklagte leitete diese Unterlagen zunächst der (damaligen) Landesversicherungsanstalt (LVA) Rheinprovinz zu, die sie an die damals für den Kläger als Verbindungsstelle zuständige LVA Schwaben (jetzt: Deutsche Rentenversicherung (DRV) Schwaben; fortan einheitlich: DRV Schwaben) weitergab. Diese behandelte das Schreiben als Antrag auf Beitragserstattung und übersandte dem Kläger dazu Formanträge mit der Bitte um Ausfüllung und Rücksendung. Nachdem der Kläger diese Unterlagen trotz mehrfacher Erinnerung nicht zurückgesandt hatte, lehnte sie den Antrag auf Beitragserstattung ab, weil der Kläger seiner Mitwirkungspflicht nicht nachkomme (Bescheid vom 25.1.1990).
6Nach Erhalt dieses Bescheides behauptete der Kläger mit am 20.3.1990 eingegangenem Schreiben vom 9.3.1990, er habe frühere Schreiben der DRV Schwaben nicht erhalten und erwarte deshalb jetzt einen neuen Brief. Dem Schreiben beigefügt war die Ablichtung eines an ihn gerichteten Schreibens der H & S Finanz C, E, G, mit dem unter dem 4.6.1975 bestätigt wird, dass man von ihm eine Aufrechnungsbescheinigung der Bundesknappschaft, die Versicherungskarten Nrn. 1 bis 3 und mehrere Entgeltbescheinigungen (Zeitraum bis 19.9.1973) erhalten habe. Die Beklagte übersandte der DRV Schwaben in Ablichtung eine Stammkarte für Ausländer (Arbeiter), auf der die Beschäftigung des Klägers vom 25.11.1964 bis 15.1.1967 bescheinigt und außerdem vermerkt war, dass der Kläger vom 16.1. bis 26.7.1967 arbeitsunfähig krank war.
7Mit am 2.8.1990 eingegangenem Schreiben vom 25.7.1990 wandte sich der Kläger erneut an die DRV Schwaben und übersandte unter anderem einen ausgefüllten Formantrag auf Beitragserstattung mit der Bitte, ihm die Beiträge zu erstatten. Er habe am 4.6.1975 alle Arbeitsunterlagen an die Firma H & S Finanz in C gegeben, damit diese ihm die Beiträge nach Marokko erstatte. Seither habe er von dort nichts gehört.
8Die DRV Schwaben erstattete dem Kläger "auf den Antrag vom 20.3.1990" die Hälfte der vom 25.11.1964 bis einschließlich 19.9.1973 entrichteten Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 5.339,62 DM, davon 1.515,50 DM aus der Zeit der Versicherung bei der Beklagten (Bescheid vom 8.11.1990). Ausweislich des bei den Akten befindlichen Rückscheins hat der Kläger den Bescheid am 5.12.1990 erhalten.
9Etwa zwanzig Jahre später, nämlich im Juli 2011, beantragte der Kläger sowohl bei der DRV Schwaben als auch bei der Beklagten Altersrente. Die DRV Schwaben lehnte den Antrag unter Hinweis auf die erfolgte Beitragserstattung ab (Bescheid vom 21.7.2011). Auch die Beklagte lehnte den Antrag nach Beiziehung der Unterlagen der DRV Schwaben ab, weil die bis zum 19.9.1973 gezahlten Beiträge mit Bescheid vom 8.11.1990 erstattet worden seien. Danach seien keine Beiträge mehr zur deutschen Rentenversicherung entrichtet worden (Bescheid vom 10.8.2011). Den Widerspruch des Kläger, mit dem er geltend machte, er habe eine Erstattung weder erhalten noch mitgeteilt bekommen, wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 17.1.2012).
10Die dagegen am 14.2.2012 zum Sozialgericht (SG) Dortmund erhobene Klage hat das SG nach Anhörung der Beteiligten zu der beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid abgewiesen, da das Versicherungsverhältnis durch die Beitragserstattung erloschen sei (Gerichtsbescheid vom 9.8.2012).
11Mit seiner Berufung vom 18.9.2012 macht der Kläger geltend, er habe seine Erstattung nicht erhalten. Er sei damals krank geworden, habe Krankengeld nicht erhalten und sei in seine Heimat zurückgekehrt.
12Zum Termin zur mündlichen Verhandlung ist der Kläger mit Einschreiben/Rückschein und dem Hinweis geladen worden, dass auch im Falle seines Ausbleibens verhandelt und entschieden werden könne (Zustellung am 5.11.2014). Der Kläger hat mitgeteilt, er habe die Terminmitteilung erhalten. Er möchte sein Recht und bitte, ihm zu helfen (Schreiben vom 6.11.2014).
13Im Termin zur mündlichen Verhandlung ist für den Kläger niemand erschienen.
14Die Beklagte beantragt,
15die Berufung zurückzuweisen.
16Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für richtig.
17Auf die gezielte Nachfrage des Senats an den Kläger, ob er im Jahre 1990 einen Erstattungsantrag gestellt und den Bescheid vom 8.11.1990 sowie den Erstattungsbetrag in Höhe von insgesamt 5.339,62 DM erhalten habe, hat der Kläger u. a. geantwortet, er habe "seine Erstattung damals erhalten von 5.339,62 DM das est nicht von meiner Arbeitsversicherung von Steuerkarte damals".
18Die DRV Schwaben hat mitgeteilt, dass ihr eine Quittung über den Erhalt des Erstattungsbetrages nicht vorliege, bei ihr aber die Freigabe der Zahlungsanweisung vermerkt sei. Der Kläger habe in der Folge niemals geltend gemacht, die Zahlung nicht erhalten zu haben (Schreiben vom 22.3.2013).
19Wegen der Darstellung der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes nimmt der Senat auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten (einschließlich der Verwaltungsakten der DRV Schwaben) Bezug, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
20Entscheidungsgründe:
21Der Senat kann trotz Nichterscheinens des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung aufgrund einseitiger mündlicher Verhandlung entscheiden. Denn der Kläger ist in der ordnungsgemäß erfolgten Ladung (§§ 63 Abs 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), 175 Zivilprozessordnung iVm Art 31 Abs 1 Satz 3 des Deutsch-Marokkanischen Sozialversicherungsabkommens (DMSVA) vom 25.3.1981, in Kraft seit dem 1.8.1986, BGBl II 1986, 550 ff, 562, 772) auf diese Möglichkeit hingewiesen worden, § 62 SGG. Das Schreiben des Klägers vom 6.11.2014 bietet keine Veranlassung, von einer Entscheidung abzusehen und den Termin aufzuheben oder zu verlegen, weil der Kläger einen darauf gerichteten Antrag weder ausdrücklich noch konkludent gestellt, sondern lediglich erklärt hat, er bitte, ihm zu helfen und ihm (auch in Abwesenheit) sein Recht zu geben.
22Die zulässige Berufung ist unbegründet.
23Die Berufung ist zulässig. Sie ist fristgerecht eingelegt worden.
24Der Gerichtsbescheid vom 9.8.2012 wurde dem Kläger ausweislich der Akten am 16.8.2012 per Einschreiben/Rückschein zugesandt. Die Frist zur Einlegung der Berufung beträgt drei Monate seit der Zustellung, §§ 153 Abs 1 iVm § 87 Abs 1 S 2, 151 SGG (allgemeine Meinung, vgl BSG SozR Nr. 11 zu § 151 SGG). Auch wenn sich aus dem bei den Akten befindlichen Rückschein der genaue Zeitpunkt der Bekanntgabe/Zustellung des Gerichtsbescheides nicht entnehmen lässt, ist doch die Berufung vom 30.8.2012 unabhängig vom genauen Zeitpunkt des Zugang des angefochtenen Gerichtsbescheids mit dem Eingang beim Landessozialgericht am 18.9.2012 innerhalb der Dreimonatsfrist und damit fristgerecht eingegangen.
25Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 10.8.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.1.2012 (§ 95 SGG), mit dem die Beklagte ablehnt, dem Kläger Regelaltersrente zu gewähren. Nur gegen diese ablehnende Regelung wendet sich der Kläger. Auch wenn er mehrfach darauf hinweist, er sei von 1973 und 1975 krank gewesen und habe kein Krankengeld erhalten, geht der Senat nach dem Gesamtvorbringen des Klägers nicht davon aus, dass der Kläger in diesem Verfahren gegenüber der (insoweit unzuständigen) Beklagten neben einer Rente auch Krankengeld für den genannten Zeitraum geltend macht.
26Die Berufung ist unbegründet.
27Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 10.8.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.1.2012 (§ 95 SGG) ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht, § 54 Abs 2 Satz 1 SGG. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Regelaltersrente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung nach der hier noch maßgeblichen Vorschrift des § 35 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung (im Folgenden: aF).
28Nach § 35 SGB VI aF erhalten Versicherte Regelaltersrente, wenn sie das 65. Lebensjahr vollendet und die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Der Kläger hat zwar 2007 das 65. Lebensjahr vollendet, er hat jedoch die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren mit Beitragszeiten (§§ 50 Abs 1, 51 Abs 1 SGB VII) nicht erfüllt. Die allgemeine Wartezeit beträgt für die Regelaltersrente fünf Jahre, § 50 Abs 1 SGB VI. Dabei ist allerdings nicht entscheidend, ob der Kläger bereits in Deutschland fünf Jahre (60 Monate) mit Beitragszeiten hatte, weil nach Art 24 DMSVA (zur "Aufstockung") auch marokkanische Zeiten berücksichtigungsfähig sind. Voraussetzung ist jedoch, dass der Kläger überhaupt deutsche Beitragszeiten hat. Das ist nicht (mehr) der Fall. Denn wegen der durchgeführten Beitragserstattung liegen beim Kläger für die Erfüllung der Wartezeit anrechenbare deutsche Beitragszeiten (§§ 51 Abs 1 und 4, 54f SGB VI) überhaupt nicht (mehr) vor (vgl dazu BSG, Beschluss vom 7.4.2008, Az 5b KN 1/08 BH mwN).
29Zwar trifft zu, dass der Kläger (mit Unterbrechungen) von November 1964 bis September 1973 in Deutschland gearbeitet und Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet hat. Dadurch sind zunächst - eine Rentenanwartschaft begründende - Beitragszeiten vorhanden gewesen. Daraus kann der Kläger jedoch heute keine Rechte mehr herleiten, weil ihm die gezahlten Beiträge durch die DRV Schwaben im Jahr 1990 nach der damals maßgeblichen Vorschrift des § 1303 Reichsversicherungsordnung (RVO) (gleichlautend damals: § 95 Reichsknappschaftsgesetz (RKG)) erstattet worden sind und die Anwartschaft damit erloschen ist. Durch die Beitragserstattung ist das zuvor bestehende Versicherungsverhältnis aufgelöst worden. Ansprüche aus den bis zur Erstattung zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten bestehen nicht mehr, § 210 Abs 6 Sätze 2 und 3 SGB VI (im Zeitpunkt der Erstattung maßgeblich: §§ 1303 Abs 7 RVO, 95 Abs 7 RKG). Die Gesetzesregelung ist so konzipiert, dass - und das galt auch schon früher - eine Erstattung nur insgesamt und nicht teilweise beansprucht werden kann, § 210 Abs 6 Satz 1 SGB VI. Kommt es zu einer (immer: vollständigen) Erstattung, wird das Versicherungsverhältnis, das bis zum Erstattungszeitpunkt bestand, gänzlich und unwiederbringlich aufgelöst, § 210 Abs 6 Satz 2 SGB VI. Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass dem Kläger nur die Hälfte der gezahlten Beiträge zu erstatten war und erstattet wurde (BSG, Beschluss vom 7.4.2008, Az 5b KN 1/08 BH), und ist mit deutschem Verfassungsrecht vereinbar (BVerfG SozR 2200 § 1303 Nr 34; BSG SozR 3-2600 § 210 Nr 2).
30Nach dem Gesamtinhalt der Akten sowie dem Vorbringen des Klägers steht zur Überzeugung des Senats fest, dass dem Kläger die von ihm entrichteten Beiträge (wie gesetzlich vorgesehen: zur Hälfte) rechtswirksam erstattet worden sind. Dabei kann offen bleiben, ob ein Erstattungsverfahren zur Vorfinanzierung bereits 1975 über die H & S Finanz C eingeleitet wurde und wie weit dieses Verfahren gediehen ist. Denn jedenfalls ist in den Jahren 1990/91 eine rechtswirksame Erstattung durch die DRV Schwaben erfolgt.
31Eine rechtswirksame Beitragserstattung setzt voraus, dass nachweislich (1) ein Erstattungsantrag, (2) ein wirksamer Erstattungsbescheid und (3) eine rechtswirksame, befreiende Bewirkung der Leistung (= Erfüllung des Erstattungsanspruchs entsprechend § 362 Bürgerliches Gesetzbuch) vorliegen (vgl dazu und besonders zur Beweislast: BSGE 80, 41 ff = SozR 3-2200 § 1303 Nr 6; vgl auch LSG NRW, Beschluss vom 21.9.2003, Az L 2 KN 19/03, und Urteile vom 16.8.2007, Az L 2 KN 259/06, vom 16.12.2010, Az L 2 KN 169/09, vom 13.9.2011, Az L 18 (2) KN 223/07, vom 15.11.2011, Az L 18 (2) KN 42/08, L 18 KN 30/10 und L 18 (2) KN 239/09, vom 24.4.2012, Az L 18 KN 82/10, vom 29.4.2014, Az L 18 KN 120/12, vom 6.5.2014, Az L 18 KN 210/11 und zuletzt vom 19.8.2014, Az L 18 KN 63/10 und L 18 KN 45/11). Das ist hier der Fall. Für den Senat steht aufgrund der in den Verwaltungsakten der Beklagten enthaltenen Urkunden sowie der eigenen Ausführungen des Klägers mit an Sicherheit grenzender, vernünftige Zweifel ausschließender Wahrscheinlichkeit (Beweismaßstab des Vollbeweises) fest, dass alle drei Voraussetzungen erfüllt sind.
32Es kann offen bleiben, ob die rechtsgestaltende Wirkung der Beitragserstattung aus dem Erstattungsantrag oder aus dem Erstattungsbescheid folgt (LSG NRW, Urteil vom 18.10.2001, Az L 2 KN 64/01 mwN; z.Zt. ist beim BSG unter dem Az B 5 R 16/14 R ein Verfahren anhängig, in dem Ausführungen dazu zu erwarten sind) und unter welchen Voraussetzungen sich die Beklagte bei Nichterfüllung nach Treu und Glauben darauf nicht (mehr) berufen kann. Denn für den Senat steht nach dem Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten und nach der allgemeinen Lebenserfahrung unter Berücksichtigung der eigenen Angaben des Klägers mit an Sicherheit grenzender, vernünftige Zweifel ausschließender Wahrscheinlichkeit (Beweismaßstab des Vollbeweises) fest, dass alle drei Voraussetzungen erfüllt sind.
33Zunächst liegt ein wirksamer, am 20.3. oder spätestens am 2.8.1990 bei der DRV Schwaben schriftlich gestellter (Form-)Antrag des Klägers vor, der seine Unterschrift trägt. Auf diesen Antrag hin hat die damals zuständige DRV Schwaben mit Bescheid vom 8.11.1990 festgestellt, dass in der Zeit von November 1964 bis September 1973 zur knappschaftlichen Rentenversicherung und zur (damaligen) Rentenversicherung der Arbeiter entrichtete Beiträge (wie gesetzlich vorgesehen: zur Hälfte) in Höhe von 5.339,62 DM erstattet werden. Den Erstattungsbescheid hat der Kläger entgegen seiner Einlassung im Widerspruchsverfahren ausweislich des bei den Akten befindlichen Rückscheins am 5.12.1990 erhalten. Zur Überzeugung des Senats steht außerdem fest, dass der geschuldete Erstattungsbetrag auch tatsächlich in die Verfügungsgewalt des Klägers gelangt ist, die Beklagte damit den Erstattungsanspruch auch vollständig erfüllt hat.
34Diese Überzeugung leitet der Senat aus einem Beweis des ersten Anscheins her (sog. prima facie - Beweis). Diese Beweisregel gilt auch im sozialgerichtlichen Verfahren (BSGE 8, 245, 247; 12, 242, 246; 19, 52, 54; Leitherer in: Meyer-Ladewig u.a. SGG. Kommentar. 11. Auflage 2014. § 128 Rdnr 9 mwN; Pawlak in: Hennig. SGG. Stand August 2007. § 128 Rdnr 96; Zeihe. Das SGG und seine Anwendung. Stand November 2010. 3.G. vor § 103; stRspr des Senats, vgl Urteile vom 13.9.2011, Az L 18 (2) KN 223/07, vom 15.11.2011, Az L 18 KN 30/10, L 18 (2) KN 42/08 und L 18 (2) KN 239/09, Urteil vom 24.4.2012, Az L 18 KN 32/10, Az L 18 KN 120/12, und zuletzt vom 19.8.2014, Az L 18 KN 63/10 und L 18 KN 45/11, alle bei juris). Sie besagt, dass bei typischen Geschehensabläufen auf eine Tatsache geschlossen werden kann, die nach der allgemeinen Lebenserfahrung regelmäßig Folge eines solchen Geschehensablaufs ist (BSG in: Breithaupt 1999, 357, 362; Leitherer. AaO Rdnr 9a). Dabei wird der (Voll-)Beweis einer Tatsache vermutet, so lange nicht Tatsachen erwiesen sind, die den vermuteten typischen Geschehensablauf in Zweifel ziehen (vgl Leitherer. AaO. Rndnr 9e mwN; Pawlak. AaO. Rdnrn 94, 99). Ein durch bewilligenden Bescheid abgeschlossenes Verwaltungsverfahren zur (vollständigen) Beitragserstattung lässt typischerweise den Schluss zu, dass der Bescheid zugegangen und die geschuldete Leistung bewirkt worden ist (stRspr des Senats, vgl Urteile vom 13.9.2011, Az L 18 (2) KN 223/07, vom 15.11.2011, Az L 18 KN 30/10, L 18 (2) KN 42/08 und L 18 (2) KN 239/09, Urteil vom 24.4.2012, Az L 18 KN 32/10, Az L 18 KN 32/10, Az L 18 KN 120/12, und zuletzt vom 19.8.2014, Az L 18 KN 63/10 und L 18 KN 45/11, alle bei juris; LSG NRW, Urteil vom 22.11.2007, Az L 2 KN 140/06 LSG NRW, Urteil vom 03.06.2005, Az L 4 RJ 12/03; LSG Hamburg, Urteil vom 27.04.2006, Az L 6 RJ 89/04 mwN). Dies muss jedenfalls gelten, wenn die Leistungsbewirkung nicht substantiiert bestritten worden ist und sich auch sonst keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Leistungserbringung nicht zeitnah erfolgt ist (wie etwa zeitnahe Nachfragen des Versicherten, wo das Geld bleibe, vgl LSG NRW, Urteile vom 17.02.1997, Az L 4 J 16/95, und vom 03.06.2005 aE, Az L 4 RJ 12/03; Bay. LSG, Urteile vom 14.05.2002, Az L 19 RJ 3/02, und 08.12.2004, Az L 19 RJ 203/03). Dem liegen folgende Überlegungen zugrunde: Eine Beitragserstattung wird regelmäßig mit dem Ziel beantragt, zeitnah einen (idR hohen) Geldbetrag zur weiteren Verfügung zu erhalten. Ist ein solches Beitragserstattungsverfahren - wie hier - aktenkundig dokumentiert und besteht kein besonderer, konkreter Anlass zu zweifeln, dass der verfolgte Zweck auch erfüllt worden ist, darf regelmäßig auf ein ordnungsgemäß durch Bewirken der Leistung abgeschlossenes Verfahren geschlossen werden. Es entspricht nämlich der allgemeinen Lebenserfahrung, dass derjenige, der die Erstattung von über einen Zeitraum von etwa 10 Jahren zur Rentenversicherung entrichteten Beiträgen erwartet, nachfragt, wenn er auf seinen Antrag keine weitere Nachricht (mehr) erhält.
35(Hilfs-)Tatsachen, die geeignet sind, diesen Beweis des ersten Anscheins zu erschüttern, liegen nicht vor. Im Gegenteil spricht das Verhalten des Klägers für den aufgezeigten typischen Ablauf. Der Kläger hat in den Jahren 1989 und 1990 in den Verwaltungsverfahren gegenüber der DRV Schwaben mehrfach darauf hingewiesen, dass er eigentlich 1975 mit der H & S Finanz in C eine Beitragserstattung vereinbart, von dort aber kein Geld erhalten habe. Dies zeigt, dass der Kläger - wenn auch mit Verspätung - durchaus nachhakt, wenn erwartete Zahlungen nicht eingehen. Die spätere konsequente Weiterverfolgung des Anspruchs in den Jahren 1989 und 1990 zeigt überdies sein damaliges Interesse, das Erstattungsverfahrens schnell zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen. Wenn er bei dieser Vorgeschichte nach Erhalt des Bescheides, mit dem ihm ein konkreter Erstattungsbetrag versprochen wird, nicht mehr die Zahlung dieses Betrages fordert, lässt dies typischerweise den Schluss zu, dass das Verfahren ordnungsgemäß abgeschlossen wurde und das Geld vollständig in seine Verfügungsgewalt gelangt ist. Dafür spricht auch die Auskunft der DRV Schwaben, die Freigabe der Zahlungsanweisung sei bei ihr vermerkt. Vor diesem Hintergrund ist die spätere Behauptung im Widerspruchsverfahren, er habe (weiter) keine Erstattung erhalten, nicht glaubhaft und nicht geeignet, den Beweis des ersten Anscheins zu erschüttern. Im Gegenteil hat der Kläger - wenn auch in gebrochenem Deutsch - im Berufungsverfahren eingeräumt, den Betrag von 5.339,62 DM erhalten zu haben. Seine Angabe, dabei habe es sich nicht um eine Erstattung (sondern um eine Steuerrückzahlung?) gehandelt, ist in Anbetracht der Identität der Beträge wohl auf eine falschen Bewertung der Sachlage zurückzuführen.
36Sonstige Tatbestände, die abgesehen von den Zeiten, für die die Beiträge erstattet worden sind, die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit begründen könnten, sind nicht ersichtlich, insbesondere nicht solche der vorzeitigen Wartezeiterfüllung im Sinne von § 53 SGB VI.
37Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 Satz 1, 193 Abs 1 Satz 1 SGG.
38Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor, vgl § 160 Abs 2 SGG. Maßgeblich für die Entscheidung sind die konkreten Umstände des Einzelfalls.
Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei. Den in Satz 1 und 2 genannten Personen steht gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Leistungsempfängern nach Satz 1 stehen Antragsteller nach § 55a Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative gleich. § 93 Satz 3, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 120 Absatz 1 Satz 2 und § 192 bleiben unberührt. Die Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift gilt nicht in einem Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2).
(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.
(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.