Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 24. Jan. 2017 - L 11 KR 2236/15

bei uns veröffentlicht am24.01.2017

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz

vom 16.04.2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt als Sonderrechtsnachfolger seiner Ehefrau die Kostenerstattung für eine stationäre Hyperthermie-Behandlung iHv 3.622,52 EUR.
Die 1967 geborene und am 06.11.2012 verstorbene Frau U. A. (- im folgenden Versicherte -) litt an einem metastasierten Ovarialcarcinom (Eierstockkrebs), das im August 2011 diagnostiziert worden war. Nach dem Tod führt der Ehemann der Versicherten die Klage fort.
Nach der Diagnose eines primär metastasierenden Ovarialcarcinoms mit Lymphknotenbefall, Magenbefall, Peritonealcarcinose und Pleuraergüssen bds wurde die Versicherte am 09.08.2011 operiert. Daraufhin erfolgten acht Zyklen Chemotherapie.
Mit Schreiben vom 16.05.2012 beantragte der Facharzt für Allgemeinmedizin M. bei der Beklagten für die Versicherte eine Kostenzusage bzw Zusage für eine Kostenbeteiligung an einer Hyperthermie-Therapie in der St. G. Klinik B. A.. Zur Begründung führte er aus, dass trotz der Chemotherapie der Tumormarker erneut angestiegen sei, so dass von einem Progress der Erkrankung ausgegangen werden müsse. Zudem habe sich bei der Versicherten unter der Chemotherapie eine Polyneuropathie, Haarverlust sowie schwere Nebenwirkungen mit kaum zu beherrschender Übelkeit entwickelt. Am 22.05.2012 beantragte auch die Klinik eine Kostenübernahme für eine stationäre Behandlung ab dem 23.05.2012 für die Dauer von vier Tagen. Durchgeführt werden solle eine systemische Ganzkörperhyperthermie, loco-regionale Tiefenhyperthermie, Prostata-Thermotherapie sowie Chemotherapie.
Mit Schreiben vom 22.05.2012 teilte die Beklagte der Klinik mit, dass die Kosten nicht übernommen werden könnten, weil kein Versorgungsvertrag bestehe. Mit Bescheid vom 23.05.2012 lehnte die Beklagte den Antrag gegenüber der Versicherten ab.
In der Zeit vom 23.05.2012 bis zum 26.05.2012 wurde die stationäre Ganzkörperhyperthermie-Therapie mit low dose Chemotherapie in der Klinik St G. durchgeführt. Die Trägerin der Klinik stellte der Versicherten mit Schlussrechnung vom 30.05.2012 einen Betrag iHv 1.185 EUR für die stationäre Unterbringung und 3.297,75 EUR für die ärztliche und sonstige Behandlung sowie Medikamente in Rechnung. Für eine weitere Behandlung in der Zeit vom 29.05.2012 bis 01.06.2012 stellte die Klinik der Klägerin einen Betrag iHv 1.185 EUR für den Aufenthalt und 3.388,55 EUR für die Behandlung in Rechnung, insgesamt also einen Betrag von 9.056,30 EUR.
Mit Schreiben vom 05.06.2012 legte die Versicherte Widerspruch ein. Die Onkologie R. habe ihr keine andere Alternative als weitere Chemo-Therapien anbieten können. Da ihr Körper durch die Chemo-Therapien zusehends schwächer geworden sei, sei dies nicht infrage gekommen.
Die Beklagte beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) mit der Erstellung eines Gutachtens. Dr. B. führte im Gutachten vom 11.06.2012 aus, dass es sich bei der Hyperthermie um eine neue therapeutische Methode handle, die vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) bewertet und von der vertragsärztlichen Versorgung in allen Anwendungsformen und Indikationen ausgeschlossen worden sei. Die Indikation Ovarialcarcinom sei vom GBA selektiv geprüft worden. Eine lebensbedrohliche Erkrankung habe vorgelegen. Alle wissenschaftlichen Therapieansätze zur Behandlung des Carcinoms im aktuellen Tumorstadium der Versicherten seien derzeit nicht auf Heilung, sondern auf Palliation und Lebensverlängerung ausgerichtet. Es bestehe kein auf Evidenz gestützter Grund zu der Annahme der Versicherten, dass die adjuvante Hyperthermie in der Lage wäre, eine Heilung von der Tumorerkrankung zu bewirken. Dies finde sich auch in keiner schriftlichen Ausführung eines ihrer behandelnden Ärzte. Der Versicherten hätten schulmedizinische/vertragsmedizinische Therapien einschließlich der palliativen Medizin zur Verfügung gestanden. In Betracht käme eine weitere Chemotherapie. Die Evidenz für eine positive Beeinflussung der Erkrankung durch eine Hyperthermie-Behandlung sei derzeit nicht gegeben. Patienten sollten mittels Hyperthermie lediglich im Rahmen von wissenschaftlichen Studien behandelt werden.
Mit Bescheid vom 18.06.2014 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme erneut ab. Auch hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch.
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Am 27.06.2012 beantragte die Klinik St. G. für die Versicherte eine Kostenübernahme für weitere Behandlungen. Auch diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 29.06.2012 ab. Die stationären Behandlungen führte die Versicherte dennoch durch.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 02.10.2012 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 18.06.2012 zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass mit der St. G. Klinik kein Versorgungsvertrag gem § 108 SGB V bestehe und es sich somit um kein zugelassenes Vertragskrankenhaus handle. Die Hyperthermie-Behandlung sei keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung. Durch Beschlussfassung des GBA vom 18.01.2005 sei die Hyperthermie-Behandlung der Anlage B der BUB-Richtlinien als nicht anerkannte Methode zugewiesen worden.
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Hiergegen hat die Klägerin am 02.11.2012 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben. Sie hat mitgeteilt, dass die private Krankenzusatzversicherung der Versicherten für die ersten beiden Behandlungen 5.433,78 EUR übernommen habe, so dass ihr noch ein Betrag von 3.622,52 EUR zustehe.
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Das SG hat die behandelnden Ärzte Dr. G.-M. und Dr. N. als sachverständige Zeugen schriftlich befragt, die Behandlungsakte der St. G. Klinik beigezogen, Arztbriefe beim Allgemeinmediziner M. angefordert und die Oberärztin der Frauenklinik des Universitätsklinikums F. Dr. R. mit der Erstellung eines Gutachtens gemäß § 106 SGG beauftragt.
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Der Onkologe Dr. N. hat in Vertretung der damals behandelnden Dr. H.-Z. mitgeteilt, dass der Versicherten in den Monaten Mai bis Juli 2012 als schulmedizinische Therapie bei Progress eine Second-line-Therapie z.B. mit Hycamtin, Gemzar oder Treosulfan zur Verfügung gestanden hätte. Die Ganzkörper-Hyperthermieverfahren hätten bisher in ihrem onkologischen Stellenwert durch Studien noch nicht geklärt werden können.
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Dr. R. hat in ihrem Gutachten nach Aktenlage vom 08.04.2014 ausgeführt, dass sich im Oktober 2011 an der Thoraxwand eine Metastase des Ovarialkarzinoms gezeigt habe. Spätestens ab diesem Zeitpunkt habe man von einem metastasierten, nicht mehr heilbaren Ovarialcarzinom ausgehen müssen. Es handle sich hier um eine platinrefraktäre Situation. Nach den Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft gynäkologische Onkologie solle bei der Therapie des refraktären Rezidivs die Erhaltung der Lebensqualität gegenüber anderen Therapiezielen im Vordergrund stehen. Eine Kombinationstherapie biete keinen Vorteil gegenüber einer Monotherapie. Näher aufgeführte Chemo-Therapien seien deshalb als Therapie der Wahl anzusehen. Die in der Klinik St G. durchgeführte Ganzkörper-Hyperthermie stelle keine Therapie dar, die in den entsprechenden Leitlinien empfohlen werde. Die Datenlage hierfür sei noch nicht ausreichend. Nichtsdestotrotz gebe es einige kleinere Studien, in denen die Hyperthermie in Kombination mit Chemotherapie bei Ovarialcarzinom eingesetzt worden sei. Hier hätten sich sehr unterschiedliche Ansprechraten gezeigt. Einschränkend müsse hinzugefügt werden, dass es sich hier um ein sehr kleines und heterogenes Studienkollektiv mit insgesamt nur 39 Patientinnen gehandelt habe. Eine andere Studie hätten Studien mit 14 bzw. 28 Patientinnen durchgeführt. Die Datenlage für die Hyperthermie bei Ovarialcarzinom sei aktuell noch unzureichend, um als Standardtherapie zu gelten.
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Mit Urteil vom 16.04.2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass Voraussetzung für einen Kostenerstattungsanspruch sei, dass ein Anspruch auf Gewährung der Behandlung im Rahmen des Sachleistungsprinzips bestanden habe. Dies sei vorliegend jedoch nicht der Fall gewesen. Eine Krankenhausbehandlung sei nur in zugelassenen Krankenhäusern möglich, wozu die Klinik St G. gerade nicht zähle. Auch aus verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten ergebe sich kein Anspruch. Zweifelsohne habe bei der Versicherten eine lebensbedrohliche Erkrankung vorgelegen. Jedoch hätten zum damaligen Zeitpunkt noch allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlungen in Form einer Second-line-Therapie zur Verfügung gestanden. Wie Dr. N. und Dr. R. ausgeführt hätten, wären weitere Behandlungen mittels verschiedener Chemotherapeutika im Betracht gekommen. Es sei nicht ersichtlich, dass es der Versicherten nicht zumutbar gewesen sei, diese Standardtherapie durchzuführen. Auch wenn die von der Gutachterin aufgezeigte Standardtherapie wohl keine Aussicht auf dauerhafte Heilung geboten hätte, so könne dies im vorliegenden Fall nicht dazu führen, dass die Beklagte verpflichtet gewesen sei, die Behandlung in der Klinik St G. zu übernehmen. Insoweit bestünden keine Indizien dafür, dass die Behandlung mittels Hyperthermie in Kombination mit Chemotherapie eine Hoffnung auf endgültige Heilung darstelle. Aus den vorliegenden Studien ergebe sich dies nicht. Überwiegend seien die an den Studien beteiligten Patientinnen innerhalb eines überschaubaren Zeitraums verstorben. Der GBA habe 2005 den Nutzen einer Hyperthermie-Behandlung für verschiedenste Indikationen ausführlich untersucht. Er habe unter anderen festgestellt, dass bei einer weit fortgeschrittenen Erkrankung wie bei der Versicherten eine kurative Behandlungsmöglichkeit nicht zur Verfügung stehe. Unter Auswertung der entsprechenden Studien sei er zu dem Ergebnis gekommen, dass kein ausreichender Nachweis für eine Verbesserung der Behandlung durch die Hyperthermie bestünde. Weitere Forschung solle lediglich im Rahmen von klinischen Studien erfolgen.
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Gegen das den Klägerbevollmächtigten am 27.04.2015 zugestellte Urteil haben diese am 27.05.2015 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt.
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Der Kläger ist der Auffassung, dass seiner Ehefrau eine Hyperthermie-Behandlung als palliative Behandlung im Stadium ihrer Krebserkrankung zugestanden habe. Eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlung in Form second-line-Therapie sei unter Berücksichtigung des allgemeinen Krankheitszustandes nicht zumutbar gewesen. Seine Ehefrau sei bereits ab Oktober 2011 palliativ behandelt worden und habe an erheblichen Nebenwirkungen gelitten. Die Standardtherapien seien keine Option mehr gewesen, Schmerzen zu lindern und die Lebensqualität aufrechtzuerhalten. Durch die Dolphin-Studien sei eine nicht ganz fernliegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf unter Berücksichtigung palliativer Behandlungsziele belegt.
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Der Kläger beantragt,
20 
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 16.04.2015 und die Bescheide der Beklagten vom 23.05.2012 und 18.06.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.10.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 3.622,52 EUR zu bezahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
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Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet.
25 
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Bescheide der Beklagten vom 23.05.2012 und 18.06.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.10.2012 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
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Der Kläger ist gem § 56 Abs 1 SGB I Sonderrechtsnachfolger der Versicherten, seiner Ehefrau. Er lebte zum Zeitpunkt ihres Todes am 06.11.2012 in einem gemeinsamen Haushalt mit ihr. Der Kläger ist deshalb aktivlegitimiert. Er hat keinen Anspruch auf Erstattung der durch die stationäre Behandlung der Versicherten vom 23.05.2012 bis 26.05.2012 und vom 29.05.2012 bis 01.06.2012 in der Klinik St G. in B. A. entstandenen und noch offenen Kosten iHv insgesamt 3.622,52 EUR.
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Ein Anspruch auf Kostenerstattung nach § 13 Abs 2 SGB V kommt vorliegend schon von vornherein nicht in Betracht, da die Versicherte nicht das Kostenerstattungsverfahren gewählt hatte.
28 
Auch die Voraussetzungen für einen Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V sind nicht erfüllt. Nach dieser Vorschrift haben Versicherte Anspruch auf Erstattung von Kosten für eine notwendige, selbstbeschaffte Leistung, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte (Fall 1) oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dem Versicherten dadurch für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind (Fall 2). Ein Anspruch nach § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V setzt in beiden Regelungsalternativen einen entsprechenden Primärleistungsanspruch voraus, also einen Sach- oder Dienstleistungsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse und geht in der Sache nicht weiter als ein solcher Anspruch; er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (vgl Bundessozialgericht 24.09.1996, 1 RK 33/95, BSGE 79, 125 = SozR 3-2500 § 13 Nr 11; BSG 07.11.2006, B 1 KR 24/06 R, BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 13 Nr 12; BSG 14.12.2006, B 1 KR 8/06 R, BSGE 98, 26 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12).
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Eine Kostenerstattung aufgrund einer unaufschiebbaren Leistung scheidet schon deshalb aus, weil die Therapie in der Klinik St G. erst nach der ablehnenden Entscheidung der Beklagten begonnen worden ist.
30 
Der Anspruch nach § 13 Abs 3 Satz 1 Fall 2 ist zudem nur gegeben, wenn die Krankenkasse die Erfüllung eines Naturalleistungsanspruchs rechtswidrig abgelehnt und der Versicherte sich die Leistung selbst beschafft hat, wenn weiterhin ein Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung besteht, die selbst beschaffte Leistung notwendig ist und die Selbstbeschaffung eine rechtlich wirksame Kostenbelastung des Versicherten ausgelöst hat (BSG 17.12.2009, B 3 KR 20/08 R, Breithaupt 2010, 914 mwN). Der Versicherte darf sich insbesondere nicht – unabhängig davon, wie die Entscheidung der Krankenkasse ausfällt – von vornherein auf eine bestimmte Art der Krankenbehandlung bei einem nicht zugelassenen Leistungserbringer festgelegt haben (BSG 16.12.2008, B 1 KR 2/08 R, juris). Mögliche Anhaltspunkte für eine solche Festlegung können etwa die Vereinbarung eines Behandlungs- oder Operationstermins oder das Verhalten des Versicherten bei der Antragstellung sein (Brandts in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 13 SGB V RdNr 89 ff mwN).
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Der Senat kann offen lassen, ob eine Kostenerstattung bezüglich des stationären Aufenthalts vom 29.05.2012 bis 01.06.2012 schon deshalb scheitert, weil bezüglich dieser Behandlung weder ein Kostenübernahmeantrag noch eine ablehnende Entscheidung der Beklagten vorliegt. Denn die Versicherte ist vorliegend nicht berechtigt gewesen, zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung die stationäre Behandlung in einem nicht zugelassenen Krankenhaus in Anspruch zu nehmen.
32 
Nach § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Nach § 13 Abs 1 SGB V darf die Krankenkasse anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs 2 SGB V) Kosten nur erstatten, soweit es das SGB V oder das SGB IX vorsieht. Die Krankenbehandlung umfasst unter anderem die Krankenhausbehandlung (§ 27 Abs 1 Satz 2 Nr 5 SGB V) durch zugelassene Krankenhäuser (§§ 39 Abs 1 Satz 2, 108 SGB V). Die Regelung des § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V will Versicherten einerseits die Möglichkeit eröffnen, sich eine von der Krankenkasse geschuldete, aber als Naturalleistung nicht erhältliche Behandlung selbst zu beschaffen, andererseits jedoch die Befolgung des Naturalleistungsgrundsatzes dadurch absichern, dass eine Kostenerstattung nur erfolgt, wenn tatsächlich eine Versorgungslücke besteht. Eine Versorgungslücke besteht nicht, wenn der Versicherte eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung in Anspruch nehmen kann, aber nicht will. Die Regelung in § 13 Abs 3 SGB V ersetzt den Sachleistungsanspruch durch einen Kostenerstattungsanspruch, wenn die Krankenkasse eine Leistung wegen ihrer Dringlichkeit nicht mehr rechtzeitig erbringen konnte oder zu Unrecht abgelehnt hat. In anderen Fällen selbstbeschaffter Leistungen besteht keine Leistungspflicht der Krankenkasse (BSG 03.07.2012, B 1 KR 6/11 R, BSGE 111, 137).
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Die Klinik St G. war 2012 nicht im Krankenhausplan des Freistaats B. enthalten und somit nicht zur Behandlung Versicherter zugelassen. Versicherte, denen ihre Krankenkasse rechtswidrig Leistungen verwehrt, sind jedoch nicht prinzipiell auf die Selbstbeschaffung der Leistungen bei zugelassenen Leistungserbringern verweisbar. Sie müssen sich nur eine der vorenthaltenen Naturalleistung entsprechende Leistung verschaffen, dies aber von vorneherein privatärztlich außerhalb des Leistungssystems. Die Reichweite des Kostenerstattungsanspruchs bestimmt sich auch insoweit maßgeblich nach der konkreten Lücke im Leistungssystem, die er zu schließen hat. Nur wenn die rechtswidrige Leistungsablehnung der Krankenkasse eine privatärztliche Selbstverschaffung des Versicherten erzwingt, ziehen die Bestimmungen für privatärztliche Leistungen und nicht diejenigen für das Naturalleistungssystem die Grenzen für die Verschaffung einer entsprechenden Leistung (zum Ganzen BSG 11.09.2012, B 1 KR 3/12 R, BSGE 111, 289 = SozR 4-2500 § 27 Nr 23); der Leistungserbringer muss jedoch die entsprechende Qualifikation zur Ausübung der Heilkunde besitzen (BSG 20.02.2004, B 1 KR 10/03 B, juris).
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So liegt der Fall hier indes nicht. Die Weigerung der Beklagten, die beantragte Hyperthermie-Behandlung zu bewilligen, war nicht rechtswidrig, sondern rechtmäßig. Bei der Versicherten wurde im August 2011 ein primär metastasierendes Ovarialcarcinoms mit Lymphknotenbefall, Magenbefall, Peritonealcarcinose und Pleuraergüssen bds diagnostiziert. Sie wurde am 09.08.2011 operiert und erhielt nachfolgend acht Zyklen Chemotherapie mit Carboplatin/Taxol, ab 22.02.2012 zusätzlich mit Avastin und ab 11.04.2012 eine Erhaltungstherapie mit Avastin mono.
35 
Im vorliegenden Fall war spätestens im Oktober 2011 eine palliative Situation eingetreten, eine Heilung war nicht mehr möglich. Das Behandlungsziel bestand allein in der Linderung von Beschwerden und Verbesserung der Lebensqualität. Dies entnimmt der Senat dem schlüssigen und überzeugenden Gutachten von Dr. R. und wird auch vom Kläger nicht in Frage gestellt (siehe Berufungsbegründung).
36 
Bei der in der Klinik St G. angebotenen Hyperthermie handelt es sich um eine neue Untersuchung- und Behandlungsmethode.
37 
Für die stationäre Krankenbehandlung regelt die Bewertung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden § 137c SGB V. Nach Abs 1 dieser Vorschrift in der - hier maßgeblichen - seit 01.01.2012 geltenden Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-VStG) vom 22.12.2011 (BGBl. I, S. 2983) überprüft der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) auf Antrag des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen, der Deutschen Krankenhausgesellschaft oder eines Bundesverbandes der Krankenhausträger Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die zulasten der gesetzlichen Krankenkassen im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden oder angewandt werden sollen, daraufhin, ob sie für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse erforderlich sind (Satz 1). Ergibt die Überprüfung, dass der Nutzen einer Methode nicht hinreichend belegt ist und sie nicht das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, insbesondere weil sie schädlich oder unwirksam ist, erlässt der GBA eine entsprechende Richtlinie, wonach die Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zulasten der Krankenkassen erbracht werden darf (Satz 2). Ergibt die Überprüfung, dass der Nutzen einer Methode noch nicht hinreichend belegt ist, sie aber das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, beschließt der GBA eine Richtlinie zur Erprobung nach § 137e SGB V (Satz 3). Nach Abschluss der Erprobung erlässt der GBA eine Richtlinie, wonach die Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zulasten der Krankenkassen erbracht werden darf, wenn die Überprüfung unter Hinzuziehung der durch die Erprobung gewonnenen Erkenntnisse ergibt, dass die Methode nicht den Kriterien nach Satz 1 entspricht (Satz 4). Ist eine Richtlinie zur Erprobung nicht zustande gekommen, weil es an einer nach § 137e Abs. 6 SGB V erforderlichen Vereinbarung fehlt, gilt Satz 4 entsprechend (Satz 5). Für den stationären Bereich gibt es mithin keine dem § 135 Abs. 1 SGB V entsprechende Vorschrift, die einen solchen Anerkennungsvorbehalt formuliert. Dies bedeutet allerdings nicht, dass in der stationären Krankenbehandlung sämtliche in Betracht kommenden Behandlungsmethoden zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden können. Vielmehr sind die Krankenhäuser nicht davon entbunden, die Standards des § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V und § 12 Abs 1 SGB V im Einzelfall zu überprüfen und einzuhalten. § 137c SGB V setzt die Geltung des Qualitätsvorbehaltes des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V nicht außer Kraft (BSG 28.07.2008, B 1 KR 5/08 R; BSG 21.03.2013, B 3 KR 2/12 R). Die einzige Ausnahme bildet nach § 137c Abs. 2 Satz 2 SGB V die Durchführung klinischer Studien. Behandlungen im Rahmen solcher Studien waren und sind daher zur Förderung des medizinischen Fortschritts stets zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung abrechenbar (BSG 21.03.2013, B 3 KR 2/12 R).
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Außerhalb klinischer Studien muss es jedoch zu Qualität und Wirksamkeit einer Behandlungsmethode grundsätzlich zuverlässige wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen geben. Entsprechend der auch durch den GBA für seine Entscheidungen zugrunde gelegten Maßstäbe der evidenzbasierten Medizin ist dabei eine Sichtung und qualitative Bewertung der über eine Behandlungsmethode vorhandenen wissenschaftlichen Publikationen und Expertisen vorzunehmen (BSG 01.03.2011, B 1 KR 7/10 R; BSG 12.08.2009, B 3 KR 10/07 R). Erforderlich ist mithin, dass der Erfolg der Behandlungsmethode objektivierbar, also in einer ausreichenden Anzahl von Behandlungsfällen belegt ist (BSG 18.05.2004, B 1 KR 21/02 R; Wagner in: Krauskopf, Stand Mai 2014, § 13 SGB V Rn. 19). Die höchste Beweiskraft haben danach direkte Vergleichsstudien mit anderen Behandlungsmethoden, also Studien der Evidenzklasse I. Nur soweit derartige Studien nicht existieren, kann im Einzelfall auf andere, hinreichend aussage- und beweiskräftige Studien ausgewichen werden (Flint in: Hauck/Noftz, SGB V, Stand Juni 2012, K § 35 RdNr. 64). Um der in § 137c SGB V grundsätzlich angelegten Innovationsmöglichkeit gerecht zu werden, schließt der Senat dabei nicht aus, dass auch Expertenmeinungen zur Beurteilung des wissenschaftlichen Standards herangezogen werden können. Diese sind jedoch nicht geeignet, eine Leistungspflicht der Krankenkasse auch dann zu begründen, wenn objektivierbare Erkenntnisse bereits in eine andere Richtung weisen. Expertenmeinungen sind daher stets im Zusammenhang mit den vorhandenen objektivierbaren wissenschaftlichen Aussagen im Sinne einer maßgeblichen Gesamtschau heranzuziehen (LSG Baden-Württemberg 27.01.2012, L 4 KR 2272/10).
39 
Die Hyperthermie-Behandlung entspricht nach Auffassung des Senats nicht den erforderlichen Qualitätsstandards. Der Senat schließt sich diesbezüglich den Ausführungen des MDK in den vorliegenden sozialmedizinischen Gutachten an. Der GBA hat die lokale und Ganzkörper-Hyperthermie bereits einer wissenschaftlichen Methodenbewertung unterzogen und sie von der vertragsärztlichen Leistung ausgeschlossen (GBA-Beschluss vom 18.01.2005; Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung, Anlage II Nr 42). Aus den vom GBA ausgewerteten wissenschaftlichen Unterlagen ergibt sich, dass bisher kein Nachweis eines therapeutischen Nutzens unter alleiniger oder begleitende Hyperthermieanwendung bei malignen Ovarialtumoren besteht. Keine der verschiedenen Modifikationen der Hyperthermie sei bisher ausreichend standardisiert. Auch zur Verträglichkeit bzw Sicherheit der untersuchten Hyperthermieverfahren könnten anhand der vorliegenden Daten keine Schlussfolgerungen gezogen werden. Der GBA ist der Auffassung gewesen, dass die Hyperthermie-Behandlung auf die Durchführung kontrollierte Studien begrenzt bleiben müsse. Bzgl des Stands der wissenschaftlichen Forschung zur Hyperthermie wird auf die Gutachten des MDK verwiesen. Auch Dr. N. hat in seiner sachverständigen Zeugenaussage gegenüber dem SG angegeben, dass die Ganzkörper-Hyperthermieverfahren bisher in ihrem onkologischen Stellenwert durch Studien noch nicht geklärt werden haben können. Ebenso hat Dr. R. in ihrem Gutachten überzeugend dargelegt, dass die Datenlage für eine Empfehlung in den Leitlinien als Standardtherapie noch nicht ausreichend ist. Es gibt zwar einige kleinere Studien, in denen die Hyperthermie in Kombination mit Chemotherapie bei Ovarialcarcinomen eingesetzt worden sind. Hier haben sich sehr unterschiedliche Ansprechraten gezeigt. Jedoch hat es sich um ein sehr kleines und heterogenes Studienkollektiv gehandelt.
40 
Der Kläger kann seinen Anspruch nicht auf die Verfassung unmittelbar oder den in Umsetzung der Rechtsprechung des BVerfG zur Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung für neue Behandlungsmethoden in Fällen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung (BVerfG 06.12.2005, 1 BvR 347/98, BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5; BSG 07.11.2006, B 1 KR 24/06 R, SozR 4-2500 § 25 Nr 12) eingeführten § 2 Abs 1a SGB V stützen. Der Gesetzgeber hat den vom BVerfG formulierten Anforderungen an eine grundrechtsorientierte Auslegung der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung in Bezug auf neue Behandlungsmethoden im Fall einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen oder zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, mit dem am 01.01.2012 in Kraft getretenen § 2 Abs 1a SGB V (Gesetz vom 22.12.2011, BGBl I 2983) Rechnung getragen. Eine Leistungsverweigerung der Krankenkasse unter Berufung darauf, eine neue ärztliche Behandlungsmethode sei ausgeschlossen, weil der GBA diese nicht anerkannt habe, verstößt dann gegen das Grundgesetz bzw § 2 Abs 1a SGB V, wenn folgende drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind: Es liegt eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende oder zumindest wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung vor (1.); bezüglich dieser Krankheit steht eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung (2.) und bezüglich der beim Versicherten ärztlich angewandten (neuen, nicht allgemein anerkannten) Behandlungsmethode besteht eine "auf Indizien gestützte" nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf (3.).
41 
Für den Senat steht fest, dass die Versicherte unstreitig an einem lebensbedrohlichen Ovarialcarcinom erkrankt war. Dies ergibt sich aus sämtlichen vorliegenden ärztlichen Unterlagen und Gutachten. Die Frage, ob eine alternative Behandlungsmethode von der gesetzlichen Krankenversicherung zu finanzieren ist, darf nicht losgelöst davon betrachtet werden, was die anerkannte medizinischem Standard entsprechende Behandlung zu leisten vermag und was die alternative Behandlung zu leisten vorgibt. Zur Klärung der Frage, ob eine Behandlung mit Mitteln der Schulmedizin in Betracht kommt und inwieweit Behandlungsalternativen zur Verfügung stehen, ist zunächst das konkrete Behandlungsziel zu klären. Bietet die Schulmedizin nur palliative Behandlungsmöglichkeiten an, weil sie jede Möglichkeit einer kurativen Behandlung als aussichtslos betrachtet, kommt ein Anspruch auf eine alternative Behandlungsmethode allerdings nur dann in Betracht, wenn eine auf Indizien gestützte Aussicht auf einen über die palliative Standardtherapie hinausreichenden Erfolg besteht (BVerfG vom 26.02.2013, 1 BvR 2045/12, juris).
42 
Allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistungen stehen nicht zur Verfügung, wenn solche, bezogen auf das jeweilige konkrete Behandlungsziel iSv § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V, im medizinischen Leistungsspektrum (allgemein) nicht vorhanden sind oder diese für den konkreten Behandlungsfall wegen erheblicher gesundheitlicher Risiken, vor allem scherwiegender Nebenwirkungen, nicht nutzbar sind; relevant für die Beurteilung ist der Zeitpunkt der Behandlung (Noftz in: Hauck/Noftz, SGB, 11/15, § 2 SGB V, Rn 76f mwN).
43 
Wie oben bereits ausgeführt, bestand im Mai 2012 bereits eine palliative Situation. Der Versicherten stand zur Überzeugung des Senats eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende ambulante bzw stationäre palliative Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus bzw bei einem anderen zugelassenen Leistungserbringer zur Verfügung. Schon der Onkologe Dr. N. hat in seiner Stellungnahme gegenüber dem SG angegeben, dass nach dem Auftreten eines Progresses die second-line-Therapie mit den Chemotherapeutika Hycamtin, Gemzar oder Treosulfan die schulmedizinische Alternative darstellt. Auch die Sachverständige Dr. R. beschreibt als Therapie der Wahl eine Monochemotherapie. Diese Leistungen hätte die Versicherte als Sachleistungen erhalten können. Sie wollte diese jedoch wegen der Nebenwirkungen bzgl. der bisherigen Chemo-Therapien nicht in Anspruch nehmen.
44 
Eine palliative Therapie bei unheilbarer Krebserkrankung ist jedoch in verschiedener Form durchaus in zugelassenen Kliniken bzw bei zugelassenen Vertragsärzten möglich. Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, lässt sich aus den Nebenwirkungen bezüglich der anfänglich durchgeführten Therapie nicht auf eine Unzumutbarkeit anderer zugelassener palliativer Behandlungen schließen.
45 
Es ist zwar verständlich, dass die Versicherte in der sehr schwierigen persönlichen Situation die aus ihrer Sicht optimale Versorgung in der Klinik St G. in Anspruch genommen hat. Auch unter grundrechtsorientierter Auslegung ist die Beklagte jedoch nicht verpflichtet, die Kosten für die palliative Therapie mittels einer Hyperthermie-Therapie mit low dose Chemotherapie in der Klinik St G. zu erstatten.
46 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
47 
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Nr 1 und 2 SGG).

Gründe

 
24 
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet.
25 
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Bescheide der Beklagten vom 23.05.2012 und 18.06.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.10.2012 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
26 
Der Kläger ist gem § 56 Abs 1 SGB I Sonderrechtsnachfolger der Versicherten, seiner Ehefrau. Er lebte zum Zeitpunkt ihres Todes am 06.11.2012 in einem gemeinsamen Haushalt mit ihr. Der Kläger ist deshalb aktivlegitimiert. Er hat keinen Anspruch auf Erstattung der durch die stationäre Behandlung der Versicherten vom 23.05.2012 bis 26.05.2012 und vom 29.05.2012 bis 01.06.2012 in der Klinik St G. in B. A. entstandenen und noch offenen Kosten iHv insgesamt 3.622,52 EUR.
27 
Ein Anspruch auf Kostenerstattung nach § 13 Abs 2 SGB V kommt vorliegend schon von vornherein nicht in Betracht, da die Versicherte nicht das Kostenerstattungsverfahren gewählt hatte.
28 
Auch die Voraussetzungen für einen Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V sind nicht erfüllt. Nach dieser Vorschrift haben Versicherte Anspruch auf Erstattung von Kosten für eine notwendige, selbstbeschaffte Leistung, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte (Fall 1) oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dem Versicherten dadurch für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind (Fall 2). Ein Anspruch nach § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V setzt in beiden Regelungsalternativen einen entsprechenden Primärleistungsanspruch voraus, also einen Sach- oder Dienstleistungsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse und geht in der Sache nicht weiter als ein solcher Anspruch; er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (vgl Bundessozialgericht 24.09.1996, 1 RK 33/95, BSGE 79, 125 = SozR 3-2500 § 13 Nr 11; BSG 07.11.2006, B 1 KR 24/06 R, BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 13 Nr 12; BSG 14.12.2006, B 1 KR 8/06 R, BSGE 98, 26 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12).
29 
Eine Kostenerstattung aufgrund einer unaufschiebbaren Leistung scheidet schon deshalb aus, weil die Therapie in der Klinik St G. erst nach der ablehnenden Entscheidung der Beklagten begonnen worden ist.
30 
Der Anspruch nach § 13 Abs 3 Satz 1 Fall 2 ist zudem nur gegeben, wenn die Krankenkasse die Erfüllung eines Naturalleistungsanspruchs rechtswidrig abgelehnt und der Versicherte sich die Leistung selbst beschafft hat, wenn weiterhin ein Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung besteht, die selbst beschaffte Leistung notwendig ist und die Selbstbeschaffung eine rechtlich wirksame Kostenbelastung des Versicherten ausgelöst hat (BSG 17.12.2009, B 3 KR 20/08 R, Breithaupt 2010, 914 mwN). Der Versicherte darf sich insbesondere nicht – unabhängig davon, wie die Entscheidung der Krankenkasse ausfällt – von vornherein auf eine bestimmte Art der Krankenbehandlung bei einem nicht zugelassenen Leistungserbringer festgelegt haben (BSG 16.12.2008, B 1 KR 2/08 R, juris). Mögliche Anhaltspunkte für eine solche Festlegung können etwa die Vereinbarung eines Behandlungs- oder Operationstermins oder das Verhalten des Versicherten bei der Antragstellung sein (Brandts in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 13 SGB V RdNr 89 ff mwN).
31 
Der Senat kann offen lassen, ob eine Kostenerstattung bezüglich des stationären Aufenthalts vom 29.05.2012 bis 01.06.2012 schon deshalb scheitert, weil bezüglich dieser Behandlung weder ein Kostenübernahmeantrag noch eine ablehnende Entscheidung der Beklagten vorliegt. Denn die Versicherte ist vorliegend nicht berechtigt gewesen, zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung die stationäre Behandlung in einem nicht zugelassenen Krankenhaus in Anspruch zu nehmen.
32 
Nach § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Nach § 13 Abs 1 SGB V darf die Krankenkasse anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs 2 SGB V) Kosten nur erstatten, soweit es das SGB V oder das SGB IX vorsieht. Die Krankenbehandlung umfasst unter anderem die Krankenhausbehandlung (§ 27 Abs 1 Satz 2 Nr 5 SGB V) durch zugelassene Krankenhäuser (§§ 39 Abs 1 Satz 2, 108 SGB V). Die Regelung des § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V will Versicherten einerseits die Möglichkeit eröffnen, sich eine von der Krankenkasse geschuldete, aber als Naturalleistung nicht erhältliche Behandlung selbst zu beschaffen, andererseits jedoch die Befolgung des Naturalleistungsgrundsatzes dadurch absichern, dass eine Kostenerstattung nur erfolgt, wenn tatsächlich eine Versorgungslücke besteht. Eine Versorgungslücke besteht nicht, wenn der Versicherte eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung in Anspruch nehmen kann, aber nicht will. Die Regelung in § 13 Abs 3 SGB V ersetzt den Sachleistungsanspruch durch einen Kostenerstattungsanspruch, wenn die Krankenkasse eine Leistung wegen ihrer Dringlichkeit nicht mehr rechtzeitig erbringen konnte oder zu Unrecht abgelehnt hat. In anderen Fällen selbstbeschaffter Leistungen besteht keine Leistungspflicht der Krankenkasse (BSG 03.07.2012, B 1 KR 6/11 R, BSGE 111, 137).
33 
Die Klinik St G. war 2012 nicht im Krankenhausplan des Freistaats B. enthalten und somit nicht zur Behandlung Versicherter zugelassen. Versicherte, denen ihre Krankenkasse rechtswidrig Leistungen verwehrt, sind jedoch nicht prinzipiell auf die Selbstbeschaffung der Leistungen bei zugelassenen Leistungserbringern verweisbar. Sie müssen sich nur eine der vorenthaltenen Naturalleistung entsprechende Leistung verschaffen, dies aber von vorneherein privatärztlich außerhalb des Leistungssystems. Die Reichweite des Kostenerstattungsanspruchs bestimmt sich auch insoweit maßgeblich nach der konkreten Lücke im Leistungssystem, die er zu schließen hat. Nur wenn die rechtswidrige Leistungsablehnung der Krankenkasse eine privatärztliche Selbstverschaffung des Versicherten erzwingt, ziehen die Bestimmungen für privatärztliche Leistungen und nicht diejenigen für das Naturalleistungssystem die Grenzen für die Verschaffung einer entsprechenden Leistung (zum Ganzen BSG 11.09.2012, B 1 KR 3/12 R, BSGE 111, 289 = SozR 4-2500 § 27 Nr 23); der Leistungserbringer muss jedoch die entsprechende Qualifikation zur Ausübung der Heilkunde besitzen (BSG 20.02.2004, B 1 KR 10/03 B, juris).
34 
So liegt der Fall hier indes nicht. Die Weigerung der Beklagten, die beantragte Hyperthermie-Behandlung zu bewilligen, war nicht rechtswidrig, sondern rechtmäßig. Bei der Versicherten wurde im August 2011 ein primär metastasierendes Ovarialcarcinoms mit Lymphknotenbefall, Magenbefall, Peritonealcarcinose und Pleuraergüssen bds diagnostiziert. Sie wurde am 09.08.2011 operiert und erhielt nachfolgend acht Zyklen Chemotherapie mit Carboplatin/Taxol, ab 22.02.2012 zusätzlich mit Avastin und ab 11.04.2012 eine Erhaltungstherapie mit Avastin mono.
35 
Im vorliegenden Fall war spätestens im Oktober 2011 eine palliative Situation eingetreten, eine Heilung war nicht mehr möglich. Das Behandlungsziel bestand allein in der Linderung von Beschwerden und Verbesserung der Lebensqualität. Dies entnimmt der Senat dem schlüssigen und überzeugenden Gutachten von Dr. R. und wird auch vom Kläger nicht in Frage gestellt (siehe Berufungsbegründung).
36 
Bei der in der Klinik St G. angebotenen Hyperthermie handelt es sich um eine neue Untersuchung- und Behandlungsmethode.
37 
Für die stationäre Krankenbehandlung regelt die Bewertung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden § 137c SGB V. Nach Abs 1 dieser Vorschrift in der - hier maßgeblichen - seit 01.01.2012 geltenden Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-VStG) vom 22.12.2011 (BGBl. I, S. 2983) überprüft der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) auf Antrag des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen, der Deutschen Krankenhausgesellschaft oder eines Bundesverbandes der Krankenhausträger Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die zulasten der gesetzlichen Krankenkassen im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden oder angewandt werden sollen, daraufhin, ob sie für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse erforderlich sind (Satz 1). Ergibt die Überprüfung, dass der Nutzen einer Methode nicht hinreichend belegt ist und sie nicht das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, insbesondere weil sie schädlich oder unwirksam ist, erlässt der GBA eine entsprechende Richtlinie, wonach die Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zulasten der Krankenkassen erbracht werden darf (Satz 2). Ergibt die Überprüfung, dass der Nutzen einer Methode noch nicht hinreichend belegt ist, sie aber das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, beschließt der GBA eine Richtlinie zur Erprobung nach § 137e SGB V (Satz 3). Nach Abschluss der Erprobung erlässt der GBA eine Richtlinie, wonach die Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zulasten der Krankenkassen erbracht werden darf, wenn die Überprüfung unter Hinzuziehung der durch die Erprobung gewonnenen Erkenntnisse ergibt, dass die Methode nicht den Kriterien nach Satz 1 entspricht (Satz 4). Ist eine Richtlinie zur Erprobung nicht zustande gekommen, weil es an einer nach § 137e Abs. 6 SGB V erforderlichen Vereinbarung fehlt, gilt Satz 4 entsprechend (Satz 5). Für den stationären Bereich gibt es mithin keine dem § 135 Abs. 1 SGB V entsprechende Vorschrift, die einen solchen Anerkennungsvorbehalt formuliert. Dies bedeutet allerdings nicht, dass in der stationären Krankenbehandlung sämtliche in Betracht kommenden Behandlungsmethoden zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden können. Vielmehr sind die Krankenhäuser nicht davon entbunden, die Standards des § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V und § 12 Abs 1 SGB V im Einzelfall zu überprüfen und einzuhalten. § 137c SGB V setzt die Geltung des Qualitätsvorbehaltes des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V nicht außer Kraft (BSG 28.07.2008, B 1 KR 5/08 R; BSG 21.03.2013, B 3 KR 2/12 R). Die einzige Ausnahme bildet nach § 137c Abs. 2 Satz 2 SGB V die Durchführung klinischer Studien. Behandlungen im Rahmen solcher Studien waren und sind daher zur Förderung des medizinischen Fortschritts stets zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung abrechenbar (BSG 21.03.2013, B 3 KR 2/12 R).
38 
Außerhalb klinischer Studien muss es jedoch zu Qualität und Wirksamkeit einer Behandlungsmethode grundsätzlich zuverlässige wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen geben. Entsprechend der auch durch den GBA für seine Entscheidungen zugrunde gelegten Maßstäbe der evidenzbasierten Medizin ist dabei eine Sichtung und qualitative Bewertung der über eine Behandlungsmethode vorhandenen wissenschaftlichen Publikationen und Expertisen vorzunehmen (BSG 01.03.2011, B 1 KR 7/10 R; BSG 12.08.2009, B 3 KR 10/07 R). Erforderlich ist mithin, dass der Erfolg der Behandlungsmethode objektivierbar, also in einer ausreichenden Anzahl von Behandlungsfällen belegt ist (BSG 18.05.2004, B 1 KR 21/02 R; Wagner in: Krauskopf, Stand Mai 2014, § 13 SGB V Rn. 19). Die höchste Beweiskraft haben danach direkte Vergleichsstudien mit anderen Behandlungsmethoden, also Studien der Evidenzklasse I. Nur soweit derartige Studien nicht existieren, kann im Einzelfall auf andere, hinreichend aussage- und beweiskräftige Studien ausgewichen werden (Flint in: Hauck/Noftz, SGB V, Stand Juni 2012, K § 35 RdNr. 64). Um der in § 137c SGB V grundsätzlich angelegten Innovationsmöglichkeit gerecht zu werden, schließt der Senat dabei nicht aus, dass auch Expertenmeinungen zur Beurteilung des wissenschaftlichen Standards herangezogen werden können. Diese sind jedoch nicht geeignet, eine Leistungspflicht der Krankenkasse auch dann zu begründen, wenn objektivierbare Erkenntnisse bereits in eine andere Richtung weisen. Expertenmeinungen sind daher stets im Zusammenhang mit den vorhandenen objektivierbaren wissenschaftlichen Aussagen im Sinne einer maßgeblichen Gesamtschau heranzuziehen (LSG Baden-Württemberg 27.01.2012, L 4 KR 2272/10).
39 
Die Hyperthermie-Behandlung entspricht nach Auffassung des Senats nicht den erforderlichen Qualitätsstandards. Der Senat schließt sich diesbezüglich den Ausführungen des MDK in den vorliegenden sozialmedizinischen Gutachten an. Der GBA hat die lokale und Ganzkörper-Hyperthermie bereits einer wissenschaftlichen Methodenbewertung unterzogen und sie von der vertragsärztlichen Leistung ausgeschlossen (GBA-Beschluss vom 18.01.2005; Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung, Anlage II Nr 42). Aus den vom GBA ausgewerteten wissenschaftlichen Unterlagen ergibt sich, dass bisher kein Nachweis eines therapeutischen Nutzens unter alleiniger oder begleitende Hyperthermieanwendung bei malignen Ovarialtumoren besteht. Keine der verschiedenen Modifikationen der Hyperthermie sei bisher ausreichend standardisiert. Auch zur Verträglichkeit bzw Sicherheit der untersuchten Hyperthermieverfahren könnten anhand der vorliegenden Daten keine Schlussfolgerungen gezogen werden. Der GBA ist der Auffassung gewesen, dass die Hyperthermie-Behandlung auf die Durchführung kontrollierte Studien begrenzt bleiben müsse. Bzgl des Stands der wissenschaftlichen Forschung zur Hyperthermie wird auf die Gutachten des MDK verwiesen. Auch Dr. N. hat in seiner sachverständigen Zeugenaussage gegenüber dem SG angegeben, dass die Ganzkörper-Hyperthermieverfahren bisher in ihrem onkologischen Stellenwert durch Studien noch nicht geklärt werden haben können. Ebenso hat Dr. R. in ihrem Gutachten überzeugend dargelegt, dass die Datenlage für eine Empfehlung in den Leitlinien als Standardtherapie noch nicht ausreichend ist. Es gibt zwar einige kleinere Studien, in denen die Hyperthermie in Kombination mit Chemotherapie bei Ovarialcarcinomen eingesetzt worden sind. Hier haben sich sehr unterschiedliche Ansprechraten gezeigt. Jedoch hat es sich um ein sehr kleines und heterogenes Studienkollektiv gehandelt.
40 
Der Kläger kann seinen Anspruch nicht auf die Verfassung unmittelbar oder den in Umsetzung der Rechtsprechung des BVerfG zur Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung für neue Behandlungsmethoden in Fällen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung (BVerfG 06.12.2005, 1 BvR 347/98, BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5; BSG 07.11.2006, B 1 KR 24/06 R, SozR 4-2500 § 25 Nr 12) eingeführten § 2 Abs 1a SGB V stützen. Der Gesetzgeber hat den vom BVerfG formulierten Anforderungen an eine grundrechtsorientierte Auslegung der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung in Bezug auf neue Behandlungsmethoden im Fall einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen oder zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, mit dem am 01.01.2012 in Kraft getretenen § 2 Abs 1a SGB V (Gesetz vom 22.12.2011, BGBl I 2983) Rechnung getragen. Eine Leistungsverweigerung der Krankenkasse unter Berufung darauf, eine neue ärztliche Behandlungsmethode sei ausgeschlossen, weil der GBA diese nicht anerkannt habe, verstößt dann gegen das Grundgesetz bzw § 2 Abs 1a SGB V, wenn folgende drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind: Es liegt eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende oder zumindest wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung vor (1.); bezüglich dieser Krankheit steht eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung (2.) und bezüglich der beim Versicherten ärztlich angewandten (neuen, nicht allgemein anerkannten) Behandlungsmethode besteht eine "auf Indizien gestützte" nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf (3.).
41 
Für den Senat steht fest, dass die Versicherte unstreitig an einem lebensbedrohlichen Ovarialcarcinom erkrankt war. Dies ergibt sich aus sämtlichen vorliegenden ärztlichen Unterlagen und Gutachten. Die Frage, ob eine alternative Behandlungsmethode von der gesetzlichen Krankenversicherung zu finanzieren ist, darf nicht losgelöst davon betrachtet werden, was die anerkannte medizinischem Standard entsprechende Behandlung zu leisten vermag und was die alternative Behandlung zu leisten vorgibt. Zur Klärung der Frage, ob eine Behandlung mit Mitteln der Schulmedizin in Betracht kommt und inwieweit Behandlungsalternativen zur Verfügung stehen, ist zunächst das konkrete Behandlungsziel zu klären. Bietet die Schulmedizin nur palliative Behandlungsmöglichkeiten an, weil sie jede Möglichkeit einer kurativen Behandlung als aussichtslos betrachtet, kommt ein Anspruch auf eine alternative Behandlungsmethode allerdings nur dann in Betracht, wenn eine auf Indizien gestützte Aussicht auf einen über die palliative Standardtherapie hinausreichenden Erfolg besteht (BVerfG vom 26.02.2013, 1 BvR 2045/12, juris).
42 
Allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistungen stehen nicht zur Verfügung, wenn solche, bezogen auf das jeweilige konkrete Behandlungsziel iSv § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V, im medizinischen Leistungsspektrum (allgemein) nicht vorhanden sind oder diese für den konkreten Behandlungsfall wegen erheblicher gesundheitlicher Risiken, vor allem scherwiegender Nebenwirkungen, nicht nutzbar sind; relevant für die Beurteilung ist der Zeitpunkt der Behandlung (Noftz in: Hauck/Noftz, SGB, 11/15, § 2 SGB V, Rn 76f mwN).
43 
Wie oben bereits ausgeführt, bestand im Mai 2012 bereits eine palliative Situation. Der Versicherten stand zur Überzeugung des Senats eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende ambulante bzw stationäre palliative Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus bzw bei einem anderen zugelassenen Leistungserbringer zur Verfügung. Schon der Onkologe Dr. N. hat in seiner Stellungnahme gegenüber dem SG angegeben, dass nach dem Auftreten eines Progresses die second-line-Therapie mit den Chemotherapeutika Hycamtin, Gemzar oder Treosulfan die schulmedizinische Alternative darstellt. Auch die Sachverständige Dr. R. beschreibt als Therapie der Wahl eine Monochemotherapie. Diese Leistungen hätte die Versicherte als Sachleistungen erhalten können. Sie wollte diese jedoch wegen der Nebenwirkungen bzgl. der bisherigen Chemo-Therapien nicht in Anspruch nehmen.
44 
Eine palliative Therapie bei unheilbarer Krebserkrankung ist jedoch in verschiedener Form durchaus in zugelassenen Kliniken bzw bei zugelassenen Vertragsärzten möglich. Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, lässt sich aus den Nebenwirkungen bezüglich der anfänglich durchgeführten Therapie nicht auf eine Unzumutbarkeit anderer zugelassener palliativer Behandlungen schließen.
45 
Es ist zwar verständlich, dass die Versicherte in der sehr schwierigen persönlichen Situation die aus ihrer Sicht optimale Versorgung in der Klinik St G. in Anspruch genommen hat. Auch unter grundrechtsorientierter Auslegung ist die Beklagte jedoch nicht verpflichtet, die Kosten für die palliative Therapie mittels einer Hyperthermie-Therapie mit low dose Chemotherapie in der Klinik St G. zu erstatten.
46 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
47 
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Nr 1 und 2 SGG).

Urteilsbesprechung zu Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 24. Jan. 2017 - L 11 KR 2236/15

Urteilsbesprechungen zu Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 24. Jan. 2017 - L 11 KR 2236/15

Referenzen - Gesetze

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160


(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 144


(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 1. bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hier
Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 24. Jan. 2017 - L 11 KR 2236/15 zitiert 20 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160


(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 144


(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 1. bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hier

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 151


(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. (2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerh

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 143


Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 13 Kostenerstattung


(1) Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht. (2) Versicherte können anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Hierüber

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 2 Leistungen


(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. B

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 27 Krankenbehandlung


(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfaßt 1. Ärztliche Behandlung einsc

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 39 Krankenhausbehandlung


(1) Die Krankenhausbehandlung wird vollstationär, stationsäquivalent, tagesstationär, teilstationär, vor- und nachstationär sowie ambulant erbracht; sie umfasst auch Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der Gemeinsame Bundesausschuss bish

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 12 Wirtschaftlichkeitsgebot


(1) Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungs

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 135 Bewertung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden


(1) Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürfen in der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Abs.

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 108 Zugelassene Krankenhäuser


Die Krankenkassen dürfen Krankenhausbehandlung nur durch folgende Krankenhäuser (zugelassene Krankenhäuser) erbringen lassen: 1. Krankenhäuser, die nach den landesrechtlichen Vorschriften als Hochschulklinik anerkannt sind,2. Krankenhäuser, die in de

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 106


(1) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende Angaben tatsächlicher Art ergänzt sowie alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlich

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 137c Bewertung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden im Krankenhaus


(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 überprüft auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Absatz 2 Satz 1, des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen, der Deutschen Krankenhausgesellschaft oder eines Bundesverbandes der Krankenhausträger Unte

Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - (Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015) - SGB 1 | § 56 Sonderrechtsnachfolge


(1) Fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen stehen beim Tod des Berechtigten nacheinander 1. dem Ehegatten,1a. dem Lebenspartner,2. den Kindern,3. den Eltern,4. dem Haushaltsführerzu, wenn diese mit dem Berechtigten zur Zeit seines Todes in ein

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 137e Erprobung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden


(1) Gelangt der Gemeinsame Bundesausschuss bei der Prüfung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden nach § 135 oder § 137c zu der Feststellung, dass eine Methode das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, ihr Nutzen aber noch

Referenzen - Urteile

Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 24. Jan. 2017 - L 11 KR 2236/15 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).

Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 24. Jan. 2017 - L 11 KR 2236/15 zitiert 5 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundessozialgericht Urteil, 21. März 2013 - B 3 KR 2/12 R

bei uns veröffentlicht am 21.03.2013

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 27. Januar 2012 wird zurückgewiesen.

Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 26. Feb. 2013 - 1 BvR 2045/12

bei uns veröffentlicht am 26.02.2013

Tenor 1. Der Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 27. August 2012 - L 8 KR 189/12 B ER - verletzt die Beschwerdeführerin in ihren Grundrechten aus Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes

Bundessozialgericht Urteil, 11. Sept. 2012 - B 1 KR 3/12 R

bei uns veröffentlicht am 11.09.2012

Tenor Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. Februar 2011 und der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 26. Juni 2009 sowie die

Bundessozialgericht Urteil, 03. Juli 2012 - B 1 KR 6/11 R

bei uns veröffentlicht am 03.07.2012

Tenor Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 28. April 2011 geändert. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main

Bundessozialgericht Urteil, 01. März 2011 - B 1 KR 7/10 R

bei uns veröffentlicht am 01.03.2011

Tenor Die Revision der Klägerinnen gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 16. Dezember 2009 wird zurückgewiesen.

Referenzen

Die Krankenkassen dürfen Krankenhausbehandlung nur durch folgende Krankenhäuser (zugelassene Krankenhäuser) erbringen lassen:

1.
Krankenhäuser, die nach den landesrechtlichen Vorschriften als Hochschulklinik anerkannt sind,
2.
Krankenhäuser, die in den Krankenhausplan eines Landes aufgenommen sind (Plankrankenhäuser), oder
3.
Krankenhäuser, die einen Versorgungsvertrag mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen abgeschlossen haben.

(1) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende Angaben tatsächlicher Art ergänzt sowie alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(2) Der Vorsitzende hat bereits vor der mündlichen Verhandlung alle Maßnahmen zu treffen, die notwendig sind, um den Rechtsstreit möglichst in einer mündlichen Verhandlung zu erledigen.

(3) Zu diesem Zweck kann er insbesondere

1.
um Mitteilung von Urkunden sowie um Übermittlung elektronischer Dokumente ersuchen,
2.
Krankenpapiere, Aufzeichnungen, Krankengeschichten, Sektions- und Untersuchungsbefunde sowie Röntgenbilder beiziehen,
3.
Auskünfte jeder Art einholen,
4.
Zeugen und Sachverständige in geeigneten Fällen vernehmen oder, auch eidlich, durch den ersuchten Richter vernehmen lassen,
5.
die Einnahme des Augenscheins sowie die Begutachtung durch Sachverständige anordnen und ausführen,
6.
andere beiladen,
7.
einen Termin anberaumen, das persönliche Erscheinen der Beteiligten hierzu anordnen und den Sachverhalt mit diesen erörtern.

(4) Für die Beweisaufnahme gelten die §§ 116, 118 und 119 entsprechend.

Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.

(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

(1) Fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen stehen beim Tod des Berechtigten nacheinander

1.
dem Ehegatten,
1a.
dem Lebenspartner,
2.
den Kindern,
3.
den Eltern,
4.
dem Haushaltsführer
zu, wenn diese mit dem Berechtigten zur Zeit seines Todes in einem gemeinsamen Haushalt gelebt haben oder von ihm wesentlich unterhalten worden sind. Mehreren Personen einer Gruppe stehen die Ansprüche zu gleichen Teilen zu.

(2) Als Kinder im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 2 gelten auch

1.
Stiefkinder und Enkel, die in den Haushalt des Berechtigten aufgenommen sind,
2.
Pflegekinder (Personen, die mit dem Berechtigten durch ein auf längere Dauer angelegtes Pflegeverhältnis mit häuslicher Gemeinschaft wie Kinder mit Eltern verbunden sind),
3.
Geschwister des Berechtigten, die in seinen Haushalt aufgenommen worden sind.

(3) Als Eltern im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 3 gelten auch

1.
sonstige Verwandte der geraden aufsteigenden Linie,
2.
Stiefeltern,
3.
Pflegeeltern (Personen, die den Berechtigten als Pflegekind aufgenommen haben).

(4) Haushaltsführer im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 4 ist derjenige Verwandte oder Verschwägerte, der an Stelle des verstorbenen oder geschiedenen oder an der Führung des Haushalts aus gesundheitlichen Gründen dauernd gehinderten Ehegatten oder Lebenspartners den Haushalt des Berechtigten mindestens ein Jahr lang vor dessen Tod geführt hat und von diesem überwiegend unterhalten worden ist.

(1) Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht.

(2) Versicherte können anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Hierüber haben sie ihre Krankenkasse vor Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis zu setzen. Der Leistungserbringer hat die Versicherten vor Inanspruchnahme der Leistung darüber zu informieren, dass Kosten, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden, von dem Versicherten zu tragen sind. Eine Einschränkung der Wahl auf den Bereich der ärztlichen Versorgung, der zahnärztlichen Versorgung, den stationären Bereich oder auf veranlasste Leistungen ist möglich. Nicht im Vierten Kapitel genannte Leistungserbringer dürfen nur nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse in Anspruch genommen werden. Eine Zustimmung kann erteilt werden, wenn medizinische oder soziale Gründe eine Inanspruchnahme dieser Leistungserbringer rechtfertigen und eine zumindest gleichwertige Versorgung gewährleistet ist. Die Inanspruchnahme von Leistungserbringern nach § 95b Absatz 3 Satz 1 im Wege der Kostenerstattung ist ausgeschlossen. Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie kann dabei Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent in Abzug bringen. Im Falle der Kostenerstattung nach § 129 Absatz 1 Satz 6 sind die der Krankenkasse entgangenen Rabatte nach § 130a Absatz 8 sowie die Mehrkosten im Vergleich zur Abgabe eines Arzneimittels nach § 129 Absatz 1 Satz 3 und 5 zu berücksichtigen; die Abschläge sollen pauschaliert werden. Die Versicherten sind an ihre Wahl der Kostenerstattung mindestens ein Kalendervierteljahr gebunden.

(3) Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem Neunten Buch werden nach § 18 des Neunten Buches erstattet. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen, die durch einen Psychotherapeuten erbracht werden, sind erstattungsfähig, sofern dieser die Voraussetzungen des § 95c erfüllt.

(3a) Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. Wird ein im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenes Gutachterverfahren gemäß § 87 Absatz 1c durchgeführt, hat die Krankenkasse ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden; der Gutachter nimmt innerhalb von vier Wochen Stellung. Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich oder elektronisch mit; für die elektronische Mitteilung gilt § 37 Absatz 2b des Zehnten Buches entsprechend. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet. Die Krankenkasse berichtet dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen jährlich über die Anzahl der Fälle, in denen Fristen nicht eingehalten oder Kostenerstattungen vorgenommen wurden. Für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gelten die §§ 14 bis 24 des Neunten Buches zur Koordinierung der Leistungen und zur Erstattung selbst beschaffter Leistungen.

(4) Versicherte sind berechtigt, auch Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten oder unterliegen auf Grund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung. Es dürfen nur solche Leistungserbringer in Anspruch genommen werden, bei denen die Bedingungen des Zugangs und der Ausübung des Berufes Gegenstand einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft sind oder die im jeweiligen nationalen System der Krankenversicherung des Aufenthaltsstaates zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind. Der Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie hat dabei ausreichende Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent vorzusehen sowie vorgesehene Zuzahlungen in Abzug zu bringen. Ist eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich, kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung auch ganz übernehmen.

(5) Abweichend von Absatz 4 können in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz Krankenhausleistungen nach § 39 nur nach vorheriger Zustimmung durch die Krankenkassen in Anspruch genommen werden. Die Zustimmung darf nur versagt werden, wenn die gleiche oder eine für den Versicherten ebenso wirksame, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit rechtzeitig bei einem Vertragspartner der Krankenkasse im Inland erlangt werden kann.

(6) § 18 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 gilt in den Fällen der Absätze 4 und 5 entsprechend.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfaßt

1.
Ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung,
2.
zahnärztliche Behandlung,
2a.
Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen,
3.
Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln sowie mit digitalen Gesundheitsanwendungen,
4.
häusliche Krankenpflege, außerklinische Intensivpflege und Haushaltshilfe,
5.
Krankenhausbehandlung,
6.
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und ergänzende Leistungen.
Zur Krankenbehandlung gehört auch die palliative Versorgung der Versicherten. Bei der Krankenbehandlung ist den besonderen Bedürfnissen psychisch Kranker Rechnung zu tragen, insbesondere bei der Versorgung mit Heilmitteln und bei der medizinischen Rehabilitation. Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur Herstellung der Zeugungs- oder Empfängnisfähigkeit, wenn diese Fähigkeit nicht vorhanden war oder durch Krankheit oder wegen einer durch Krankheit erforderlichen Sterilisation verlorengegangen war. Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur vertraulichen Spurensicherung am Körper, einschließlich der erforderlichen Dokumentation sowie Laboruntersuchungen und einer ordnungsgemäßen Aufbewahrung der sichergestellten Befunde, bei Hinweisen auf drittverursachte Gesundheitsschäden, die Folge einer Misshandlung, eines sexuellen Missbrauchs, eines sexuellen Übergriffs, einer sexuellen Nötigung oder einer Vergewaltigung sein können.

(1a) Spender von Organen oder Geweben oder von Blut zur Separation von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen (Spender) haben bei einer nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes erfolgenden Spende von Organen oder Geweben oder im Zusammenhang mit einer im Sinne von § 9 des Transfusionsgesetzes erfolgenden Spende zum Zwecke der Übertragung auf Versicherte (Entnahme bei lebenden Spendern) Anspruch auf Leistungen der Krankenbehandlung. Dazu gehören die ambulante und stationäre Behandlung der Spender, die medizinisch erforderliche Vor- und Nachbetreuung, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie die Erstattung des Ausfalls von Arbeitseinkünften als Krankengeld nach § 44a und erforderlicher Fahrkosten; dies gilt auch für Leistungen, die über die Leistungen nach dem Dritten Kapitel dieses Gesetzes, auf die ein Anspruch besteht, hinausgehen, soweit sie vom Versicherungsschutz des Spenders umfasst sind. Zuzahlungen sind von den Spendern nicht zu leisten. Zuständig für Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 ist die Krankenkasse der Empfänger von Organen, Geweben oder Blutstammzellen sowie anderen Blutbestandteilen (Empfänger). Im Zusammenhang mit der Spende von Knochenmark nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes, von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen nach § 9 des Transfusionsgesetzes können die Erstattung der erforderlichen Fahrkosten des Spenders und die Erstattung der Entgeltfortzahlung an den Arbeitgeber nach § 3a Absatz 2 Satz 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes einschließlich der Befugnis zum Erlass der hierzu erforderlichen Verwaltungsakte auf Dritte übertragen werden. Das Nähere kann der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit den für die nationale und internationale Suche nach nichtverwandten Spendern von Blutstammzellen aus Knochenmark oder peripherem Blut maßgeblichen Organisationen vereinbaren. Für die Behandlung von Folgeerkrankungen der Spender ist die Krankenkasse der Spender zuständig, sofern der Leistungsanspruch nicht nach § 11 Absatz 5 ausgeschlossen ist. Ansprüche nach diesem Absatz haben auch nicht gesetzlich krankenversicherte Personen. Die Krankenkasse der Spender ist befugt, die für die Leistungserbringung nach den Sätzen 1 und 2 erforderlichen personenbezogenen Daten an die Krankenkasse oder das private Krankenversicherungsunternehmen der Empfänger zu übermitteln; dies gilt auch für personenbezogene Daten von nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Krankenversicherungspflichtigen. Die nach Satz 9 übermittelten Daten dürfen nur für die Erbringung von Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 verarbeitet werden. Die Datenverarbeitung nach den Sätzen 9 und 10 darf nur mit schriftlicher Einwilligung der Spender, der eine umfassende Information vorausgegangen ist, erfolgen.

(2) Versicherte, die sich nur vorübergehend im Inland aufhalten, Ausländer, denen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt wurde, sowie

1.
asylsuchende Ausländer, deren Asylverfahren noch nicht unanfechtbar abgeschlossen ist,
2.
Vertriebene im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 und 3 des Bundesvertriebenengesetzes sowie Spätaussiedler im Sinne des § 4 des Bundesvertriebenengesetzes, ihre Ehegatten, Lebenspartner und Abkömmlinge im Sinne des § 7 Abs. 2 des Bundesvertriebenengesetzes haben Anspruch auf Versorgung mit Zahnersatz, wenn sie unmittelbar vor Inanspruchnahme mindestens ein Jahr lang Mitglied einer Krankenkasse (§ 4) oder nach § 10 versichert waren oder wenn die Behandlung aus medizinischen Gründen ausnahmsweise unaufschiebbar ist.

(1) Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht.

(2) Versicherte können anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Hierüber haben sie ihre Krankenkasse vor Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis zu setzen. Der Leistungserbringer hat die Versicherten vor Inanspruchnahme der Leistung darüber zu informieren, dass Kosten, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden, von dem Versicherten zu tragen sind. Eine Einschränkung der Wahl auf den Bereich der ärztlichen Versorgung, der zahnärztlichen Versorgung, den stationären Bereich oder auf veranlasste Leistungen ist möglich. Nicht im Vierten Kapitel genannte Leistungserbringer dürfen nur nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse in Anspruch genommen werden. Eine Zustimmung kann erteilt werden, wenn medizinische oder soziale Gründe eine Inanspruchnahme dieser Leistungserbringer rechtfertigen und eine zumindest gleichwertige Versorgung gewährleistet ist. Die Inanspruchnahme von Leistungserbringern nach § 95b Absatz 3 Satz 1 im Wege der Kostenerstattung ist ausgeschlossen. Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie kann dabei Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent in Abzug bringen. Im Falle der Kostenerstattung nach § 129 Absatz 1 Satz 6 sind die der Krankenkasse entgangenen Rabatte nach § 130a Absatz 8 sowie die Mehrkosten im Vergleich zur Abgabe eines Arzneimittels nach § 129 Absatz 1 Satz 3 und 5 zu berücksichtigen; die Abschläge sollen pauschaliert werden. Die Versicherten sind an ihre Wahl der Kostenerstattung mindestens ein Kalendervierteljahr gebunden.

(3) Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem Neunten Buch werden nach § 18 des Neunten Buches erstattet. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen, die durch einen Psychotherapeuten erbracht werden, sind erstattungsfähig, sofern dieser die Voraussetzungen des § 95c erfüllt.

(3a) Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. Wird ein im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenes Gutachterverfahren gemäß § 87 Absatz 1c durchgeführt, hat die Krankenkasse ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden; der Gutachter nimmt innerhalb von vier Wochen Stellung. Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich oder elektronisch mit; für die elektronische Mitteilung gilt § 37 Absatz 2b des Zehnten Buches entsprechend. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet. Die Krankenkasse berichtet dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen jährlich über die Anzahl der Fälle, in denen Fristen nicht eingehalten oder Kostenerstattungen vorgenommen wurden. Für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gelten die §§ 14 bis 24 des Neunten Buches zur Koordinierung der Leistungen und zur Erstattung selbst beschaffter Leistungen.

(4) Versicherte sind berechtigt, auch Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten oder unterliegen auf Grund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung. Es dürfen nur solche Leistungserbringer in Anspruch genommen werden, bei denen die Bedingungen des Zugangs und der Ausübung des Berufes Gegenstand einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft sind oder die im jeweiligen nationalen System der Krankenversicherung des Aufenthaltsstaates zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind. Der Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie hat dabei ausreichende Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent vorzusehen sowie vorgesehene Zuzahlungen in Abzug zu bringen. Ist eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich, kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung auch ganz übernehmen.

(5) Abweichend von Absatz 4 können in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz Krankenhausleistungen nach § 39 nur nach vorheriger Zustimmung durch die Krankenkassen in Anspruch genommen werden. Die Zustimmung darf nur versagt werden, wenn die gleiche oder eine für den Versicherten ebenso wirksame, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit rechtzeitig bei einem Vertragspartner der Krankenkasse im Inland erlangt werden kann.

(6) § 18 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 gilt in den Fällen der Absätze 4 und 5 entsprechend.

(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlossen. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen.

(1a) Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, können auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die Krankenkasse erteilt für Leistungen nach Satz 1 vor Beginn der Behandlung eine Kostenübernahmeerklärung, wenn Versicherte oder behandelnde Leistungserbringer dies beantragen. Mit der Kostenübernahmeerklärung wird die Abrechnungsmöglichkeit der Leistung nach Satz 1 festgestellt.

(2) Die Versicherten erhalten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Neunte Buch nichts Abweichendes vorsehen. Die Leistungen werden auf Antrag durch ein Persönliches Budget erbracht; § 29 des Neunten Buches gilt entsprechend. Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels Verträge mit den Leistungserbringern.

(3) Bei der Auswahl der Leistungserbringer ist ihre Vielfalt zu beachten. Den religiösen Bedürfnissen der Versicherten ist Rechnung zu tragen.

(4) Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherte haben darauf zu achten, daß die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfaßt

1.
Ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung,
2.
zahnärztliche Behandlung,
2a.
Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen,
3.
Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln sowie mit digitalen Gesundheitsanwendungen,
4.
häusliche Krankenpflege, außerklinische Intensivpflege und Haushaltshilfe,
5.
Krankenhausbehandlung,
6.
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und ergänzende Leistungen.
Zur Krankenbehandlung gehört auch die palliative Versorgung der Versicherten. Bei der Krankenbehandlung ist den besonderen Bedürfnissen psychisch Kranker Rechnung zu tragen, insbesondere bei der Versorgung mit Heilmitteln und bei der medizinischen Rehabilitation. Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur Herstellung der Zeugungs- oder Empfängnisfähigkeit, wenn diese Fähigkeit nicht vorhanden war oder durch Krankheit oder wegen einer durch Krankheit erforderlichen Sterilisation verlorengegangen war. Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur vertraulichen Spurensicherung am Körper, einschließlich der erforderlichen Dokumentation sowie Laboruntersuchungen und einer ordnungsgemäßen Aufbewahrung der sichergestellten Befunde, bei Hinweisen auf drittverursachte Gesundheitsschäden, die Folge einer Misshandlung, eines sexuellen Missbrauchs, eines sexuellen Übergriffs, einer sexuellen Nötigung oder einer Vergewaltigung sein können.

(1a) Spender von Organen oder Geweben oder von Blut zur Separation von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen (Spender) haben bei einer nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes erfolgenden Spende von Organen oder Geweben oder im Zusammenhang mit einer im Sinne von § 9 des Transfusionsgesetzes erfolgenden Spende zum Zwecke der Übertragung auf Versicherte (Entnahme bei lebenden Spendern) Anspruch auf Leistungen der Krankenbehandlung. Dazu gehören die ambulante und stationäre Behandlung der Spender, die medizinisch erforderliche Vor- und Nachbetreuung, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie die Erstattung des Ausfalls von Arbeitseinkünften als Krankengeld nach § 44a und erforderlicher Fahrkosten; dies gilt auch für Leistungen, die über die Leistungen nach dem Dritten Kapitel dieses Gesetzes, auf die ein Anspruch besteht, hinausgehen, soweit sie vom Versicherungsschutz des Spenders umfasst sind. Zuzahlungen sind von den Spendern nicht zu leisten. Zuständig für Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 ist die Krankenkasse der Empfänger von Organen, Geweben oder Blutstammzellen sowie anderen Blutbestandteilen (Empfänger). Im Zusammenhang mit der Spende von Knochenmark nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes, von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen nach § 9 des Transfusionsgesetzes können die Erstattung der erforderlichen Fahrkosten des Spenders und die Erstattung der Entgeltfortzahlung an den Arbeitgeber nach § 3a Absatz 2 Satz 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes einschließlich der Befugnis zum Erlass der hierzu erforderlichen Verwaltungsakte auf Dritte übertragen werden. Das Nähere kann der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit den für die nationale und internationale Suche nach nichtverwandten Spendern von Blutstammzellen aus Knochenmark oder peripherem Blut maßgeblichen Organisationen vereinbaren. Für die Behandlung von Folgeerkrankungen der Spender ist die Krankenkasse der Spender zuständig, sofern der Leistungsanspruch nicht nach § 11 Absatz 5 ausgeschlossen ist. Ansprüche nach diesem Absatz haben auch nicht gesetzlich krankenversicherte Personen. Die Krankenkasse der Spender ist befugt, die für die Leistungserbringung nach den Sätzen 1 und 2 erforderlichen personenbezogenen Daten an die Krankenkasse oder das private Krankenversicherungsunternehmen der Empfänger zu übermitteln; dies gilt auch für personenbezogene Daten von nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Krankenversicherungspflichtigen. Die nach Satz 9 übermittelten Daten dürfen nur für die Erbringung von Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 verarbeitet werden. Die Datenverarbeitung nach den Sätzen 9 und 10 darf nur mit schriftlicher Einwilligung der Spender, der eine umfassende Information vorausgegangen ist, erfolgen.

(2) Versicherte, die sich nur vorübergehend im Inland aufhalten, Ausländer, denen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt wurde, sowie

1.
asylsuchende Ausländer, deren Asylverfahren noch nicht unanfechtbar abgeschlossen ist,
2.
Vertriebene im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 und 3 des Bundesvertriebenengesetzes sowie Spätaussiedler im Sinne des § 4 des Bundesvertriebenengesetzes, ihre Ehegatten, Lebenspartner und Abkömmlinge im Sinne des § 7 Abs. 2 des Bundesvertriebenengesetzes haben Anspruch auf Versorgung mit Zahnersatz, wenn sie unmittelbar vor Inanspruchnahme mindestens ein Jahr lang Mitglied einer Krankenkasse (§ 4) oder nach § 10 versichert waren oder wenn die Behandlung aus medizinischen Gründen ausnahmsweise unaufschiebbar ist.

(1) Die Krankenhausbehandlung wird vollstationär, stationsäquivalent, tagesstationär, teilstationär, vor- und nachstationär sowie ambulant erbracht; sie umfasst auch Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der Gemeinsame Bundesausschuss bisher keine Entscheidung nach § 137c Absatz 1 getroffen hat und die das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten. Versicherte haben Anspruch auf vollstationäre, stationsäquivalente oder tagesstationäre Behandlung durch ein nach § 108 zugelassenes Krankenhaus, wenn die Aufnahme oder die Behandlung im häuslichen Umfeld nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Die Krankenhausbehandlung umfaßt im Rahmen des Versorgungsauftrags des Krankenhauses alle Leistungen, die im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinische Versorgung der Versicherten im Krankenhaus notwendig sind, insbesondere ärztliche Behandlung (§ 28 Abs. 1), Krankenpflege, Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, Unterkunft und Verpflegung; die akutstationäre Behandlung umfasst auch die im Einzelfall erforderlichen und zum frühestmöglichen Zeitpunkt einsetzenden Leistungen zur Frührehabilitation. Die stationsäquivalente Behandlung umfasst eine psychiatrische Behandlung im häuslichen Umfeld durch mobile ärztlich geleitete multiprofessionelle Behandlungsteams; die tagesstationäre Behandlung umfasst einen täglich mindestens sechsstündigen Aufenthalt der Patientinnen und Patienten im Krankenhaus, währenddessen überwiegend ärztliche oder pflegerische Behandlung erbracht wird, ohne Übernachtung im Krankenhaus. Die stationsäquivalente Behandlung und die tagesstationäre Behandlung entsprechen hinsichtlich der Inhalte sowie der Flexibilität und Komplexität der Behandlung einer vollstationären Behandlung. Zur Krankenhausbehandlung gehört auch eine qualifizierte ärztliche Einschätzung des Beatmungsstatus im Laufe der Behandlung und vor der Verlegung oder Entlassung von Beatmungspatienten.

(1a) Die Krankenhausbehandlung umfasst ein Entlassmanagement zur Unterstützung einer sektorenübergreifenden Versorgung der Versicherten beim Übergang in die Versorgung nach Krankenhausbehandlung. § 11 Absatz 4 Satz 4 gilt. Das Krankenhaus kann mit Leistungserbringern nach § 95 Absatz 1 Satz 1 vereinbaren, dass diese Aufgaben des Entlassmanagements wahrnehmen. § 11 des Apothekengesetzes bleibt unberührt. Der Versicherte hat gegenüber der Krankenkasse einen Anspruch auf Unterstützung des Entlassmanagements nach Satz 1; soweit Hilfen durch die Pflegeversicherung in Betracht kommen, kooperieren Kranken- und Pflegekassen miteinander. Das Entlassmanagement umfasst alle Leistungen, die für die Versorgung nach Krankenhausbehandlung erforderlich sind, insbesondere die Leistungen nach den §§ 37b, 38, 39c sowie alle dafür erforderlichen Leistungen nach dem Elften Buch. Das Entlassmanagement umfasst auch die Verordnung einer erforderlichen Anschlussversorgung durch Krankenhausbehandlung in einem anderen Krankenhaus. Soweit dies für die Versorgung des Versicherten unmittelbar nach der Entlassung erforderlich ist, können die Krankenhäuser Leistungen nach § 33a und die in § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 und 12 genannten Leistungen verordnen und die Arbeitsunfähigkeit feststellen; hierfür gelten die Bestimmungen über die vertragsärztliche Versorgung mit der Maßgabe, dass bis zur Verwendung der Arztnummer nach § 293 Absatz 7 Satz 3 Nummer 1 eine im Rahmenvertrag nach Satz 9 erster Halbsatz zu vereinbarende alternative Kennzeichnung zu verwenden ist. Bei der Verordnung von Arzneimitteln können Krankenhäuser eine Packung mit dem kleinsten Packungsgrößenkennzeichen gemäß der Packungsgrößenverordnung verordnen; im Übrigen können die in § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 genannten Leistungen für die Versorgung in einem Zeitraum von bis zu sieben Tagen verordnet und die Arbeitsunfähigkeit festgestellt werden (§ 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 7). Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6, 7 und 12 die weitere Ausgestaltung des Verordnungsrechts nach Satz 7. Die weiteren Einzelheiten zu den Sätzen 1 bis 8, insbesondere zur Zusammenarbeit der Leistungserbringer mit den Krankenkassen, regeln der Spitzenverband Bund der Krankenkassen auch als Spitzenverband Bund der Pflegekassen, die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Deutsche Krankenhausgesellschaft unter Berücksichtigung der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses in einem Rahmenvertrag. Wird der Rahmenvertrag ganz oder teilweise beendet und kommt bis zum Ablauf des Vertrages kein neuer Rahmenvertrag zustande, entscheidet das sektorenübergreifende Schiedsgremium auf Bundesebene gemäß § 89a. Vor Abschluss des Rahmenvertrages ist der für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisation der Apotheker sowie den Vereinigungen der Träger der Pflegeeinrichtungen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Das Entlassmanagement und eine dazu erforderliche Verarbeitung personenbezogener Daten dürfen nur mit Einwilligung und nach vorheriger Information des Versicherten erfolgen. Die Information sowie die Einwilligung müssen schriftlich oder elektronisch erfolgen.

(2) Wählen Versicherte ohne zwingenden Grund ein anderes als ein in der ärztlichen Einweisung genanntes Krankenhaus, können ihnen die Mehrkosten ganz oder teilweise auferlegt werden.

(3) Die Landesverbände der Krankenkassen, die Ersatzkassen und die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See gemeinsam erstellen unter Mitwirkung der Landeskrankenhausgesellschaft und der Kassenärztlichen Vereinigung ein Verzeichnis der Leistungen und Entgelte für die Krankenhausbehandlung in den zugelassenen Krankenhäusern im Land oder in einer Region und passen es der Entwicklung an (Verzeichnis stationärer Leistungen und Entgelte). Dabei sind die Entgelte so zusammenzustellen, daß sie miteinander verglichen werden können. Die Krankenkassen haben darauf hinzuwirken, daß Vertragsärzte und Versicherte das Verzeichnis bei der Verordnung und Inanspruchnahme von Krankenhausbehandlung beachten.

(4) Versicherte, die das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, zahlen vom Beginn der vollstationären Krankenhausbehandlung an innerhalb eines Kalenderjahres für längstens 28 Tage den sich nach § 61 Satz 2 ergebenden Betrag je Kalendertag an das Krankenhaus. Die innerhalb des Kalenderjahres bereits an einen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung geleistete Zahlung nach § 32 Abs. 1 Satz 2 des Sechsten Buches sowie die nach § 40 Abs. 6 Satz 1 geleistete Zahlung sind auf die Zahlung nach Satz 1 anzurechnen.

(5) (weggefallen)

(1) Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht.

(2) Versicherte können anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Hierüber haben sie ihre Krankenkasse vor Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis zu setzen. Der Leistungserbringer hat die Versicherten vor Inanspruchnahme der Leistung darüber zu informieren, dass Kosten, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden, von dem Versicherten zu tragen sind. Eine Einschränkung der Wahl auf den Bereich der ärztlichen Versorgung, der zahnärztlichen Versorgung, den stationären Bereich oder auf veranlasste Leistungen ist möglich. Nicht im Vierten Kapitel genannte Leistungserbringer dürfen nur nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse in Anspruch genommen werden. Eine Zustimmung kann erteilt werden, wenn medizinische oder soziale Gründe eine Inanspruchnahme dieser Leistungserbringer rechtfertigen und eine zumindest gleichwertige Versorgung gewährleistet ist. Die Inanspruchnahme von Leistungserbringern nach § 95b Absatz 3 Satz 1 im Wege der Kostenerstattung ist ausgeschlossen. Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie kann dabei Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent in Abzug bringen. Im Falle der Kostenerstattung nach § 129 Absatz 1 Satz 6 sind die der Krankenkasse entgangenen Rabatte nach § 130a Absatz 8 sowie die Mehrkosten im Vergleich zur Abgabe eines Arzneimittels nach § 129 Absatz 1 Satz 3 und 5 zu berücksichtigen; die Abschläge sollen pauschaliert werden. Die Versicherten sind an ihre Wahl der Kostenerstattung mindestens ein Kalendervierteljahr gebunden.

(3) Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem Neunten Buch werden nach § 18 des Neunten Buches erstattet. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen, die durch einen Psychotherapeuten erbracht werden, sind erstattungsfähig, sofern dieser die Voraussetzungen des § 95c erfüllt.

(3a) Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. Wird ein im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenes Gutachterverfahren gemäß § 87 Absatz 1c durchgeführt, hat die Krankenkasse ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden; der Gutachter nimmt innerhalb von vier Wochen Stellung. Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich oder elektronisch mit; für die elektronische Mitteilung gilt § 37 Absatz 2b des Zehnten Buches entsprechend. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet. Die Krankenkasse berichtet dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen jährlich über die Anzahl der Fälle, in denen Fristen nicht eingehalten oder Kostenerstattungen vorgenommen wurden. Für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gelten die §§ 14 bis 24 des Neunten Buches zur Koordinierung der Leistungen und zur Erstattung selbst beschaffter Leistungen.

(4) Versicherte sind berechtigt, auch Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten oder unterliegen auf Grund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung. Es dürfen nur solche Leistungserbringer in Anspruch genommen werden, bei denen die Bedingungen des Zugangs und der Ausübung des Berufes Gegenstand einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft sind oder die im jeweiligen nationalen System der Krankenversicherung des Aufenthaltsstaates zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind. Der Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie hat dabei ausreichende Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent vorzusehen sowie vorgesehene Zuzahlungen in Abzug zu bringen. Ist eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich, kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung auch ganz übernehmen.

(5) Abweichend von Absatz 4 können in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz Krankenhausleistungen nach § 39 nur nach vorheriger Zustimmung durch die Krankenkassen in Anspruch genommen werden. Die Zustimmung darf nur versagt werden, wenn die gleiche oder eine für den Versicherten ebenso wirksame, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit rechtzeitig bei einem Vertragspartner der Krankenkasse im Inland erlangt werden kann.

(6) § 18 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 gilt in den Fällen der Absätze 4 und 5 entsprechend.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 28. April 2011 geändert. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 17. November 2008 wird in vollem Umfang zurückgewiesen.

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 28. April 2011 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren und im Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten für ambulante transarterielle Chemoperfusionen und eine Laserinduzierte Interstitielle Thermotherapie (LITT).

2

Der Kläger war Ehemann und ist Erbe der 1927 geborenen und am 24.3.2008 verstorbenen Dr. K. M. (im Folgenden: Versicherte). Er lebte zur Zeit ihres Todes mit ihr in einem gemeinsamen Haushalt. Die Versicherte, eine ehemalige Zahnärztin, war als Bezieherin einer Regelaltersrente bei der beklagten Krankenkasse (KK) freiwillig versichert. Die Versicherte litt an einem Sigmakarzinom, das sie im Juli 2003 operieren ließ. Kontrolluntersuchungen im Mai und Juni 2005 zeigten einen hepatischen und lymphatischen Progress der Erkrankung. Daraufhin leitete das Krankenhaus N. in F. eine Chemotherapie ein (16.6.2005). Die Versicherte setzte die Behandlung nicht fort. Vertragsarzt Dr. L. überwies sie zur "Chemoembolisation" in das Universitätsklinikum F. zur Mit-/Weiterbehandlung "Leber NPL" (17.6.2005). Chefarzt Prof. Dr. V. war dort mit Einschränkungen ua zur Chemoembolisation ermächtigt (GO-Nr 34286 EBM 2000 plus), nicht aber zur Chemoperfusion (kein Gegenstand des EBM 2000 plus), die er als "lokale Chemotherapie " bezeichnet. Er klärte die Versicherte nach seinen Angaben anlässlich der Untersuchung darüber auf, dass sie die Kosten der beabsichtigten Chemoperfusion selbst tragen müsse, da "derzeit keine Kostenübernahme durch Kassenzulassung" stattfinde. Weiter vereinbarte er mit ihr bei jeder Behandlungseinheit schriftlich private persönliche Beratung und Behandlung. Die Versicherte beantragte bei der Beklagten, die bei Prof. Dr. V./Universitätsklinikum F. anfallenden Kosten zu übernehmen. Prof. Dr. V. werde bereits am 21.6.2005 mit "einer lokalen Chemotherapie beginnen". Diese werde im Abstand von einem Monat noch zweimal wiederholt, damit der Tumor schrumpfe, um ihn dann "mit Laser-Technik zu vernichten" (18./20.6.2005). Die Beklagte antwortete ua, wenn sie eine Privatbehandlungsvereinbarung treffe, habe sie die Mehrkosten zu tragen. Es sei nicht zu erkennen, ob sie eine Privatbehandlung gewählt habe. Der behandelnde Arzt kläre sie vor Behandlungsbeginn hierüber auf. Die Versicherte erhielt ab 21.6.2005 transarterielle Chemoperfusionen sowie später eine LITT. Sie beantragte, die bereits für den 21.6.2005 gezahlten Behandlungs- und Fahrkosten zu übernehmen (17./19.8.2005). Prof. Dr. V. rechne "prinzipiell nur mit den Patienten direkt ab". Die Rechnungen für den 21.6.2005 wie für die beiden Folgetermine umfassen ua neben Positionen für bildgebende Verfahren die GOÄ-Ziffer 5357 - "Embolisation". Die Beklagte lehnte den Antrag ab, da die Chemoperfusion keine vertragsärztliche Leistung sei, nur privat abgerechnet werden könne, die Versicherte hierüber aufgeklärt worden sei und Wahlerklärungen - auch für die folgenden Perfusionen - unterschrieben habe (Bescheid vom 22.9.2005). Mit ihrem Widerspruch trug die Versicherte vor, sie benötige dringend die lebensnotwendigen, als Methode etablierten Chemoperfusionen, die keine Wahlleistung seien, mit anschließender Laser-Therapie. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 16.3.2006). Die Versicherte hat Zahlungsklage erhoben und ihre Erstattungsforderung an den Kläger abgetreten. Das SG hat die Klage abgewiesen: Ambulante Chemoperfusionen seien umstritten und nicht vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) empfohlen. Als Alternative sei eine systemische Chemotherapie möglich gewesen (Urteil vom 17.11.2008).

3

Mit seiner auf Zahlung von 77 700,92 Euro für die Behandlung bis 8.11.2007 nebst Fahrkosten gerichteten Berufung hat der Kläger vorgetragen, Prof. Dr. V. habe nicht darüber aufgeklärt, dass die Chemoperfusion eine Privatleistung sei, "die meine Frau dann unterschrieben habe". Das LSG hat die Beklagte - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen - verurteilt, 18 708,87 Euro zu zahlen, Kosten für die vom 21.6. bis 13.9.2005 durchgeführten transarteriellen Chemoperfusionen und für die Fahrten zum Universitätsklinikum. Die Art der Rechtsnachfolge des Klägers sei unerheblich. Die Versicherte habe sich trotz der ihr abgerungenen Unterzeichnung privatärztlicher Behandlungsverträge bis zum Erlass des Bescheides vom 22.9.2005 in dem Glauben befunden, sie erhalte eine Chemoembolisation. Darin liege ein Systemversagen, das zur Kostenerstattung zwinge. Es sei nicht gewährleistet, dass die Zivilgerichte der Beurteilung der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit folgten. Nach Bescheiderlass habe die Versicherte nicht mehr geirrt. Auf die weitere erbrachte Behandlung bei Prof. Dr. V. habe sie keinen Naturalleistungsanspruch gehabt, da die Leistungen nicht zur ambulanten Behandlung zugelassen gewesen seien und eine systemische Chemotherapie als zugelassene Alternative zur Verfügung gestanden habe (Urteil vom 28.4.2011).

4

Der Kläger rügt zur Begründung seiner Revision sinngemäß die Verletzung des § 13 Abs 3 S 1 SGB V und ausdrücklich mangelnde Sachaufklärung. Das LSG hätte Vertrauensschutz gewähren und klären müssen, dass nach Zugang des Bescheides vom 22.9.2005 ein Wechsel zu einer systemischen Chemotherapie noch zumutbar gewesen sei.

5

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 28. April 2011 zu ändern, das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt vom 17. November 2008 sowie den Bescheid vom 22. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. März 2006 in vollem Umfang aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm über die zuerkannten 18 708,87 Euro hinaus weitere 58 992,05 Euro zu zahlen,
hilfsweise,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 28. April 2011 zu ändern, soweit es die Berufung des Klägers zurückgewiesen hat, und insoweit die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen,
sowie
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 28. April 2011 zu ändern und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt vom 17. November 2008 in vollem Umfang zurückzuweisen.

7

Sie rügt zur Begründung ihrer Revision die Verletzung des § 13 Abs 3 S 1 SGB V und sinngemäß, das LSG habe das Gesamtergebnis des Verfahrens nicht hinreichend beachtet. Mangels Naturalleistungsanspruchs im Zeitpunkt der Behandlung bestehe kein Anspruch auf Kostenerstattung.

8

Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision der beklagten KK ist begründet; die zulässige Revision des Klägers ist dagegen unbegründet. Das LSG-Urteil ist zu ändern und die Berufung des Klägers gegen das SG-Urteil ist in vollem Umfang zurückzuweisen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten der Behandlung der Versicherten vom 21.6.2005 bis 8.11.2007 aus § 13 Abs 3 S 1 SGB V(idF des Art 5 Nr 7 Buchst b SGB IX, Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 19.6.2001, BGBl I 1046). Obwohl die Versicherte ihren Anspruch auf Kostenerstattung nach § 13 Abs 3 S 1 SGB V während des Klageverfahrens an den Kläger abgetreten hat, blieb sie zunächst allein berechtigt, prozessual die Feststellung dieses Anspruchs zu betreiben(vgl entsprechend BSGE 97, 6 = SozR 4-2500 § 13 Nr 9, RdNr 11 ff und LS 1 mwN). Der Kläger handelte sinngemäß zunächst für die Versicherte. Er ist seit dem Tod der Versicherten als ihr Sonderrechtsnachfolger, nicht aber als Erbe prozessführungsbefugt (zum Begriff vgl BSGE 107, 18 = SozR 4-7837 § 2 Nr 6, RdNr 15 mwN), den Kostenerstattungsanspruch der Versicherten gerichtlich geltend zu machen (dazu 1.). Der Versicherten stand aber kein Zahlungsanspruch zu, da die Voraussetzungen des Kostenerstattungsanspruchs nicht erfüllt sind. Die Versicherte hatte nämlich gegen die Beklagte keinen Anspruch auf die durchgeführte Krankenbehandlung (dazu 2.). Der abweichenden LSG-Auffassung ist nicht zu folgen (dazu 3.).

10

1. Der Kläger ist prozessführungsbefugt, weil er Sonderrechtsnachfolger der Versicherten hinsichtlich des geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs aus § 13 Abs 3 S 1 SGB V ist. Das folgt aus § 56 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB I. Danach stehen beim Tode des Berechtigten fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen an erster Stelle dem Ehegatten zu, wenn dieser mit der Berechtigten zur Zeit ihres Todes in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat. So lag es beim Kläger. Bei dem geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch handelt es sich auch um einen fälligen Anspruch auf laufende Geldleistungen. Nach der Rechtsprechung des Senats ist der Kostenerstattungsanspruch auf Geldleistungen gerichtet (vgl BSGE 97, 6 = SozR 4-2500 § 13 Nr 9, RdNr 13 mwN). Bestand ein Kostenerstattungsanspruch, war er mit seinem Entstehen fällig (§ 41 SGB I).

11

Der Kostenerstattungsanspruch ist im Rechtssinne auf "laufende" Geldleistungen jedenfalls dann gerichtet, wenn er - wie vorliegend - über mehrere Zeitabschnitte selbst beschaffte Leistungen betrifft. § 56 SGB I ist in diesem Sinne bei Todesfällen in der Zeit ab dem 2.1.2002 auszulegen. Die Regelung ist einer weiten Auslegung zugänglich. Sie kann sogar als Basis einer Analogie dienen (vgl dazu BSG SozR 1500 § 75 Nr 44 S 48). Den Begriff der laufenden Geldleistungen, dem der Begriff der "einmaligen" Geldleistung gegenübersteht, definiert das Gesetz nicht. Nach den Gesetzesmaterialien (Entwurf der Bundesregierung zum SGB I, BT-Drucks 7/868 S 31 zu § 48)handelt es sich um Leistungen, die regelmäßig wiederkehrend für bestimmte Zeitabschnitte gezahlt werden; sie verlieren ihren Charakter nicht dadurch, dass sie verspätet oder als zusammenfassende Zahlung für mehrere Zeitabschnitte geleistet werden. Das kommt auch für die Kostenerstattungsansprüche nach dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bei Systemmangel in Betracht (§ 13 Abs 3 S 1 SGB V; § 15 Abs 1 SGB IX). Sie knüpfen daran an, dass der Berechtigte regelmäßig zu einer Vorfinanzierung für mehrere Zeitabschnitte gezwungen ist (vgl BSGE 97, 6 = SozR 4-2500 § 13 Nr 9, RdNr 13 mwN). Dem Zweck der Sonderrechtsnachfolge in § 56 SGB I wird es in besonderem Maße gerecht, solche Kostenerstattungsansprüche als Ansprüche auf laufende Geldleistungen anzusehen. Es beschränkt in aller Regel die Lebensführung nicht nur des Leistungsberechtigten, sondern aller Familienangehörigen, die mit ihm in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn Ansprüche auf laufende Geldleistung nicht rechtzeitig erfüllt werden (vgl Entwurf der Bundesregierung, BT-Drucks 7/868 S 33 zu den §§ 56 bis 59). Das gilt in gleicher Weise regelmäßig für die Fälle, in denen die KK ihre Pflicht zur Naturalleistungsgewährung (§ 2 Abs 2 und § 13 Abs 1 SGB V) nicht erfüllt, der Versicherte sich deshalb die zu beanspruchenden Leistungen selbst beschafft, vorfinanziert und später die Kostenerstattung von der KK erstreitet. Um die dadurch entstandene Benachteiligung auszugleichen, sieht § 56 SGB I in Abweichung vom Erbrecht, aber in Übereinstimmung mit Vorschriften des bis zum Inkrafttreten des SGB I geltenden Rechts und mit der Funktion solcher Leistungen eine Sonderrechtsnachfolge vor. Der Schutzbedarf der durch die Vorschriften der Sonderrechtsnachfolge erfassten Personen hat zwischenzeitlich noch dadurch zugenommen, dass § 183 S 1 SGG(hier idF durch Art 1 Nr 61 des Sechsten SGG-Änderungsgesetzes <6. SGGÄndG> vom 17.8.2001, BGBl I 2144) seit dem 2.1.2002 allein Sonderrechtsnachfolger hinsichtlich der Gerichtskosten privilegiert, während sonstige Rechtsnachfolger nach § 183 S 2 SGG Kostenfreiheit nur in dem Rechtszug haben können, indem sie das Verfahren aufnehmen(vgl zum Ganzen BSGE 97, 112 = SozR 4-2500 § 31 Nr 5, RdNr 11 - Ilomedin).

12

Der Vorbehalt abweichender Regelungen (§ 37 SGB I; vgl BSGE 97, 6 = SozR 4-2500 § 13 Nr 9, RdNr 17)steht dem Auslegungsergebnis nicht entgegen. Allerdings hatte das vor Inkrafttreten des SGB I geltende Recht der RVO für die GKV - anders als für das Recht der gesetzlichen Unfall- und Rentenversicherung (vgl hierzu § 630 und § 1288 RVO, dementsprechend § 65 Angestelltenversicherungsgesetz und § 88 Reichsknappschaftsgesetz) - keine Regelung zur Sonderrechtsnachfolge enthalten. Deshalb nahm auch die Rechtsprechung des BSG zum alten Rechtszustand an, der galt, wenn ein Sozialleistungsberechtigter vor dem Inkrafttreten des SGB I (1.1.1976) gestorben war (vgl Art II § 19 SGB I idF vom 11.12.1975, BGBl I 3015), dass ein Erstattungsanspruch im Wege der Rechtsnachfolge auf die Erben übergeht (vgl BSG Urteil vom 10.10.1978 - 3 RK 11/78 - USK 78126). Die bewusst umfassend getroffene Regelung des § 56 SGB I erfasst dagegen auch das Recht der GKV. Die Besonderheiten dieses Rechtsgebiets erfordern es nicht, Kostenerstattungsansprüche von der Sonderrechtsnachfolge nach dem SGB I auszuschließen. Besondere Überlegungen, die im Recht der Sozialhilfe für den Ausschluss der Sonderrechtsnachfolge oder Modifikationen in Betracht kommen (vgl dazu BVerwGE 96, 18, 22 ff = Buchholz 435.11 § 58 SGB I Nr 2; BSG SozR 4-3500 § 19 Nr 3, RdNr 16 ff mwN, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen), greifen insoweit für den Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 S 1 SGB V und § 15 Abs 1 SGB IX nicht durch.

13

Der vorliegende Fall unterscheidet sich durch den Tod der Versicherten in der Zeit ab dem 2.1.2002, dem Tag des Inkrafttretens des 6. SGGÄndG, auch wesentlich von jenem, der dem Urteil des 9. Senats des BSG vom 10.12.2003 (vgl BSGE 92, 42 = SozR 4-3100 § 35 Nr 3)zugrunde lag. Jener Rechtsstreit betraf die Erstattung von bis zum Tode des Berechtigten im Jahr 1999 verauslagten Aufwendungen entsprechend § 18 Abs 3 und 4 Bundesversorgungsgesetz (BVG) mit Blick auf Heimpflege nach § 35 Abs 6 BVG. Er war schon vor Inkrafttreten des 6. SGGÄndG rechtshängig geworden, sodass nach dem Übergangsrecht (Art 17 Abs 1 S 2 6. SGGÄndG) noch altes Kostenrecht anzuwenden war.

14

Der erkennende Senat kann diese Rechtsprechung fortführen (vgl grundlegend BSGE 97, 112 = SozR 4-2500 § 31 Nr 5 - Ilomedin), ohne den Großen Senat anrufen zu müssen. Denn der 3. Senat des BSG hat seine entgegenstehende, abweichende Rechtsauffassung aus den Urteilen vom 3.8.2006 und vom 25.8.2009 (vgl BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 10, RdNr 15; BSG SozR 4-2500 § 37 Nr 10 RdNr 11)auf Anfrage des erkennenden Senats (BSG Beschluss vom 8.11.2011 - B 1 KR 6/11 R) aufgegeben (BSG Beschluss vom 15.3.2012 - B 3 KR 2/11 S).

15

2. Die Voraussetzungen des geltend gemachten - hier allein in Betracht kommenden - Kostenerstattungsanspruchs nach § 13 Abs 3 S 1 SGB V sind nicht erfüllt. Die Rechtsnorm bestimmt: "Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war". Der Anspruch aus § 13 Abs 3 S 1 Fall 1 und 2 SGB V reicht nicht weiter als ein entsprechender Naturalleistungsanspruch des Versicherten gegen seine KK. Er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die KKn allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (stRspr, vgl zB BSG Urteil vom 8.11.2011 - B 1 KR 20/10 R - juris RdNr 8 - Leucinose, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen; BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, RdNr 13 - Lorenzos Öl; BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 11 mwN - LITT). Daran fehlt es.

16

Nach den insoweit unangegriffenen und damit den erkennenden Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) hatte die Versicherte keinen Anspruch auf eine ambulante Behandlung mit Chemoperfusionen und LITT gegen die Beklagte. Die Beklagte war zwar nach § 27 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB V zur Gewährung ärztlicher Behandlung der Versicherten verpflichtet. Der Behandlungs- und Versorgungsanspruch eines Versicherten unterliegt allerdings den sich aus § 2 Abs 1 und § 12 Abs 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Er umfasst folglich nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Die KKn sind nicht bereits dann leistungspflichtig, wenn die streitige Therapie - wie im vorliegenden Fall - nach eigener Einschätzung der Versicherten oder des behandelnden Arztes positiv verlaufen ist oder einzelne Ärzte die Therapie befürwortet haben. Vielmehr muss die betreffende Therapie rechtlich von der Leistungspflicht der GKV umfasst sein. Dies ist bei - wie hier - neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 135 Abs 1 S 1 SGB V nur dann der Fall, wenn der GBA in Richtlinien nach § 92 Abs 1 S 2 Nr 5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat. Durch Richtlinien nach § 92 Abs 1 S 2 Nr 5 iVm § 135 Abs 1 SGB V wird nämlich nicht nur geregelt, unter welchen Voraussetzungen die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer (Ärzte, Zahnärzte usw) neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu Lasten der KKn erbringen und abrechnen dürfen. Vielmehr wird durch diese Richtlinien auch der Umfang der den Versicherten von den KKn geschuldeten ambulanten Leistungen verbindlich festgelegt (vgl BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 12 - LITT, stRspr). Es fehlte zur Zeit der Behandlung der Versicherten an einer Empfehlung des GBA für eine ambulante Behandlung mit Chemoperfusionen und LITT.

17

Ein Ausnahmefall, in dem es keiner positiven Empfehlung des GBA bedarf, liegt nicht vor (vgl hierzu zB BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 16 RdNr 12 - ICL). Für ein Systemversagen wegen verzögerter Bearbeitung eines Antrags auf Empfehlung einer neuen Methode ist weder etwas vorgetragen noch sonst ersichtlich (vgl dazu BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 17 ff mwN - LITT; § 135 Abs 1 S 4 und 5 SGB V idF des Art 1 Nr 105 Buchst b des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung - GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - vom 26.3.2007, BGBl I 378). Auch die Voraussetzungen für eine grundrechtsorientierte Auslegung sind nicht erfüllt (vgl hierzu zB BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5; BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 21 und 29 ff mwN - Tomudex; BSGE 96, 153 = SozR 4-2500 § 27 Nr 7, RdNr 31 - 32 - D-Ribose; BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 20 ff mwN - LITT; BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, RdNr 32 - Lorenzos Öl; ab 1.1.2012 § 2 Abs 1a SGB V). Es stand nämlich für die Versicherte im maßgeblichen Zeitpunkt Juni 2005 zu Beginn der Behandlung (vgl hierzu zB BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 28, 33 - LITT) mit der systemischen Chemotherapie eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlung zur Verfügung (vgl hierzu zB BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 21 - LITT; BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 31 - Tomudex). Entgegen der Auffassung des Klägers stellt sich die Frage nach einem zumutbaren Wechsel von der transarteriellen Chemoperfusion zur systemischen Chemotherapie zu einem späteren Zeitpunkt nicht.

18

3. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz ist es für den Erstattungsanspruch aus § 13 Abs 3 S 1 SGB V unerheblich, dass - wovon das LSG ausgeht, was aber die Beklagte angegriffen hat - Prof. Dr. V. angeblich die Versicherte nicht über die Verabreichung von Chemoperfusionen aufgeklärt hat, sodass sie von einer Chemoembolisation ausging. Es bedarf deshalb keiner Vertiefung, ob die Beklagte mit ihrem Vorbringen noch hinreichend sinngemäß als Verfahrensverstoß gerügt hat, dass das LSG bei seiner Annahme das Gesamtergebnis des Verfahrens nicht ausreichend und umfassend berücksichtigt hat (vgl dazu BSG SozR Nr 56 zu § 128 SGG; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012 § 128 RdNr 13 mwN) und dass das LSG mit diesem Verfahrensverstoß die Grenzen der freien Beweiswürdigung überschritten hat. Hierfür spricht allerdings, dass es nicht darauf eingegangen ist, dass nach den vom LSG in Bezug genommenen Akteninhalt die Versicherte durch ihren Ehegatten schon am 18.6.2005, nach der Erstuntersuchung bei Prof. Dr. V. am 17.6.2005, Kostenerstattung für eine "lokale Chemotherapie" beantragte - so bezeichnet Prof. Dr. V. die Chemoperfusion; dass die Nachfrage der Beklagten im Sekretariat von Prof. Dr. V. ergab, dass die Versicherte über die nur privat abzurechnende Chemoperfusionen aufgeklärt wurde und entsprechende Wahlerklärungen unterschrieb; dass die Versicherte auf die Wiedergabe dieses Sachverhalts in ihrem Widerspruch nicht etwa überrascht reagierte, sondern ausführte, sie benötige dringend "die lebensnotwendige Chemoperfusion mit anschließender Laser-Therapie. Zu dieser Therapie gibt es keine Alternative"; dass Prof. Dr. V. selbst gegenüber dem SG angab, die Chemoperfusion habe er der Versicherten privat in Rechnung gestellt, weil "derzeit keine Kostenübernahme durch Kassenzulassung" erfolge, er habe mit der Versicherten eine private Kostenvereinbarung getroffen und ihr vor der Behandlung mit Chemoperfusion die Auskunft erteilt, dass die Kosten selbst getragen werden müssten; schließlich dass der Kläger dem bei Kenntnisnahme während des Klageverfahrens nicht etwa sofort widersprach, sondern die unmittelbar daneben aufgeführte Angabe von Prof. Dr. V. im gleichen Schreiben als entscheidend ansah, die Chemoembolisation wäre zu gefährlich gewesen.

19

Auch wenn man in Widerspruch zum Akteninhalt zugunsten des Klägers unterstellt, der hierzu nicht vom LSG persönlich angehörte Prof. Dr. V. habe die Versicherte nicht darüber aufgeklärt, Chemoperfusionen zu verabreichen, begründet dies entgegen der Auffassung des LSG kein "Systemversagen", welches das Erfordernis des Bestehens eines Primäranspruchs entfallen lässt und zur Kostenerstattung nach § 13 Abs 3 S 1 SGB V führt. Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Regelungssystem und -zweck des § 13 Abs 3 S 1 SGB V geben für die Rechtsauffassung des LSG nichts her, Versicherten seien bei unterlassener ärztlicher Aufklärung über eine durchgeführte, nicht zu Lasten der GKV zu beanspruchende Behandlung Kosten zu erstatten. Schon der Wortlaut der abschließenden Regelung (vgl dazu BSGE 99, 180 = SozR 4-2500 § 13 Nr 15, RdNr 19 mwN)des § 13 Abs 3 S 1 SGB V knüpft an die Voraussetzung an, dass die KK "eine … Leistung" nicht rechtzeitig erbringen konnte oder zu Unrecht ablehnte, sie zu erbringen. Dreh- und Angelpunkt des Anspruchs ist die dem Versicherten geschuldete Leistung, hier also die Krankenbehandlung. Die Gesetzesmaterialien belegen Gleiches. Danach ersetzt die Vorschrift den Sachleistungsanspruch durch einen Kostenerstattungsanspruch, wenn die KK eine Leistung wegen ihrer Dringlichkeit … nicht mehr rechtzeitig erbringen konnte oder zu Unrecht abgelehnt hat. In anderen Fällen selbstbeschaffter Leistungen besteht keine Leistungspflicht der KK (vgl insgesamt Entwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP eines Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen , BT-Drucks 11/2237 S 164, zu § 13 Abs 2). Sowohl § 13 Abs 3 S 1 Fall 1 SGB V als auch § 13 Abs 3 S 1 Fall 2 SGB V knüpfen zwingend an die von der KK geschuldete, aber rechtswidrig nicht erbrachte Leistung an(vgl zum Ganzen zB BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 20 RdNr 25; Brandts in Kasseler Komm, Stand April 2012, § 13 SGB V RdNr 52 ff; E. Hauck in Horst Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Teil II, Bd 1, Stand September 2011, § 13 SGB V RdNr 233 ff mwN). Das Regelungssystem des SGB V begründet Ansprüche auf Krankenbehandlung (§ 27 Abs 1 SGB V)unter Beachtung des Qualitätsgebots (§ 2 Abs 1 S 3 SGB V) grundsätzlich nach objektiven Kriterien (vgl beispielhaft für den Anspruch auf Krankenhausbehandlung BSGE 99, 111 = SozR 4-2500 § 39 Nr 10, RdNr 30 f; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 20 RdNr 19 ff mwN; Hauck, NZS 2007, 461 ff). Besteht die Möglichkeit, verschiedene Wege zu gehen, sind diese krankenversicherungsrechtlich auf ihre Eignung, Erforderlichkeit und Wirtschaftlichkeit hin zu überprüfen (§ 12 Abs 1 SGB V). Nur wenn mehrere verschiedene in Betracht kommende Maßnahmen ärztlichen Handelns diesen Anforderungen genügen, hat der versicherte Patient auch hierüber aufgeklärt zu werden und die Auswahl zu treffen (vgl BSG Beschluss vom 7.11.2006 - B 1 KR 32/04 R - GesR 2007, 276 RdNr 54). Dieses Regelungssystem sichert die Gleichbehandlung der Versicherten (Art 3 Abs 1 GG) und richtet die Leistungen am Gesichtspunkt der Qualität und Wirtschaftlichkeit aus. Es vermeidet, den Anspruch Versicherter von dem in dieser Hinsicht ungeeigneten Maßstab ärztlicher Pflichtverletzungen abhängig zu machen, wie es bei der Rechtsauffassung des LSG der Fall wäre.

20

Entgegen der Ansicht des LSG entstehen infolge der Regelung des Gesetzgebers keine Rechtsschutzdefizite zu Lasten der Versicherten. Erhalten Versicherte eine GKV-Leistung, müssen sie grundsätzlich hierfür abgesehen von der Zuzahlung nicht zahlen. Zahlen sie dennoch, können sie das Gezahlte im Zivilrechtsweg zurückfordern. Ihre Leistung erfolgte ohne Rechtsgrund, die Versicherten können zudem vom Leistungserbringer, etwa vom Arzt, Schadensersatz fordern (§ 76 Abs 4 SGB V). Deutet sich ein solcher Sachverhalt erst im Rechtsstreit der Sozialgerichtsbarkeit über Kostenerstattung an, kann der Versicherte nach dem SGG zwar nicht dem betroffenen Arzt den Streit verkünden. Das Gericht kann ihn aber - funktional gleichwertig - beiladen, um eine Bindungswirkung seiner Entscheidung zu erreichen (vgl dazu BSGE 40, 130, 132 = SozR 1750 § 41 Nr 1; zur rechtswegübergreifenden Interventionswirkung vgl auch BSGE 109, 133 = SozR 4-1750 § 68 Nr 1).

21

§ 13 Abs 3 S 1 SGB V ist für einen solchen Fall nicht gedacht. Kosten im Sinne des § 13 Abs 3 S 1 SGB V sind dem Versicherten in einem solchen Fall nicht dadurch "entstanden", dass seine KK eine Leistung rechtswidrig abgelehnt hat oder eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte. Seine KK kann ihn bei der Rückforderung unterstützen (vgl § 66 SGB V), hat aber nicht die Aufgabe, für solche ärztlichen Pflichtverletzungen nach § 13 Abs 3 S 1 SGB V einzustehen.

22

Die Regelung des § 13 Abs 3 S 1 SGB V will vielmehr Versicherten einerseits die Möglichkeit eröffnen, sich eine von der KK geschuldete, aber als Naturalleistung nicht erhältliche Behandlung selbst zu beschaffen, andererseits jedoch die Befolgung des Naturalleistungsgrundsatzes dadurch absichern, dass eine Kostenerstattung nur erfolgt, wenn tatsächlich eine Versorgungslücke besteht(vgl BSGE 99, 180 = SozR 4-2500 § 13 Nr 15, RdNr 25). Eine Versorgungslücke besteht nicht, wenn der Versicherte eine GKV-Leistung in Anspruch nehmen kann, aber nicht will. So lag es nach den LSG-Feststellungen hinsichtlich der Chemotherapie für die Versicherte. Will ein Versicherter dagegen eine GKV-Leistung in Anspruch nehmen, weiß er, dass er diese - abgesehen von den gesetzlichen Zuzahlungen - frei von Honorar beanspruchen kann.

23

§ 13 Abs 3 S 1 SGB V garantiert - wie dargelegt - lediglich, dass Versicherte tatsächlich bestehende Versorgungslücken des Naturalleistungssystems in den gesetzlich bestimmten Fällen zu Lasten der KKn beseitigen können, indem sie sich die geschuldete Leistung selbst verschaffen. Auch die irrige Annahme eines Versicherten, ihm werde eine GKV-Leistung erbracht, obwohl dies nicht der Fall ist, schafft keine Versorgungslücke. Denn die Fehlvorstellung ändert nicht den Umfang des GKV-Leistungskatalogs: Der Versicherte erhält eine Leistung, die er gerade nicht von der GKV beanspruchen kann. Hat der Leistungserbringer die Fehlvorstellung des Versicherten erzeugt, kann der Versicherte erst recht das Gezahlte nach den oben dargelegten Grundsätzen zurückverlangen. Schließt der zutreffend umfassend aufgeklärte Versicherte dagegen über die Leistung von vornherein eine private Honorarvereinbarung ab, begibt er sich des Schutzes des Naturalleistungssystems. Er ist in diesem Fall nicht schutzwürdig.

24

Verletzt der behandelnde Arzt seine Aufklärungspflichten, kann dies zum Ausschluss eines Vergütungsanspruchs des Arztes führen (vgl BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 35 - LITT; BSG SozR 4-2500 § 116b Nr 1 RdNr 18). Sollte der behandelnde Arzt mit Hilfe einer Honorarvereinbarung versuchen, ihn selbst treffende Risiken auf den Versicherten abzuwälzen, kommt nach der Rechtsprechung des Senats auch eine Nichtigkeit der Vereinbarung nach § 32 SGB I in Betracht(vgl BSGE 97, 6 = SozR 4-2500 § 13 Nr 9, RdNr 26; BSGE 99, 180 = SozR 4-2500 § 13 Nr 15, RdNr 16 f; BSG Urteil vom 18.7.2006 - B 1 KR 9/05 R - USK 2006-79 - juris RdNr 13; vgl auch die Auflistung der verschiedenen Fallgruppen fehlender Zahlungsverpflichtungen bei E. Hauck in Horst Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Teil II, Bd 1, Stand September 2011, § 13 SGB V, RdNr 267 ff).

25

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, weil der Kläger in seiner Eigenschaft als Sonderrechtsnachfolger nach § 56 SGB I klagt.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. Februar 2011 und der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 26. Juni 2009 sowie die Bescheide der Beklagten vom 1. Oktober 2007 und 19. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. September 2008 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die bis zum 11. Februar 2011 aufgewendeten Kosten für den chirurgischen Brustaufbau in Höhe 2792,16 Euro zu erstatten und sie im Übrigen von den weiteren Kosten freizustellen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in allen Rechtszügen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Erstattung und Freistellung von Kosten einer Mamma- Augmentationsplastik (MAP).

2

Die bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte Klägerin wurde 1967 als Mann geboren. Bei ihr besteht eine primäre Mann-zu-Frau-Transsexualität, die 2007 zu einer Änderung des Vornamens nach dem Transsexuellengesetz (TSG) führte (AG Schöneberg Beschluss vom 7.9.2007 - 70 III 59/07). Seit mehr als 15 Jahren wird sie mit weiblichen Hormonen behandelt. 2006/2007 erhielt sie eine operative Gesichtsfeminisierung und zwei Operationen zur Veränderung der Stimmlage zu Lasten der Beklagten. Ihren Antrag, ihr ua eine MAP zu gewähren (17.7.2007), lehnte die Beklagte hingegen ab: Die ebenfalls beantragte medizinisch indizierte Genitaltransformation habe Vorrang. Die Mikromastie als solche sei kein körperlicher Makel. Es sei möglich, dass die Brust nach der Kastration noch wachse (Bescheide vom 1.10.2007 und 19.3.2008, Widerspruchsbescheid vom 22.9.2008). Während des sich anschließenden Klageverfahrens hat sich die Klägerin vom 8. bis 11.10.2008 in der H. für Ästhetische und Plastische Chirurgie eine MAP verschafft (Behandlungs- und Honorarvereinbarung über 5000 Euro; Zahlung auf der Grundlage eines Privatkredits der Deutschen Bank mit einer Laufzeit von 66 Monaten und einem effektiven Jahreszins von 10,99 %, Gesamtbetrag: 6579,62 Euro). Eine Genitaltransformation ist bisher nicht erfolgt. Das SG hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 26.6.2009), das LSG die Berufung zurückgewiesen: Ein Anspruch auf Kostenerstattung scheitere bereits an einem fehlenden konkreten Antrag. Ein Anspruch auf operative Brustvergrößerung könne überdies nur bei Entstellung und als ultima ratio nur bestehen, wenn ein ausreichendes Brustwachstum auf anderem Wege nicht mehr zu erwarten sei (Urteil vom 11.2.2011).

3

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 13 Abs 3 S 1 Alt 2 und § 27 Abs 1 S 1 SGB V. Sie habe Anspruch auf den Aufbau einer weiblichen Brust, ohne auf eine vorherige geschlechtsumwandelnde Operation verwiesen werden zu können. Vor der streitbefangenen Operation habe ihr Brustumfang abzüglich des Unterbrustumfangs 6 cm betragen.

4

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. Februar 2011 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 26. Juni 2009 sowie die Bescheide der Beklagten vom 1. Oktober 2007 und 19. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. September 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die bis zum 11. Februar 2011 aufgewendeten Kosten für den chirurgischen Brustaufbau in Höhe 2792,16 Euro zu erstatten und sie im Übrigen von den weiteren Kosten freizustellen,
hilfsweise,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. Februar 2011 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

5

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet (§ 170 Abs 2 S 1 SGG). Das angefochtene LSG-Urteil, der SG-Gerichtsbescheid und die Bescheide der beklagten KK sind aufzuheben. Die Klägerin hat Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten Kosten für die auf der Grundlage einer vertragsärztlichen Verordnung im Oktober 2008 durchgeführte stationäre MAP und im Übrigen auf Freistellung von den weiteren Kosten. Die Voraussetzungen des geltend gemachten Kostenfreistellungs- und -erstattungsanspruchs aus § 13 Abs 3 S 1 Alt 2 SGB V(anzuwenden idF des Art 5 Nr 7 Buchst b SGB IX - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 19.6.2001, BGBl I 1046) sind erfüllt. Die Rechtsnorm bestimmt: Hat die KK eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der KK in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Der Anspruch auf Kostenerstattung ist demnach nur gegeben, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind (vgl zum Ganzen: BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 20 RdNr 25; E. Hauck in H. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Teil II, Bd 1, 19. Aufl, Stand: 1.1.2012, § 13 SGB V RdNr 233 ff):Bestehen eines Primärleistungs(Naturalleistungs-)anspruchs des Versicherten und dessen rechtswidrige Nichterfüllung, Ablehnung der Naturalleistung durch die KK, Selbstbeschaffung der entsprechenden Leistung durch den Versicherten, Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung, Notwendigkeit der selbst beschafften Leistung und (rechtlich wirksame) Kostenbelastung durch die Selbstbeschaffung. So liegt es hier: Die Beklagte lehnte es zu Unrecht ab, der Klägerin eine stationäre MAP zu gewähren (dazu 1.). Der Klägerin entstanden dadurch, dass sie sich eine der abgelehnten entsprechende, notwendige Leistung - MAP - selbst verschaffte, die von ihr geltend gemachten Kosten. Soweit sie Freistellung begehrt, droht ihr aufgrund der Selbstbeschaffung noch eine Kostenbelastung (dazu insgesamt 2.).

8

1. Die Beklagte lehnte einen Antrag der Klägerin auf Brustvergrößerung zu Unrecht ab, indem sie die Klägerin vorrangig auf die Durchführung einer Genitaltransformation verwies. Bei sinngemäßer Auslegung war der Antrag der Klägerin von Juli 2007 ua auf eine MAP ohne vorrangige Genitaltransformation gerichtet. Das Revisionsgericht ist berechtigt, den Antrag auszulegen. Das LSG hat die von ihm festgestellten Umstände im Hinblick darauf, wie der Antrag der Klägerin auszulegen ist, nicht verwertet. In einem solchen Fall hat das Revisionsgericht die vom LSG festgestellten Tatsachen in die Rechtsanwendung einzubeziehen. Die Auslegung eines Antrags hat sich danach zu richten, was als Leistung möglich ist, wenn jeder verständige Antragsteller mutmaßlich seinen Antrag bei entsprechender Beratung angepasst hätte und keine Gründe für anderes Verhalten vorliegen (vgl BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, RdNr 12 ff - UAE). Der Antrag der Klägerin lässt trotz seiner Verbindung mit weiteren Anträgen unmissverständlich erkennen, dass sie eine MAP nicht vom Ergebnis einer zuvor durchgeführten Kastration abhängig machen wollte. Ersichtlich ging es ihr lediglich darum, ua eine MAP als Maßnahme zur Angleichung ihrer Geschlechtsmerkmale zu erreichen.

9

Zu Unrecht lehnte die Beklagte den Antrag auf eine MAP ab. Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, dass transsexuelle Versicherte nach § 27 Abs 1 SGB V Anspruch auf geschlechtsangleichende Behandlungsmaßnahmen einschließlich chirurgischer Eingriffe in gesunde Organe zur Minderung ihres psychischen Leidensdrucks haben können, um sich dem Erscheinungsbild des angestrebten anderen Geschlechts deutlich anzunähern(dazu a). Die Reichweite des Anspruchs auf geschlechtsangleichende Behandlung bestimmt sich auf der Basis der allgemeinen und besonderen Voraussetzungen des Anspruchs auf Krankenbehandlung nach medizinischen Kriterien (dazu b). Der bestehende Brustansatz schließt den Anspruch auf geschlechtsangleichende Behandlung nicht aus (dazu c).

10

a) Versicherte - wie die Klägerin - haben nach § 27 Abs 1 S 1 SGB V Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Versicherte leidet an Transsexualismus in Gestalt einer psychischen Krankheit, deren Behandlung notwendig ist (dazu aa). Obwohl der Anspruch auf Krankenbehandlung psychischer Krankheiten grundsätzlich nicht körperliche Eingriffe in intakte Organsysteme erfasst, können zur notwendigen Krankenbehandlung des Transsexualismus - als Ausnahme von diesem Grundsatz - operative Eingriffe in den gesunden Körper zwecks Veränderung der äußerlich sichtbaren Geschlechtsmerkmale gehören (dazu bb). Die genannten operativen Eingriffe in den gesunden Körper müssen medizinisch erforderlich sein (dazu cc).

11

aa) Grundvoraussetzung des Anspruchs Versicherter auf Krankenbehandlung ist, dass sie an einer Krankheit leiden. Krankheit iS von § 27 Abs 1 S 1 SGB V ist ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht(stRspr, vgl nur BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 10 mwN - Zisidentität; zu Bestrebungen, den Transsexualismus zu "entpathologisieren", vgl LSG Baden-Württemberg Urteil vom 25.1.2010 - L 5 KR 375/10 - Juris RdNr 44). Die Klägerin leidet in diesem Sinne an einer Krankheit, nämlich an behandlungsbedürftigem Transsexualismus.

12

Transsexualismus ist nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse eine psychische Krankheit. Transsexuelle leben in dem irreversiblen und dauerhaften Bewusstsein, dem Geschlecht anzugehören, dem sie aufgrund ihrer äußeren körperlichen Geschlechtsmerkmale zum Zeitpunkt der Geburt nicht zugeordnet wurden (vgl BVerfGE 128, 109 = NJW 2011, 909, RdNr 34 mwN). Für die Diagnose entscheidend ist die Stabilität des transsexuellen Wunsches, der vollständigen psychischen Identifikation mit dem anderen, dem eigenen Körper widersprechenden Geschlecht (vgl BVerfGE 128, 109 = NJW 2011, 909, RdNr 35 unter Hinweis auf Becker/Berner/Dannecker/Richter-Appelt, Zf Sexualforschung 2001, S 258, 260; Pichlo, in: Groß/Neuschaefer-Grube/Steinmetzer, Transsexualität und Intersexualität, Medizinische, ethische, soziale und juristische Aspekte, 2008, S 121). Die ICD-10-GM Version 2012 ordnet Transsexualismus mit dem Schlüssel F64.0 (Störungen der Geschlechtsidentität) dem Kapitel V zu (Psychische und Verhaltensstörungen ). F64.0 spricht von dem "Wunsch, als Angehöriger des anderen Geschlechtes zu leben und anerkannt zu werden".

13

Die Rechtsordnung erkennt Transsexualismus nicht nur personenstandsrechtlich, sondern auch als behandlungsbedürftige Krankheit an. Der Gesetzgeber hat bereits durch Schaffung des Gesetzes über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen (TSG) vom 10.9.1980 (BGBl I 1654; zuletzt geändert durch Beschluss des BVerfG vom 11.1.2011 - 1 BvR 3295/07 - BGBl I 224 = BVerfGE 128, 109 = NJW 2011, 909) bestätigt, dass der Befund des Transsexualismus eine außergewöhnliche rechtliche Bewertung rechtfertigt (BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr 3, RdNr 11; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 17). Inzwischen erstreckt das SGB V ausdrücklich die ambulante spezialfachärztliche Versorgung auf die Diagnostik und Behandlung komplexer, schwer therapierbarer Krankheiten, die je nach Krankheit eine spezielle Qualifikation, eine interdisziplinäre Zusammenarbeit und besondere Ausstattungen erfordern. Hierzu gehört ua Transsexualismus als seltene Erkrankung (vgl § 116b Abs 1 S 2 Nr 2 Buchst i SGB V idF durch Art 1 Nr 44 Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 22.12.2011, BGBl I 2983; vgl dazu BT-Drucks 17/6906 S 81; vgl zuvor Anlage 2 Nr 9 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die ambulante Behandlung im Krankenhaus nach § 116b SGB V idF vom 18.10.2005, BAnz Nr 7 S 88 vom 11.1.2006, zuletzt geändert am 15.12.2011, BAnz Nr 197 S 4655, in Kraft getreten am 31.12.2011; zur erstmaligen Berücksichtigung des Transsexualismus als seltene Erkrankung im Rahmen des § 116b SGB V aF vgl die Bekanntmachung des GBA über eine Ergänzung des Katalogs nach § 116b Abs 3 SGB V vom 16.3.2004, BAnz Nr 88 S 10177).

14

bb) Das Spektrum medizinisch indizierter Krankenbehandlung des Transsexualismus ist mittlerweile - anknüpfend an den Erkenntnisfortschritt über die Erkrankung - weit gefächert. Für erforderlich werden individuelle therapeutische Lösungen erachtet, die von einem Leben im anderen Geschlecht ohne somatische Maßnahmen über hormonelle Behandlungen bis hin zur weitgehenden operativen Geschlechtsangleichung reichen können (vgl BVerfGE 128, 109 = NJW 2011, 909, RdNr 36 unter Hinweis auf Pichlo, in Groß/Neuschaefer-Grube/Steinmetzer, Transsexualität und Intersexualität, Medizinische, ethische, soziale und juristische Aspekte, 2008, 119, 122; Rauchfleisch, Transsexualität - Transidentität, 2006, 17; Becker, in: Kockott/Fahrner, Sexualstörungen, 2004, 153, 180, 181).

15

Während die notwendige Krankenbehandlung des Transsexualismus auf psychischer Ebene nach den allgemeinen Grundsätzen zur Ermöglichung und Stützung eines Lebens im anderen Geschlecht ohne somatische Maßnahmen unproblematisch von § 27 Abs 1 S 1 SGB V erfasst ist, versteht sich dies für hormonelle Behandlungen bis hin zur weitgehenden operativen Geschlechtsangleichung nicht in gleicher Weise beinahe von selbst. Der erkennende Senat erachtet dennoch solche Ansprüche weiterhin für möglich.

16

Die ständige Rechtsprechung des für diese Frage allein zuständigen erkennenden Senats verneint grundsätzlich eine Behandlungsbedürftigkeit psychischer Krankheiten mittels angestrebter körperlicher Eingriffe, wenn diese Maßnahmen nicht durch körperliche Fehlfunktionen oder durch Entstellung, also nicht durch einen regelwidrigen Körperzustand veranlasst werden (vgl zB BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 13 - Zisidentität; BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14, RdNr 16; BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr 3, RdNr 5; BSGE 82, 158, 163 f = SozR 3-2500 § 39 Nr 5 S 29 f, jeweils mwN). In Bezug auf Operationen am - krankenversicherungsrechtlich betrachtet - gesunden Körper, die psychische Leiden beeinflussen sollen, lässt sich ausgehend von der aufgezeigten Rechtsprechung grundsätzlich eine Behandlungsbedürftigkeit nicht begründen (näher dazu BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 13 mwN - Zisidentität).

17

Auch allein das subjektive Empfinden eines Versicherten vermag die Regelwidrigkeit und die daraus abgeleitete Behandlungsbedürftigkeit seines Zustandes nicht zu bestimmen. Maßgeblich sind vielmehr objektive Kriterien, nämlich der allgemein anerkannte Stand der medizinischen Erkenntnisse (§ 2 Abs 1 S 3, § 28 Abs 1 S 1 SGB V; vgl zur Gesetz- und Verfassungsmäßigkeit BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 23 mwN)und - bei der Frage, ob eine Entstellung besteht - der objektive Zustand einer körperlichen Auffälligkeit von so beachtlicher Erheblichkeit, dass sie die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft gefährdet (BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14 LS und RdNr 13 f). Andernfalls würde der Krankheitsbegriff über Gebühr relativiert und an Konturen verlieren. Es würde nicht gezielt gegen die eigentliche Krankheit selbst vorgegangen, sondern nur mittelbar die Besserung eines an sich einem anderen Bereich zugehörigen gesundheitlichen Defizits angestrebt (vgl zum Ganzen BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 14 mwN - Zisidentität). Daran hält der Senat fest.

18

Der Senat hat allerdings bisher unter Hinweis auf die Regelungen des TSG eine Ausnahme von den dargestellten Grundsätzen in dem hier betroffenen Bereich im Falle einer besonders tief greifenden Form des Transsexualismus gemacht. Er hat in diesen Fällen einen Anspruch auf medizinisch indizierte Hormonbehandlung und geschlechtsangleichende Operationen bejaht (vgl zum Ganzen BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 15 - Zisidentität), zugleich aber auch - neben § 27 Abs 1 S 1 SGB V - dem Regelungskonzept des TSG Grenzen der Reichweite des Anspruchs auf Krankenbehandlung entnommen(vgl BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 17 - Zisidentität). Die Ansprüche auf geschlechtsangleichende Operationen sind danach beschränkt auf einen Zustand, bei dem aus der Sicht eines verständigen Betrachters eine deutliche Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts eintritt (vgl BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 15 unter Hinweis ua auf § 8 Abs 1 Nr 4 TSG).

19

Der erkennende Senat führt seine Rechtsprechung im Kern trotz der Entscheidung des BVerfG fort, § 8 Abs 1 Nr 4 TSG mit Art 2 Abs 1 und Art 2 Abs 2 iVm Art 1 Abs 1 GG für nicht vereinbar und bis zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Neuregelung für nicht anwendbar zu erklären(vgl BVerfGE 128, 109 = NJW 2011, 909). Das BVerfG zielt mit seiner Entscheidung nämlich darauf ab, Transsexuelle vor unverhältnismäßigen Belastungen zu schützen. Es sieht - nach näherer Maßgabe der Entscheidungsgründe - die von § 8 Abs 1 Nr 4 TSG zum Erreichen personen-standsrechtlicher Änderungen zwingend vorgegebene deutliche Annäherung der transsexuellen Person an die körperliche Erscheinung des angestrebten anderen Geschlechts im Sinne einer genitalverändernden Operation angesichts der damit verbundenen gesundheitlichen Risiken als unzumutbar an. Es ist danach unzumutbar, von einem Transsexuellen zu verlangen, dass er sich derartigen risikoreichen, mit möglicherweise dauerhaften gesundheitlichen Schädigungen und Beeinträchtigungen verbundenen Operationen unterzieht, wenn sie medizinisch nicht indiziert sind, um damit die Ernsthaftigkeit und Dauerhaftigkeit seiner Transsexualität unter Beweis zu stellen und die personenstandsrechtliche Anerkennung im empfundenen Geschlecht zu erhalten (BVerfGE 128, 109, 131 f = NJW 2011, 909, RdNr 70). Die operativen Eingriffe als solche stellen dagegen bei wirksamer Einwilligung des Transsexuellen keinen Verstoß gegen seine Menschenwürde, sein Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit und das Sittengesetz dar (vgl zu Letzterem bereits BVerfGE 49, 286, 299 f). Unverändert kann bei Transsexuellen eine Operation zur Herbeiführung einer deutlichen Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts eine gebotene medizinische Maßnahme sein (BVerfGE 128, 109, 132 = NJW 2011, 909, RdNr 66; vgl auch zur Gesetzesentwicklung des TSG und § 116b Abs 1 S 2 Nr 2 Buchst i SGB V idF des GKV-VStG unten, II. 1.b).

20

cc) Ein Anspruch Versicherter auf geschlechtsangleichende Operationen am - krankenversicherungsrechtlich betrachtet - gesunden Körper zur Behandlung des Transsexualismus bedarf danach zunächst der medizinischen Indikation. Die geschlechtsangleichende Operation muss zudem zur Behandlung erforderlich sein. Daran fehlt es, wenn zum Erreichen der in § 27 Abs 1 S 1 SGB V genannten Therapieziele Behandlungsmaßnahmen ausreichen, die ein Leben im anderen Geschlecht ohne somatische Maßnahmen unterstützen oder sich auf hormonelle Behandlungen ohne Operationen beschränken. Die Erfüllung dieser Voraussetzungen kann nicht losgelöst von der inneren Reichweite des Anspruchs überprüft werden (dazu b.).

21

b) Die Klägerin erfüllte zur Zeit der Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung die Voraussetzungen des Anspruchs auf eine MAP. Die Reichweite des Anspruchs Transsexueller auf Krankenbehandlung (§ 27 Abs 1 S 1 SGB V) im Sinne von geschlechtsangleichender Behandlung kann nach der dargelegten Rechtsprechung des BVerfG allerdings nicht mehr unter Rückgriff auf Wertungen des § 8 Abs 1 Nr 4 TSG eingegrenzt werden. Das Ausmaß des Anspruchs Transsexueller auf geschlechtsangleichende Behandlung bestimmt sich nunmehr unter Einbeziehung der Wertungen des § 116b Abs 1 S 2 Nr 2 Buchst i SGB V idF des GKV-VStG auf der Basis der allgemeinen und besonderen Voraussetzungen des Anspruchs auf Krankenbehandlung(vgl dazu Hauck, NZS 2007, 461) nach den medizinischen Kriterien des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse (dazu aa). Für das erforderliche Ausmaß der Behandlung ist dagegen nicht auf das Erscheinungsbild des Betroffenen im gesellschaftlichen Alltag in dem Sinne abzustellen, dass dem Anspruch bereits Genüge getan ist, wenn die Behandlung nicht zu einer Entstellung führt (dazu bb).

22

aa) Besteht eine Indikation für eine begehrte geschlechtsangleichende Operation transsexueller Versicherter, bestimmen vornehmlich objektivierte medizinische Kriterien das erforderliche Ausmaß. Hierbei ist vor allem die Zielsetzung der Therapie zu berücksichtigen, den Leidensdruck der Betroffenen durch solche operativen Eingriffe zu lindern, die darauf gerichtet sind, das körperlich bestehende Geschlecht dem empfundenen Geschlecht anzunähern, es diesem näherungsweise anzupassen.

23

Die Begrenzung auf eine bloße Annäherung des körperlichen Erscheinungsbildes an das gefühlte Geschlecht ergibt sich nicht nur aus den faktischen Schranken, die hormonelle Therapie und plastische Chirurgie setzen. Die Einräumung von Ansprüchen für transsexuelle Versicherte führen unverändert nicht dazu, Betroffenen Anspruch auf jegliche Art von geschlechtsangleichenden operativen Maßnahmen im Sinne einer optimalen Annäherung an ein vermeintliches Idealbild und ohne Einhaltung der durch das Recht der GKV vorgegebenen allgemeinen Grenzen einzuräumen (vgl schon bisher BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 15 - Zisidentität; BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr 3, RdNr 11). Die Ansprüche sind vielmehr beschränkt auf einen Zustand, der aus der Sicht eines verständigen Betrachters dem Erscheinungsbild des anderen Geschlechts deutlich angenähert ist.

24

Der Anspruch auf Krankenbehandlung hat sich nach § 27 Abs 1 S 1 SGB V iVm § 2 Abs 1 S 3, § 2 Abs 4, § 12 Abs 1 SGB V daran auszurichten, welche Behandlung unter Beachtung des umfassenden Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit notwendig und ausreichend ist, um das angestrebte, in § 27 Abs 1 S 1 SGB V bezeichnete Behandlungsziel zu erreichen. Hierzu ist unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse nicht nur dem Grunde nach, sondern auch dem Umfang nach zu ermitteln, welche Reichweite der Therapie indiziert ist.

25

In Abkehr von den bisherigen Überlegungen, Transsexuellen zum Erreichen personenstandsrechtlicher Änderungen nach § 8 Abs 1 Nr 4 TSG (bisherige Fassung) eine genitalverändernde Operation abzuverlangen, können sich hierbei die gebotenen individuellen operativen Therapieansätze lediglich auf MAP ohne genitalverändernde Operationen beschränken. Denn neuere wissenschaftliche Erkenntnisse stützen die Relativierung des Operationswunsches in seiner Bedeutung für Diagnose und Therapie Transsexueller (vgl BVerfGE 128, 109 = NJW 2011, 909, RdNr 35 mwN). Insoweit muss medizinisch abgeklärt sein, dass die begehrte Therapie - MAP - geeignet, ausreichend und erforderlich, im Rahmen gleichwertiger Alternativen zudem im engeren Sinne wirtschaftlich ist. Auch der Operationswunsch hinsichtlich einer MAP darf nicht eine Lösungsschablone für etwa verborgene andere psychische Störungen oder Unbehagen mit etablierten Geschlechtsrollenbildern sein, sondern muss aufgrund des Transsexualismus indiziert sein.

26

Die genannten Voraussetzungen sind bei der Klägerin nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG erfüllt. Das LSG zieht die ärztlich gestellte Indikation nicht in medizinischer Hinsicht in Zweifel, sondern hat lediglich in rechtlicher Hinsicht Bedenken gegen die Reichweite des geltend gemachten Anspruchs der Klägerin, indem es der Genitaltransformation mit der anschließenden Möglichkeit eines spontanen Brustwachstums Vorrang vor einer MAP einräumt und diese auch nur bei Entstellung in Erwägung zieht.

27

bb) Der gegenüber der bisherigen Rechtslage geänderte rechtliche Ausgangspunkt des Anspruchs Transsexueller auf geschlechtsangleichende Behandlung schließt es demgegenüber aus, die Reichweite des Anspruchs primär anhand von Kriterien des Behandlungsanspruchs wegen Entstellung zu umreißen. Eine Entstellung begründet einen Anspruch auf Krankenbehandlung wegen einer körperlichen, nicht psychischen Krankheit (vgl zum Ganzen grundlegend BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14, RdNr 13 f mwN). Innerer Grund des Anspruchs Transsexueller auf geschlechtsangleichende Operationen ist es dagegen nicht, eine Entstellung zu heilen oder zu lindern. Ein solcher Anspruch, der bei Entstellung für alle Versicherte, auch für transsexuelle Versicherte besteht, bleibt hiervon unberührt.

28

c) Der Anspruch der Klägerin ist auch nicht wegen ihres bereits vorhandenen Brustansatzes ausgeschlossen. Es steht fest, dass die Klägerin einen Brustumfang hat, der eine medizinisch indizierte MAP erfordert.

29

Ansprüche Transsexueller auf geschlechtsangleichende Behandlung im Sinne medizinisch indizierter MAP sind zusätzlich durch das objektive Erscheinungsbild des Brustumfangs begrenzt. Die hierdurch gezogenen Grenzen sind allerdings weiter, als sie durch die oben dargelegte Rechtsprechung zur Entstellung gezogen sind. Wer als Mann-zu-Frau-Transsexueller - etwa aufgrund einer Hormontherapie - einen Brustansatz entwickelt hat, der die für konfektionierte Damenoberbekleidung vorgesehene Größe A nach DIN EN 13402 bei erfolgter Ausatmung im Rahmen normaler Messung ohne weitere Mittel voll ausfüllt, kann keine MAP beanspruchen (vgl zu DIN EN 13402: Größenbezeichnung von Bekleidung (2001) http://www.beuth.de/langanzeige/DIN-EN-13402-1/de/38031428). Das damit erreichte körperliche Erscheinungsbild bewegt sich nämlich - trotz der großen Vielfalt der Phänotypen bei Männern und Frauen - in einem unzweifelhaft geschlechtstypischen Bereich.

30

Die Grenze trägt auch dem Gleichbehandlungsgebot gemäß Art 3 Abs 1 GG Rechnung. Die Grenzziehung vermeidet es, transsexuellen Versicherten einen umfassenden leistungsrechtlichen Zugang zu kosmetischen Operationen zu eröffnen, der nicht transsexuellen Versicherten von vornherein versperrt ist (vgl dazu zB BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14, RdNr 13 mwN).

31

Nach den unangegriffenen, den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG hat die Mikromastie der Klägerin nicht ein Ausmaß, das nach den dargelegten Kriterien einen Anspruch auf eine MAP ausschließt.

32

2. a) Die Klägerin verschaffte sich aufgrund der Ablehnung ihres Antrags selbst eine solche Leistung, die der beantragten MAP entsprach und notwendig war. Grundsätzlich muss die selbst beschaffte Leistung zu demselben Leistungstyp gehören und auf gleicher Indikationsstellung bei im Wesentlichen unveränderten Verhältnissen beruhen wie die zuvor abgelehnte Leistung (BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 20 RdNr 28). Die in der H. selbst beschaffte MAP entsprach in medizinischer Hinsicht der beantragten, abgelehnten MAP. Sie erfolgte aufgrund andauernder Indikationsstellung ebenfalls in vergleichbarer Weise stationär. Die von der Klägerin selbst beschaffte Leistung war auch in vollem Umfang nach den allgemein anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst notwendig. Geht die selbst beschaffte Leistung über das als Naturalleistung Geschuldete hinaus, ist sie insoweit nicht notwendig. So lag es hier indes nach dem Gesamtzusammenhang der bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG nicht.

33

Ohne Belang ist es hierbei grundsätzlich, dass das von Versicherten - hier: der Klägerin - für die Selbstbeschaffung aufgesuchte Krankenhaus nicht zur Behandlung Versicherter zugelassen ist. Bei rechtswidriger Ablehnung stationärer Behandlung wegen angeblich fehlender medizinischer Notwendigkeit sind die Aufwendungen für die Inanspruchnahme eines nicht zugelassenen Krankenhauses nicht nur - wie es die Entscheidung des erkennenden Senats vom 24.9.1996 (1 RK 33/95 - BSGE 79, 125, 128 = SozR 3-2500 § 13 Nr 11 S 53 - Brustverkleinerung) nahelegen könnte - erstattungsfähig, wenn ein Vertragskrankenhaus mangels ausreichender Informationsmöglichkeiten des Versicherten nicht erreichbar gewesen ist. Versicherte, denen ihre KK rechtswidrig Leistungen verwehrt, sind vielmehr nicht prinzipiell auf die Selbstbeschaffung der Leistungen bei zugelassenen Leistungserbringern verwiesen. Sie müssen sich nur eine der vorenthaltenen Naturalleistung entsprechende Leistung verschaffen, dies aber von vorneherein privatärztlich außerhalb des Leistungssystems (vgl BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 20 RdNr 25 ff - Magenband). Es fehlt insoweit ein innerer Grund, den Kreis der nach ärztlichem Berufsrecht und sonstigem Recht für die Selbstverschaffung der notwendigen entsprechenden privatärztlichen Leistung zulässigen Leistungserbringer einzuschränken. Die Reichweite des Kostenerstattungsanspruchs bestimmt sich auch insoweit maßgeblich nach der konkreten Lücke im Leistungssystem, die er zu schließen hat (vgl hierzu BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, RdNr 18, 23 mwN - UAE). Erzwingt die rechtswidrige Leistungsablehnung der KK eine privatärztliche Selbstverschaffung des Versicherten, ziehen die Bestimmungen für privatärztliche Leistungen und nicht diejenigen für das Naturalleistungssystem die Grenzen für die Verschaffung einer entsprechenden Leistung.

34

Will die KK durch die konkrete Wahl des privatärztlichen Leistungserbringers entstehende Mehrkosten vermeiden, weil zB nicht die Grenzen des gesetzlichen Preisrechts der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) eingreifen, kann sie die Versicherten im Rahmen ihrer die Leistungen ablehnenden Entscheidung spontan auf konkrete günstige Möglichkeiten angemessener Selbstbeschaffung hinweisen. Das hat die Beklagte hier nicht getan. Sie hat der Klägerin von sich aus trotz wiederholter Kontaktaufnahme während des laufenden Widerspruchsverfahrens und der daraus erkennbaren Dringlichkeit des Anliegens eines operativen Brustaufbaus keinerlei Unterstützung bei der Suche nach einer kostengünstigen Krankenhausbehandlung gewährt.

35

Die Ablehnung des Antrags der Klägerin, ihr eine MAP zu gewähren, war auch die wesentliche Ursache der Selbstbeschaffung einer MAP. Insbesondere hatte sich die Klägerin nicht - unabhängig davon, wie eine Entscheidung der Beklagten ausfiel - von vornherein auf eine bestimmte Art der Krankenbehandlung bei einem nicht zugelassenen Leistungserbringer festgelegt (vgl hierzu BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 20 RdNr 29 mwN - Magenband; BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, RdNr 24 - UAE; E. Hauck in H. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Teil II, Bd 1, 19. Aufl, Stand: 1.1.2012, § 13 SGB V RdNr 260 f).

36

b) Weil die Klägerin sich die MAP selbst verschaffte, entstanden ihr bis zum 11.2.2011 Kosten in Höhe von 2792,16 Euro und droht ihr für die Folgezeit eine weitere Kostenbelastung. Ihr entstanden nämlich für die konkret durchgeführte MAP Kosten in Höhe von 5000 Euro (dazu aa) sowie hierfür Kreditfinanzierungskosten (dazu bb).

37

aa) Der H. erwuchs aus der MAP-Behandlung der Klägerin ein rechtswirksamer Vergütungsanspruch in Höhe von 5000 Euro. Die Klägerin und die H. vereinbarten in der Sache bei sinngemäßer Auslegung der Erklärungen der Vertragsparteien und ihrer Interessen einen umfassenden sog totalen Krankenhausaufnahmevertrag ohne Arztzusatzvertrag. Die Rechnung über die vereinbarte Leistung unterfiel nicht etwa den Anforderungen der Vorschriften der GOÄ (neugefasst durch Bekanntmachung vom 9.2.1996, BGBl I 210; zuletzt geändert durch Art 17 Gesetz vom 4.12.2001, BGBl I 3320) oder anderem öffentlich-rechtlichem Preisrecht.

38

(1) Geht es allein um die Kosten einer ärztlichen Behandlung, besteht allerdings ein Vergütungsanspruch des Arztes für eine ärztliche Behandlung nur, wenn er dem Patienten darüber eine ordnungsgemäße Abrechnung nach den Bestimmungen der GOÄ erteilt (vgl dazu zB BSG SozR 4-2500 § 116b Nr 1 RdNr 18 ff - Brachytherapie). Nach § 1 Abs 1 GOÄ bestimmen sich nämlich die Vergütungen für die beruflichen Leistungen der Ärzte nach dieser Verordnung, soweit nicht durch Bundesgesetz etwas anderes bestimmt ist. Der Anwendungsbereich der GOÄ (vgl dazu auch BGHZ 183, 143) ist dagegen nicht eröffnet, weil nicht nur "berufliche Leistungen der Ärzte" Vertragsgegenstand sind, wenn der Patient - wie hier die Klägerin - weitergehend einen umfassenden, sog totalen Krankenhausaufnahmevertrag ohne Arztzusatzvertrag mit dem Träger des Krankenhauses geschlossen hat (vgl Hermanns/Filler/Roscher, GOÄ Komm, 4. Aufl 2010, § 1 S 17 f; Quaas in ders/Zuck, Medizinrecht, 2. Aufl 2008, § 13 RdNr 41 ff; Spickhoff in ders, Medizinrecht, 2011, § 1 GOÄ RdNr 6). In einem solchen Falle schuldet der Träger des Krankenhauses nach näherer Maßgabe der vertraglichen und gesetzlichen Bestimmungen nicht nur ärztliche Leistungen, sondern zusätzlich auch alle anderen medizinisch erforderlichen Leistungen des Krankenhauses, insbesondere auch nichtärztliche pflegerische Betreuung, Unterbringung, Verpflegung und Medikation. Der behandelnde Krankenhausarzt wirkt an der Erfüllung dieser Pflicht des Krankenhausträgers für diesen mit und ist ihm gegenüber verpflichtet. Der behandelnde Krankenhausarzt ist dagegen gegenüber dem Patienten weder zur Erbringung der ärztlichen Leistungen im eigenen Namen verpflichtet noch berechtigt, ihm seine Leistungen in Rechnung zu stellen.

39

(2) Die vereinbarte Vergütung verstieß auch nicht gegen das öffentlich-rechtliche Preisrecht für Krankenhausbehandlungen. Nach § 1 Abs 1 Krankenhausentgeltgesetz(Gesetz über die Entgelte für voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen vom 23.4.2002, hier anzuwenden in der Fassung durch Art 2 Nr 1 Gesetz vom 17.7.2003 BGBl I 1461) werden die vollstationären und teilstationären Leistungen der DRG-Krankenhäuser nach diesem Gesetz und dem Krankenhausfinanzierungsgesetz (Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze vom 29.6.1972, BGBl I 1009, hier anzuwenden idF durch Art 4 Gesetz vom 5.9.2006 BGBl I 2098) vergütet. Gemäß § 1 Abs 2 S 2 Nr 2 KHEntgG gilt dieses Gesetz indes ua nicht für Krankenhäuser, die nach § 5 Abs 1 Nr 2 KHG nicht gefördert werden. Dies sind Krankenhäuser, die nicht die in § 67 Abgabenordnung(hier anzuwenden idF durch Art 10 Nr 7 und Nr 17 Gesetz vom 13.12.2006, BGBl I 2878) bezeichneten Voraussetzungen erfüllen. So liegt es nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG auch bei der H. (vgl auch allgemeine Informationen zur Berechnung der Kosten, abrufbar unter www.h. de). Eine solche aufgrund einer Konzession nach § 30 Abs 1 Gewerbeordnung betriebene Privatkrankenanstalt - wie die H. ist in ihrer Preisgestaltung - in den Grenzen der §§ 134, 138 BGB - grundsätzlich frei(vgl BGH Beschluss vom 21.4.2011 - III ZR 114/10 - RdNr 5, GesR 2011, 492 = MedR 2011, 801; vgl auch BGHZ 154, 154, 158).

40

Vorgaben für das Vergütungsrecht aus dem KHG (3. Abschnitt, §§ 16-26), insbesondere aufgrund von § 17 Abs 5 KHG, greifen für den Vertrag mit der H. über im Jahr 2008 zu erbringende Leistungen nicht ein. Das KHG ist grundsätzlich auch auf Krankenhäuser anwendbar, die nach § 5 Abs 1 Nr 2 KHG nicht gefördert werden. Die nicht geförderten Krankenhäuser sind vom Anwendungsbereich des KHG nicht ausgeschlossen (§ 3 KHG). § 20 S 1 KHG schränkt den Anwendungsbereich des 3. Abschnitts des KHG über Krankenhauspflegesätze für diese Krankenhäuser indes auf die Regelung des § 17 Abs 5 KHG ein. Pflegesätze sind die Entgelte der Benutzer oder ihrer Kostenträger für stationäre und teilstationäre Leistungen des Krankenhauses (§ 2 Nr 4 KHG). Die Vorschriften des 3. Abschnitts mit Ausnahme des § 17 Abs 5 KHG finden ua keine Anwendung auf Krankenhäuser, die nach § 5 Abs 1 Nr 2 KHG nicht gefördert werden(vgl § 20 S 1 KHG). Ohne Belang sind vorliegend die ab 1.1.2012 geltenden Änderungen des § 17 Abs 1 KHG(vgl § 17 Abs 1 S 5 und 6 KHG, eingefügt durch Art 6 Nr 1a GKV-VStG vom 22.12.2011, BGBl I 2983, kritisch hierzu Quaas, GesR 2012, 193).

41

Der Regelungsbereich des § 17 Abs 5 KHG ist indes vorliegend nicht betroffen. § 17 Abs 5 KHG(hier anzuwenden idF durch Art 18 Nr 3 Gesetz vom 26.3.2007 BGBl I 378 mWv 1.7.2008) regelt ausschließlich Fälle der unmittelbaren Leistung von Krankenhäusern an öffentlich-rechtliche Kostenträger und nicht Fälle, in denen sich Versicherte zunächst rechtswidrig abgelehnte Leistungen selbst privat verschaffen und anschließend von ihrer KK Kostenerstattung begehren. Denn nach § 17 Abs 5 S 1 KHG dürfen bei Krankenhäusern, die nach diesem Gesetz nicht oder nur teilweise öffentlich gefördert werden, bloß von Sozialleistungsträgern und sonstigen öffentlich-rechtlichen Kostenträgern keine höheren Pflegesätze gefordert werden, als sie von diesen für Leistungen vergleichbarer nach diesem Gesetz geförderter Krankenhäuser zu entrichten sind. Auch § 17 Abs 5 S 2 KHG ist nicht einschlägig. Er erfasst lediglich Krankenhäuser, die nur deshalb nach diesem Gesetz nicht gefördert werden, weil sie keinen Antrag auf Förderung stellen. Solche Krankenhäuser dürfen auch von einem Krankenhausbenutzer keine höheren als die sich aus § 17 Abs 5 S 1 KHG ergebenden Pflegesätze fordern. Die H. ist indes von vorneherein als nicht förderungsfähige Privatkrankenanstalt konzipiert (vgl zum Problem auch Dettling in Lenz, Dettling, Kieser, Krankenhausrecht 2007, S 95 RdNr 66; Genzel/Degener-Hencke in Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, 4. Aufl 2010, § 89 RdNr 21).

42

(3) Der Vergütungsanspruch der behandelnden Privatklinik ist auch nicht wegen Wuchers nach § 138 Abs 2 BGB oder als sog wucherähnliches Rechtsgeschäft wegen Sittenwidrigkeit gemäß § 138 Abs 1 BGB nichtig. Beide Tatbestände erfordern objektiv ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung (vgl zB BGHZ 104, 102, 104 mwN; BGHZ 128, 255, 257). Die Vergütungen nicht förderungsfähiger Privatkrankenanstalten wie der H., die kein Vertragskrankenhaus sind (§ 108 Nr 3 SGB V), sind mit den Entgelten zu vergleichen, die andere Privatkliniken für vergleichbare Krankenhausleistungen nach einem entsprechenden Abrechnungsmodus verlangen (vgl zum Ganzen BGHZ 154, 154, 159 ff). Es fehlt nach den Feststellungen des LSG jeglicher Hinweis auf ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung in diesem Sinne (vgl auch die Informationen zur Berechnung der Kosten abrufbar unter www.h. de). Die von der Beklagten angestellten Vergleichsberechnungen mit Vergütungen für stationäre Behandlungen von öffentlich geförderten Krankenhäusern und Versorgungskrankenhäusern sind für eine Vergleichsberechnung dagegen nicht geeignet.

43

bb) Die geltend gemachten Zinsen sind als notwendige Beschaffungskosten Teil der Kostenerstattung (vgl BSGE 96,161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, RdNr 29 - UAE). Die Erstattung "in entstandener Höhe" (§ 13 Abs 3 S 1 SGB V) geht insoweit der allgemeinen Regelung des § 44 SGB I vor(vgl zur abweichenden Situation bei Zinsaufwendungen zur Befriedigung einer rechtswidrigen Erstattungsforderung BSGE 76, 233 = SozR 3-1750 § 945 Nr 1). Für die noch ausstehenden Ratenzahlungen ist der Anspruch auf Freistellung gerichtet (vgl zur Freistellung E. Hauck in H. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Teil II, Bd 1, 19. Aufl, Stand: 1.1.2012, § 13 SGB V RdNr 275 f).

44

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 überprüft auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Absatz 2 Satz 1, des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen, der Deutschen Krankenhausgesellschaft oder eines Bundesverbandes der Krankenhausträger Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden oder angewandt werden sollen, daraufhin, ob sie für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse erforderlich sind. Ergibt die Überprüfung, dass der Nutzen einer Methode nicht hinreichend belegt ist und sie nicht das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, insbesondere weil sie schädlich oder unwirksam ist, erlässt der Gemeinsame Bundesausschuss eine entsprechende Richtlinie, wonach die Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zulasten der Krankenkassen erbracht werden darf. Ergibt die Überprüfung, dass der Nutzen einer Methode noch nicht hinreichend belegt ist, sie aber das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss eine Richtlinie zur Erprobung nach § 137e. Nach Abschluss der Erprobung erlässt der Gemeinsame Bundesausschuss eine Richtlinie, wonach die Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zulasten der Krankenkassen erbracht werden darf, wenn die Überprüfung unter Hinzuziehung der durch die Erprobung gewonnenen Erkenntnisse ergibt, dass die Methode nicht den Kriterien nach Satz 1 entspricht. Die Beschlussfassung über die Annahme eines Antrags nach Satz 1 muss spätestens drei Monate nach Antragseingang erfolgen. Das sich anschließende Methodenbewertungsverfahren ist in der Regel innerhalb von spätestens drei Jahren abzuschließen, es sei denn, dass auch bei Straffung des Verfahrens im Einzelfall eine längere Verfahrensdauer erforderlich ist.

(2) Wird eine Beanstandung des Bundesministeriums für Gesundheit nach § 94 Abs. 1 Satz 2 nicht innerhalb der von ihm gesetzten Frist behoben, kann das Bundesministerium die Richtlinie erlassen. Ab dem Tag des Inkrafttretens einer Richtlinie nach Absatz 1 Satz 2 oder 4 darf die ausgeschlossene Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden; die Durchführung klinischer Studien bleibt von einem Ausschluss nach Absatz 1 Satz 4 unberührt.

(3) Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der Gemeinsame Bundesausschuss bisher keine Entscheidung nach Absatz 1 getroffen hat, dürfen im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt und von den Versicherten beansprucht werden, wenn sie das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten und ihre Anwendung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt, sie also insbesondere medizinisch indiziert und notwendig ist. Dies gilt sowohl für Methoden, für die noch kein Antrag nach Absatz 1 Satz 1 gestellt wurde, als auch für Methoden, deren Bewertung nach Absatz 1 noch nicht abgeschlossen ist.

(1) Gelangt der Gemeinsame Bundesausschuss bei der Prüfung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden nach § 135 oder § 137c zu der Feststellung, dass eine Methode das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, ihr Nutzen aber noch nicht hinreichend belegt ist, muss der Gemeinsame Bundesausschuss unter Aussetzung seines Bewertungsverfahrens gleichzeitig eine Richtlinie zur Erprobung beschließen, um die notwendigen Erkenntnisse für die Bewertung des Nutzens der Methode zu gewinnen. Aufgrund der Richtlinie wird die Untersuchungs- oder Behandlungsmethode in einem befristeten Zeitraum im Rahmen der Krankenbehandlung oder der Früherkennung zulasten der Krankenkassen erbracht.

(2) Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt in der Richtlinie nach Absatz 1 Satz 1 die in die Erprobung einbezogenen Indikationen und die sächlichen, personellen und sonstigen Anforderungen an die Qualität der Leistungserbringung im Rahmen der Erprobung. Er legt zudem Anforderungen an die Durchführung, die wissenschaftliche Begleitung und die Auswertung der Erprobung fest. Für Krankenhäuser, die nicht an der Erprobung teilnehmen, kann der Gemeinsame Bundesausschuss nach den §§ 136 bis 136b Anforderungen an die Qualität der Leistungserbringung regeln. Die Anforderungen an die Erprobung haben unter Berücksichtigung der Versorgungsrealität zu gewährleisten, dass die Erprobung und die Leistungserbringung durchgeführt werden können. Die Erprobung hat innerhalb von 18 Monaten nach Inkrafttreten des Beschlusses über die Erprobungsrichtlinie zu beginnen. Eine Erprobung beginnt mit der Behandlung der Versicherten im Rahmen der Erprobung. Kommt eine Erprobung nicht fristgerecht zustande, hat der Gemeinsame Bundesausschuss seine Vorgaben in der Erprobungsrichtlinie innerhalb von drei Monaten zu überprüfen und anzupassen und dem Bundesministerium für Gesundheit über die Überprüfung und Anpassung der Erprobungsrichtlinie und Maßnahmen zur Förderung der Erprobung zu berichten.

(3) An der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Leistungserbringer und nach § 108 zugelassene Krankenhäuser können in dem erforderlichen Umfang an der Erprobung einer Untersuchungs- oder Behandlungsmethode teilnehmen, wenn sie gegenüber der wissenschaftlichen Institution nach Absatz 5 nachweisen, dass sie die Anforderungen nach Absatz 2 erfüllen.

(4) Die von den Leistungserbringern nach Absatz 3 im Rahmen der Erprobung erbrachten und verordneten Leistungen werden unmittelbar von den Krankenkassen vergütet. Bei voll- und teilstationären Krankenhausleistungen werden diese durch Entgelte nach § 17b oder § 17d des Krankenhausfinanzierungsgesetzes oder nach der Bundespflegesatzverordnung vergütet. Kommt für eine neue Untersuchungs- oder Behandlungsmethode, die mit pauschalierten Pflegesätzen nach § 17 Absatz 1a des Krankenhausfinanzierungsgesetzes noch nicht sachgerecht vergütet werden kann, eine sich auf den gesamten Erprobungszeitraum beziehende Vereinbarung nach § 6 Absatz 2 Satz 1 des Krankenhausentgeltgesetzes oder nach § 6 Absatz 4 Satz 1 der Bundespflegesatzverordnung nicht innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten des Beschlusses über die Erprobungsrichtlinie zustande, wird ihr Inhalt durch die Schiedsstelle nach § 13 des Krankenhausentgeltgesetzes oder nach § 13 der Bundespflegesatzverordnung festgelegt. Bei Methoden, die auch ambulant angewandt werden können, wird die Höhe der Vergütung für die ambulante Leistungserbringung durch den ergänzten Bewertungsausschuss in der Zusammensetzung nach § 87 Absatz 5a im einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten des Beschlusses über die Erprobungsrichtlinie geregelt. Kommt ein Beschluss des ergänzten Bewertungsausschusses nicht fristgerecht zustande, entscheidet der ergänzte erweiterte Bewertungsausschuss im Verfahren nach § 87 Absatz 5a Satz 2 bis 7. Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts haben keine aufschiebende Wirkung. Für die Abrechnung der ambulanten Leistungserbringung nach Satz 4 gilt § 295 Absatz 1b Satz 1 entsprechend; das Nähere über Form und Inhalt des Abrechnungsverfahrens sowie über die erforderlichen Vordrucke für die Abrechnung und die Verordnung von Leistungen einschließlich der Kennzeichnung dieser Vordrucke regeln der Spitzenverband Bund der Krankenkassen, die Deutsche Krankenhausgesellschaft und die Kassenärztliche Bundesvereinigung in einer Vereinbarung. Kommt eine Vereinbarung nach Satz 7 ganz oder teilweise nicht zustande, entscheidet auf Antrag einer Vertragspartei das sektorenübergreifende Schiedsgremium auf Bundesebene gemäß § 89a.

(5) Für die wissenschaftliche Begleitung und Auswertung der Erprobung schließt der Gemeinsame Bundesausschuss mit den maßgeblichen Wissenschaftsverbänden einen Rahmenvertrag, der insbesondere die Unabhängigkeit der beteiligten wissenschaftlichen Institutionen gewährleistet, oder beauftragt eigenständig eine unabhängige wissenschaftliche Institution. An der Erprobung beteiligte Medizinproduktehersteller oder Unternehmen, die als Anbieter der zu erprobenden Methode ein wirtschaftliches Interesse an einer Erbringung zulasten der Krankenkassen haben, können auch selbst eine unabhängige wissenschaftliche Institution auf eigene Kosten mit der wissenschaftlichen Begleitung und Auswertung der Erprobung beauftragen, wenn sie diese Absicht innerhalb eines vom Gemeinsamen Bundesausschuss bestimmten Zeitraums nach Inkrafttreten der Richtlinie nach Absatz 1, der zwei Monate nicht unterschreiten darf, dem Gemeinsamen Bundesausschuss mitteilen. Die an der Erprobung teilnehmenden Leistungserbringer sind verpflichtet, die für die wissenschaftliche Begleitung und Auswertung erforderlichen Daten zu dokumentieren und der beauftragten Institution zur Verfügung zu stellen. Sofern hierfür personenbezogene Daten der Versicherten benötigt werden, ist vorher deren Einwilligung einzuholen. Für den zusätzlichen Aufwand im Zusammenhang mit der Durchführung der Erprobung erhalten die an der Erprobung teilnehmenden Leistungserbringer von der beauftragten Institution eine angemessene Aufwandsentschädigung.

(6) Die Kosten einer von ihm nach Absatz 5 Satz 1 rahmenvertraglich veranlassten oder eigenständig beauftragten wissenschaftlichen Begleitung und Auswertung der Erprobung trägt der Gemeinsame Bundesausschuss.

(7) Unabhängig von einem Beratungsverfahren nach § 135 oder § 137c können Hersteller eines Medizinprodukts, auf dessen Einsatz die technische Anwendung einer neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode maßgeblich beruht, und Unternehmen, die in sonstiger Weise als Anbieter einer neuen Methode ein wirtschaftliches Interesse an einer Erbringung zulasten der Krankenkassen haben, beim Gemeinsamen Bundesausschuss beantragen, dass dieser eine Richtlinie zur Erprobung der neuen Methode nach Absatz 1 beschließt. Der Antragsteller hat aussagekräftige Unterlagen vorzulegen, aus denen hervorgeht, dass die Methode hinreichendes Potenzial für eine Erprobung bietet. Der Gemeinsame Bundesausschuss entscheidet innerhalb von drei Monaten nach Antragstellung auf der Grundlage der vom Antragsteller zur Begründung seines Antrags vorgelegten Unterlagen. Beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss eine Erprobung, entscheidet er im Anschluss an die Erprobung auf der Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse unverzüglich über eine Richtlinie nach § 135 oder § 137c. Die Möglichkeit einer Aussetzung des Bewertungsverfahrens im Falle des Fehlens noch erforderlicher Erkenntnisse bleibt unberührt. Die Kostentragung hinsichtlich der wissenschaftlichen Begleitung und Auswertung der Erprobung richtet sich nach Absatz 5 Satz 2 oder Absatz 6. Wenn der Gemeinsame Bundesausschuss die Durchführung einer Erprobung ablehnt, weil er den Nutzen der Methode bereits als hinreichend belegt ansieht, gilt Satz 4 entsprechend.

(8) Der Gemeinsame Bundesausschuss berät Hersteller von Medizinprodukten und sonstige Unternehmen im Sinne von Absatz 7 Satz 1 zu den Voraussetzungen der Erbringung einer Untersuchungs- oder Behandlungsmethode zulasten der Krankenkassen, zu dem Verfahren der Erprobung sowie zu der Möglichkeit, anstelle des Gemeinsamen Bundesausschusses eine unabhängige wissenschaftliche Institution auf eigene Kosten mit der wissenschaftlichen Begleitung und Auswertung der Erprobung zu beauftragen. Das Nähere einschließlich der Erstattung der für diese Beratung entstandenen Kosten ist in der Verfahrensordnung zu regeln.

(1) Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürfen in der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Abs. 2 Satz 1, einer Kassenärztlichen Bundesvereinigung, einer Kassenärztlichen Vereinigung oder des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Empfehlungen abgegeben hat über

1.
die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit - auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachte Methoden - nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung,
2.
die notwendige Qualifikation der Ärzte, die apparativen Anforderungen sowie Anforderungen an Maßnahmen der Qualitätssicherung, um eine sachgerechte Anwendung der neuen Methode zu sichern, und
3.
die erforderlichen Aufzeichnungen über die ärztliche Behandlung.
Der Gemeinsame Bundesausschuss überprüft die zu Lasten der Krankenkassen erbrachten vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Leistungen daraufhin, ob sie den Kriterien nach Satz 1 Nr. 1 entsprechen. Falls die Überprüfung ergibt, daß diese Kriterien nicht erfüllt werden, dürfen die Leistungen nicht mehr als vertragsärztliche oder vertragszahnärztliche Leistungen zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden. Die Beschlussfassung über die Annahme eines Antrags nach Satz 1 muss spätestens drei Monate nach Antragseingang erfolgen. Das sich anschließende Methodenbewertungsverfahren ist innerhalb von zwei Jahren abzuschließen. Bestehen nach dem Beratungsverlauf im Gemeinsamen Bundesausschuss ein halbes Jahr vor Fristablauf konkrete Anhaltspunkte dafür, dass eine fristgerechte Beschlussfassung nicht zustande kommt, haben die unparteiischen Mitglieder gemeinsam einen eigenen Beschlussvorschlag für eine fristgerechte Entscheidung vorzulegen; die Geschäftsführung ist mit der Vorbereitung des Beschlussvorschlags zu beauftragen. Der Beschlussvorschlag der unparteiischen Mitglieder muss Regelungen zu den notwendigen Anforderungen nach Satz 1 Nummer 2 und 3 enthalten, wenn die unparteiischen Mitglieder vorschlagen, dass die Methode die Kriterien nach Satz 1 Nummer 1 erfüllt. Der Beschlussvorschlag der unparteiischen Mitglieder muss Vorgaben für einen Beschluss einer Richtlinie nach § 137e Absatz 1 und 2 enthalten, wenn die unparteiischen Mitglieder vorschlagen, dass die Methode das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, ihr Nutzen aber noch nicht hinreichend belegt ist. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat innerhalb der in Satz 5 genannten Frist über den Vorschlag der unparteiischen Mitglieder zu entscheiden.

(1a) Für ein Methodenbewertungsverfahren, für das der Antrag nach Absatz 1 Satz 1 vor dem 31. Dezember 2018 angenommen wurde, gilt Absatz 1 mit der Maßgabe, dass das Methodenbewertungsverfahren abweichend von Absatz 1 Satz 5 erst bis zum 31. Dezember 2020 abzuschließen ist.

(2) Für ärztliche und zahnärztliche Leistungen, welche wegen der Anforderungen an ihre Ausführung oder wegen der Neuheit des Verfahrens besonderer Kenntnisse und Erfahrungen (Fachkundenachweis), einer besonderen Praxisausstattung oder anderer Anforderungen an die Versorgungsqualität bedürfen, können die Partner der Bundesmantelverträge einheitlich entsprechende Voraussetzungen für die Ausführung und Abrechnung dieser Leistungen vereinbaren. Soweit für die notwendigen Kenntnisse und Erfahrungen, welche als Qualifikation vorausgesetzt werden müssen, in landesrechtlichen Regelungen zur ärztlichen Berufsausübung, insbesondere solchen des Facharztrechts, bundesweit inhaltsgleich und hinsichtlich der Qualitätsvoraussetzungen nach Satz 1 gleichwertige Qualifikationen eingeführt sind, sind diese notwendige und ausreichende Voraussetzung. Wird die Erbringung ärztlicher Leistungen erstmalig von einer Qualifikation abhängig gemacht, so können die Vertragspartner für Ärzte, welche entsprechende Qualifikationen nicht während einer Weiterbildung erworben haben, übergangsweise Qualifikationen einführen, welche dem Kenntnis- und Erfahrungsstand der facharztrechtlichen Regelungen entsprechen müssen. Abweichend von Satz 2 können die Vertragspartner nach Satz 1 zur Sicherung der Qualität und der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung Regelungen treffen, nach denen die Erbringung bestimmter medizinisch-technischer Leistungen den Fachärzten vorbehalten ist, für die diese Leistungen zum Kern ihres Fachgebietes gehören. Die nach der Rechtsverordnung nach § 140g anerkannten Organisationen sind vor dem Abschluss von Vereinbarungen nach Satz 1 in die Beratungen der Vertragspartner einzubeziehen; die Organisationen benennen hierzu sachkundige Personen. § 140f Absatz 5 gilt entsprechend. Das Nähere zum Verfahren vereinbaren die Vertragspartner nach Satz 1. Für die Vereinbarungen nach diesem Absatz gilt § 87 Absatz 6 Satz 10 entsprechend.

(3) bis (6) (weggefallen)

(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlossen. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen.

(1a) Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, können auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die Krankenkasse erteilt für Leistungen nach Satz 1 vor Beginn der Behandlung eine Kostenübernahmeerklärung, wenn Versicherte oder behandelnde Leistungserbringer dies beantragen. Mit der Kostenübernahmeerklärung wird die Abrechnungsmöglichkeit der Leistung nach Satz 1 festgestellt.

(2) Die Versicherten erhalten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Neunte Buch nichts Abweichendes vorsehen. Die Leistungen werden auf Antrag durch ein Persönliches Budget erbracht; § 29 des Neunten Buches gilt entsprechend. Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels Verträge mit den Leistungserbringern.

(3) Bei der Auswahl der Leistungserbringer ist ihre Vielfalt zu beachten. Den religiösen Bedürfnissen der Versicherten ist Rechnung zu tragen.

(4) Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherte haben darauf zu achten, daß die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden.

(1) Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.

(2) Ist für eine Leistung ein Festbetrag festgesetzt, erfüllt die Krankenkasse ihre Leistungspflicht mit dem Festbetrag.

(3) Hat die Krankenkasse Leistungen ohne Rechtsgrundlage oder entgegen geltendem Recht erbracht und hat ein Vorstandsmitglied hiervon gewußt oder hätte es hiervon wissen müssen, hat die zuständige Aufsichtsbehörde nach Anhörung des Vorstandsmitglieds den Verwaltungsrat zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat das Regreßverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 überprüft auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Absatz 2 Satz 1, des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen, der Deutschen Krankenhausgesellschaft oder eines Bundesverbandes der Krankenhausträger Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden oder angewandt werden sollen, daraufhin, ob sie für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse erforderlich sind. Ergibt die Überprüfung, dass der Nutzen einer Methode nicht hinreichend belegt ist und sie nicht das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, insbesondere weil sie schädlich oder unwirksam ist, erlässt der Gemeinsame Bundesausschuss eine entsprechende Richtlinie, wonach die Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zulasten der Krankenkassen erbracht werden darf. Ergibt die Überprüfung, dass der Nutzen einer Methode noch nicht hinreichend belegt ist, sie aber das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss eine Richtlinie zur Erprobung nach § 137e. Nach Abschluss der Erprobung erlässt der Gemeinsame Bundesausschuss eine Richtlinie, wonach die Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zulasten der Krankenkassen erbracht werden darf, wenn die Überprüfung unter Hinzuziehung der durch die Erprobung gewonnenen Erkenntnisse ergibt, dass die Methode nicht den Kriterien nach Satz 1 entspricht. Die Beschlussfassung über die Annahme eines Antrags nach Satz 1 muss spätestens drei Monate nach Antragseingang erfolgen. Das sich anschließende Methodenbewertungsverfahren ist in der Regel innerhalb von spätestens drei Jahren abzuschließen, es sei denn, dass auch bei Straffung des Verfahrens im Einzelfall eine längere Verfahrensdauer erforderlich ist.

(2) Wird eine Beanstandung des Bundesministeriums für Gesundheit nach § 94 Abs. 1 Satz 2 nicht innerhalb der von ihm gesetzten Frist behoben, kann das Bundesministerium die Richtlinie erlassen. Ab dem Tag des Inkrafttretens einer Richtlinie nach Absatz 1 Satz 2 oder 4 darf die ausgeschlossene Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden; die Durchführung klinischer Studien bleibt von einem Ausschluss nach Absatz 1 Satz 4 unberührt.

(3) Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der Gemeinsame Bundesausschuss bisher keine Entscheidung nach Absatz 1 getroffen hat, dürfen im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt und von den Versicherten beansprucht werden, wenn sie das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten und ihre Anwendung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt, sie also insbesondere medizinisch indiziert und notwendig ist. Dies gilt sowohl für Methoden, für die noch kein Antrag nach Absatz 1 Satz 1 gestellt wurde, als auch für Methoden, deren Bewertung nach Absatz 1 noch nicht abgeschlossen ist.

(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlossen. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen.

(1a) Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, können auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die Krankenkasse erteilt für Leistungen nach Satz 1 vor Beginn der Behandlung eine Kostenübernahmeerklärung, wenn Versicherte oder behandelnde Leistungserbringer dies beantragen. Mit der Kostenübernahmeerklärung wird die Abrechnungsmöglichkeit der Leistung nach Satz 1 festgestellt.

(2) Die Versicherten erhalten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Neunte Buch nichts Abweichendes vorsehen. Die Leistungen werden auf Antrag durch ein Persönliches Budget erbracht; § 29 des Neunten Buches gilt entsprechend. Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels Verträge mit den Leistungserbringern.

(3) Bei der Auswahl der Leistungserbringer ist ihre Vielfalt zu beachten. Den religiösen Bedürfnissen der Versicherten ist Rechnung zu tragen.

(4) Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherte haben darauf zu achten, daß die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 27. Januar 2012 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 7055,12 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Der Kläger betreibt ein nach § 108 Nr 1 SGB V zur Versorgung von Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassenes Hochschulklinikum. In der dortigen Abteilung Kinderheilkunde I mit Poliklinik wurde der am 1984 geborene, bei der Beklagten versicherte R. H. (Versicherter) im September 2000 wegen eines T-zellreichen B-Zell-non-Hodgkin-Lymphoms (in der Folge: NHL) mit einer konventionellen Chemotherapie behandelt. Aufgrund eines im Dezember 2003 festgestellten Rezidivs erhielt der Versicherte im Januar 2004 zunächst erneut eine konventionelle Chemotherapie. In der Zeit vom 7.4. bis 7.5.2004 behandelte der Kläger den Versicherten zudem stationär mit Hochdosischemotherapie und autologer Stammzellgabe. Am 17.4.2004 erhielt der Versicherte autologe periphere Blutstammzellen, bei denen eine CD34+-Anreicherung durchgeführt worden war. Bei der CD34+-Anreicherung handelt es sich um eine Form der in-vitro Aufbereitung, mit der mögliche Tumorzellen aus dem Stammzellentransplantat entfernt werden sollen (in der Folge: in-vitro Aufbereitung).

2

Der Kläger stellte der Beklagten am 31.5.2004 auf der Basis der Diagnosis Related Group (DRG) A15b (Knochenmarktransplantation/Stammzellentransfusion, autogen, mit in-vitro Aufbereitung > 18 Jahre) nach dem Fallpauschalen-Katalog 2004 insgesamt 33 966,75 Euro in Rechnung. Die Beklagte bezahlte diesen Betrag und beauftragte sodann den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit einer Rechnungsprüfung. Dieser kam in seinem Gutachten vom 13.9.2004 zu dem Ergebnis, dass eine CD34+-Anreicherung eindeutig nicht dem evidenzbasierten Standard entspreche. Ein klinischer Nutzen gegenüber der autologen Stammzellentransplantation ohne in-vitro Aufbereitung sei nicht belegt. Somit sei die Behandlung unwirtschaftlich. Es werde eine Abrechnung der erbrachten Leistung nach der DRG A15c (Knochenmarktransplantation/Stammzellentransfusion, autogen, ohne in-vitro Aufbereitung) empfohlen. Im weiteren Verfahren verwies der MDK darauf, dass sich aus den für erwachsene Patienten zur Verfügung stehenden Studien keine Senkung der Rückfallquote und auch keine Verbesserung der Überlebensrate ergebe. Die Beklagte ermittelte unter Zugrundelegung der DRG A15c einen Rechnungsbetrag von 26 913,63 Euro und forderte mit Schreiben vom 15.9.2004 vom Kläger 7055,12 Euro zurück. Diesen Betrag rechnete sie am 10.11.2004 gegen Forderungen des Klägers aus anderen Behandlungsfällen auf.

3

Der Kläger trat den Ausführungen des MDK durch die Vorlage verschiedener Stellungnahmen von Prof. Dr. L. entgegen, der auch der behandelnde Oberarzt des Versicherten war. Trotz des nunmehrigen Alters des Versicherten sei von einer pädiatrischen Erkrankung auszugehen, da diese erstmals im Kindesalter aufgetreten sei. Studien mit erwachsenen Patienten seien deshalb nicht maßgeblich. Vergleichsstudien mit pädiatrischen Patienten hingegen ergäben keine einheitliche Datenlage. Die Ersterkrankung des Versicherten sei im Rahmen der Therapieoptimierungsstudie NHL-BFM 95 im Kindes- und Jugendalter von Prof. Dr. R., Universität G., und damit auf der Behandlungsgrundlage für jede NHL-Erkrankung im Kindes- und Jugendalter therapiert worden. Die weitere Therapie des Versicherten, insbesondere des Rezidivs, sei in Rücksprache mit der NHL-BFM-Studienzentrale erfolgt. Die klägerische Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, in der die streitige Behandlung des Versicherten erfolgt sei, verfüge über eigene langjährige Erfahrungen mit der Transplantatbearbeitung bei autologen Stammzellentransplantationen. Die Ergebnisse von entsprechenden Projekten seien in den Jahren 1997 bis 2003 veröffentlicht worden. Die beim Versicherten angewandte Therapie sei das Ergebnis eigener Erfahrungen und Plausibilitätsüberlegungen der Klinik gewesen. Der Versicherte wäre in anderen hämatologisch-onkologischen Zentren der Kinderkliniken mit sehr großer Wahrscheinlichkeit genauso behandelt worden.

4

Das SG hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger 7055,12 Euro nebst Zinsen seit dem 10.11.2004 zu zahlen, weil die streitige Behandlung zum Zeitpunkt ihrer Anwendung nicht nach § 137c SGB V ausgeschlossen und jedenfalls vertretbar gewesen sei(Urteil vom 23.11.2009). Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG die Entscheidung des SG geändert und die Klage abgewiesen (Urteil vom 27.1.2012): Der vom Kläger geltend gemachte restliche Vergütungsanspruch bestehe nicht, da die ihm zugrunde liegende Behandlung bereits zum Zeitpunkt ihrer Anwendung nicht mehr den Qualitätsanforderungen des SGB V entsprochen habe.

5

Mit der vom LSG zugelassenen Revision macht der Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts geltend. Das LSG sei entgegen §§ 135 ff SGB V davon ausgegangen, dass auch nach § 137c SGB V vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) von der Leistungspflicht in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nicht ausgeschlossene Behandlungsmethoden im Einzelfall auf ihre Wirtschaftlichkeit hin überprüft werden könnten. Dieser Auslegung widersprächen sowohl Gesetzessystematik als auch -wortlaut. Es sei zu klären, ob die - vom LSG in Bezug genommene - neuere Rechtsprechung des 1. Senats des BSG auf den vorliegenden Fall bzw vergleichbare Fällen anzuwenden sei, weil es sich um eine Hochschulklinik handele, die gerade in dem hier fraglichen Behandlungsbereich der Versorgung onkologischer Krankheitsbilder über eine unbestritten international anerkannte Erfahrung verfüge. Das LSG habe weiter gegen § 2 Abs 1 S 3 SGB V verstoßen, indem es unberücksichtigt gelassen habe, dass neben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse auch der medizinische Fortschritt maßgeblich sei, so dass ebenso die Meinung weniger namhafter Spezialisten zu berücksichtigen sei. Weiter werde gegen § 6 Abs 2 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) verstoßen, da auch dort von einer ausschließlichen Kompetenz des GBA zur Bewertung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden im Krankenhaus ausgegangen werde. Die Entscheidung des LSG sei schließlich unter mehrfacher Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes zustande gekommen. Insbesondere habe sich das LSG mit den in der letzten mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträgen nicht befasst.

6

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 27.1.2012 zu ändern und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 23.11.2009 zurückzuweisen.

7

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision des Klägers ist nicht begründet. Die Entscheidung des LSG, das Urteil des SG zu ändern und die Zahlungsklage abzuweisen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf weitergehendes Entgelt für Krankenhausleistungen, da die Beklagte insoweit gegen die Klageforderung rechtswirksam mit einer gleichartigen und erfüllbaren Gegenforderung aufgerechnet hat (dazu 1.). Grundlage der Aufrechnung ist ein Erstattungsanspruch der Beklagten wegen des überzahlten Krankenhausentgelts für die im Rahmen der Behandlung des Versicherten durchgeführte in-vitro Aufbereitung. Auf dieses Entgelt hatte der Kläger keinen Anspruch, da die Behandlung insoweit nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprach (dazu 2.). An diesem Stand war die im April/Mai 2004 erfolgte Krankenhausbehandlung zu messen, obgleich die Behandlungsmethode nicht nach § 137c Abs 1 S 2 SGB V durch den GBA als Leistung der GKV ausgeschlossen war(dazu 3.). Der Kläger kann seinen Anspruch auch nicht auf die Grundsätze eines Seltenheitsfalles (dazu 4.) oder auf eine grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungsanspruchs des Versicherten (dazu 5.) stützen. Seine Verfahrensrügen sind schließlich ebenfalls unbegründet (dazu 6.).

9

1. Dem zulässig im Wege der Leistungsklage (vgl dazu BSGE 86, 166, 167 f = SozR 3-2500 § 112 Nr 1) geltend gemachten Anspruch des Krankenhauses steht die Aufrechnung der Beklagten mit der streitigen Erstattungsforderung entgegen. Zwar hat das LSG weder ausdrücklich noch konkludent festgestellt, welche Vergütungsansprüche (Hauptforderung) der Kläger aufgrund welcher konkreten Krankenhausbehandlung geltend macht. Die Beteiligten haben aber übereinstimmend als selbstverständlich vorausgesetzt, dass dem Kläger gegen die Beklagte - ohne Berücksichtigung der streitigen Gegenforderung - laufende Zahlungsansprüche aus Anlass der Krankenhausbehandlung von Versicherten der Beklagten in Höhe von weiteren 7055,12 Euro erwachsen sind. Da die Beklagte sich gegenüber der Klage ausschließlich im Wege der Primäraufrechnung mit einer Gegenforderung verteidigt, steht die Klageforderung (Hauptforderung) selbst außer Streit (vgl zu einer entsprechenden Prozesssituation BSGE 93, 137 = SozR 4-2500 § 137c Nr 2, jeweils RdNr 6).

10

2. Die Beklagte konnte gegen die Hauptforderung des Klägers in Höhe von 7055,12 Euro aufrechnen. Denn in diesem Umfang hat sie für die stationäre Behandlung des Versicherten in der Zeit April/Mai 2004 Krankenhausentgelt ohne Rechtsgrund gezahlt, weil dem Kläger insoweit kein Vergütungsanspruch zustand (zum öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch bei Überzahlung von Krankenhausentgelten vgl BSGE 93, 137 = SozR 4-2500 § 137c Nr 2, jeweils RdNr 8 f).

11

a) Der Zahlungsanspruch des Krankenhauses korrespondiert mit dem Anspruch des Versicherten auf Krankenhausbehandlung (BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, jeweils RdNr 13; BSGE 100, 164 = SozR 4-2500 § 39 Nr 12, jeweils RdNr 13; BSGE 86, 166, 168 = SozR 3-2500 § 112 Nr 1 S 3). Nach dem seit 1993 unverändert geltenden § 39 Abs 1 S 2 SGB V haben Versicherte Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist (…). Dabei umfasst die Krankenhausbehandlung im Rahmen des Versorgungsauftrages des Krankenhauses alle Leistungen, die im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinische Versorgung der Versicherten im Krankenhaus notwendig sind (§ 39 Abs 1 S 3 Halbs 1 SGB V). Die Leistungspflicht der GKV besteht aber nicht uneingeschränkt für jede Art von medizinischer Versorgung; alle Behandlungsformen, auch solche im Krankenhaus, müssen vielmehr den in §§ 2 Abs 1, 12 Abs 1 und 28 Abs 1 SGB V für die gesamte GKV festgelegten Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitskriterien genügen(so bereits BSGE 93, 137 = SozR 4-2500 § 137c Nr 2, jeweils RdNr 10 mwN; BSGE 101, 177 = SozR 4-2500 § 109 Nr 6, jeweils RdNr 51 ff; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 18 RdNr 23).

12

b) Nach § 28 Abs 1 SGB V, auf den § 39 SGB V ausdrücklich Bezug nimmt, umfasst die ärztliche Behandlung die Tätigkeit des Arztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Krankheiten nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist. § 2 Abs 1 S 3 SGB V bestimmt allgemein, dass die Leistungen der Krankenversicherung nach Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen haben. Den Qualitätskriterien des § 2 Abs 1 S 3 SGB V schließlich entspricht eine Behandlung, wenn die "große Mehrheit der einschlägigen Fachleute (Ärzte, Wissenschaftler)" die Behandlungsmethode befürwortet und von einzelnen, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, über die Zweckmäßigkeit der Therapie Konsens besteht. Dieses setzt im Regelfall voraus, dass über Qualität und Wirksamkeit der Methode zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen gemacht werden können. Der Erfolg muss sich aus wissenschaftlich einwandfrei durchgeführten Studien über die Zahl der behandelten Fälle und die Wirksamkeit der Methode ablesen lassen. Die Therapie muss in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen erfolgreich gewesen sein (BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 5 RdNr 22, 24 ff mwN; BSG SozR 3-2500 § 92 Nr 12 S 71; BSG SozR 3-2500 § 18 Nr 6 S 23; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 38 RdNr 21 für den Bereich Hilfsmittel). Als Basis für die Herausbildung eines Konsenses können alle international zugänglichen einschlägigen Studien dienen; in ihrer Gesamtheit kennzeichnen sie den Stand der medizinischen Erkenntnisse (BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 5 RdNr 29).

13

c) Diesen Anforderungen wurde die streitige in-vitro Aufbereitung zum hier maßgeblichen Zeitpunkt April/Mai 2004 (zur Maßgeblichkeit des Behandlungszeitpunkts für die Beurteilung, ob eine Behandlungsmethode zum Leistungskatalog der Krankenkasse gehört, vgl BSG SozR 3-2500 § 135 Nr 12) nicht gerecht. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Versicherte nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse wie ein Kind oder wie ein Erwachsener zu behandeln war. Denn gesicherte Erkenntnisse über die Wirksamkeit und Zweckmäßigkeit der streitigen in-vitro Aufbereitung sind in beiden Fällen weder vom Kläger benannt worden noch haben sich dafür im Laufe der Verfahrens andere Anhaltspunkte ergeben (zur Feststellung als generelle Tatsache, ob eine Untersuchungs- oder Behandlungsmethode dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht, vgl BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 38 RdNr 23; BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 5 RdNr 18; BSG SozR 3-2500 § 18 Nr 6 S 26 f; BSGE 84, 90, 97 = SozR 3-2500 § 18 Nr 4 S 19). Die vom Kläger benannten Studien bzw Veröffentlichungen dokumentieren zwar in Einzelfällen Überlebensvorteile bei Patienten mit in-vitro gereinigten Transplantaten bzw mit Transplantaten ohne Tumorzellen. Dieselben Studien stellen allerdings gleichzeitig fest, dass die Ursache hierfür unklar bzw dieses Ergebnis in anderen Studien unbestätigt geblieben ist (Alvarnas JC et alt 2004). Auch soweit in der Studie "Granena et alt 1999" ein signifikanter Überlebensvorteil für Hochrisiko-Patienten mit akuter lymphatischer Leukämie nach Behandlung mit in-vitro gereinigtem Transplantat festgestellt wird, fordern die Verfasser im Anschluss gleichwohl die Durchführung einer Studie der Phase III, sehen selbst also ebenfalls noch keine gesicherte Wirksamkeit der Methode. Wie das LSG im Einzelnen ausführlich dargelegt hat (Urteilsumdruck S 27 ff), was im Revisionsverfahren nicht mit Verfahrensrügen angegriffen worden und deshalb für den Senat verbindlich (§ 163 SGG) festgestellt ist, finden sich weitere Studien und Veröffentlichungen, die keine verlässlichen Aussagen über die Wirksamkeit der streitigen in-vitro Aufbereitung hinsichtlich Überlebensvorteil oder Rezidivfreiheit zulassen, so dass beim Vergleich von Patienten mit und ohne in-vitro Aufbereitung signifikante und statistisch aussagekräftige Unterschiede im Hinblick auf Rezidivrate, rezidivfreie Überlebenszeit oder Gesamtüberlebenszeit gerade nicht festgestellt werden konnten. Nach der zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden Studienlage ergibt sich damit kein wissenschaftlicher Konsens über die Wirksamkeit der in-vitro Aufbereitung. Dies wird schließlich auch vom Kläger selbst eingeräumt, wenn er selbst für den aus seiner Sicht allein maßgeblichen pädiatrischen Bereich auf eine damals nicht einheitliche Datenlage verweist (Schriftsatz vom 26.2.2013, S 1).

14

Konsensfähige medizinische Erkenntnisse lassen sich auch nicht aus einschlägigen Leitlinien (zu deren Aussagekraft vgl BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 5 RdNr 33) ableiten. Für erwachsene Patienten haben sich im maßgeblichen Zeitraum keine einschlägigen Leitlinien feststellen lassen. Die Interdisziplinäre Leitlinie der Deutschen Krebsgesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie zu Non-Hodgkin-Lymphomen (zitiert nach Forum DKG 3/00 S 47 ff) sieht bei bestimmten Rezidivpatienten zwar die Durchführung von Knochenmarktransplantationen vor, nicht hingegen eine in-vitro Aufbereitung. Nachdem die in-vitro Aufbereitung damals in der medizinischen Fachdiskussion gerade keine breite Resonanz gefunden hatte, vermag auch der Hinweis des Klägers auf eine mutmaßlich entsprechende Behandlung des Versicherten in anderen hämatologischen Zentren und damit eine eventuelle Verbreitung in der Praxis den anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse nicht zu begründen (BSGE 84, 90, 97 = SozR 3-2500 § 18 Nr 4 S 19; BSGE 81, 54, 70 = SozR 3-2500 § 135 Nr 4 S 26 f - Systemversagen). Entsprechendes gilt für die vom Kläger in Anspruch genommene und zweifelsohne vorliegende langjährige Erfahrung der behandelnden Ärzte des Versicherten, da die Meinung einzelner Mediziner grundsätzlich nicht geeignet ist, einen allgemein anerkannten Stand zu begründen (BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 5 RdNr 24).

15

Das Qualitätsgebot des § 2 Abs 1 S 3 SGB V kann vorliegend ebenfalls nicht "unter Berücksichtigung des medizinischen Fortschritts" als erfüllt angesehen werden. Denn dieses Tatbestandsmerkmal bedeutet - wie der Senat bereits entschieden hat - gerade nicht, dass Anspruch auch auf solche Behandlungen besteht, deren Wirksamkeit und Zweckmäßigkeit noch erforscht wird, über die somit noch keine gesicherten medizinischen Erkenntnisse vorliegen. Vielmehr wird damit nur klargestellt, dass die Versicherten in der GKV am medizinischen Fortschritt teilhaben und grundsätzlich ohne Rücksicht auf die Kosten Anspruch auf diejenige Behandlung haben, die dem neuesten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht (BSGE 93, 137 = SozR 4-2500 § 137c Nr 2, jeweils RdNr 10; BSGE 81, 182, 187 = SozR 3-2500 § 109 Nr 5 S 39). Letzteres ist - wie dargelegt - vorliegend nicht der Fall.

16

3. Auch der Kläger behauptet letztlich nicht, dass die streitige in-vitro Aufbereitung zum Zeitpunkt der Behandlung dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprach. Er meint vielmehr, dass es auf diesen Stand vorliegend nicht ankomme. Weder die Beklagte noch das Sozialgericht seien berechtigt, die Einhaltung des Qualitätsgebots zu überprüfen, da die streitige Behandlungsmethode vom GBA nicht nach § 137c SGB V als Leistung der GKV ausgeschlossen worden sei(vgl auch Felix, NZS 2012, 1, 7 ff sowie NZS 2013, 81, 87 f; Bender, NZS 2012, 761, 766 f; Vollmöller, NZS 2012, 921, 922; Trefz, Pflege- und Krankenhausrecht 2011, 104 f; Hessisches LSG Urteil vom 5.2.2013 - L 1 KR 391/12 - RdNr 19, Juris; LSG Baden-Württemberg Urteil vom 13.11.2012 - L 11 KR 2254/10 - RdNr 33, Juris; aA hingegen Clemens in MedR 2012, 769, 772 - die insoweit vom Kläger in Bezug genommene Fußnote 59 betrifft aber nicht die hier streitige Frage). Etwas anderes könne nur für solche Behandlungen gelten, die offensichtlich nicht dem Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprächen, was auf die streitige Behandlung hier nicht zutreffe.

17

Der Senat vermag dieser Auffassung nicht zu folgen, da sie keine Stütze im Gesetz findet.

18

a) Nach § 137c Abs 1 S 1 SGB V(in der hier maßgeblichen Fassung des Art 1 Nr 106 Gesetz vom 14.11.2003, BGBl I 2190) überprüft der GBA auf Antrag Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden oder angewandt werden sollen, darauf hin, ob sie für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse erforderlich sind. Ergibt die Überprüfung, dass die Methode nicht den oa Kriterien entspricht, erlässt der GBA eine entsprechende Richtlinie (§ 137c Abs 1 S 2 SGB V). Ab dem Tag des Inkrafttretens einer Richtlinie darf die ausgeschlossene Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden; die Durchführung klinischer Studien bleibt unberührt (§ 137c Abs 2 S 2 SGB V).

19

§ 137c SGB V regelt damit ausdrücklich ausschließlich die Voraussetzungen, unter denen der GBA die Anwendung von Methoden im Rahmen einer Krankenhausbehandlung zu Lasten der Krankenkassen ausschließen kann. Welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, damit die stationäre Behandlung eines Versicherten zu Lasten der GKV erbracht werden darf, ist für den Fall des Fehlens eines Negativvotums allein dem Wortlaut der Vorschrift nicht zu entnehmen und mithin durch Auslegung zu ermitteln.

20

b) Der Kläger geht davon aus, dass aus der ausdrücklichen Regelung in § 137c SGB V, wann eine Methode im Rahmen der Krankenhausbehandlung ausgeschlossen ist, zu schlussfolgern sei, dass nicht ausgeschlossene Methoden ohne weitere Prüfung zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden dürfen. Dies widerspricht der Systematik des Gesetzes, die eine Leistungspflicht der GKV gerade nicht uneingeschränkt für jede Art von medizinischer Versorgung vorsieht. Vielmehr unterliegen alle Behandlungsformen, auch solche im Krankenhaus, den in § 2 Abs 1, § 12 Abs 1 und § 28 Abs 1 SGB V für die gesamte GKV festgelegten Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsanforderungen(vgl hierzu bereits die oa Ausführungen 2 a. und b. sowie BSGE 93, 137 = SozR 4-2500 § 137c Nr 2, jeweils RdNr 10; BSGE 90, 289, 291 = SozR 4-2500 § 137c Nr 1, RdNr 6; BSGE 81, 182, 187 = SozR 3-2500 § 109 Nr 5 S 39; BSG SozR 3-2500 § 92 Nr 12 S 71). Diese Anforderungen gelten uneingeschränkt auch für den Bereich des Leistungserbringerrechts (§ 70 Abs 1 SGB V idF des Art 1 Nr 27 des GKV-Gesundheitsreformgesetzes vom 22.12.1999, BGBl I 2626; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 275 Nr 5 RdNr 10 mwN). Der Ansatz des Klägers, die Beklagte sei wegen des Fehlens eines Negativvotums nach § 137c Abs 2 S 2 SGB V von einer Prüfung des Falles ausgeschlossen, widerspricht zudem der gesetzlichen Verpflichtung der Krankenkassen, auch Krankenhausabrechnungen beim Vorliegen von Auffälligkeiten zu überprüfen(§ 275 Abs 1 Nr 1 SGB V, vgl BSG SozR 4-2500 § 275 Nr 5 RdNr 10; zu der zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 137c SGB V geltenden Fassung des § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V bereits BSGE 90, 1, 3 = SozR 3-2500 § 112 Nr 3 S 22).

21

c) Die vom Kläger geforderte Außerachtlassung der Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitskriterien der §§ 2 Abs 1, 12 Abs 1 und 28 Abs 1 SGB V würde zudem dem aus den Gesetzesmaterialien ableitbaren Gesetzeszweck widersprechen. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sollte durch die GKV-Gesundheitsreform 2000 die Qualität der medizinischen Versorgung durch ein umfassendes System der Qualitätssicherung und die Bewertung von Kosten und Wirtschaftlichkeit medizinischer Technologien verbessert werden, indem für die stationäre Leistungserbringung im Krankenhaus der GBA beauftragt wurde, etablierte und neue medizinische Behandlungsmethoden zu überprüfen, ob sie - ähnlich wie in der vertragsärztlichen Versorgung - für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung erforderlich sind (Begründung - Allgemeiner Teil, BT-Drucks 14/1245 S 57). Zudem sollte die Qualität der medizinischen Versorgung gesichert und vermieden werden, dass medizinisch fragwürdige Leistungen zu Lasten der GKV erbracht werden (Begründung - Besonderer Teil, BT-Drucks 14/1245 S 90). Die mit der Einführung des § 137c SGB V verfolgte Zielsetzung entspricht damit der des Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsgebots nach § 2 Abs 1, § 12 Abs 1 und § 28 Abs 1 SGB V, weshalb die Anwendung der §§ 2 Abs 1, 12 Abs 1 und 28 Abs 1 SGB V auch nach Inkrafttreten des § 137c SGB V der in den Gesetzesmaterialien dokumentierten Zielsetzung der Norm entspricht. Ihnen ist jedenfalls nicht zu entnehmen, dass durch die Einführung des § 137c SGB V für den Bereich der Krankenhausbehandlung jegliche bis dorthin bereits vorhandenen Qualitätsanforderungen und die diesbezügliche Prüfungspflicht der Krankenkassen entfallen sollten.

22

d) Der Kläger kann seine Auslegung schließlich weder auf die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage "Nutzenbewertung von nichtmedikamentösen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden" vom 1.7.2011 (BT-Drucks 17/6397, insbesondere S 6 und 7) noch auf die Gesetzesmaterialien zum GKV-Modernisierungsgesetz - GMG - vom 14.11.2003 (BT-Drucks 15/1525 S 126) und zum GKV-Versorgungsstrukturgesetz - GKV-VStG - vom 22.12.2011 (BT-Drucks 17/6906 S 86 zu Nr 54 <§ 137c> und S 88) stützen. Zwar ist diesen Unterlagen zu entnehmen, dass dort für den stationären Bereich von einer "Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt" ausgegangen wird, so dass erst ein negatives Votum den Einsatz einer Methode zu Lasten der GKV in den Krankenhäusern ausschließt. Hierbei handelt es sich allerdings methodisch um eine sog authentische Interpretation, an die der Senat nicht gebunden ist. Sie schränkt die Kontrollrechte und -pflichten der Fachgerichte nicht ein. Denn zur verbindlichen Auslegung einer Norm ist letztlich allein die rechtsprechende Gewalt berufen, die nach Art 92 GG den Richtern anvertraut ist (BVerfGE 126, 369, 392 = SozR 4-5050 § 22b Nr 9 RdNr 73). Dies wird schließlich auch dann übersehen, wenn mit Blick auf die zum 1.1.2012 mit dem GKV-VStG in Kraft getretene Änderung des § 137c SGB V gefordert wird, nunmehr die Rechtsprechung entsprechend der Ausführungen in den dortigen Materialien anzupassen(so insbesondere Felix, NZS 2013, 81 ff). Denn zum einen hat die zum 1.1.2012 in Kraft getretene Änderung des § 137c SGB V an der für die hier streitige Frage maßgeblichen Grundkonzeption des § 137c SGB V nichts geändert. Mit ihr wird lediglich der GBA ermächtigt, Richtlinien zur Erprobung nach § 137e SGB V zu beschließen, wenn die Überprüfung im Rahmen des § 137c SGB V ergibt, dass der Nutzen einer Methode noch nicht hinreichend belegt ist, sie aber das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet(§ 137c Abs 1 S 4 SGB V idF des GKV-VStG vom 22.12.2011, BGBl I 2983). Aufgrund einer solchen Richtlinie dürfte die Untersuchungs- oder Behandlungsmethode dann in einem befristeten Zeitraum im Rahmen der Krankenbehandlung oder der Früherkennung zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden (§ 137e Abs 1 S 2 SGB V idF des GKV-VStG vom 22.12.2011, BGBl I 2983). Zur Anwendung des Qualitätsgebots bei einzelnen Krankenhausbehandlungen trifft § 137c SGB V aber weiter keine Regelung. Die Anwendung der Neuregelung des § 137c SGB V auf den vorliegenden Streitfall würde zum anderen die Annahme bedingen, dass der Gesetzgeber neben einer Gesetzesänderung für die Zukunft gleichzeitig im Wege einer Rechtsfortschreibung ohne Textänderung für die Vergangenheit angeordnet habe, den unveränderten Wortlaut des bisherigen § 137c Abs 1 S 2 und Abs 2 S 2 SGB V von Anfang an so zu verstehen, als habe er den vom Kläger gewünschten und allein in den Gesetzesmaterialien verlautbarten Inhalt auch schon früher gehabt. Diese Annahme lässt sich aber mit keiner der zur Verfügung stehenden Auslegungsmethoden begründen.

23

e) Auch der Verweis auf § 6 Abs 2 KHEntgG(idF des Art 2 Nr 4 Buchst b des Fallpauschalenänderungsgesetzes - FPÄndG - vom 17.7.2003, BGBl I 1461) kann die Auffassung des Klägers nicht stützen. Danach sollen die Vertragsparteien nach § 11 KHEntgG erstmals für das Kalenderjahr 2005 zeitlich befristete, fallbezogene Entgelte oder Zusatzentgelte vereinbaren für die Vergütung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die mit den Fallpauschalen und Zusatzentgelten nach § 7 S 1 Nr 1 und 2 KHEntgG noch nicht sachgerecht vergütet werden können und die nicht gemäß § 137c SGB V von der Finanzierung ausgeschlossen sind. Damit ist indes eine Aussage zu der hier streitigen Frage, ob eine Behandlungsmethode zu Lasten der GKV erbracht werden darf, nicht zu erkennen; diese ist vielmehr ausschließlich anhand des SGB V zu beantworten. Zudem schließt § 6 Abs 2 KHEntgG die Anwendung des Qualitätsgebots auf neue stationäre Behandlungsmethoden nicht aus, sondern ist für dessen Berücksichtigung im Rahmen der Auslegung völlig offen.

24

f) Insgesamt schließt sich der Senat nach eigener Prüfung der Rechtsprechung des 1. Senats des BSG an, wonach § 137c SGB V nicht im Sinne einer generellen Erlaubnis aller beliebigen Methoden für das Krankenhaus mit Verbotsvorbehalt ausgelegt werden darf(grundlegend BSGE 101, 177 = SozR 4-2500 § 109 Nr 6, jeweils RdNr 51 ff sowie BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 18 RdNr 23 und Urteil vom 18.12.2012 - B 1 KR 34/12 R - RdNr 34 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2500 § 137 Nr 2 vorgesehen). Die Vorschrift setzt die Geltung des Qualitätsgebots auch im stationären Bereich nicht außer Kraft. Andernfalls würde die aufgezeigte Systematik des SGB V durchbrochen und die Einheit der Rechtsordnung gefährdet. Denn eine Krankenhausbehandlung, die nicht nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt und deshalb für den Patienten Schadensersatzansprüche sowie für den Krankenhausarzt strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann, muss nicht von den Krankenkassen bezahlt werden (BSGE 101, 177 = SozR 4-2500 § 109 Nr 6, jeweils RdNr 51 ff). § 137c SGB V bewirkt vor diesem Hintergrund lediglich, dass - anders als für den Bereich der vertragsärztlichen Versorgung - nicht in einem generalisierten, zentralisierten formellen Prüfverfahren vor Einführung neuer Behandlungsmethoden im Krankenhaus deren Eignung, Erforderlichkeit und Wirtschaftlichkeit formalisiert überprüft wird, sondern die Prüfung der eingesetzten Methoden im zugelassenen Krankenhaus grundsätzlich prospektiv durch das Krankenhaus selbst und retrospektiv lediglich im Einzelfall anlässlich von Beanstandungen ex post erfolgt. Erst ein generalisiertes, zentralisiertes Prüfverfahren nach § 137c SGB V schafft über den Einzelfall hinaus Regelungsklarheit(BSG aaO), so dass es insoweit keiner Einzelfallprüfung mehr bedarf. Der 1. Senat des BSG hat schließlich auch schon entschieden, dass diese Rechtsauslegung nicht nur im Rahmen von Zulassungsverfahren nach § 109 SGB V maßgeblich ist, sondern ebenso bei der Bewertung des - für den Entgeltanspruch des Krankenhauses maßgeblichen - Leistungsanspruchs des Versicherten nach § 39 SGB V zu berücksichtigen ist(BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 18 RdNr 23). Hieran vermag die Stellung des Klägers als Universitätsklinikum nichts zu ändern, da das Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 SGB V) auch hier gilt (vgl BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 29.12.2012 - 1 BvR 1849/12 ua -, RdNr 11 f zitiert nach Juris).

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4. Der Kläger kann den streitigen Vergütungsanspruch auch nicht auf die Grundsätze eines Seltenheitsfalles stützen, da ein solcher der streitigen Behandlung nicht zugrunde lag. Denn ein Seltenheitsfall setzt voraus, dass eine Krankheit weltweit nur extrem selten auftritt und deshalb im nationalen wie im internationalen Rahmen weder systematisch erforscht noch systematisch behandelt werden kann (grundlegend BSGE 93, 236 = SozR 4-2500 § 27 Nr 1, jeweils RdNr 21 sowie in der Folge BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, jeweils RdNr 30; BSGE 109, 212 = SozR 4-2500 § 31 Nr 19, jeweils RdNr 21; BSGE 109, 218 = SozR 4-2500 § 31 Nr 20, jeweils RdNr 13 f; Urteil vom 3.7.2012 - B 1 KR 25/11 R - BSGE 111, 168 = SozR 4-2500 § 31 Nr 22, jeweils RdNr 18 ff). Vorliegend ergibt sich sowohl aus dem Vortrag des Klägers als auch aus den Stellungnahmen des MDK, dass eine systematische Erforschung sowohl der Behandlung der NHL-Erkrankung des Versicherten als auch der Wirksamkeit der streitigen in-vitro Aufbereitung erfolgt ist. Dabei kommt der Tatsache, dass die im Verfahren benannten Studien nicht genau zur Erkrankung des Versicherten, sondern teilweise zu anderen Unterarten des Non-Hodgking-Lymphoms durchgeführt worden sind, keine besondere Bedeutung zu, da die Beteiligten ungeachtet dessen davon ausgegangen sind, aus diesen auch Schlüsse über die Wirksamkeit der in-vitro Aufbereitung beim Versicherten ziehen zu können. Darüber hinaus hat die Interdisziplinäre Leitlinie der Deutschen Krebsgesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie zu Non-Hodgkin-Lymphomen im Kindesalter bereits in ihrer im Jahr 2000 veröffentlichten Fassung als ein vorrangiges Ziel die Entwicklung einer erfolgversprechenden Rezidivtherapie formuliert (zitiert nach Forum DKG 3/00 S 47, 50). Von einem Seltenheitsfall ist deshalb nicht auszugehen.

26

5. Auch unter Berücksichtigung der vom BVerfG entwickelten Grundsätze einer grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungsrechts ("Nikolausbeschluss", zB BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5; vgl auch BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, jeweils RdNr 21 und 29 ff mwN; BSGE 96, 153 = SozR 4-2500 § 27 Nr 7, jeweils RdNr 31 f; BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, jeweils RdNr 20 ff mwN; seit 1.1.2012: § 2 Abs 1a SGB V),ergibt sich kein Anspruch des Krankenhauses, da mit der Hochdosischemotherapie mit autogener Stammzelltransplantation eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung zur Verfügung stand (vgl BSG Urteil vom 3.7.2012 - B 1 KR 6/11 R - BSGE 111, 137 = SozR 4-2500 § 13 Nr 25, jeweils RdNr 17).

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6. Die Revision hat schließlich auch keinen Erfolg mit den Verfahrensrügen, das LSG habe keine ordnungsgemäße Sachverhaltsaufklärung hinsichtlich der Feststellung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse betrieben und insoweit gegen § 103 SGG verstoßen, da es seine Entscheidung auf die Gutachten des MDK gestützt und weitere Ermittlungen, insbesondere die Einholung der in der mündlichen Verhandlung hilfsweise beantragten Sachverständigengutachten unterlassen habe.

28

Nach § 103 SGG erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen. Dabei bestimmt das Tatsachengericht im Rahmen seines Ermessens die Ermittlungen und Maßnahmen, die nach seiner materiell-rechtlichen Auffassung zur Aufklärung des Sachverhalts notwendig sind. Sein Ermessen ist dabei durch die Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts in dem für die Entscheidung erforderlichen Umfang begrenzt. Ein Verstoß gegen § 103 SGG liegt deshalb nur dann vor, wenn das Berufungsgericht sich zu einer weiteren Sachverhaltsaufklärung hätte gedrängt fühlen müssen(BSGE 93, 137 = SozR 4-2500 § 137c Nr 2, jeweils RdNr 34; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 103 RdNr 20 mwN). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Es konnte materiell-rechtlich weder auf die Auffassung des MDK noch auf die Auffassung eines Sachverständigen zum allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse ankommen. Die Auffassung einzelner Mediziner - und als nichts anderes ist eine fachliche Stellungnahme des MDK zum allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu werten - ist bei der Beurteilung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse gerade nicht maßgeblich (BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 5 RdNr 24). Auch auf die Anerkennung und Akzeptanz der streitigen Methode in den einschlägigen medizinischen Fachkreisen zum Zeitpunkt der Behandlung konnte es aufgrund des fehlenden wissenschaftlichen Belegs der Wirksamkeit nicht ankommen (BSGE 84, 90, 96 f = SozR 3-2500 § 18 Nr 4 S 19; BSGE 81, 54, 70 = SozR 3-2500 § 135 Nr 4 S 26 f - Systemversagen).

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7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 SGG iVm § 154 Abs 1 und 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und § 47 Abs 1 GKG.

(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 überprüft auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Absatz 2 Satz 1, des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen, der Deutschen Krankenhausgesellschaft oder eines Bundesverbandes der Krankenhausträger Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden oder angewandt werden sollen, daraufhin, ob sie für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse erforderlich sind. Ergibt die Überprüfung, dass der Nutzen einer Methode nicht hinreichend belegt ist und sie nicht das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, insbesondere weil sie schädlich oder unwirksam ist, erlässt der Gemeinsame Bundesausschuss eine entsprechende Richtlinie, wonach die Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zulasten der Krankenkassen erbracht werden darf. Ergibt die Überprüfung, dass der Nutzen einer Methode noch nicht hinreichend belegt ist, sie aber das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss eine Richtlinie zur Erprobung nach § 137e. Nach Abschluss der Erprobung erlässt der Gemeinsame Bundesausschuss eine Richtlinie, wonach die Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zulasten der Krankenkassen erbracht werden darf, wenn die Überprüfung unter Hinzuziehung der durch die Erprobung gewonnenen Erkenntnisse ergibt, dass die Methode nicht den Kriterien nach Satz 1 entspricht. Die Beschlussfassung über die Annahme eines Antrags nach Satz 1 muss spätestens drei Monate nach Antragseingang erfolgen. Das sich anschließende Methodenbewertungsverfahren ist in der Regel innerhalb von spätestens drei Jahren abzuschließen, es sei denn, dass auch bei Straffung des Verfahrens im Einzelfall eine längere Verfahrensdauer erforderlich ist.

(2) Wird eine Beanstandung des Bundesministeriums für Gesundheit nach § 94 Abs. 1 Satz 2 nicht innerhalb der von ihm gesetzten Frist behoben, kann das Bundesministerium die Richtlinie erlassen. Ab dem Tag des Inkrafttretens einer Richtlinie nach Absatz 1 Satz 2 oder 4 darf die ausgeschlossene Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden; die Durchführung klinischer Studien bleibt von einem Ausschluss nach Absatz 1 Satz 4 unberührt.

(3) Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der Gemeinsame Bundesausschuss bisher keine Entscheidung nach Absatz 1 getroffen hat, dürfen im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt und von den Versicherten beansprucht werden, wenn sie das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten und ihre Anwendung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt, sie also insbesondere medizinisch indiziert und notwendig ist. Dies gilt sowohl für Methoden, für die noch kein Antrag nach Absatz 1 Satz 1 gestellt wurde, als auch für Methoden, deren Bewertung nach Absatz 1 noch nicht abgeschlossen ist.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 27. Januar 2012 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 7055,12 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Der Kläger betreibt ein nach § 108 Nr 1 SGB V zur Versorgung von Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassenes Hochschulklinikum. In der dortigen Abteilung Kinderheilkunde I mit Poliklinik wurde der am 1984 geborene, bei der Beklagten versicherte R. H. (Versicherter) im September 2000 wegen eines T-zellreichen B-Zell-non-Hodgkin-Lymphoms (in der Folge: NHL) mit einer konventionellen Chemotherapie behandelt. Aufgrund eines im Dezember 2003 festgestellten Rezidivs erhielt der Versicherte im Januar 2004 zunächst erneut eine konventionelle Chemotherapie. In der Zeit vom 7.4. bis 7.5.2004 behandelte der Kläger den Versicherten zudem stationär mit Hochdosischemotherapie und autologer Stammzellgabe. Am 17.4.2004 erhielt der Versicherte autologe periphere Blutstammzellen, bei denen eine CD34+-Anreicherung durchgeführt worden war. Bei der CD34+-Anreicherung handelt es sich um eine Form der in-vitro Aufbereitung, mit der mögliche Tumorzellen aus dem Stammzellentransplantat entfernt werden sollen (in der Folge: in-vitro Aufbereitung).

2

Der Kläger stellte der Beklagten am 31.5.2004 auf der Basis der Diagnosis Related Group (DRG) A15b (Knochenmarktransplantation/Stammzellentransfusion, autogen, mit in-vitro Aufbereitung > 18 Jahre) nach dem Fallpauschalen-Katalog 2004 insgesamt 33 966,75 Euro in Rechnung. Die Beklagte bezahlte diesen Betrag und beauftragte sodann den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit einer Rechnungsprüfung. Dieser kam in seinem Gutachten vom 13.9.2004 zu dem Ergebnis, dass eine CD34+-Anreicherung eindeutig nicht dem evidenzbasierten Standard entspreche. Ein klinischer Nutzen gegenüber der autologen Stammzellentransplantation ohne in-vitro Aufbereitung sei nicht belegt. Somit sei die Behandlung unwirtschaftlich. Es werde eine Abrechnung der erbrachten Leistung nach der DRG A15c (Knochenmarktransplantation/Stammzellentransfusion, autogen, ohne in-vitro Aufbereitung) empfohlen. Im weiteren Verfahren verwies der MDK darauf, dass sich aus den für erwachsene Patienten zur Verfügung stehenden Studien keine Senkung der Rückfallquote und auch keine Verbesserung der Überlebensrate ergebe. Die Beklagte ermittelte unter Zugrundelegung der DRG A15c einen Rechnungsbetrag von 26 913,63 Euro und forderte mit Schreiben vom 15.9.2004 vom Kläger 7055,12 Euro zurück. Diesen Betrag rechnete sie am 10.11.2004 gegen Forderungen des Klägers aus anderen Behandlungsfällen auf.

3

Der Kläger trat den Ausführungen des MDK durch die Vorlage verschiedener Stellungnahmen von Prof. Dr. L. entgegen, der auch der behandelnde Oberarzt des Versicherten war. Trotz des nunmehrigen Alters des Versicherten sei von einer pädiatrischen Erkrankung auszugehen, da diese erstmals im Kindesalter aufgetreten sei. Studien mit erwachsenen Patienten seien deshalb nicht maßgeblich. Vergleichsstudien mit pädiatrischen Patienten hingegen ergäben keine einheitliche Datenlage. Die Ersterkrankung des Versicherten sei im Rahmen der Therapieoptimierungsstudie NHL-BFM 95 im Kindes- und Jugendalter von Prof. Dr. R., Universität G., und damit auf der Behandlungsgrundlage für jede NHL-Erkrankung im Kindes- und Jugendalter therapiert worden. Die weitere Therapie des Versicherten, insbesondere des Rezidivs, sei in Rücksprache mit der NHL-BFM-Studienzentrale erfolgt. Die klägerische Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, in der die streitige Behandlung des Versicherten erfolgt sei, verfüge über eigene langjährige Erfahrungen mit der Transplantatbearbeitung bei autologen Stammzellentransplantationen. Die Ergebnisse von entsprechenden Projekten seien in den Jahren 1997 bis 2003 veröffentlicht worden. Die beim Versicherten angewandte Therapie sei das Ergebnis eigener Erfahrungen und Plausibilitätsüberlegungen der Klinik gewesen. Der Versicherte wäre in anderen hämatologisch-onkologischen Zentren der Kinderkliniken mit sehr großer Wahrscheinlichkeit genauso behandelt worden.

4

Das SG hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger 7055,12 Euro nebst Zinsen seit dem 10.11.2004 zu zahlen, weil die streitige Behandlung zum Zeitpunkt ihrer Anwendung nicht nach § 137c SGB V ausgeschlossen und jedenfalls vertretbar gewesen sei(Urteil vom 23.11.2009). Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG die Entscheidung des SG geändert und die Klage abgewiesen (Urteil vom 27.1.2012): Der vom Kläger geltend gemachte restliche Vergütungsanspruch bestehe nicht, da die ihm zugrunde liegende Behandlung bereits zum Zeitpunkt ihrer Anwendung nicht mehr den Qualitätsanforderungen des SGB V entsprochen habe.

5

Mit der vom LSG zugelassenen Revision macht der Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts geltend. Das LSG sei entgegen §§ 135 ff SGB V davon ausgegangen, dass auch nach § 137c SGB V vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) von der Leistungspflicht in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nicht ausgeschlossene Behandlungsmethoden im Einzelfall auf ihre Wirtschaftlichkeit hin überprüft werden könnten. Dieser Auslegung widersprächen sowohl Gesetzessystematik als auch -wortlaut. Es sei zu klären, ob die - vom LSG in Bezug genommene - neuere Rechtsprechung des 1. Senats des BSG auf den vorliegenden Fall bzw vergleichbare Fällen anzuwenden sei, weil es sich um eine Hochschulklinik handele, die gerade in dem hier fraglichen Behandlungsbereich der Versorgung onkologischer Krankheitsbilder über eine unbestritten international anerkannte Erfahrung verfüge. Das LSG habe weiter gegen § 2 Abs 1 S 3 SGB V verstoßen, indem es unberücksichtigt gelassen habe, dass neben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse auch der medizinische Fortschritt maßgeblich sei, so dass ebenso die Meinung weniger namhafter Spezialisten zu berücksichtigen sei. Weiter werde gegen § 6 Abs 2 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) verstoßen, da auch dort von einer ausschließlichen Kompetenz des GBA zur Bewertung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden im Krankenhaus ausgegangen werde. Die Entscheidung des LSG sei schließlich unter mehrfacher Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes zustande gekommen. Insbesondere habe sich das LSG mit den in der letzten mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträgen nicht befasst.

6

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 27.1.2012 zu ändern und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 23.11.2009 zurückzuweisen.

7

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision des Klägers ist nicht begründet. Die Entscheidung des LSG, das Urteil des SG zu ändern und die Zahlungsklage abzuweisen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf weitergehendes Entgelt für Krankenhausleistungen, da die Beklagte insoweit gegen die Klageforderung rechtswirksam mit einer gleichartigen und erfüllbaren Gegenforderung aufgerechnet hat (dazu 1.). Grundlage der Aufrechnung ist ein Erstattungsanspruch der Beklagten wegen des überzahlten Krankenhausentgelts für die im Rahmen der Behandlung des Versicherten durchgeführte in-vitro Aufbereitung. Auf dieses Entgelt hatte der Kläger keinen Anspruch, da die Behandlung insoweit nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprach (dazu 2.). An diesem Stand war die im April/Mai 2004 erfolgte Krankenhausbehandlung zu messen, obgleich die Behandlungsmethode nicht nach § 137c Abs 1 S 2 SGB V durch den GBA als Leistung der GKV ausgeschlossen war(dazu 3.). Der Kläger kann seinen Anspruch auch nicht auf die Grundsätze eines Seltenheitsfalles (dazu 4.) oder auf eine grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungsanspruchs des Versicherten (dazu 5.) stützen. Seine Verfahrensrügen sind schließlich ebenfalls unbegründet (dazu 6.).

9

1. Dem zulässig im Wege der Leistungsklage (vgl dazu BSGE 86, 166, 167 f = SozR 3-2500 § 112 Nr 1) geltend gemachten Anspruch des Krankenhauses steht die Aufrechnung der Beklagten mit der streitigen Erstattungsforderung entgegen. Zwar hat das LSG weder ausdrücklich noch konkludent festgestellt, welche Vergütungsansprüche (Hauptforderung) der Kläger aufgrund welcher konkreten Krankenhausbehandlung geltend macht. Die Beteiligten haben aber übereinstimmend als selbstverständlich vorausgesetzt, dass dem Kläger gegen die Beklagte - ohne Berücksichtigung der streitigen Gegenforderung - laufende Zahlungsansprüche aus Anlass der Krankenhausbehandlung von Versicherten der Beklagten in Höhe von weiteren 7055,12 Euro erwachsen sind. Da die Beklagte sich gegenüber der Klage ausschließlich im Wege der Primäraufrechnung mit einer Gegenforderung verteidigt, steht die Klageforderung (Hauptforderung) selbst außer Streit (vgl zu einer entsprechenden Prozesssituation BSGE 93, 137 = SozR 4-2500 § 137c Nr 2, jeweils RdNr 6).

10

2. Die Beklagte konnte gegen die Hauptforderung des Klägers in Höhe von 7055,12 Euro aufrechnen. Denn in diesem Umfang hat sie für die stationäre Behandlung des Versicherten in der Zeit April/Mai 2004 Krankenhausentgelt ohne Rechtsgrund gezahlt, weil dem Kläger insoweit kein Vergütungsanspruch zustand (zum öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch bei Überzahlung von Krankenhausentgelten vgl BSGE 93, 137 = SozR 4-2500 § 137c Nr 2, jeweils RdNr 8 f).

11

a) Der Zahlungsanspruch des Krankenhauses korrespondiert mit dem Anspruch des Versicherten auf Krankenhausbehandlung (BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, jeweils RdNr 13; BSGE 100, 164 = SozR 4-2500 § 39 Nr 12, jeweils RdNr 13; BSGE 86, 166, 168 = SozR 3-2500 § 112 Nr 1 S 3). Nach dem seit 1993 unverändert geltenden § 39 Abs 1 S 2 SGB V haben Versicherte Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist (…). Dabei umfasst die Krankenhausbehandlung im Rahmen des Versorgungsauftrages des Krankenhauses alle Leistungen, die im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinische Versorgung der Versicherten im Krankenhaus notwendig sind (§ 39 Abs 1 S 3 Halbs 1 SGB V). Die Leistungspflicht der GKV besteht aber nicht uneingeschränkt für jede Art von medizinischer Versorgung; alle Behandlungsformen, auch solche im Krankenhaus, müssen vielmehr den in §§ 2 Abs 1, 12 Abs 1 und 28 Abs 1 SGB V für die gesamte GKV festgelegten Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitskriterien genügen(so bereits BSGE 93, 137 = SozR 4-2500 § 137c Nr 2, jeweils RdNr 10 mwN; BSGE 101, 177 = SozR 4-2500 § 109 Nr 6, jeweils RdNr 51 ff; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 18 RdNr 23).

12

b) Nach § 28 Abs 1 SGB V, auf den § 39 SGB V ausdrücklich Bezug nimmt, umfasst die ärztliche Behandlung die Tätigkeit des Arztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Krankheiten nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist. § 2 Abs 1 S 3 SGB V bestimmt allgemein, dass die Leistungen der Krankenversicherung nach Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen haben. Den Qualitätskriterien des § 2 Abs 1 S 3 SGB V schließlich entspricht eine Behandlung, wenn die "große Mehrheit der einschlägigen Fachleute (Ärzte, Wissenschaftler)" die Behandlungsmethode befürwortet und von einzelnen, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, über die Zweckmäßigkeit der Therapie Konsens besteht. Dieses setzt im Regelfall voraus, dass über Qualität und Wirksamkeit der Methode zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen gemacht werden können. Der Erfolg muss sich aus wissenschaftlich einwandfrei durchgeführten Studien über die Zahl der behandelten Fälle und die Wirksamkeit der Methode ablesen lassen. Die Therapie muss in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen erfolgreich gewesen sein (BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 5 RdNr 22, 24 ff mwN; BSG SozR 3-2500 § 92 Nr 12 S 71; BSG SozR 3-2500 § 18 Nr 6 S 23; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 38 RdNr 21 für den Bereich Hilfsmittel). Als Basis für die Herausbildung eines Konsenses können alle international zugänglichen einschlägigen Studien dienen; in ihrer Gesamtheit kennzeichnen sie den Stand der medizinischen Erkenntnisse (BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 5 RdNr 29).

13

c) Diesen Anforderungen wurde die streitige in-vitro Aufbereitung zum hier maßgeblichen Zeitpunkt April/Mai 2004 (zur Maßgeblichkeit des Behandlungszeitpunkts für die Beurteilung, ob eine Behandlungsmethode zum Leistungskatalog der Krankenkasse gehört, vgl BSG SozR 3-2500 § 135 Nr 12) nicht gerecht. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Versicherte nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse wie ein Kind oder wie ein Erwachsener zu behandeln war. Denn gesicherte Erkenntnisse über die Wirksamkeit und Zweckmäßigkeit der streitigen in-vitro Aufbereitung sind in beiden Fällen weder vom Kläger benannt worden noch haben sich dafür im Laufe der Verfahrens andere Anhaltspunkte ergeben (zur Feststellung als generelle Tatsache, ob eine Untersuchungs- oder Behandlungsmethode dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht, vgl BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 38 RdNr 23; BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 5 RdNr 18; BSG SozR 3-2500 § 18 Nr 6 S 26 f; BSGE 84, 90, 97 = SozR 3-2500 § 18 Nr 4 S 19). Die vom Kläger benannten Studien bzw Veröffentlichungen dokumentieren zwar in Einzelfällen Überlebensvorteile bei Patienten mit in-vitro gereinigten Transplantaten bzw mit Transplantaten ohne Tumorzellen. Dieselben Studien stellen allerdings gleichzeitig fest, dass die Ursache hierfür unklar bzw dieses Ergebnis in anderen Studien unbestätigt geblieben ist (Alvarnas JC et alt 2004). Auch soweit in der Studie "Granena et alt 1999" ein signifikanter Überlebensvorteil für Hochrisiko-Patienten mit akuter lymphatischer Leukämie nach Behandlung mit in-vitro gereinigtem Transplantat festgestellt wird, fordern die Verfasser im Anschluss gleichwohl die Durchführung einer Studie der Phase III, sehen selbst also ebenfalls noch keine gesicherte Wirksamkeit der Methode. Wie das LSG im Einzelnen ausführlich dargelegt hat (Urteilsumdruck S 27 ff), was im Revisionsverfahren nicht mit Verfahrensrügen angegriffen worden und deshalb für den Senat verbindlich (§ 163 SGG) festgestellt ist, finden sich weitere Studien und Veröffentlichungen, die keine verlässlichen Aussagen über die Wirksamkeit der streitigen in-vitro Aufbereitung hinsichtlich Überlebensvorteil oder Rezidivfreiheit zulassen, so dass beim Vergleich von Patienten mit und ohne in-vitro Aufbereitung signifikante und statistisch aussagekräftige Unterschiede im Hinblick auf Rezidivrate, rezidivfreie Überlebenszeit oder Gesamtüberlebenszeit gerade nicht festgestellt werden konnten. Nach der zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden Studienlage ergibt sich damit kein wissenschaftlicher Konsens über die Wirksamkeit der in-vitro Aufbereitung. Dies wird schließlich auch vom Kläger selbst eingeräumt, wenn er selbst für den aus seiner Sicht allein maßgeblichen pädiatrischen Bereich auf eine damals nicht einheitliche Datenlage verweist (Schriftsatz vom 26.2.2013, S 1).

14

Konsensfähige medizinische Erkenntnisse lassen sich auch nicht aus einschlägigen Leitlinien (zu deren Aussagekraft vgl BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 5 RdNr 33) ableiten. Für erwachsene Patienten haben sich im maßgeblichen Zeitraum keine einschlägigen Leitlinien feststellen lassen. Die Interdisziplinäre Leitlinie der Deutschen Krebsgesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie zu Non-Hodgkin-Lymphomen (zitiert nach Forum DKG 3/00 S 47 ff) sieht bei bestimmten Rezidivpatienten zwar die Durchführung von Knochenmarktransplantationen vor, nicht hingegen eine in-vitro Aufbereitung. Nachdem die in-vitro Aufbereitung damals in der medizinischen Fachdiskussion gerade keine breite Resonanz gefunden hatte, vermag auch der Hinweis des Klägers auf eine mutmaßlich entsprechende Behandlung des Versicherten in anderen hämatologischen Zentren und damit eine eventuelle Verbreitung in der Praxis den anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse nicht zu begründen (BSGE 84, 90, 97 = SozR 3-2500 § 18 Nr 4 S 19; BSGE 81, 54, 70 = SozR 3-2500 § 135 Nr 4 S 26 f - Systemversagen). Entsprechendes gilt für die vom Kläger in Anspruch genommene und zweifelsohne vorliegende langjährige Erfahrung der behandelnden Ärzte des Versicherten, da die Meinung einzelner Mediziner grundsätzlich nicht geeignet ist, einen allgemein anerkannten Stand zu begründen (BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 5 RdNr 24).

15

Das Qualitätsgebot des § 2 Abs 1 S 3 SGB V kann vorliegend ebenfalls nicht "unter Berücksichtigung des medizinischen Fortschritts" als erfüllt angesehen werden. Denn dieses Tatbestandsmerkmal bedeutet - wie der Senat bereits entschieden hat - gerade nicht, dass Anspruch auch auf solche Behandlungen besteht, deren Wirksamkeit und Zweckmäßigkeit noch erforscht wird, über die somit noch keine gesicherten medizinischen Erkenntnisse vorliegen. Vielmehr wird damit nur klargestellt, dass die Versicherten in der GKV am medizinischen Fortschritt teilhaben und grundsätzlich ohne Rücksicht auf die Kosten Anspruch auf diejenige Behandlung haben, die dem neuesten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht (BSGE 93, 137 = SozR 4-2500 § 137c Nr 2, jeweils RdNr 10; BSGE 81, 182, 187 = SozR 3-2500 § 109 Nr 5 S 39). Letzteres ist - wie dargelegt - vorliegend nicht der Fall.

16

3. Auch der Kläger behauptet letztlich nicht, dass die streitige in-vitro Aufbereitung zum Zeitpunkt der Behandlung dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprach. Er meint vielmehr, dass es auf diesen Stand vorliegend nicht ankomme. Weder die Beklagte noch das Sozialgericht seien berechtigt, die Einhaltung des Qualitätsgebots zu überprüfen, da die streitige Behandlungsmethode vom GBA nicht nach § 137c SGB V als Leistung der GKV ausgeschlossen worden sei(vgl auch Felix, NZS 2012, 1, 7 ff sowie NZS 2013, 81, 87 f; Bender, NZS 2012, 761, 766 f; Vollmöller, NZS 2012, 921, 922; Trefz, Pflege- und Krankenhausrecht 2011, 104 f; Hessisches LSG Urteil vom 5.2.2013 - L 1 KR 391/12 - RdNr 19, Juris; LSG Baden-Württemberg Urteil vom 13.11.2012 - L 11 KR 2254/10 - RdNr 33, Juris; aA hingegen Clemens in MedR 2012, 769, 772 - die insoweit vom Kläger in Bezug genommene Fußnote 59 betrifft aber nicht die hier streitige Frage). Etwas anderes könne nur für solche Behandlungen gelten, die offensichtlich nicht dem Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprächen, was auf die streitige Behandlung hier nicht zutreffe.

17

Der Senat vermag dieser Auffassung nicht zu folgen, da sie keine Stütze im Gesetz findet.

18

a) Nach § 137c Abs 1 S 1 SGB V(in der hier maßgeblichen Fassung des Art 1 Nr 106 Gesetz vom 14.11.2003, BGBl I 2190) überprüft der GBA auf Antrag Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden oder angewandt werden sollen, darauf hin, ob sie für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse erforderlich sind. Ergibt die Überprüfung, dass die Methode nicht den oa Kriterien entspricht, erlässt der GBA eine entsprechende Richtlinie (§ 137c Abs 1 S 2 SGB V). Ab dem Tag des Inkrafttretens einer Richtlinie darf die ausgeschlossene Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden; die Durchführung klinischer Studien bleibt unberührt (§ 137c Abs 2 S 2 SGB V).

19

§ 137c SGB V regelt damit ausdrücklich ausschließlich die Voraussetzungen, unter denen der GBA die Anwendung von Methoden im Rahmen einer Krankenhausbehandlung zu Lasten der Krankenkassen ausschließen kann. Welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, damit die stationäre Behandlung eines Versicherten zu Lasten der GKV erbracht werden darf, ist für den Fall des Fehlens eines Negativvotums allein dem Wortlaut der Vorschrift nicht zu entnehmen und mithin durch Auslegung zu ermitteln.

20

b) Der Kläger geht davon aus, dass aus der ausdrücklichen Regelung in § 137c SGB V, wann eine Methode im Rahmen der Krankenhausbehandlung ausgeschlossen ist, zu schlussfolgern sei, dass nicht ausgeschlossene Methoden ohne weitere Prüfung zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden dürfen. Dies widerspricht der Systematik des Gesetzes, die eine Leistungspflicht der GKV gerade nicht uneingeschränkt für jede Art von medizinischer Versorgung vorsieht. Vielmehr unterliegen alle Behandlungsformen, auch solche im Krankenhaus, den in § 2 Abs 1, § 12 Abs 1 und § 28 Abs 1 SGB V für die gesamte GKV festgelegten Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsanforderungen(vgl hierzu bereits die oa Ausführungen 2 a. und b. sowie BSGE 93, 137 = SozR 4-2500 § 137c Nr 2, jeweils RdNr 10; BSGE 90, 289, 291 = SozR 4-2500 § 137c Nr 1, RdNr 6; BSGE 81, 182, 187 = SozR 3-2500 § 109 Nr 5 S 39; BSG SozR 3-2500 § 92 Nr 12 S 71). Diese Anforderungen gelten uneingeschränkt auch für den Bereich des Leistungserbringerrechts (§ 70 Abs 1 SGB V idF des Art 1 Nr 27 des GKV-Gesundheitsreformgesetzes vom 22.12.1999, BGBl I 2626; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 275 Nr 5 RdNr 10 mwN). Der Ansatz des Klägers, die Beklagte sei wegen des Fehlens eines Negativvotums nach § 137c Abs 2 S 2 SGB V von einer Prüfung des Falles ausgeschlossen, widerspricht zudem der gesetzlichen Verpflichtung der Krankenkassen, auch Krankenhausabrechnungen beim Vorliegen von Auffälligkeiten zu überprüfen(§ 275 Abs 1 Nr 1 SGB V, vgl BSG SozR 4-2500 § 275 Nr 5 RdNr 10; zu der zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 137c SGB V geltenden Fassung des § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V bereits BSGE 90, 1, 3 = SozR 3-2500 § 112 Nr 3 S 22).

21

c) Die vom Kläger geforderte Außerachtlassung der Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitskriterien der §§ 2 Abs 1, 12 Abs 1 und 28 Abs 1 SGB V würde zudem dem aus den Gesetzesmaterialien ableitbaren Gesetzeszweck widersprechen. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sollte durch die GKV-Gesundheitsreform 2000 die Qualität der medizinischen Versorgung durch ein umfassendes System der Qualitätssicherung und die Bewertung von Kosten und Wirtschaftlichkeit medizinischer Technologien verbessert werden, indem für die stationäre Leistungserbringung im Krankenhaus der GBA beauftragt wurde, etablierte und neue medizinische Behandlungsmethoden zu überprüfen, ob sie - ähnlich wie in der vertragsärztlichen Versorgung - für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung erforderlich sind (Begründung - Allgemeiner Teil, BT-Drucks 14/1245 S 57). Zudem sollte die Qualität der medizinischen Versorgung gesichert und vermieden werden, dass medizinisch fragwürdige Leistungen zu Lasten der GKV erbracht werden (Begründung - Besonderer Teil, BT-Drucks 14/1245 S 90). Die mit der Einführung des § 137c SGB V verfolgte Zielsetzung entspricht damit der des Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsgebots nach § 2 Abs 1, § 12 Abs 1 und § 28 Abs 1 SGB V, weshalb die Anwendung der §§ 2 Abs 1, 12 Abs 1 und 28 Abs 1 SGB V auch nach Inkrafttreten des § 137c SGB V der in den Gesetzesmaterialien dokumentierten Zielsetzung der Norm entspricht. Ihnen ist jedenfalls nicht zu entnehmen, dass durch die Einführung des § 137c SGB V für den Bereich der Krankenhausbehandlung jegliche bis dorthin bereits vorhandenen Qualitätsanforderungen und die diesbezügliche Prüfungspflicht der Krankenkassen entfallen sollten.

22

d) Der Kläger kann seine Auslegung schließlich weder auf die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage "Nutzenbewertung von nichtmedikamentösen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden" vom 1.7.2011 (BT-Drucks 17/6397, insbesondere S 6 und 7) noch auf die Gesetzesmaterialien zum GKV-Modernisierungsgesetz - GMG - vom 14.11.2003 (BT-Drucks 15/1525 S 126) und zum GKV-Versorgungsstrukturgesetz - GKV-VStG - vom 22.12.2011 (BT-Drucks 17/6906 S 86 zu Nr 54 <§ 137c> und S 88) stützen. Zwar ist diesen Unterlagen zu entnehmen, dass dort für den stationären Bereich von einer "Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt" ausgegangen wird, so dass erst ein negatives Votum den Einsatz einer Methode zu Lasten der GKV in den Krankenhäusern ausschließt. Hierbei handelt es sich allerdings methodisch um eine sog authentische Interpretation, an die der Senat nicht gebunden ist. Sie schränkt die Kontrollrechte und -pflichten der Fachgerichte nicht ein. Denn zur verbindlichen Auslegung einer Norm ist letztlich allein die rechtsprechende Gewalt berufen, die nach Art 92 GG den Richtern anvertraut ist (BVerfGE 126, 369, 392 = SozR 4-5050 § 22b Nr 9 RdNr 73). Dies wird schließlich auch dann übersehen, wenn mit Blick auf die zum 1.1.2012 mit dem GKV-VStG in Kraft getretene Änderung des § 137c SGB V gefordert wird, nunmehr die Rechtsprechung entsprechend der Ausführungen in den dortigen Materialien anzupassen(so insbesondere Felix, NZS 2013, 81 ff). Denn zum einen hat die zum 1.1.2012 in Kraft getretene Änderung des § 137c SGB V an der für die hier streitige Frage maßgeblichen Grundkonzeption des § 137c SGB V nichts geändert. Mit ihr wird lediglich der GBA ermächtigt, Richtlinien zur Erprobung nach § 137e SGB V zu beschließen, wenn die Überprüfung im Rahmen des § 137c SGB V ergibt, dass der Nutzen einer Methode noch nicht hinreichend belegt ist, sie aber das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet(§ 137c Abs 1 S 4 SGB V idF des GKV-VStG vom 22.12.2011, BGBl I 2983). Aufgrund einer solchen Richtlinie dürfte die Untersuchungs- oder Behandlungsmethode dann in einem befristeten Zeitraum im Rahmen der Krankenbehandlung oder der Früherkennung zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden (§ 137e Abs 1 S 2 SGB V idF des GKV-VStG vom 22.12.2011, BGBl I 2983). Zur Anwendung des Qualitätsgebots bei einzelnen Krankenhausbehandlungen trifft § 137c SGB V aber weiter keine Regelung. Die Anwendung der Neuregelung des § 137c SGB V auf den vorliegenden Streitfall würde zum anderen die Annahme bedingen, dass der Gesetzgeber neben einer Gesetzesänderung für die Zukunft gleichzeitig im Wege einer Rechtsfortschreibung ohne Textänderung für die Vergangenheit angeordnet habe, den unveränderten Wortlaut des bisherigen § 137c Abs 1 S 2 und Abs 2 S 2 SGB V von Anfang an so zu verstehen, als habe er den vom Kläger gewünschten und allein in den Gesetzesmaterialien verlautbarten Inhalt auch schon früher gehabt. Diese Annahme lässt sich aber mit keiner der zur Verfügung stehenden Auslegungsmethoden begründen.

23

e) Auch der Verweis auf § 6 Abs 2 KHEntgG(idF des Art 2 Nr 4 Buchst b des Fallpauschalenänderungsgesetzes - FPÄndG - vom 17.7.2003, BGBl I 1461) kann die Auffassung des Klägers nicht stützen. Danach sollen die Vertragsparteien nach § 11 KHEntgG erstmals für das Kalenderjahr 2005 zeitlich befristete, fallbezogene Entgelte oder Zusatzentgelte vereinbaren für die Vergütung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die mit den Fallpauschalen und Zusatzentgelten nach § 7 S 1 Nr 1 und 2 KHEntgG noch nicht sachgerecht vergütet werden können und die nicht gemäß § 137c SGB V von der Finanzierung ausgeschlossen sind. Damit ist indes eine Aussage zu der hier streitigen Frage, ob eine Behandlungsmethode zu Lasten der GKV erbracht werden darf, nicht zu erkennen; diese ist vielmehr ausschließlich anhand des SGB V zu beantworten. Zudem schließt § 6 Abs 2 KHEntgG die Anwendung des Qualitätsgebots auf neue stationäre Behandlungsmethoden nicht aus, sondern ist für dessen Berücksichtigung im Rahmen der Auslegung völlig offen.

24

f) Insgesamt schließt sich der Senat nach eigener Prüfung der Rechtsprechung des 1. Senats des BSG an, wonach § 137c SGB V nicht im Sinne einer generellen Erlaubnis aller beliebigen Methoden für das Krankenhaus mit Verbotsvorbehalt ausgelegt werden darf(grundlegend BSGE 101, 177 = SozR 4-2500 § 109 Nr 6, jeweils RdNr 51 ff sowie BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 18 RdNr 23 und Urteil vom 18.12.2012 - B 1 KR 34/12 R - RdNr 34 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2500 § 137 Nr 2 vorgesehen). Die Vorschrift setzt die Geltung des Qualitätsgebots auch im stationären Bereich nicht außer Kraft. Andernfalls würde die aufgezeigte Systematik des SGB V durchbrochen und die Einheit der Rechtsordnung gefährdet. Denn eine Krankenhausbehandlung, die nicht nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt und deshalb für den Patienten Schadensersatzansprüche sowie für den Krankenhausarzt strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann, muss nicht von den Krankenkassen bezahlt werden (BSGE 101, 177 = SozR 4-2500 § 109 Nr 6, jeweils RdNr 51 ff). § 137c SGB V bewirkt vor diesem Hintergrund lediglich, dass - anders als für den Bereich der vertragsärztlichen Versorgung - nicht in einem generalisierten, zentralisierten formellen Prüfverfahren vor Einführung neuer Behandlungsmethoden im Krankenhaus deren Eignung, Erforderlichkeit und Wirtschaftlichkeit formalisiert überprüft wird, sondern die Prüfung der eingesetzten Methoden im zugelassenen Krankenhaus grundsätzlich prospektiv durch das Krankenhaus selbst und retrospektiv lediglich im Einzelfall anlässlich von Beanstandungen ex post erfolgt. Erst ein generalisiertes, zentralisiertes Prüfverfahren nach § 137c SGB V schafft über den Einzelfall hinaus Regelungsklarheit(BSG aaO), so dass es insoweit keiner Einzelfallprüfung mehr bedarf. Der 1. Senat des BSG hat schließlich auch schon entschieden, dass diese Rechtsauslegung nicht nur im Rahmen von Zulassungsverfahren nach § 109 SGB V maßgeblich ist, sondern ebenso bei der Bewertung des - für den Entgeltanspruch des Krankenhauses maßgeblichen - Leistungsanspruchs des Versicherten nach § 39 SGB V zu berücksichtigen ist(BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 18 RdNr 23). Hieran vermag die Stellung des Klägers als Universitätsklinikum nichts zu ändern, da das Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 SGB V) auch hier gilt (vgl BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 29.12.2012 - 1 BvR 1849/12 ua -, RdNr 11 f zitiert nach Juris).

25

4. Der Kläger kann den streitigen Vergütungsanspruch auch nicht auf die Grundsätze eines Seltenheitsfalles stützen, da ein solcher der streitigen Behandlung nicht zugrunde lag. Denn ein Seltenheitsfall setzt voraus, dass eine Krankheit weltweit nur extrem selten auftritt und deshalb im nationalen wie im internationalen Rahmen weder systematisch erforscht noch systematisch behandelt werden kann (grundlegend BSGE 93, 236 = SozR 4-2500 § 27 Nr 1, jeweils RdNr 21 sowie in der Folge BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, jeweils RdNr 30; BSGE 109, 212 = SozR 4-2500 § 31 Nr 19, jeweils RdNr 21; BSGE 109, 218 = SozR 4-2500 § 31 Nr 20, jeweils RdNr 13 f; Urteil vom 3.7.2012 - B 1 KR 25/11 R - BSGE 111, 168 = SozR 4-2500 § 31 Nr 22, jeweils RdNr 18 ff). Vorliegend ergibt sich sowohl aus dem Vortrag des Klägers als auch aus den Stellungnahmen des MDK, dass eine systematische Erforschung sowohl der Behandlung der NHL-Erkrankung des Versicherten als auch der Wirksamkeit der streitigen in-vitro Aufbereitung erfolgt ist. Dabei kommt der Tatsache, dass die im Verfahren benannten Studien nicht genau zur Erkrankung des Versicherten, sondern teilweise zu anderen Unterarten des Non-Hodgking-Lymphoms durchgeführt worden sind, keine besondere Bedeutung zu, da die Beteiligten ungeachtet dessen davon ausgegangen sind, aus diesen auch Schlüsse über die Wirksamkeit der in-vitro Aufbereitung beim Versicherten ziehen zu können. Darüber hinaus hat die Interdisziplinäre Leitlinie der Deutschen Krebsgesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie zu Non-Hodgkin-Lymphomen im Kindesalter bereits in ihrer im Jahr 2000 veröffentlichten Fassung als ein vorrangiges Ziel die Entwicklung einer erfolgversprechenden Rezidivtherapie formuliert (zitiert nach Forum DKG 3/00 S 47, 50). Von einem Seltenheitsfall ist deshalb nicht auszugehen.

26

5. Auch unter Berücksichtigung der vom BVerfG entwickelten Grundsätze einer grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungsrechts ("Nikolausbeschluss", zB BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5; vgl auch BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, jeweils RdNr 21 und 29 ff mwN; BSGE 96, 153 = SozR 4-2500 § 27 Nr 7, jeweils RdNr 31 f; BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, jeweils RdNr 20 ff mwN; seit 1.1.2012: § 2 Abs 1a SGB V),ergibt sich kein Anspruch des Krankenhauses, da mit der Hochdosischemotherapie mit autogener Stammzelltransplantation eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung zur Verfügung stand (vgl BSG Urteil vom 3.7.2012 - B 1 KR 6/11 R - BSGE 111, 137 = SozR 4-2500 § 13 Nr 25, jeweils RdNr 17).

27

6. Die Revision hat schließlich auch keinen Erfolg mit den Verfahrensrügen, das LSG habe keine ordnungsgemäße Sachverhaltsaufklärung hinsichtlich der Feststellung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse betrieben und insoweit gegen § 103 SGG verstoßen, da es seine Entscheidung auf die Gutachten des MDK gestützt und weitere Ermittlungen, insbesondere die Einholung der in der mündlichen Verhandlung hilfsweise beantragten Sachverständigengutachten unterlassen habe.

28

Nach § 103 SGG erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen. Dabei bestimmt das Tatsachengericht im Rahmen seines Ermessens die Ermittlungen und Maßnahmen, die nach seiner materiell-rechtlichen Auffassung zur Aufklärung des Sachverhalts notwendig sind. Sein Ermessen ist dabei durch die Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts in dem für die Entscheidung erforderlichen Umfang begrenzt. Ein Verstoß gegen § 103 SGG liegt deshalb nur dann vor, wenn das Berufungsgericht sich zu einer weiteren Sachverhaltsaufklärung hätte gedrängt fühlen müssen(BSGE 93, 137 = SozR 4-2500 § 137c Nr 2, jeweils RdNr 34; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 103 RdNr 20 mwN). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Es konnte materiell-rechtlich weder auf die Auffassung des MDK noch auf die Auffassung eines Sachverständigen zum allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse ankommen. Die Auffassung einzelner Mediziner - und als nichts anderes ist eine fachliche Stellungnahme des MDK zum allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu werten - ist bei der Beurteilung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse gerade nicht maßgeblich (BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 5 RdNr 24). Auch auf die Anerkennung und Akzeptanz der streitigen Methode in den einschlägigen medizinischen Fachkreisen zum Zeitpunkt der Behandlung konnte es aufgrund des fehlenden wissenschaftlichen Belegs der Wirksamkeit nicht ankommen (BSGE 84, 90, 96 f = SozR 3-2500 § 18 Nr 4 S 19; BSGE 81, 54, 70 = SozR 3-2500 § 135 Nr 4 S 26 f - Systemversagen).

29

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 SGG iVm § 154 Abs 1 und 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und § 47 Abs 1 GKG.

Tenor

Die Revision der Klägerinnen gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 16. Dezember 2009 wird zurückgewiesen.

Die Klägerinnen tragen auch die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2. bis 8.

Der Streitwert wird für das Revisionsverfahren auf 2 500 000 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die klagenden pharmazeutischen Unternehmen wenden sich gegen die Festsetzung eines Festbetrages für Arzneimittel mit dem Wirkstoff Atorvastatin.

2

Atorvastatin gehört zur Wirkstoffgruppe der Statine, die insbesondere dazu dienen, den Cholesterin-Spiegel im Menschen zu senken. Dazu vermindern sie die körpereigene Erzeugung des an Lipoprotein geringer Dichte (LDL) gebundenen Cholesterins, das im Blutkreislauf zur Leber transportiert wird, indem sie die Wirkung des Schlüsselenzyms für die Cholesterinproduktion in Körperzellen (ß-Hydroxy-ß-Methylglutaryl-Coenzym A-Reduktase ) hemmen. Die Zellen reagieren auf den hierdurch hervorgerufenen Cholesterinmangel, indem sie vermehrt Rezeptoren bilden, die das LDL aus dem Blut aufnehmen. Der Wirkstoff Atorvastatin ist enthalten in dem von den Klägerinnen seit 1997 in Deutschland hergestellten und vertriebenen Fertigarzneimittel Sortis. Atorvastatin wird synthetisch hergestellt und genießt bis 2011 Patentschutz. Sortis wurde am 17.12.1996 mit den Wirkstärken 10, 20, 40 mg, später auch mit der Wirkstärke 80 mg arzneimittelrechtlich zugelassen. Nach der Fachinformation erstreckt sich die Zulassung von Sortis ua auf das Anwendungsgebiet der primären und kombinierten Hypercholesterinämie. Für diese Anwendungsgebiete sind auch die übrigen Arzneimittel zugelassen, die die Statine Fluvastatin, Lovastatin, Pravastatin und Simvastatin enthalten. Der Beigeladene zu 1. fasste auf der Grundlage einer Anhörung und einer gutachterlichen Stellungnahme Arzneimittel mit Statinen als Wirkstoff in der Festbetragsgruppe "HMG-CoA-Reduktasehemmer" in der Anlage 2 der Arzneimittel-Richtlinien zusammen (Wirkstoffe und Vergleichsgrößen Atorvastatin: 16,7; Fluvastatin: 42,2; Lovastatin: 23,2; Pravastatin: 21,3 sowie Simvastatin: 20,7; Beschluss vom 20.7.2004, BAnz Nr 182 vom 25.9.2004, S 21086). Die Beigeladenen zu 3. bis 8. setzten mit Wirkung vom 1.1.2005 einen Festbetrag von 62,55 Euro für die Wirkstoffgruppe der HMG-CoA-Reduktasehemmer fest (Standardpackung 100, Wirkstärkenvergleichsgröße 0,97; Beschluss vom 29.10.2004, BAnz Nr 210 vom 5.11.2004, S 22602). Die Wirkstoffe Fluvastatin, Lovastatin und Simvastatin waren bei Beschlussfassung zu diesem Festbetrag erhältlich. Der Apothekenabgabepreis von Sortis liegt seit Inkrafttreten dieser Festbetragsfestsetzung deutlich über dem Festbetrag.

3

Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 22.11.2005). Während des Berufungsverfahrens haben die Beigeladenen zu 3. bis 8. am 10.2.2006 beschlossen, den Festbetrag für die Wirkstoffgruppe der HMG-CoA-Reduktasehemmer mit Wirkung vom 1.4.2006 um fünf Prozent auf 59,42 Euro abzusenken (Standardpackung 100, Wirkstärkenvergleichsgröße 0,97; BAnz Nr 48 vom 9.3.2006, S 1524, 1534). Das LSG hat den Streit über die Anfechtung der Festbetragsfestsetzungen abgetrennt, die ab 1.7.2006 Arzneimittel mit dem Wirkstoff Atorvastatin betreffen (Aktenzeichen L 9 KR 351/09; vgl näher Senatsurteil vom selben Tage - B 1 KR 13/10 R), die Berufung gegen das SG-Urteil zurückgewiesen sowie die Klage gegen die Festbetragsfestsetzung vom 10.2.2006 abgewiesen: Die an § 35 SGB V zu messenden Allgemeinverfügungen der Beigeladenen zu 3. bis 8. wie auch der zugrunde liegende Beschluss des Beigeladenen zu 1. vom 20.7.2004 zur Festbetragsgruppen- und Vergleichsgrößenbildung seien nicht zu beanstanden (Urteil vom 16.12.2009).

4

Mit ihrer Revision rügen die Klägerinnen die Verletzung von § 35 Abs 1 Satz 2 Nr 2, Satz 3, Satz 5, Abs 1a, Abs 2, Abs 5 Satz 1 und 2 SGB V sowie von Verfahrensrecht. Der Beigeladene zu 1. habe Arzneimittel mit dem Wirkstoff Atorvastatin nicht in die Festbetragsgruppe der Statine einbeziehen dürfen, insbesondere da sie nachweislich pleiotrope Eigenschaften, eine therapierelevant besonders starke Wirkpotenz und einen schnellen Wirkeintritt sowie ein überlegenes Sicherheitsprofil hätten. Die festgesetzten Vergleichsgrößen spiegelten die Wirkunterschiede der betroffenen Arzneimittel nicht angemessen wider. Die festgesetzten Festbetragshöhen seien rechtswidrig, weil sie nicht das gesamte Spektrum der zu behandelnden Patienten berücksichtigten. Das LSG habe gegen §§ 103 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG verstoßen, da es entgegen seiner Aufklärungspflicht abgelehnt habe, antragsgemäß Prof. Dr. W. zu hören.

5

Die Klägerinnen beantragen,
die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 16. Dezember 2009 und des Sozialgerichts Berlin vom 22. November 2005 aufzuheben sowie die Festbetragsfestsetzungen vom 29. Oktober 2004 und 10. Februar 2006 insoweit abzuändern, als darin ein Festbetrag für Arzneimittel mit dem Wirkstoff Atorvastatin festgesetzt wird.

6

Der Beklagte und der Beigeladene zu 1. beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

7

Beide halten das Urteil des LSG für zutreffend.

8

Die übrigen Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision der Klägerinnen ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Die Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt, insbesondere sind die Klägerinnen klagebefugt (dazu 1.). Das LSG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass die Festbetragsfestsetzung für den Geltungszeitraum vom 1.1.2005 bis 31.3.2006 (dazu 2.) sowie vom 1.4. bis 30.6.2006 (dazu 3.) die Klägerinnen nicht rechtswidrig beschwert, obwohl sie Arzneimittel mit dem Wirkstoff Atorvastatin einbezieht.

10

1. Die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtenden Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt.

11

a) Die auf die Aufhebung von Festbetragsfestsetzungen gerichtete Klage ist eine ohne Vorverfahren statthafte Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 Alt 1 SGG iVm § 35 Abs 7 Satz 3 SGB V). Festbetragsfestsetzungen sind grundsätzlich Verwaltungsakte in Form der Allgemeinverfügung (§ 31 Satz 2 SGB X; vgl BVerfGE 106, 275 = SozR 3-2500 § 35 Nr 2; BSGE 94, 1 = SozR 4-2500 § 35 Nr 3, RdNr 8). Zulässiger Streitgegenstand der Klage ist der Anspruch auf Aufhebung der Festbetragsfestsetzung vom 29.10.2004 und der später kraft Gesetzes (§ 153 Abs 1, § 96 Abs 1 SGG) einbezogenen Festbetragsanpassung vom 10.2.2006 für die Zeit bis zum Ablauf des 30.6.2006. Die Klägerinnen verfolgen zulässig ihren Anspruch auf Aufhebung der Festbetragsfestsetzungen vom 29.10.2004, 10.2.2006, 11.5.2006 und 7.4.2008 für die Zeit ab 1.7.2006 in einem gesonderten Verfahren (vgl zur Teilbarkeit des Anfechtungsbegehrens Senatsurteile vom selben Tage - B 1 KR 10/10 R -, zur Veröffentlichung vorgesehen, und - B 1 KR 13/10 R).

12

b) Die Klägerinnen haben ihre Klage im Berufungsverfahren zulässig gegen den Beklagten umgestellt, um nach Änderung der Zuständigkeit für Festbetragsfestsetzungen in § 35 Abs 3 Satz 1 SGB V iVm § 217f Abs 1 SGB V(idF des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 26.3.2007, BGBl l 378) dem mit dieser Funktionsnachfolge verbundenen gesetzlichen Beteiligtenwechsel von den Beigeladenen zu 3. bis 8. zum Beklagten Rechnung zu tragen (vgl hierzu BSGE 101, 177 = SozR 4-2500 § 109 Nr 6, RdNr 13; BSGE 102, 248 = SozR 4-5050 § 15 Nr 6).

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c) Die Klägerinnen sind als Herstellerinnen eines von der Festbetragsfestsetzung betroffenen Arzneimittels klagebefugt iS von § 54 Abs 1 Satz 2 SGG, obwohl sie nicht Adressaten der Regelung sind. Festbetragsfestsetzungen sind Verwaltungsakte in Form der Allgemeinverfügung, die sich nach der Gesetzeskonzeption an Versicherte und Vertragsärzte, nicht jedoch an Arzneimittelhersteller richten (§ 31 Satz 2 SGB X; vgl zur Regelung gegenüber Versicherten und Vertragsärzten näher Senatsurteil vom selben Tage - B 1 KR 10/10 R - unter II. 1.a, mwN, zur Veröffentlichung vorgesehen). Festgesetzte Festbeträge legen insbesondere als solche nicht Arzneimittelpreise fest. Betroffene Arzneimittelhersteller können die Aufhebung einer Festbetragsfestsetzung verlangen, soweit sie in ihren Anhörungsrechten verletzt oder wegen einer willkürlichen Handhabung des § 35 SGB V benachteiligt sind.

14

§ 35 SGB V verbürgt für Arzneimittelhersteller lediglich das - vorliegend unstreitig beachtete - Recht, vor Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) Stellung zu nehmen(vgl § 35 Abs 2 SGB V). Im Übrigen regelt § 35 SGB V im Interesse des Wirtschaftlichkeitsgebots der gesetzlichen Krankenversicherung - GKV -(vgl § 12 Abs 1 SGB V)Voraussetzungen, Verfahren und Rechtsschutz bei Festbetragsfestsetzungen. Wortlaut, Entstehungsgeschichte und aufgezeigter Regelungszweck sowie die Gesetzesentwicklung nach der Entscheidung des BVerfG zur Verfassungsmäßigkeit des § 35 SGB V vom 17.12.2002 (BVerfGE 106, 275 = SozR 3-2500 § 35 Nr 2) geben keinen Hinweis auf einen drittschützenden Gehalt der Regelung zugunsten von Arzneimittelherstellern. Daran hat sich auch dadurch nichts geändert, dass der GBA neuerdings die Verordnung eines Arzneimittels nur einschränken oder ausschließen darf, wenn die Wirtschaftlichkeit nicht durch einen Festbetrag nach § 35 SGB V oder durch die Vereinbarung eines Erstattungsbetrags nach § 130b SGB V hergestellt werden kann(s § 92 Abs 2 Satz 11 SGB V idF durch Art 1 Nr 13 Buchst b Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung - Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz vom 22.12.2010, BGBl I 2262; vgl hierzu Hauck, GesR 2011, 69, 70 ff). Diese Regelung begründet subjektive Rechte zugunsten von Arzneimittelherstellern bloß im Zusammenhang mit Verordnungseinschränkungen oder -ausschlüssen durch den GBA. Arzneimittelhersteller können sich indes darauf berufen, dass eine fehlerhafte Festbetragsfestsetzung ihre Grundrechte verletzt, soweit sie eine grundrechtlich maßgebliche Wettbewerbsverfälschung beinhaltet (vgl BSGE 94, 1 = SozR 4-2500 § 35 Nr 3, RdNr 15).

15

Nach der Rechtsprechung des BVerfG verletzen Festbetragsfestsetzungen - ähnlich wie Ausschreibungen von Rabattverträgen - die Berufsfreiheit (Art 12 Abs 1 GG) pharmazeutischer Unternehmer nicht (BVerfGE 106, 275 = SozR 3-2500 § 35 Nr 2; BVerfG A&R 2011, 38). Das Grundrecht der Berufsfreiheit umfasst zwar ua die Freiheit, das Entgelt für berufliche Leistungen selbst festzusetzen oder mit den Interessenten auszuhandeln (vgl BVerfGE 101, 331, 347; 106, 275, 298; 117, 163, 181). Erfolgt die unternehmerische Berufstätigkeit am Markt nach den Grundsätzen des Wettbewerbs, wird die Reichweite des Freiheitsschutzes auch durch die rechtlichen Regeln mitbestimmt, die den Wettbewerb ermöglichen und begrenzen. Art 12 Abs 1 GG sichert in diesem Rahmen die Teilhabe am Wettbewerb nach Maßgabe seiner Funktionsbedingungen (vgl BVerfGE 105, 252, 265). Dagegen umfasst das Grundrecht keinen Anspruch auf Erfolg im Wettbewerb und Sicherung künftiger Erwerbsmöglichkeiten (vgl BVerfGE 106, 275, 299 = SozR 3-2500 § 35 Nr 2 S 18; BVerfGE 116, 135, 152). Die Vergabe eines öffentlichen Auftrags an einen Mitbewerber und die der Vergabeentscheidung zugrunde gelegten Kriterien berühren ebenso wie mögliche Vorstufen einer Vergabeentscheidung, hier die Festbetragsfestsetzung, grundsätzlich nicht den Schutzbereich der Berufsfreiheit des erfolglosen Bewerbers. Bei der Vergabe eines öffentlichen Auftrags beeinflusst die handelnde staatliche Stelle den Wettbewerb nicht von außen, sondern wird selbst auf der Nachfrageseite wettbewerblich tätig und eröffnet so einen Vergabewettbewerb zwischen den potentiellen Anbietern. Dabei ist es grundsätzlich Sache des Nachfragers, nach welchen Kriterien und in welchem Verfahren er das günstigste Angebot auswählt. Dementsprechend trägt ein Wettbewerber auf der Angebotsseite stets das Risiko, dass seinem Angebot ein anderes, für den Nachfrager günstigeres vorgezogen wird (vgl BVerfGE 116, 135, 151 f). Festbetragsfestsetzungen betreffen lediglich die Rahmenbedingungen der wirtschaftlichen Betätigung pharmazeutischer Unternehmer, nämlich in einem weiteren Sinne Auswahlkriterien für die Einbeziehung von Arzneimitteln in den GKV-Leistungskatalog. Pharmazeutische Unternehmer haben keinen verfassungsrechtlich geschützten Anspruch darauf, dass ihre Angebote in den GKV-Leistungskatalog aufgenommen werden und nicht von Festbetragsfestsetzungen betroffen sind.

16

Anders läge es nur, wenn die angewandten Bewertungskriterien nach ihrer Zielsetzung und ihren Wirkungen einen Ersatz für eine staatliche Maßnahme darstellen würden, die als Grundrechtseingriff in die Berufsfreiheit zu qualifizieren wäre (vgl BVerfGE 105, 252, 273; 116, 135, 153; 118, 1, 20). An einer eingriffsgleichen Wirkung einer staatlichen Maßnahme fehlt es jedoch, wenn mittelbare Folgen lediglich ein bloßer Reflex einer nicht entsprechend ausgerichteten Regelung sind (vgl BVerfGE 106, 275, 299 = SozR 3-2500 § 35 Nr 2 S 18; BVerfGE 116, 202, 222). Zwar verringern sich die Chancen eines Unternehmens erheblich, dessen Arzneimittel zu einem Preis oberhalb des Festbetrags verkauft werden. Die Marktbedeutung der Festbetragsfestsetzung mag dazu führen, dass sich pharmazeutische Unternehmen deshalb regelmäßig - anders als die Klägerinnen - veranlasst sehen, eine Festbetragsüberschreitung zu vermeiden. Die Rechtsgrundlagen der Festbetragsfestsetzung dienen aber erkennbar nicht dem Zweck, einer solchen Überschreitung generell entgegenzuwirken, sondern zielen darauf ab, im Interesse der Finanzierbarkeit der GKV für die Wirtschaftlichkeit der Angebote zu sorgen. Etwaige Auswirkungen auf die allgemeine Preisgestaltung der Arzneimittel für den GKV-Leistungskatalog anbietenden pharmazeutischen Unternehmen stellen sich lediglich als Reflex dieser Zielsetzung dar.

17

Zu messen ist die angegriffene Entscheidung allerdings am allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG. Einer staatlichen Stelle, die einen öffentlichen Auftrag vergibt, ist es aufgrund des Gleichheitssatzes verwehrt, das Verfahren oder die Kriterien der Vergabe willkürlich zu bestimmen (vgl BVerfGE 116, 135, 153), gleiches gilt für die Vorstufe von Vergaben, wie hier die Festbetragsfestsetzungen. Nach diesem Maßstab können staatliche Maßnahmen, die den Wettbewerb der Unternehmen untereinander willkürlich verfälschen, im Einzelfall eine Grundrechtsverletzung bedeuten. Wird eine Versorgungsalternative infolge willkürlicher medizinisch-pharmakologischer Bewertung zu Unrecht als mit anderen Arzneimitteln gleichwertig eingestuft, so beinhaltet dies jedenfalls dann eine Benachteiligung des betroffenen Arzneimittelherstellers im Wettbewerb, wenn die besondere therapeutische Qualität seines Arzneimittels durch Gleichbewertung mit andersartigen Konkurrenzprodukten ohne jeden sachlichen Grund verneint wird und dieses Arzneimittel als durch andere gleichwertig ersetzbar erscheint. Dagegen schützt der allgemeine Gleichheitssatz gemäß Art 3 Abs 1 GG. Er verbietet nicht nur die unterschiedliche Behandlung von Gleichem, sondern auch die Gleichbehandlung von sachlich Ungleichem anhand offensichtlich sachwidriger Kriterien (vgl BVerfG A&R 2011, 38 RdNr 14).

18

Im Bereich der Festbeträge liegt eine solche verfassungswidrige Gleichbehandlung vor, wenn die Arzneimittel eines Arzneimittelherstellers offensichtlich aus pharmakologisch-therapeutischer Sicht so unterschiedlich sind, dass sie durch die Arzneimittel eines anderen Herstellers praktisch nicht ersetzt werden können, sie dennoch aber ohne Rechtfertigung in einer Festbetragsgruppe zusammengefasst sind. Dabei ergeben sich aus dem Gleichheitssatz umso engere Grenzen, je stärker sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann (vgl für das Verhältnis zum Gesetzgeber BVerfGE 89, 15, 22 f; 90, 46, 56; 97, 271, 290 f; 99, 341, 355 f; 103, 242, 258; 105, 73, 110f; 116, 135, 161).

19

2. In der Sache bleibt die Revision ohne Erfolg. Die klagenden pharmazeutischen Unternehmen können anhand des dargelegten Prüfmaßstabs der willkürlichen Wettbewerbsverfälschung (vgl oben II.1.c) nicht beanspruchen, dass der Beschluss über die Festbetragsfestsetzung vom 29.10.2004 aufgehoben wird, da er rechtmäßig und keineswegs offensichtlich sachwidrig ist. Ein strengerer Maßstab als das Willkürverbot ist unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten (vgl BVerfGE 116, 135, 161) angesichts der rein sachbezogenen Ausgestaltung der Festbetragsregelung im SGB V weder bei der Bildung der Festbetragsgruppe und der Vergleichsgrößen noch bei der Festsetzung der Festbetragshöhe geboten. Nach der anzuwendenden gesetzlichen Regelung (dazu a) handelte der hierzu berufene Beigeladene zu 1. formell rechtmäßig (dazu b). Er bildete die Festbetragsgruppe (dazu c, d) und die Vergleichsgrößen (dazu e) materiell rechtmäßig. Die Beigeladenen zu 3. bis 8. setzten die Festbeträge rechtmäßig fest (dazu f).

20

a) Zu messen ist die Rechtmäßigkeit des Beschlusses vom 29.10.2004 an der Festbetragsregelung des § 35 SGB V idF des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung(GKV-Modernisierungsgesetz ) vom 14.11.2003 (BGBl I 2190) mit Wirkung vom 20.11.2003. Diese Norm gibt für die Festsetzung von Festbeträgen ein zweistufiges Verfahren vor: Zunächst bestimmt der Beigeladene zu 1. in den Arzneimittel-Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V, für welche Gruppen von Arzneimitteln Festbeträge festgesetzt werden können und welche Vergleichsgrößen dabei zugrunde zu legen sind(§ 35 Abs 1 und 2 SGB V). Auf der Grundlage dieses Beschlusses erfolgt sodann die Festsetzung der jeweiligen Festbeträge im Wege einer Allgemeinverfügung (vgl § 35 Abs 3 bis 6 und Abs 7 Satz 1 SGB V). Die Entscheidung des Beigeladenen zu 1. ist nicht isoliert anfechtbar (§ 35 Abs 7 Satz 4 SGB V), ihre Überprüfung indessen Bestandteil der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der auf ihrer Grundlage ergangenen Allgemeinverfügung (BSGE 94, 1 = SozR 4-2500 § 35 Nr 3, RdNr 11, unter Hinweis auf BT-Drucks 11/3480 S 54).

21

b) Der hierzu berufene Beigeladene zu 1. hat die Festbetragsgruppe (§ 35 Abs 1 Satz 1 bis 3 SGB V) und die Vergleichsgrößen (§ 35 Abs 1 Satz 5 SGB V) als Grundlage der Festbetragsfestsetzung formell rechtsfehlerfrei bestimmt. Er hat erstmals eine Festbetragsgruppe der Statine bestehend aus Atorvastatin, Fluvastatin, Lovastatin, Pravastatin, Simvastatin gebildet, Vergleichsgrößen festgesetzt (Beschluss vom 20.7.2004) und dies in Arzneimittel-Richtlinien geregelt (§ 35 Abs 1 Satz 1 und 5 SGB V idF des GMG; § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V idF des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000). Die Richtlinien des GBA sind in der Rechtsprechung seit Langem als untergesetzliche Rechtsnormen anerkannt (stRspr; vgl nur BSGE 105, 1 = SozR 4-2500 § 125 Nr 5, RdNr 26). Ihre Bindungswirkung gegenüber allen Systembeteiligten steht außer Frage (vgl § 91 Abs 9 SGB V idF des GMG; jetzt § 91 Abs 6 SGB V idF des GKV-WSG; BSGE 105, 1 = SozR 4-2500 § 125 Nr 5, RdNr 33; BSGE 104, 95 = SozR 4-2500 § 139 Nr 4, RdNr 22; vgl auch BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 57 ff).

22

Das BSG zieht die Verfassungsmäßigkeit dieser Art der Rechtsetzung nicht mehr grundlegend in Zweifel (BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 14 mwN - LITT; BSGE 104, 95 = SozR 4-2500 § 139 Nr 4, RdNr 18 mwN). Kritischen Stimmen ist in jüngerer Zeit Literatur entgegengetreten (vgl Neumann, NZS 2010, 593; Hauck, NZS 2010, 600 mwN). Für die Bildung von Festbetragsgruppen gilt die Bejahung der Verfassungsmäßigkeit im Besonderen, weil der Gesetzgeber einen konkreten Katalog von gesetzlichen Voraussetzungen formuliert, bei deren Vorliegen er den Beigeladenen zu 1. im Bereich der Arzneimittelversorgung mit der Gruppenbildung betraut (vgl Hauck in: H. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Stand 1.7.2010, Band 2, § 35 SGB V RdNr 30). Das BVerfG hat in seiner Entscheidung vom 17.12.2002 (BVerfGE 106, 275 = SozR 3-2500 § 35 Nr 2) zwar ausdrücklich nur das System der Festsetzung von Festbeträgen (§§ 35 ff SGB V) im Ganzen als verfassungskonform bewertet, folgerichtig die Verfassungsmäßigkeit der Kompetenzen des Beigeladenen zu 1. damit aber unausgesprochen vorausgesetzt (vgl auch BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 61 - Therapiehinweise).

23

Die im Interesse der verfassungsrechtlichen Anforderungen der Betroffenenpartizipation umfassend durch Gesetz und - inzwischen - Verfahrensordnung des Beigeladenen zu 1. ausgestalteten und abgesicherten Beteiligungsrechte wurden gewahrt. Sie stellen sicher, dass alle sachnahen Betroffenen selbst oder durch Repräsentanten auch über eine unmittelbare Betroffenheit in eigenen Rechten hinaus Gelegenheit zur Stellungnahme haben, wenn ihnen nicht nur marginale Bedeutung zukommt (vgl dazu Hauck, NZS 2010, 600, 604).

24

Auf die von den Klägerinnen unter Beweis gestellte Behauptung, dass der Beigeladene zu 1. anlässlich der Gruppenbildung für Statine im Jahre 2004 Prof. Dr. W. mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt hat, kommt es demgegenüber nicht an. Auswahl und Entpflichtung von Sachverständigen liegen im Ermessen des Beigeladenen zu 1. (vgl auch Kraftberger/Adelt: in Kruse/Hänlein, LPK-SGB V, 3. Aufl 2009, § 35 RdNr 38; Hess in: Kasseler Komm, Stand 1.10.2010, § 35 SGB V RdNr 19). Seine Entscheidung war ohne Zweifel sachgerecht, eine auf Neutralität angelegte Institution wie die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) mit einem Gutachten zu betrauen und einem Einzelsachverständigen vorzuziehen. Die AkdÄ hat als wissenschaftlicher Fachausschuss der Bundesärztekammer ua die Aufgabe, entsprechend den Regelungen in den ärztlichen Berufsordnungen - wie in § 62 Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln(Arzneimittelgesetz ) vorausgesetzt - unerwünschte Arzneimittelwirkungen, die ihr aus der deutschen Ärzteschaft mitgeteilt werden müssen, zu erfassen, zu dokumentieren und zu bewerten. Der Gesetzgeber bindet vor diesem Hintergrund die AkdÄ inzwischen selbst in Verfahren des GBA zur Anforderung ergänzender versorgungsrelevanter Studien zur Bewertung der Zweckmäßigkeit von Arzneimitteln ein (vgl § 92 Abs 2a Satz 1 SGB V idF durch Art 1 Nr 13 Buchst c AMNOG - vom 22.12.2010, BGBl I 2262, mit Wirkung vom 1.1.2011).

25

c) Die gebildete Gruppeneinteilung entspricht nach der gebotenen gerichtlichen Prüfung (dazu aa) materiellem Recht. Der Beigeladene zu 1. hat mit seinem Beschluss vom 20.7.2004 ausgehend von rechtmäßigen Kriterien (dazu bb) - hier: dem Inhalt der Arzneimittelzulassungen (dazu cc) - in der Gruppe "HMG-CoA-Reduktasehemmer" Arzneimittel mit pharmakologisch-therapeutisch vergleichbaren Wirkstoffen, insbesondere mit chemisch verwandten Stoffen, zusammengefasst (dazu dd), ohne unterschiedliche Bioverfügbarkeiten der Arzneimittel berücksichtigen zu müssen (§ 35 Abs 1 Satz 2 SGB V; dazu ee). Die gebildete Gruppe gewährleistet, dass Therapiemöglichkeiten nicht eingeschränkt werden und medizinisch notwendige Verordnungsalternativen zur Verfügung stehen (§ 35 Abs 1 Satz 3 Halbs 1 SGB V; dazu ff). Der Einbeziehung von Sortis steht nicht die Ausnahme von der Gruppenbildung für Arzneimittel mit patentgeschützten Wirkstoffen entgegen, deren Wirkungsweise neuartig ist und die eine therapeutische Verbesserung, auch wegen geringerer Nebenwirkungen, bedeuten (§ 35 Abs 1 Satz 3 Halbs 2 SGB V; dazu d).

26

aa) Die im Rang unterhalb des einfachen Gesetzesrechts stehenden Richtlinien des Beigeladenen zu 1. sind gerichtlich in der Weise zu prüfen, wie wenn der Bundesgesetzgeber derartige Regelungen in Form einer untergesetzlichen Norm - etwa einer Rechtsverordnung - selbst erlassen hätte (BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 14 - LITT; Schlegel, MedR 2008, 30, 32; Hauck, NZS 2010, 600, 611 f). § 35 SGB V gibt dem Beigeladenen zu 1. ein engmaschiges, rechtlich voll überprüfbares Programm vor: Die Verwendung ihrer Art nach rechtmäßiger Prüfkriterien, die Ermittlung des Inhalts der Arzneimittelzulassungen, die Qualifizierung von Arzneimitteln als solche mit pharmakologisch-therapeutisch vergleichbaren Wirkstoffen, insbesondere mit chemisch verwandten Stoffen, die Gewährleistung sowohl fehlender Einschränkungen von Therapiemöglichkeiten als auch der Verfügbarkeit medizinisch notwendiger Verordnungsalternativen sowie die zutreffende rechtliche Erfassung der Ausnahme von der Gruppenbildung für Arzneimittel mit patentgeschützten Wirkstoffen ist vom Gericht uneingeschränkt zu überprüfen. Der Gesetzgeber belässt dem Beigeladenen zu 1. bei der Umsetzung dieser Regelungselemente des § 35 SGB V keinen Gestaltungsspielraum. Das gilt auch für die Vollständigkeit der vom Beigeladenen zu 1. zu berücksichtigenden Studienlage.

27

Anders liegt es dagegen bei der Entscheidung über Zeitpunkt, Zuschnitt und Auswahl der Gruppe sowie bei der Bewertung des zutreffend ermittelten Standes der Studienlage im Hinblick auf ihre Eignung, für die Gruppenbildung relevante Therapiehinweise, Verordnungseinschränkungen oder -ausschlüsse zu erlassen. Hier entscheidet der Beigeladene zu 1. als Normgeber. Insoweit darf die sozialgerichtliche Kontrolle ihre eigenen Wertungen nicht an die Stelle der vom Beigeladenen zu 1. getroffenen Wertungen setzen (vgl ähnlich BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 67 - Therapiehinweise). Vielmehr beschränkt sich die gerichtliche Prüfung in diesen Segmenten darauf, ob die Zuständigkeits- und Verfahrensbestimmungen sowie die gesetzlichen Vorgaben nachvollziehbar und widerspruchsfrei Beachtung gefunden haben, um den Gestaltungsspielraum auszufüllen.

28

bb) Grundlage und Ausgangspunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Festbetragsgruppenbildung ist grundsätzlich der Inhalt der arzneimittelrechtlichen Zulassung nach dem AMG. Der Inhalt ergibt sich zusammengefasst insbesondere aus der Fachinformation gemäß § 11a AMG. Eine Berücksichtigung darüber hinausgehender Unterlagen ist für die Prüfung des Vorliegens vergleichbarer Wirkstoffe nach Maßgabe des § 35 Abs 1 Satz 2 Halbs 1 und Satz 3 Halbs 1 SGB V grundsätzlich nicht vorgesehen. Hiervon abweichend ist dagegen nicht allein die arzneimittelrechtliche Zulassung, sondern eine neuere Studienlage maßgeblich, wenn eine solche für die Gruppenbildung bedeutsame Therapiehinweise, Verordnungseinschränkungen oder Verordnungsausschlüsse durch den GBA rechtfertigt, weil sie Indikationsbereiche eines Arzneimittels oder von Arzneimitteln im Vergleich zu anderen als unwirtschaftlich erscheinen lässt und nicht lediglich insgesamt das Therapiegebiet der Gesamtgruppe einschränkt. Dies folgt aus Regelungssystem (dazu <1.>), Normsystematik und Wortlaut (dazu <2.>), Entstehungsgeschichte (dazu <3.>) sowie Sinn und Zweck des § 35 SGB V(dazu <4.>).

29

(1.) § 35 SGB V knüpft an das allgemeine Regelungssystem der Arzneimittelversorgung in der GKV an und ändert es nur in spezifischen, genau umrissenen Teilbereichen. Nach diesem System ist Grundvoraussetzung des Anspruchs Versicherter auf ein zur Krankenbehandlung notwendiges Arzneimittel in der Regel seine Anwendung im Rahmen der durch die arzneimittelrechtliche Zulassung vorgegebenen Indikation. Notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung der Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln in der GKV ist ihre Qualität als Arzneimittel im Sinne des Arzneimittelrechts. Dieses bezweckt, im Interesse einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung von Mensch und Tier für die Sicherheit im Verkehr mit Arzneimitteln, insbesondere für die Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Arzneimittel zu sorgen (§ 1 AMG). Insoweit stellen das SGB V und das AMG auf denselben Zweck ab (stRspr, vgl BSGE 96, 153 = SozR 4-2500 § 27 Nr 7, RdNr 15 mwN - D-Ribose; BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, RdNr 15 - Lorenzos Öl; vgl auch BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 55 f - Therapiehinweise und SozR 4-2500 § 106 Nr 21<6. BSG-Senat>). Daher verzichtet das Krankenversicherungsrecht bei der Arzneimittelversorgung weitgehend auf eigene Vorschriften zur Qualitätssicherung. Es knüpft insoweit vielmehr im Ausgangspunkt an das Arzneimittelrecht nach dem AMG an, das für Fertigarzneimittel eine staatliche Zulassung vorschreibt und deren Erteilung vom Nachweis der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit eines Medikaments (vgl § 25 Abs 2 AMG) abhängig macht (vgl BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, RdNr 29 - Lorenzos Öl; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21). Wurde diese Prüfung erfolgreich durchlaufen und ist für das Arzneimittel die Zulassung einschließlich der darin enthaltenen Ausweisung der Anwendungsgebiete erteilt worden, so ist es in diesem Umfang grundsätzlich auch verordnungsfähig im Sinne des SGB V (vgl BSGE 95, 132 RdNr 18 = SozR 4-2500 § 31 Nr 3 RdNr 25 mit Bezugnahme auf BSGE 93, 1 = SozR 4-2500 § 31 Nr 1, RdNr 7). Eine eigene Sachprüfungsbefugnis der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit kommt hinsichtlich der erteilten arzneimittelrechtlichen Zulassung nicht in Betracht (BSGE 95, 132 RdNr 15 = SozR 4-2500 § 31 Nr 3 RdNr 22). Eine erforderliche, aber nicht vorhandene Zulassung schließt grundsätzlich die Verordnungsfähigkeit eines Arzneimittels aus. Insoweit ist die arzneimittelrechtliche Zulassung für die Verordnungsfähigkeit eines Arzneimittels in der GKV "negativ vorgreiflich" (vgl BSGE 95, 132 RdNr 16 = SozR 4-2500 § 31 Nr 3 RdNr 23 mwN).

30

Auch soweit Versicherte ausnahmsweise außerhalb der arzneimittelrechtlichen Zulassung Versorgung mit arzneimittelrechtlich zugelassenen Arzneimitteln nach den Grundsätzen des sogenannten Off-Label-Use beanspruchen können, setzt dies ua eine Studienlage voraus, die eine Zulassung des Arzneimittels nach den Anforderungen des AMG zur betroffenen Indikation rechtfertigen würde. Nach der Rechtsprechung des Senats (BSGE 89, 184, 191 f = SozR 3-2500 § 31 Nr 8 S 36 - Sandoglobulin; BSGE 97, 112 = SozR 4-2500 § 31 Nr 5, RdNr 17 f - Ilomedin; BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 15 RdNr 31 mwN - Ritalin) kommt die Verordnung eines Medikaments in einem von der Zulassung nicht umfassten Anwendungsgebiet nämlich grundsätzlich nur in Betracht, wenn es 1.) um die Behandlung einer schwerwiegenden (lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden) Erkrankung geht, wenn 2.) keine andere Therapie verfügbar ist und wenn 3.) aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden kann. Die Qualität der wissenschaftlichen Erkenntnisse über den Behandlungserfolg, die für eine zulassungsüberschreitende Pharmakotherapie auf Kosten der GKV nachgewiesen sein muss, entspricht derjenigen für die Zulassungsreife des Arzneimittels im betroffenen Indikationsbereich. Sie ist während und außerhalb eines arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahrens regelmäßig gleich. Der Schutzbedarf der Patienten, der dem gesamten Arzneimittelrecht zugrunde liegt und - wie dargelegt - in das Leistungsrecht der GKV einstrahlt, unterscheidet sich in beiden Situationen nicht (vgl BSGE 97, 112 = SozR 4-2500 § 31 Nr 5, RdNr 24 - Ilomedin; BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 15 RdNr 34 mwN - Ritalin).

31

Änderungen des Maßstabs der danach an der arzneimittelrechtlichen Zulassung ausgerichteten Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln in der GKV können sich indes mit Blick auf das Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 Abs 1 SGB V) ergeben. Dies erwächst daraus, dass eine Diskrepanz bestehen kann zwischen der Aussagekraft der für die Zulassung durchgeführten klinischen Studien und den in der Praxis auftretenden Anforderungen an ein Arzneimittel, insbesondere beim Fehlen klinischer Studien zu patientenrelevanten Endpunkten. Der Behandlungs- und Versorgungsanspruch eines Versicherten unterliegt ua den sich aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 Abs 1 SGB V) ergebenden Einschränkungen (vgl BSGE 95, 132 RdNr 20 = SozR 4-2500 § 31 Nr 3 RdNr 27). Das Wirtschaftlichkeitsgebot kann weitergehende Einschränkungen der generellen Verordnungsfähigkeit zugelassener Arzneimittel im Rahmen der GKV fordern, etwa weil eine neuere Studienlage Therapiehinweise rechtfertigt, da Indikationsbereiche eines Arzneimittels oder von Arzneimitteln im Vergleich zu anderen als unwirtschaftlich erscheinen (vgl zum bisher geltenden Recht zB BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 39 ff - Therapiehinweise). Der Beigeladene zu 1. kann nach heutiger Rechtslage die Verordnung von Arzneimitteln einschränken oder ausschließen, wenn die Unzweckmäßigkeit erwiesen oder eine andere, wirtschaftlichere Behandlungsmöglichkeit mit vergleichbarem diagnostischen oder therapeutischen Nutzen verfügbar ist (§ 92 Abs 1 Satz 1 Halbs 4 SGB V idF durch Art 1 Nr 13 Buchst a AMNOG, vom 22.12.2010, BGBl I 2262, mit Wirkung vom 1.1.2011). Er kann im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft vom pharmazeutischen Unternehmer im Benehmen mit der AkdÄ, dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte oder dem Paul-Ehrlich-Institut innerhalb einer angemessenen Frist ergänzende versorgungsrelevante Studien zur Bewertung der Zweckmäßigkeit eines Arzneimittels fordern. Werden die Studien nicht oder nicht rechtzeitig vorgelegt, kann der GBA das Arzneimittel schon allein deshalb von der Verordnungsfähigkeit ausschließen (§ 92 Abs 2a Satz 1 und 4 SGB V idF durch Art 1 Nr 13 Buchst c AMNOG). Die in besonderen Fällen mögliche Ausrichtung an auf patientenrelevante Endpunkte bezogene Studien wird schließlich auch daran deutlich, dass der GBA neuerdings die Verordnung eines Arzneimittels nur einschränken oder ausschließen darf, wenn die Wirtschaftlichkeit nicht durch einen Festbetrag nach § 35 SGB V oder durch die Vereinbarung eines Erstattungsbetrags nach § 130b SGB V hergestellt werden kann(s § 92 Abs 2 Satz 11 SGB V idF durch Art 1 Nr 13 Buchst b AMNOG; vgl zum Ganzen Hauck, GesR 2011, 69, 70 ff).

32

(2.) Auch Wortlaut und Normsystematik des § 35 Abs 1 SGB V verdeutlichen, dass grundsätzlich für die Festbetragsgruppen auf die arzneimittelrechtliche Zulassung abzustellen ist. Das Prüfprogramm für die Bildung von Festbetragsgruppen weist breite sachliche Überschneidungen mit dem Arzneimittelrecht auf. So enthält § 35 Abs 1 Satz 2 Halbs 1 SGB V die grundlegende Aufzählung denkbarer Festbetragsgruppen anhand von Kriterien, die sich entsprechend auch in der arzneimittelrechtlichen Überprüfung der Verkehrsfähigkeit eines Arzneimittels wiederfinden und keinen Hinweis auf Abweichungen vom dargelegten allgemeinen Regelungssystem enthalten. Der Begriff des Wirkstoffs in Nr 1 greift den Wirkstoffbegriff nach § 4 Abs 19 AMG auf, der infolgedessen sinngemäß anwendbar ist(vgl Hauck in: H. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Stand 1.7.2010, Band 2, § 35 SGB V RdNr 37; zur arzneimittelrechtlichen Anbindung des Begriffs "Bioverfügbarkeit" in diesem Zusammenhang vgl Orlowski in: Orlowski/Wasem/Rau/Zipperer, GKV-Kommentar SGB V, Stand Januar 2011, § 35 RdNr 9 f). Mit Blick darauf ist auch die Eingrenzung auf pharmakologisch-therapeutisch vergleichbare Wirkstoffe in Nr 2 folgerichtig in Anlehnung an das AMG vorzunehmen. Denn pharmakologisch-therapeutische Wirkungsweisen eines Wirkstoffs sind Bestandteil der arzneimittelrechtlichen Zulassungsprüfung (§ 25 Abs 2 Nr 1 bis 5a AMG) und dementsprechend Inhalt der Fachinformation (§ 11a AMG).

33

Dagegen hat der Gesetzgeber in § 35 Abs 1 Satz 3 Halbs 2 SGB V idF des GMG eine Ausnahmeregelung für patentgeschützte Arzneimittel statuiert, für die er einen über die arzneimittelrechtliche Zulassung hinausgehenden Überprüfungsmaßstab angewendet wissen will: Von der Bildung eigentlich zulässiger Festbetragsgruppen sind patentgeschützte Arzneimittel ausgenommen, deren Wirkungsweise neuartig ist und (ab 1.5.2006 "oder", dazu d und 3.b) die eine therapeutische Verbesserung bedeuten. Diese Regelung bezweckt, den Arzneimittelherstellern Anreize zur Entwicklung von innovativen Arzneimitteln zu bieten (vgl hierzu Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung, BT-Drucks 11/3480, S 53; zur Klarstellung späterer Gesetzesfassungen BT-Drucks 15/1525 S 87; s zur nachträglichen Einfügung der Regelung auch Schulin, Patentschutz und Festbeträge für Arzneimittel, 1993, 92 ff). Nach Auffassung des Gesetzgebers sind echte Innovationen mit therapeutischem Zusatznutzen erwünscht und unterliegen nicht der Festbetragsregelung (Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung <AVWG> der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, BT-Drucks 16/194 S 7 zu Art 1 Nr 2 Buchst c). Um bloße Scheininnovationen nicht zu begünstigen, erfolgt der Nachweis einer therapeutischen Verbesserung nicht allein aufgrund der Fachinformationen, sondern auch durch Bewertung von klinischen Studien nach methodischen Grundsätzen der evidenzbasierten Medizin, soweit diese Studien allgemein verfügbar sind oder gemacht werden und ihre Methodik internationalen Standards entspricht. Vorrangig sind klinische Studien, insbesondere direkte Vergleichsstudien mit anderen Arzneimitteln dieser Wirkstoffgruppe mit patientenrelevanten Endpunkten, insbesondere Mortalität, Morbidität und Lebensqualität, zu berücksichtigen (§ 35 Abs 1b Satz 4 und 5 SGB V; vgl näher unten II 3. b bb).

34

(3.) Auch die Entstehungsgeschichte des § 35 SGB V belegt die Bedeutung der arzneimittelrechtlichen Zulassung als Ausgangspunkt der Gruppenbildung. Die erste Fassung einer Festbetragsregelung nach dem Gesetz zur Strukturreform im Gesundheitswesen vom 20.12.1988 (BGBl I S 2477) sah in Abs 4 die Festsetzung eines Festbetrags für Arzneimittel mit denselben Wirkstoffen (§ 35 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB V) erst drei Jahre nach der ersten Zulassung eines wirkstoffgleichen Arzneimittels vor. Damit stellte die Regelung den Zusammenhang zwischen SGB V und AMG für den Wirkstoffbegriff ausdrücklich her. Dass diese Regelung durch das Gesundheitsstrukturgesetz vom 21.12.1992 (BGBl I 2266) beseitigt worden ist, beruht auf der Verlängerung des Patentschutzes für Arzneimittel um bis zu fünf Jahre durch die Verordnung des Rates der Europäischen Gemeinschaften über die Schaffung eines ergänzenden Schutzzertifikates für Arzneimittel (vgl BT-Drucks 12/3608 S 81). Eine Loslösung des Wirkstoffbegriffs im SGB V von demjenigen des AMG war nicht beabsichtigt.

35

(4.) Schließlich entspricht die grundsätzliche Anknüpfung der Festbetragsgruppenbildung an die arzneimittelrechtliche Zulassung dem Regelungszweck des § 35 SGB V. Die Festbetragsregelung des § 35 SGB V zielt - wie dargelegt - unter Ausgestaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots darauf ab, den Bereich zu Lasten der GKV verordnungsfähiger Arzneimittel de iure zu erweitern, die Leistungspflicht der Krankenkassen hierbei auf den einschlägigen festgesetzten Festbetrag zu begrenzen und hierdurch zugleich den Wettbewerb unter den Arzneimittelanbietern zu verstärken und das Interesse der Anbieter zu wecken, Preise unterhalb des Festbetrags festzusetzen. All dies kann nur im Rahmen des allgemeinen Systems der in den GKV-Leistungskatalog einbezogenen Arzneimittel gelingen.

36

cc) Hinsichtlich der Arzneimittelgruppe der Statine ist für den hier betroffenen Zeitraum ab 1.1.2005 an die Inhalte der arzneimittelrechtlichen Zulassung anzuknüpfen. Dass für einzelne Statine der Festbetragsgruppe eine Studienlage besteht, die weitergehende Einschränkungen der generellen Verordnungsfähigkeit zugelassener Arzneimittel mit diesem Wirkstoff im Rahmen der GKV rechtfertigt, hat das LSG nicht festgestellt. Der Beigeladene zu 1. hat dies ebenfalls nicht angenommen und deshalb keine der ihm rechtlich für einen solchen Fall eröffneten Maßnahmen ergriffen. Weder er noch die AkdÄ und später das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) gehen nach eingehender Recherche hiervon aus. Bei einem solchen Sachstand verbleibt es beim durch das Arzneimittelzulassungsrecht vorgegebenen Prüfmaßstab für die Festbetragsgruppenbildung, ohne dass weitere Ermittlungen des erkennenden Senats zu diesen generellen Tatsachen geboten wären.

37

dd) Auf der Grundlage des Inhalts der arzneimittelrechtlichen Zulassung stellen die fünf fraglichen Statine pharmakologisch-therapeutisch vergleichbare Wirkstoffe, insbesondere chemisch verwandte Stoffe iS von § 35 Abs 1 Satz 2 Halbs 1 Nr 2 SGB V dar. Zutreffend ist der Beigeladene zu 1. davon ausgegangen, dass die Überprüfung der pharmakologisch-therapeutischen Vergleichbarkeit zwei verschiedene Aspekte, namentlich einen pharmakologischen wie einen therapeutischen umfasst (vgl Hauck in: H. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Stand 1.7.2010, Band 2, § 35 SGB V RdNr 38). Für das Verständnis des Begriffs der Vergleichbarkeit ist mit den Vorinstanzen davon auszugehen, dass Vergleichbarkeit nicht Austauschbarkeit oder Identität bedeutet. Anders als nach Nr 1 geht es bei der Gruppenbildung nach Nr 2 vielmehr darum, einen übergreifenden gemeinsamen Bezugspunkt mehrerer Wirkstoffe herzustellen (ebenso Sodan, PharmR 2007, 485, 487). Dementsprechend steht mit der Überprüfung der pharmakologisch-therapeutischen, insbesondere chemischen Vergleichbarkeit eine Beurteilung von Art und Aufbau der einzelnen Wirkstoffe, ihrer Wirkmechanismen und ihrer Anwendungsgebiete an.

38

Der Beigeladene zu 1. hat die dargelegten Vergleichsmaßstäbe entsprechend seinen Ausführungen zu chemischer Zusammensetzung, Wirkprofil und therapeutischem Einsatzgebiet der fünf Statine rechtsfehlerfrei angewendet. Nicht zu beanstanden ist, dass er hierbei als Einstieg die in der Fachinformation enthaltene Anatomisch-Therapeutisch-Chemische (ATC) Klassifikation der WHO nach Maßgabe des § 73 Abs 8 Satz 5 SGB V gewählt hat, wie es inzwischen seiner Verfahrensordnung (VerfO) entspricht(vgl § 16 Abs 2 VerfO). Die ATC-Klassifikation teilt die Wirkstoffe nach dem Organ oder Organsystem, auf das sie einwirken, und nach ihren chemischen, pharmakologischen und therapeutischen Eigenschaften in verschiedene Gruppen ein (abrufbar unter www.dimdi.de). Sie geht von einem identischen Code für die Wirkstoffgruppe der fünf Statine Simvastatin, Lovastatin, Pravastatin, Fluvastatin und Atorvastatin aus.

39

Zu Recht bejaht der Beigeladene zu 1. die chemische Verwandtschaft der betroffenen Wirkstoffe. Er beurteilt sie im Einklang mit dem Wortlaut des § 35 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB V maßgeblich vom Endprodukt und nicht von der Herstellungsform her: Die fünf Statine haben nicht nur eine gemeinsame b-, d- Dihydroxy-n-Carbonsäure-Struktur, sondern darüber hinaus auch eine gemeinsame molekulare räumliche Struktur, die erst die spezifische Interaktion Wirkstoff - Enzym ermöglicht.

40

Der Beigeladene zu 1. stellt rechtmäßig auch für die pharmakologische Vergleichbarkeit maßgeblich auf den Wirkmechanismus der erfassten Arzneimittel ab. Er geht nämlich von einem vergleichbaren Wirkprofil aller HMG-CoA-Reduktase (=CSE)-Hemmer aus, weil durch alle Hemmer der HMG-CoA-Reduktase Vorstufen von Cholesterin verringert synthetisiert werden. Die daraus resultierende Verarmung an interzellulärem Cholesterin führt zu einer Zunahme von LDL-Rezeptoren an der Zelloberfläche, die Aufnahme von LDL-Cholesterin in die Zelle wird hierdurch erhöht.

41

Auch die therapeutische Vergleichbarkeit hat der Beigeladene zu 1. anhand der Anwendungsgebiete der Statine, wie sie sich aus der arzneimittelrechtlichen Zulassung ergeben, frei von Rechtsfehlern beurteilt. Für alle fünf Wirkstoffe bestand im hier maßgeblichen Zeitraum eine Zulassung für das Anwendungsgebiet der Hypercholesterinämie; schon daraus lässt sich die therapeutische Vergleichbarkeit ableiten. Atorvastatin besitzt zudem seit Mai 2006 eine Zulassung auch für das Anwendungsgebiet der Vorbeugung kardiovaskulärer Erkrankungen; über eine Zulassung für dieses Anwendungsgebiet verfügen aber auch die Konkurrenzwirkstoffe Fluvastatin, Pravastatin und Simvastatin, so dass auch insoweit für Atorvastatin keine Sonderstellung beansprucht werden kann.

42

ee) Der Beigeladene zu 1. musste keine für die Therapie bedeutsamen unterschiedlichen Bioverfügbarkeiten wirkstoffgleicher Arzneimittel berücksichtigen (§ 35 Abs 1 Satz 2 SGB V). Denn mit den Statinen ist eine Festbetragsgruppe nach § 35 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB V betroffen, der lediglich pharmakologisch-therapeutisch vergleichbare Wirkstoffe angehören.

43

ff) Dass alle fünf Statine einschließlich Atorvastatin in eine Festbetragsgruppe einbezogen wurden, schränkt iS von § 35 Abs 1 Satz 3 Halbs 1 SGB V keine Therapiemöglichkeiten ein und schneidet keine medizinisch notwendigen Verordnungsalternativen ab. Der Wirkstoff Atorvastatin war im hier zu prüfenden Zeitraum ab 1.1.2005 für kein Behandlungsgebiet zugelassen, für das nicht wenigstens ein anderes Statin zugelassen war. Gleichzeitig erlaubt die arzneimittelrechtliche Zulassung von Atorvastatin keinen Rückschluss darauf, dass ausschließlich mit diesem Wirkstoff besondere Patientenkollektive zu erschließen seien. Ebenso wenig kommt es unter dem Aspekt der Nebenwirkungen zu einer Einengung der Therapiemöglichkeiten, denn der Fachinformation für Atorvastatin ist im Vergleich zu denjenigen der anderen vier Statine kein Vorteil im Hinblick auf das Nebenwirkungsspektrum zu entnehmen; dies wird im Übrigen auch von den Klägerinnen nicht behauptet.

44

d) Der Einbeziehung von Sortis steht nicht die Ausnahme von der Gruppenbildung für Arzneimittel mit patentgeschützten Wirkstoffen entgegen, deren Wirkungsweise neuartig ist und die eine therapeutische Verbesserung, auch wegen geringerer Nebenwirkungen, bedeuten (§ 35 Abs 1 Satz 3 Halbs 2 SGB V idF des GMG). Die Wirkungsweise von dem noch bis 2011 patentgeschützten Wirkstoff Atorvastatin ist im Rechtssinne nicht neuartig. Als neuartig gilt ein Wirkstoff nämlich nur, solange derjenige Wirkstoff, der als erster dieser Gruppe in Verkehr gebracht worden ist, unter Patentschutz steht (§ 35 Abs 1 Satz 4 SGB V). Nach den unangegriffenen und damit für den Senat bindenden (§ 163 SGG)Feststellungen des LSG wurde der Wirkstoff Lovastatin als erster der Gruppe der Statine in Verkehr gebracht und war schon vor 2003 patentfrei.

45

Ob eine therapeutische Verbesserung vorlag, ist mangels neuartiger Wirkungsweise von Atorvastatin nicht entscheidend. Zu Recht hat das LSG erkannt, dass § 35 Abs 1 Satz 3 Halbs 2 SGB V in der hier maßgeblichen, bis zum 30.4.2006 geltenden Fassung des GMG die Erfüllung der beiden Merkmale der "Neuartigkeit" der Wirkungsweise und der "therapeutischen Verbesserung" kumulativ fordert, um die Aufnahme eines Arzneimittels in eine Festbetragsgruppe nach § 35 Abs 1 Satz 2 Nr 2 und 3 SGB V auszuschließen. Das entspricht dem klaren Wortlaut in Bezug auf die Konjunktion "und" sowie der Entstehungsgeschichte. Nach der Gesetzesbegründung greift die Ausnahme von der Festbetragsregelung nur für Arzneimittel mit solchen patentgeschützten Wirkstoffen, deren Wirkungsweise neuartig ist und die deshalb mit anderen Wirkstoffen nicht vergleichbar sind. Eine therapeutische Verbesserung - so die Begründung - kann auch in der Minderung von Nebenwirkungen liegen (vgl BT-Drucks 11/3480 S 53). Aus dem Regelungssystem und -zweck folgt nichts anderes. Der Gesetzgeber hat erst mit dem AVWG vom 26.4.2006 (BGBl I 984) mit Wirkung vom 1.5.2006 das Erfordernis des kumulativen Vorliegens beider Tatbestandsvoraussetzungen aufgegeben, indem er das "und" durch ein "oder" ersetzt hat. Dies entspricht der im Gesetzgebungsverfahren geäußerten Intention, Anreize zur Forschung nach echten Arzneimittelinnovationen zu setzen (vgl BT-Drucks 16/194, S 6, 7; 16/691, S 14). Dass der Gesetzgeber selbst diese Änderung nur als Klarstellung bezeichnet hat (BT-Drucks 16/194, S 7), ist unerheblich. Denn auch die Grenzen der authentischen Interpretation sind durch den Wortlaut vorgegeben (vgl BSG SozR 4-2500 § 62 Nr 8; BSG SozR 4-4300 § 147a Nr 9).

46

Die Regelung des § 35 Abs 1a SGB V ist hier von vornherein nicht anwendbar. Sie ermöglicht die Bildung von Festbetragsgruppen für Arzneimittel, die allesamt noch unter Patentschutz stehen. Für den Fall, dass dies nicht mehr auf alle Arzneimittel einer Festbetragsgruppe zutrifft, ist § 35 Abs 1 Satz 3 Halbs 2 SGB V die maßgebliche Regelung für die Möglichkeit der Einbeziehung patentgeschützter Arzneimittel(vgl BT-Drucks 16/691, S 15; Kraftberger/Adelt in: Kruse/Hänlein, LPK-SGB V, 3. Aufl 2009, § 35 RdNr 25; aA im Ergebnis für Arzneimittel der Festbetragsgruppe 2, Reese/Gaßner, PharmR 2004, 428).

47

e) Auch die Entscheidung über die Bildung der Vergleichsgrößen ist rechtmäßig. Gemäß § 35 Abs 1 Satz 5 SGB V ermittelt der Beigeladene zu 1. die nach § 35 Abs 3 SGB V "notwendigen rechnerischen mittleren Tages- oder Einzeldosen oder anderen geeigneten Vergleichsgrößen". Die von ihm festgeschriebenen Werte sind in diesem Sinne geeignete Vergleichsgrößen.

48

Die gerichtliche Kontrolle der Ermittlung von Vergleichsgrößen ist beschränkt. Dem Beigeladenen zu 1. steht nämlich bei der Entscheidung über die Vergleichsgrößenbildung ein Gestaltungsspielraum zu. Er kann selbst darüber entscheiden, anhand welcher Kriterien er die Vergleichsgrößen bestimmt. Das Gesetz gibt keine Wahl dahin vor, ob der Tagesdosis, der Einzeldosis oder aber einer gänzlich anderen geeigneten Vergleichsgröße der Vorrang gebührt (Hauck in: H. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, aaO, § 35 SGB V RdNr 45). Die Gerichte haben lediglich zu kontrollieren, ob der GBA hierbei auf der Grundlage eines vollständig ermittelten Sachverhalts den Zweck der Vergleichsgrößenbildung nachvollziehbar beachtet hat, die Arzneimittel mit verschiedenen Wirkstoffen innerhalb einer Gruppe vergleichbar zu machen (zum Grundsatz oben, II. 2. c aa; s auch Kraftberger/Adelt in: Kruse/Hänlein, LPK-SGB V, 3. Aufl 2009, § 35 RdNr 20a). Diesen Anforderungen genügt der Beschluss vom 20.7.2004. Der Beigeladene zu 1. hat sämtliche Daten anhand der zum Zeitpunkt des Gruppenbeschlusses zuletzt verfügbaren Jahresdaten des GKV-Arzneimittelindexes ermittelt und diese rechnerisch korrekt für alle fünf Statine umgesetzt. Das ziehen die Beteiligten nicht in Zweifel.

49

Der Beigeladene zu 1. hat den Gesetzeszweck der Vergleichsgrößen beachtet, sicherzustellen, dass die aufzuwendenden Arzneimittelkosten unabhängig vom jeweiligen Wirkstoff für die von jedem Versicherten individuell benötigte Arzneimitteldosis annähernd gleich sind (vgl dazu Kraftberger/Adelt in: Kruse/Hänlein, LPK-SGB V, 3. Aufl 2009, § 35 RdNr 20a). Er hat jedem Wirkstoff einen bestimmten Zahlenwert zugewiesen, der ihn innerhalb der Gruppe vergleichbar macht. Seine hierbei gewählte Methode der verordnungsgewichteten durchschnittlichen Wirkstärke ist geeignet, eine sachgerechte mengenbezogene Vergleichbarkeit zwischen den verschiedenen Wirkstoffen herzustellen. Sie errechnet für jeden der fünf Wirkstoffe einen Einzelwert als Vergleichsgröße, der sich am Verordnungsverhalten der Ärzte orientiert, also daran, welcher Wirkstoff wie häufig in welcher Wirkstärke verordnet wurde.

50

Die dagegen vorgetragenen Einwendungen der Klägerinnen greifen nicht durch. Die vom Beigeladenen zu 1. angewendete Methode geht systemgerecht davon aus, dass nur therapeutisch sinnvolle Wirkstärken gemäß § 25 Abs 1 Satz 1 AMG zugelassen werden, und die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte diese Wirkstärken zutreffend verordnen(vgl Hess in: Kasseler Komm, Stand 1.10.2010, § 35 SGB V RdNr 9). Die von den Klägerinnen bevorzugte Methode, die Vergleichsgröße anhand einer tatsächlichen Wirkstärke zu bestimmen, leidet dagegen daran, dass sich ihre Prämisse, bei jedem Patienten wirke etwa Atorvastatin "doppelt so gut" wie Pravastatin oder "viermal so gut" wie Simvastatin, schwerlich objektivieren lässt. Bei Anwendung eines Wirkstoffs bringt die doppelte Wirkmenge nicht automatisch auch den doppelten Behandlungserfolg mit sich. Ua vor diesem Hintergrund ist eine arzneimittelrechtliche Zulassung stets wirkstärkenbezogen (vgl § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AMG). Dem trägt die hier gewählte Methode sachgerecht Rechnung, sich nicht an einer fiktiven "tatsächlichen Wirkstärke", sondern an der tatsächlichen Situation der Verordnungen in der Praxis im Hinblick auf die Wirkstärke zu orientieren (ähnlich für den Vergleich der Wirksamkeit mehrerer Wirkstoffe BSGE 93, 296 RdNr 14 = SozR 4-2500 § 35 Nr 2 RdNr 16).

51

f) Die (hier noch zuständigen) Beigeladenen zu 3. bis 8. haben die Festbeträge durch Beschluss vom 29.10.2004 rechtmäßig festgesetzt. Sie haben die notwendige Form gewahrt, da die Festsetzung im Bundesanzeiger öffentlich bekannt gemacht wurde (§ 35 Abs 7 Satz 1 SGB V), und die Festbeträge auch materiell rechtmäßig festgesetzt. Sie haben die in § 35 Abs 5 SGB V formulierten Vorgaben befolgt, Festbeträge so festzusetzen, dass sie im Allgemeinen eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche sowie in der Qualität gesicherte Versorgung gewährleisten(Satz 1), Wirtschaftlichkeitsreserven ausschöpfen, einen wirksamen Preiswettbewerb auslösen, sich deshalb an möglichst preisgünstigen Versorgungsmöglichkeiten ausrichten und soweit wie möglich eine für die Therapie hinreichende Arzneimittelauswahl sicherstellen (Satz 2).

52

Die gerichtliche Kontrolle der festgesetzten Festbetragshöhe erfolgt grundsätzlich in vollem Umfang. Sie beschränkt sich jedoch dort auf die zutreffende Konkretisierung der bestehenden Zielvorgaben nebst wissenschaftlich haltbarer Schätzungen, wo in Unkenntnis der Reaktion jedes einzelnen Arzneimittelanbieters prognostische Elemente und Schätzungen mit in die Festbetragsfestsetzung einfließen müssen. Es besteht allerdings kein Beurteilungsspielraum der Beigeladenen zu 3. bis 8. mit Blick darauf, dass im Allgemeinen eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche, in der Qualität gesicherte Versorgung gewährleistet ist (vgl Hauck in: Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Stand 1.7.2010, Band 2, § 35 SGB V RdNr 46; aA - einen Beurteilungsspielraum bejahend - Hess in: Kasseler Komm, Stand 1.10.2010, § 35 SGB V RdNr 31; Flint in: Hauck/Noftz, SGB V, Stand Februar 2011, K § 35 RdNr 93). Anderes wäre auch verfassungsrechtlich bedenklich. Das BVerfG hat die Regelungen über die Festsetzung von Festbeträgen in § 35 Abs 5 SGB V gerade mit Blick darauf nicht beanstandet, dass sie klar überprüfbare Festsetzungsmaßstäbe enthalten. Eine wesentliche Änderung des Inhalts des Wirtschaftlichkeitsgebots oder wirtschaftslenkende Handlungsspielräume sind dem Beklagten und waren den beigeladenen Krankenkassenverbänden nicht eröffnet (vgl näher BVerfGE 106, 275, 302 = SozR 3-2500 § 35 Nr 2 S 20).

53

Die konkrete Festbetragsfestsetzung von 62,55 Euro für eine Standardpackung zu 100 Stück (Wirkstärkenvergleichsgröße 0,97) setzt die Zielvorgaben des § 35 Abs 5 SGB V idF des GMG zutreffend um. Rechenfehler sind durch die Klägerinnen nicht geltend gemacht und auch sonst nicht ersichtlich. Der Beklagte nähert sich iterativ unter Anwendung einer Maßzahl der optimalen Festbetragshöhe an (sogenannte Maßzahl M). Sie ist als Summe des prozentualen Anteils zuzahlungspflichtiger Verordnungen und des prozentualen Anteils zuzahlungspflichtiger Packungen definiert. Der Gesetzgeber selbst hat das Grundprinzip dieser mathematischen Methodik mithilfe der Maßzahl M mittlerweile ausdrücklich anerkannt, indem er diesem Berechnungsverfahren nunmehr in § 35 Abs 5 Satz 5 SGB V idF des AVWG Gesetzesrang verschafft hat(vgl BT-Drucks 16/194 S 8 f). Als Grenzwert für die Maßzahl M haben die Beigeladenen zu 3. bis 8. für die Festbetragsgruppen nach § 35 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB V den Wert 100 festgelegt. Dies bedeutet, dass im Idealfall mindestens die Hälfte der Verordnungen und die Hälfte der Packungen für die Versicherten ohne festbetragsbedingte Zuzahlung zur Verfügung stehen. In der Festbetragsgruppe der Statine lag die Maßzahl M im hier maßgeblichen Zeitraum bei 98,8. Es standen hierdurch rund 75 Prozent der Packungen und 26,3 Prozent der Verordnungen den Versicherten zum Festbetrag zur Verfügung. Dabei waren drei der fünf Wirkstoffe der Gruppe der Statine zum Festbetrag ohne Mehrzahlung erhältlich (Fluvastatin, Lovastatin und Simvastatin).

54

Mit diesem Ergebnis wird in der Festbetragsgruppe der Statine der gesetzgeberische Zweck erfüllt, unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots eine in der Qualität gesicherte Versorgung sowie eine für die Therapie hinreichende Arzneimittelauswahl zu gewährleisten. Danach greift das Vorbringen der Klägerinnen nicht durch, die festgesetzte Festbetragshöhe stelle keine hinreichende Arzneimittelauswahl sicher. Die Sicherstellung einer für die Therapie hinreichenden Arzneimittelauswahl hat nur "soweit wie möglich" zu erfolgen, kann also auch dazu führen, dass lediglich ein einziges therapiegerechtes Arzneimittel zum Festbetrag zur Verfügung steht. Darüber ging das Angebot zum Festbetrag erhältlicher therapiegerechter Statine deutlich hinaus.

55

3. Die Revision ist schließlich unbegründet, soweit die klagenden pharmazeutischen Unternehmen die Aufhebung des Festbetragsbeschlusses vom 10.2.2006 für die Zeit vom 1.4. bis zum Ablauf des 30.6.2006 begehren (zu den Folgezeiträumen vgl Senatsurteile vom selben Tage - B 1 KR 10/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen und - B 1 KR 13/10 R). Auch diese Allgemeinverfügung, die die Festsetzung vom 29.10.2004 mit Wirkung vom 1.4.2006 ersetzte, beschwert die Klägerinnen nach dem dargelegten reduzierten Prüfmaßstab der grundrechtsrelevanten Wettbewerbsverfälschung (vgl oben II.1.c und 2) sowohl für die Zeit bis zum 30.4.2006 (dazu a) als auch für die Zeit ab 1.5.2006 (dazu b) nicht rechtswidrig. Sie ist, soweit sie Rechte der Klägerinnen betrifft, rechtmäßig und nicht etwa offensichtlich sachwidrig. Die infolge der Gesetzesänderung durch das AVWG zum 1.5.2006 erheblich gewordene Frage, ob Atorvastatin eine therapeutische Verbesserung gegenüber den anderen vier Statinen bedeutet, hat der Beigeladene zu 1. rechtmäßig verneint.

56

a) Die Rechtmäßigkeit des Festbetragsbeschlusses vom 10.2.2006 ist zunächst für den Geltungszeitraum vom 1.4. bis zum 30.4.2006 an § 35 SGB V idF des GMG zu messen. Hinsichtlich der gebildeten Gruppe und der ermittelten Vergleichsgröße ergeben sich keine Abweichungen gegenüber der Vorgängerverfügung. Auch der Höhe nach ist die Festsetzung der Festbeträge durch den Beschluss vom 10.2.2006 rechtlich nicht zu beanstanden, soweit dies für die Klägerinnen von rechtlichem Interesse ist. Rechtsgrundlage der Festbetragsanpassung ist § 35 Abs 5 Satz 3 SGB V, wonach die Festbeträge einmal im Jahr zu überprüfen sind und eine Anpassung an die geänderte Marktlage vorzunehmen ist. Neben § 35 Abs 5 Satz 1 und 2 SGB V ist die durch das AVWG(rückwirkend zum 17.2.2006) eingeführte Regelung in § 35 Abs 5 Satz 4 und 5 SGB V zu berücksichtigen. Hiernach soll erstmals zum 1.4.2006 der Festbetrag auch einer Festbetragsgruppe nach § 35 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB V den höchsten Abgabepreis des unteren Drittels des Intervalls zwischen dem niedrigsten und dem höchsten Preis einer Standardpackung nicht übersteigen. Dabei müssen mindestens ein Fünftel aller Verordnungen und mindestens ein Fünftel aller Packungen zum Festbetrag verfügbar sein; zugleich darf die Summe der jeweiligen Vomhundertsätze der Verordnungen und Packungen, die nicht zum Festbetrag erhältlich sind, den Wert von 160 nicht überschreiten.

57

Der festgesetzte Festbetrag von 59,42 Euro genügt diesen gesetzlichen Anforderungen, soweit die Klägerinnen betroffen sein können. Die Beigeladenen zu 3. bis 8. ermittelten den Festbetrag wiederum unter Anwendung des iterativen Verfahrens. Die Maßzahl M lag am Berechnungsstichtag bei 60,8. Damit standen rund 87,5 Prozent der 766 Packungen und 51,7 Prozent der Verordnungen den Versicherten zum angepassten Festbetrag zur Verfügung. Nach wie vor waren zudem drei der fünf Wirkstoffe der Festbetragsgruppe zum Festbetrag erhältlich. Es bedarf nicht der - vom LSG nicht getroffenen - Feststellung, dass der Festbetrag sich noch innerhalb des unteren Drittels aller Abgabepreise für Statine befand. Selbst ein Überschreiten dieser Soll-Grenze könnte Rechte der Klägerinnen nicht verletzen. Rechenfehler sind im Übrigen weder gerügt noch ersichtlich.

58

b) Der Festbetragsbeschluss vom 10.2.2006 beschwert die Klägerinnen auch im verbleibenden zu prüfenden Zeitraum vom 1.5. bis 30.6.2006 nicht rechtswidrig. Der Beschluss zur Festbetragsgruppenbildung vom 20.7.2004 blieb weiterhin rechtmäßig (dazu aa bis gg). Auch die gebildete Vergleichsgröße und die festgesetzte Festbetragshöhe beschwerten die Klägerinnen nicht (dazu hh).

59

Die zunächst 2004 rechtmäßige Gruppenbildung wurde durch das AVWG nicht unwirksam (dazu aa). Der Einbeziehung von Sortis stand nicht die Ausnahme von der Gruppenbildung für Arzneimittel mit patentgeschützten Wirkstoffen entgegen, deren Wirkungsweise neuartig ist oder die eine therapeutische Verbesserung, auch wegen geringerer Nebenwirkungen, bedeuten (§ 35 Abs 1 Satz 3 Halbs 2 SGB V idF des AVWG). Der Senat vermag nicht festzustellen, dass der Beigeladene zu 1. die ab dem 1.5.2006 hier zusätzlich zur (fehlenden) Neuartigkeit zu prüfende therapeutische Verbesserung durch Sortis zu Unrecht verneint hat. Der Beigeladene zu 1. hat die Anforderungen an eine therapeutische Verbesserung (dazu bb) und deren Nachweis (dazu cc) gerichtlich voll überprüfbar (dazu dd) gesetzeskonform zugrunde gelegt. Ihm sind bei seiner Bewertung der Studienlage hinsichtlich einer therapeutischen Verbesserung keine Beurteilungsfehler unterlaufen (dazu ee). Die Gruppenbildung ist auch nicht wegen Verletzung der Beobachtungspflicht bezüglich einer therapeutischen Verbesserung rechtswidrig geworden (dazu ff). Es bedarf keiner weiteren gerichtlichen Ermittlungen (dazu gg).

60

aa) Die Gruppenbildung erfolgte 2004 insgesamt rechtmäßig, ohne dass ihre Wirksamkeit durch das AVWG entfiel. Unerheblich ist, dass der Beigeladene zu 1. in seinem Beschluss vom 20.7.2004 die Erfüllung beider Voraussetzungen eines Festbetragsausschlusses - Neuartigkeit und Bestehen einer therapeutischen Verbesserung - geprüft und verneint hat, obwohl § 35 SGB V idF des GMG eine Ausnahme von der Gruppenbildung schon bei Nichterfüllung einer der beiden Voraussetzungen ausschloss(vgl dazu oben II. 2.d). Die zusätzliche Prüfung wirkte sich im Ergebnis nicht aus, auch wenn erst aufgrund der Änderung des § 35 SGB V durch das AVWG ab 1.5.2006 die Kriterien der Neuartigkeit und therapeutischen Verbesserung kumulativ zu prüfen sind.

61

Die Gesetzesänderung durch das AVWG ließ die bisher beschlossene Richtlinie nicht unwirksam werden. Die Änderung oder der Wegfall der Ermächtigungsgrundlage einer untergesetzlichen Norm berührt nämlich nicht per se deren Rechtswirksamkeit (vgl entsprechend zu Rechtsverordnungen zB BVerwG Buchholz 451.20 § 139i GewO Nr 1 = GewArch 1997, 245; vgl auch BVerfGE 14, 245, 249; BVerfGE 78, 179, 198). Ab Inkrafttreten des AVWG war die Rechtmäßigkeit des fortwirkenden Beschlusses des Beigeladenen zu 1. indes an der neuen Gesetzesfassung zu messen, da § 35 SGB V idF des AVWG wegen seines unmittelbaren Geltungsanspruchs ohne Übergangsregelung ein solcher Normanwendungsbefehl zu entnehmen ist. Der Gruppenbildungsbeschluss genügt aber auch diesen gesetzlichen Anforderungen.

62

bb) Schon im Jahre 2004 waren für die Anforderungen an eine therapeutische Verbesserung die sachlichen Kriterien zugrunde zu legen, die der Gesetzgeber durch Art 1 Nr 2 Buchst c AVWG ausdrücklich erst 2006 in § 35 Abs 1b SGB V normiert hat. Bereits auf der Grundlage des GMG stand ein solches Vorgehen mit der Gesetzeslage in Einklang. Demgemäß geht die Begründung des Gesetzentwurfs eines AVWG davon aus, dass sich eine Änderung des geltenden Verfahrens für die Bildung von Festbetragsgruppen durch Einführung des § 35 Abs 1b SGB V zum 1.5.2006 nicht ergebe, da der GBA bereits jetzt entsprechend verfahre (vgl BT-Drucks 16/194 S 7). Auch in der Folgezeit hat sich das danach maßgebliche gesetzliche Prüfprogramm für das Bestehen einer therapeutischen Verbesserung nicht geändert.

63

Danach besteht eine therapeutische Verbesserung, wenn ein patentgeschützter Wirkstoff für die betroffenen Patienten einen therapierelevanten höheren Nutzen als andere Arzneimittel dieser Wirkstoffgruppe hat und deshalb als zweckmäßige Therapie regelmäßig oder auch für relevante Patientengruppen oder Indikationsbereiche den anderen Arzneimitteln dieser Wirkstoffgruppe vorzuziehen ist (§ 35 Abs 1b Satz 1 SGB V). Der geforderte "höhere Nutzen" entspricht dem "Zusatznutzen" gegenüber anderen Wirkstoffen, wie er vom Gesetzgeber auch in § 35b Abs 1 Satz 3 SGB V(idF durch Art 1 Nr 20 Buchst b GKV-WSG mit Wirkung ab 1.4.2007; vgl ab 1.1.2011 § 35b Abs 1 Satz 3 idF durch Art 1 Nr 6 Buchst b DBuchst bb AMNOG)zur zentralen Vorgabe einer Nutzenbewertung durch das IQWiG gemacht worden ist. Gleiches gilt für den "medizinischen Zusatznutzen" bei dem durch das AMNOG eingeführten Verfahren der frühen Nutzenbewertung (§ 35a Abs 1 Satz 4 SGB V, vgl BT-Drucks 17/2413, S 21).

64

Inhaltlich gibt der Gesetzgeber als Maßstab einer therapeutischen Verbesserung eine Verbesserung hinsichtlich der Lebensqualität, zB durch Verringerung von Nebenwirkungen bezüglich Häufigkeit und Schweregrad, sowie Morbidität und Mortalität vor (§ 35 Abs 1 Satz 3 und 5 SGB V, sog patientenrelevante Endpunkte). Nur im Zusammenhang mit einer an der positiven Beeinflussung patientenrelevanter Endpunkte ausgerichteten Therapie kann sich ein höherer Nutzen auch daraus ergeben, dass das Arzneimittel eine überlegene Wirksamkeit gegenüber anderen Arzneimitteln der Wirkstoffgruppe zeigt oder über besondere therapierelevante Leistungsmerkmale verfügt, zB Wechsel des Applikationsortes oder -weges, oder eine andere für die Therapie relevante Galenik aufweist (vgl BT-Drucks 16/194 S 8). Anders als bei der Gruppenbildung anhand von Wirkstoffen nach § 35 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB V kommen im Rahmen dieses Tatbestandsmerkmals daher auch die ganz spezifischen Besonderheiten eines Wirkstoffs in Betracht, soweit diese therapeutisch relevant sind.

65

cc) Methodisch erfolgt der Nachweis einer therapeutischen Verbesserung aufgrund der Fachinformationen und durch Bewertung von klinischen Studien nach methodischen Grundsätzen der evidenzbasierten Medizin, soweit diese Studien allgemein verfügbar sind oder gemacht werden und ihre Methodik internationalen Standards entspricht. Vorrangig sind klinische Studien, insbesondere direkte Vergleichsstudien mit anderen Arzneimitteln dieser Wirkstoffgruppe mit patientenrelevanten Endpunkten, insbesondere Mortalität, Morbidität und Lebensqualität, zu berücksichtigen (§ 35b Abs 1b Satz 4 und 5 SGB V). Maßgeblich ist hierbei der allgemein anerkannte Stand der medizinischen Erkenntnisse (§ 2 Abs 1 Satz 3 SGB V, vgl BT-Drucks 16/194 S 8). Erforderlich ist dabei der Nachweis der erfolgreichen therapeutischen Verbesserung in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen auf der Grundlage wissenschaftlich einwandfrei geführter Statistiken über die Zahl der behandelten Fälle und die Therapierelevanz (stRspr; BSGE 93, 1 = SozR 4-2500 § 31 Nr 1, RdNr 7 mwN - Immucothel; BSGE 95, 132 RdNr 18 = SozR 4-2500 § 31 Nr 3 RdNr 25 mwN - Wobe-Mugos E). Die höchste Beweiskraft haben danach direkte Vergleichsstudien mit anderen Wirkstoffen. Nur soweit derartige Studien nicht existieren, kann im Einzelfall auf andere, hinreichend aussage- und beweiskräftige Studien ausgewichen werden (vgl auch Flint in: Hauck/Noftz, SGB V, Stand Februar 2011, K § 35 RdNr 64). Sie müssen in jedem Fall das Kriterium erfüllen, mit dem Primärziel des Erreichens patientenrelevanter Endpunkte durchgeführt worden zu sein. Studien, die als Primärziel bloße Surrogatparameter formuliert haben, kommen dagegen zum Nachweis einer therapeutischen Verbesserung nicht in Betracht (vgl Schickert, PharmR 2010, 452, 456).

66

dd) Der Beigeladene zu 1. ist nicht ermächtigt, von diesem gesetzlichen Prüfprogramm abzuweichen. Soweit der Regelungsgehalt reicht, verbleibt ihm kein eigener Gestaltungsspielraum. Wie bereits ausgeführt (vgl II.2.c aa), erfolgt insoweit eine volle gerichtliche Überprüfung. Den dargelegten gesetzlichen Anforderungen ist der Beigeladene zu 1. durch seinen Beschluss vom 20.7.2004 gerecht geworden. Er hat nach diesen Maßstäben geprüft, dass für Atorvastatin eine therapeutische Verbesserung im aufgezeigten Sinne nicht nachgewiesen ist. Die Standards, die der Beigeladene zu 1. ausweislich seiner Beschlussbegründung vom 15.9.2004 zur Prüfung des Vorliegens einer therapeutischen Verbesserung verlangt, korrespondieren inhaltlich (sogar zT fast wortgleich formuliert) mit dem gesetzlich festgeschriebenen Prüfmaßstab. Bei dem Nachweis einer therapeutischen Verbesserung hat der Beigeladene zu 1. rechtsfehlerfrei auf den allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse im Sinne der Rechtsprechung des BSG abgestellt und als Unterlagen in erster Linie direkte Vergleichsstudien, für den Fall ihres Fehlens placebokontrollierte Studien in Form von randomisierten, doppelblinden und kontrollierten Studien mit dem Ziel der Beeinflussung klinisch bedeutsamer Endpunkte gefordert.

67

ee) Der Beigeladene zu 1. hat das ermächtigungskonforme Prüfprogramm über den Nachweis einer therapeutischen Verbesserung ausweislich der Beschlussbegründung auch rechtmäßig angewendet. Der Beschluss des Beigeladenen zu 1. vom 20.7.2004 beruht auf einer umfassenden Sichtung der aktuellen relevanten Studienlage zur Wirkstoffgruppe der Statine. Auf die Einbeziehung irgendwelcher Meinungsäußerungen von Fachleuten kommt es jenseits der bereits geprüften Anhörungsrechte (vgl § 35 Abs 2 SGB V)insoweit entgegen der Ansicht der Klägerinnen nicht an.

68

Der Beigeladene zu 1. ist insgesamt nachvollziehbar zu dem Ergebnis gelangt, dass für Atorvastatin gegenüber den anderen Statinen keine Alleinstellungsmerkmale bewiesen sind, die eine therapeutische Verbesserung bedeuten. Er hat anhand des gesetzlich gebotenen Maßstabs die Aussage- und Beweiskraft der einzelnen Studien nachvollziehbar bewertet, nachdem er ihr Design, ihre Ziele und ihre Vergleichbarkeit überprüft und qualifiziert hat. Seine Folgerungen sind schlüssig und lassen keine Widersprüche erkennen. Zu allen von den Klägerinnen als Alleinstellungsmerkmal hervorgehobenen Aspekten, namentlich den besonderen pleiotropen (außerhalb der Hauptwirkung heilend wirkenden) Eigenschaften (dazu <1.>), der größten Wirkstärke (dazu <2.>), dem schnelleren Wirkeintritt (dazu <3.>) und einem überlegenen Sicherheitsprofil von Atorvastatin gegenüber den anderen Statinen (dazu <4.>), begründet der Beschluss nachvollziehbar, dass eine therapeutische Verbesserung nach den gesetzlichen Kriterien nicht festzustellen ist.

69

(1.) So fehlen hinsichtlich der besonderen pleiotropen Eigenschaften von Atorvastatin danach genauere Kenntnisse darüber, in welchem Ausmaß pleiotrope Effekte zur Risikoverbesserung beitragen und ob Unterschiede zwischen den einzelnen Wirkstoffen bestehen. Studien zum Nachweis von Art und Umfang angeblich pleiotroper Effekte liegen nicht vor.

70

(2.) Gegen die von den Klägerinnen ins Feld geführte höhere Wirkstärke Atorvastatins wendet der Beigeladene 1. schlüssig ein, dass sich daraus nicht per se eine klinische Überlegenheit ableiten lässt. Es mangelt nämlich hierzu an den erforderlichen qualitativ hochwertigen Vergleichsstudien mit klinisch relevanten Endpunkten, die hinreichende Schlüsse auf nennenswerte Patientenkollektive erlauben: Die vorliegenden indirekten Vergleichsstudien eignen sich nach der nachvollziehbaren Beurteilung des Beigeladenen zu 1. nicht zum Nachweis relevanter Unterschiede zwischen den einzelnen Wirkstoffen. Die Ausgangsrisiken der untersuchten Populationen weichen so erheblich voneinander ab, dass sie kaum miteinander vergleichbar sind. Ebenso variiert - wohl vor dem Hintergrund des unterschiedlichen Zuschnitts der Vergleichsgruppen - das Ausmaß der LDL-Senkung in den einzelnen Studien in einem Ausmaß, das Vergleichsschlüsse problematisch macht.

71

(3.) Auch hinsichtlich der Frage, ob ein schnellerer Wirkeintritt von Atorvastatin gegenüber anderen Statinen mit Blick auf patientenrelevante Endpunkte nachweisbare Vorteile bietet, gibt es bisher keine direkten Vergleichsstudien. Die vorliegenden indirekten Vergleichsstudien können therapierelevante Vorteile nach der nachvollziehbaren Beurteilung des Beigeladenen zu 1. nicht hinreichend belegen, da sie sich wesentlich in der jeweiligen Größe des Ausgangsrisikos der untersuchten Populationen und Stärke der Interventionen unterscheiden. Diese Parameter sind indes die stärksten Determinanten für die Geschwindigkeit des Eintretens einer statistisch signifikanten Wirkung einer Statintherapie.

72

(4.) Das geltend gemachte besondere Sicherheitsprofil von Atorvastatin ist entsprechend der Beschlussbegründung schließlich ebenfalls nicht evidenzbasiert nachgewiesen. Direkte Vergleichsstudien zwischen den Statinen zu unerwünschten Nebenwirkungen liegen nicht vor. Eine signifikante Unterscheidung der nach der Häufigkeit schwerer unerwünschter Ereignisse wird bei den placebokontrollierten Studien als "overall health impact" in den seltensten Fällen angegeben. Diese Argumentation deckt sich wiederum nachvollziehbar mit der bestehenden Studienlage.

73

ff) Der Beigeladene zu 1. hat für die Zeit bis zum 30.6.2006 auch die ihm als Normgeber obliegende Beobachtungspflicht nicht verletzt. Von einer Verletzung der Beobachtungspflicht wäre nur auszugehen, wenn der Beigeladene zu 1. eine neue Studienlage übergangen hätte, die nach den aufgezeigten gesetzlichen Maßstäben Anlass zur erneuten Überprüfung eines einmal gefassten Gruppenbildungsbeschlusses gegeben hätte. Daran fehlt es.

74

Der Beigeladene zu 1. muss auch nach Erlass einer Richtlinie über die Bildung einer Festbetragsgruppe prüfen, ob neuere wissenschaftliche Erkenntnisse eine Änderung seiner Entscheidung gebieten. Dies folgt auch ohne besondere, ausdrückliche Regelung in § 35 SGB V aus der generellen, dem GBA als Normgeber obliegenden Beobachtungspflicht. Wesentlicher innerer Grund des gesetzlichen Regelungskonzepts des GBA als Normgeber ist es gerade, ihn die sich ständig ändernde Entwicklung des allgemein anerkannten Standes der Medizin und der Pharmakologie beobachten zu lassen, damit er wesentliche Änderungen umgehend in den Richtlinien berücksichtigt (vgl dazu Hauck, NZS 2010, 600, 611 mwN). Im Falle der hier in Frage stehenden Richtlinien ist der GBA zur Beobachtung dessen verpflichtet, ob die bisher festgelegte Zusammenfassung mehrerer Arzneimittel in einer Festbetragsgruppe dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse nicht mehr entspricht (vgl ähnlich BSGE 103, 106 = SozR 4-2500 § 94 Nr 2).

75

Eine solche Beobachtungspflicht setzt der Beigeladene zu 1. auch selbst in Kapitel 3, Abschnitt D der Beschlussbegründung (nunmehr in § 7 Abs 4 seiner VerfO) voraus. Danach muss er Hinweisen dazu nachgehen, dass getroffene Entscheidungen nicht mehr mit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse übereinstimmen. Hinweise darauf, dass für den Wirkstoff Atorvastatin zwischenzeitlich Studien erstellt worden sind, die unter Berücksichtigung der aufgezeigten gesetzlichen Wertungen für eine abweichende Bewertung der therapeutischen Verbesserung sprechen, liegen indes nicht vor. Das belegen für die hier relevante Zeit bis zum 30.6.2006 (zu Folgezeiträumen vgl Senatsurteile vom selben Tage - B 1 KR 10/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen und - B 1 KR 13/10 R) die Untersuchungen des IQWiG vom 15.8.2005 und des Beigeladenen zu 1. vom Februar 2010 unter Einbeziehung aller neueren Studien für die Folgejahre. Keiner der Beteiligten hat denn auch dargelegt, dass abweichend von der Beurteilung des IQWiG und der Recherche des Beigeladenen zu 1. neue endpunktrelevante Studien mit bisher nicht berücksichtigten Ergebnissen zu den Statinen veröffentlicht worden sind.

76

gg) Der erkennende Senat kann sich auf die vorliegenden Ermittlungsergebnisse stützen, ohne dass es weiterer Beweiserhebung bedarf. Zwar geht es beim Nachweis einer therapeutischen Verbesserung durch Arzneimittel um die Feststellung genereller Tatsachen, die auch der Ermittlung des Senats im Revisionsverfahren unterliegen. Weitere Beweiserhebung drängt sich aber nicht auf. Auch hier (vgl bereits oben II.2.b und c cc) ist von Bedeutung, dass sich der Beigeladene zu 1. nicht beliebiger Einzelgutachter bedient, sondern die vom Gesetzgeber hervorgehobene AkdÄ mit der Überprüfung der Voraussetzungen betraut hat. Hinzu kommt, dass er in der Folgezeit im Rahmen eines Generalauftrags das IQWiG mit einer Überprüfung beauftragt hat und schließlich unmittelbar vor der mündlichen Verhandlung bei dem LSG nochmals selbst recherchiert hat. Nur die Darlegung, eine therapeutische Verbesserung sei anhand aussagekräftiger Studien in der gesetzlich gebotenen Qualität nachgewiesen, würde vorliegend zu weiteren Ermittlungen zwingen. Daran fehlt es indes.

77

Das IQWiG hat nämlich die Einschätzung des Beigeladenen zu 1. bestätigt, ohne Anhaltspunkte für neuere abweichende Studienergebnisse in hinreichend qualifizierten Studien zu finden. Vor dem Hintergrund der gesetzlichen Absicherung von Neutralität und Qualität der in Auftrag gegebenen Untersuchung des IQWiG streitet bei Beachtung aller gesetzlicher Vorgaben eine Rechtsvermutung für die Richtigkeit seiner Beurteilung, die in derartigen Fällen wie dem vorliegenden eine weitere Beweiserhebung erübrigt. Das folgt aus Ausstattung (dazu <1.>), Aufgabe (dazu <2.>) und Gesetzeszweck der Einrichtung des IQWiG (dazu <3.>). Mit Blick darauf kommt gesetzeskonformen Bewertungen des IQWiG eine Richtigkeitsgewähr zu.

78

(1.) Das IQWiG stellt ein Expertengremium dar, das in seiner persönlichen und fachlichen Integrität und Qualität durch Transparenz und Unabhängigkeit gesetzlich und institutionell besonders abgesichert ist (vgl Hauck, NZS 2010, 600, 609; Rixen, MedR 2008, 24, 26). Der Beigeladene zu 1. hat gesetzeskonform das IQWiG als fachlich unabhängiges, rechtsfähiges, wissenschaftliches Institut errichtet (§ 139a Abs 1 Satz 1 SGB V idF durch Art 1 Nr 112 GMG). Der Gesetzgeber hat bereits die zulässige Rechtsform des IQWiG eingegrenzt, um dessen Kompetenz und Unabhängigkeit sicherzustellen. Zur Sicherung der fachlichen Unabhängigkeit des IQWiG haben die Beschäftigten vor ihrer Einstellung alle Beziehungen zu Interessenverbänden, Auftragsinstituten, insbesondere der pharmazeutischen Industrie und der Medizinprodukteindustrie, einschließlich Art und Höhe von Zuwendungen offen zu legen (vgl § 139a Abs 6 SGB V). Entsprechendes gilt, soweit das IQWiG wissenschaftliche Forschungsaufträge an externe Sachverständige vergibt (s § 139b Abs 3 SGB V). Die Vergabe von Forschungsaufträgen gewährleistet, dass die Arbeiten des IQWiG höchsten wissenschaftlichen Anforderungen gerecht werden. Hierzu hat es ausgewiesene Experten mit wissenschaftlichen und praktischen Erfahrungen in ihren jeweiligen Arbeitsbereichen einzubeziehen (vgl BT-Drucks 15/1525 S 128 Zu § 139a Abs 4).

79

Das IQWiG arbeitet in einer transparenten Form unter Unterrichtung Betroffener und Interessierter über alle Arbeitsschritte und Arbeitsergebnisse (vgl § 139a Abs 4 SGB V und hierzu BT-Drucks 15/1525 S 128 Zu § 139a Abs 4), insbesondere auch über die Grundlagen für die Entscheidungsfindung. Indem das IQWiG zu gewährleisten hat, dass die Bewertung des medizinischen Nutzens nach den international anerkannten Standards der evidenzbasierten Medizin erfolgt (§ 139a Abs 4 Satz 1 Halbs 1 SGB V idF durch Art 1 Nr 117 Buchst b GKV-WSG),hat der Gesetzgeber klargestellt, dass es seine Arbeitsmethode nach den international üblichen und akzeptierten Standards der evidenzbasierten Medizin auszurichten hat. Das IQWiG geht nach der Gesetzeskonzeption bei seinen Bewertungen in vergleichbarer hoch qualitativer Weise vor wie andere mit entsprechenden Aufgaben betraute Stellen im internationalen Bereich, zB das National Institute for Health and Clinical Excellence (vgl Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD eines GKV-WSG, BT-Drucks 16/3100 S 151 Zu Nummer 117 <§ 139a> Zu Buchst b; Engelmann in: jurisPK-SGB V, § 139a RdNr 30). Zusätzlich bestehen Rechte Sachverständiger, Interessierter und Betroffener, Stellung zu nehmen (vgl § 139a Abs 5 SGB V).

80

(2.) Das IQWiG wird zu Fragen von grundsätzlicher Bedeutung für die Qualität und Wirtschaftlichkeit der im Rahmen der GKV erbrachten Leistungen in gesetzlich vorgegebenem Umfang tätig (vgl § 139a Abs 3 SGB V). Die Arbeit des IQWiG hat zum Ziel, die grundsätzlichen Anforderungen des SGB V bei der Leistungserbringung zu sichern. Hierzu soll es Erkenntnisse über den Wert der Leistungen auch im Verhältnis zu den aufzuwendenden Kosten sowie zu den Auswirkungen auf die Verbesserung der medizinischen Behandlung erarbeiten. Dies soll gewährleisten, dass diagnostische und therapeutische Maßnahmen dem besten verfügbaren wissenschaftlichen Stand entsprechen und auch weiterhin finanzierbar bleiben (vgl BT-Drucks 15/1525 S 127 Zu Nummer 112 Zu § 139a Zu Abs 3).

81

Zu den gesetzlich vorgegebenen Aufgaben gehört auch die Bewertung des Nutzens und der Kosten von Arzneimitteln (vgl § 139a Abs 3 Nr 5 SGB V). Der Beigeladene zu 1. beauftragt das IQWiG mit den gesetzlich umrissenen Arbeiten (vgl § 139b Abs 1 Satz 1 SGB V). Hierzu hat er dem IQWiG ua am 21.12.2004 den Generalauftrag erteilt, durch die Erfassung und Auswertung des relevanten Schrifttums eine kontinuierliche Beobachtung und Bewertung medizinischer Entwicklungen von grundlegender Bedeutung und ihrer Auswirkungen auf die Qualität und Wirtschaftlichkeit der medizinischen Versorgung in Deutschland vorzunehmen und den GBA hierüber regelmäßig zu informieren. Das IQWiG soll aus der eigenverantwortlichen wissenschaftlichen Arbeit heraus dem GBA für dessen gesetzliche Aufgaben notwendige Informationen zur Verfügung stellen und konkrete Vorschläge für Einzelaufträge erarbeiten.

82

(3.) Ziel des Gesetzgebers ist es, durch Einbindung des IQWiG in die Zuarbeit für den GBA den dynamischen Prozess der Fortentwicklung der medizinischen und pflegerischen Leistungen zu sichern und die kontinuierliche Einbeziehung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse in eine qualitativ gesicherte Leistungserbringung zu gewährleisten (BT-Drucks 15/1525, S 127). Das IQWiG leitet deshalb seine Arbeitsergebnisse dem GBA als Empfehlungen zu (vgl § 139b Abs 4 Satz 1 SGB V). Dieser hat die Empfehlungen im Rahmen seiner Aufgabenstellung "zu berücksichtigen", wird also nur mit besonderer Begründung davon abweichen (vgl Hauck, NZS 2007, 461, 464). Insbesondere hat er zu prüfen, ob das IQWiG seine Bewertungen ausgehend von einem zutreffenden Rechtsverständnis der zugrunde gelegten Begriffe auf der Basis einer umfassenden Einbeziehung der relevanten Studien nachvollziehbar und widerspruchsfrei getroffen hat. Für die Umsetzung von Handlungsempfehlungen des IQWiG verbleibt ihm indes sein gesetzgeberisches Ermessen.

83

Dass von AkdÄ und IQWiG nicht berücksichtigte Studien hinreichender Qualität im gesetzlich gebotenen Sinne vorliegen, ist schließlich weder von den Klägerinnen noch von sonstigen Beteiligten des vorliegenden Rechtsstreits oder der beim erkennenden Senat anhängigen Parallelverfahren in Kenntnis der Beurteilungen von AkdÄ und IQWiG behauptet worden. Es ist auch ansonsten nicht ersichtlich.

84

hh) Auch die gebildete Vergleichsgröße und die festgesetzte Festbetragshöhe beschwerten die Klägerinnen nicht. Es gilt hierfür dasselbe wie im vorangegangenen Zeitraum (vgl dazu II. 3. a).

85

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs 2 und 3 und § 162 Abs 3 VwGO, diejenige über den Streitwert aus § 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und 4 sowie § 47 Abs 1 GKG.

(1) Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht.

(2) Versicherte können anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Hierüber haben sie ihre Krankenkasse vor Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis zu setzen. Der Leistungserbringer hat die Versicherten vor Inanspruchnahme der Leistung darüber zu informieren, dass Kosten, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden, von dem Versicherten zu tragen sind. Eine Einschränkung der Wahl auf den Bereich der ärztlichen Versorgung, der zahnärztlichen Versorgung, den stationären Bereich oder auf veranlasste Leistungen ist möglich. Nicht im Vierten Kapitel genannte Leistungserbringer dürfen nur nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse in Anspruch genommen werden. Eine Zustimmung kann erteilt werden, wenn medizinische oder soziale Gründe eine Inanspruchnahme dieser Leistungserbringer rechtfertigen und eine zumindest gleichwertige Versorgung gewährleistet ist. Die Inanspruchnahme von Leistungserbringern nach § 95b Absatz 3 Satz 1 im Wege der Kostenerstattung ist ausgeschlossen. Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie kann dabei Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent in Abzug bringen. Im Falle der Kostenerstattung nach § 129 Absatz 1 Satz 6 sind die der Krankenkasse entgangenen Rabatte nach § 130a Absatz 8 sowie die Mehrkosten im Vergleich zur Abgabe eines Arzneimittels nach § 129 Absatz 1 Satz 3 und 5 zu berücksichtigen; die Abschläge sollen pauschaliert werden. Die Versicherten sind an ihre Wahl der Kostenerstattung mindestens ein Kalendervierteljahr gebunden.

(3) Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem Neunten Buch werden nach § 18 des Neunten Buches erstattet. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen, die durch einen Psychotherapeuten erbracht werden, sind erstattungsfähig, sofern dieser die Voraussetzungen des § 95c erfüllt.

(3a) Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. Wird ein im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenes Gutachterverfahren gemäß § 87 Absatz 1c durchgeführt, hat die Krankenkasse ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden; der Gutachter nimmt innerhalb von vier Wochen Stellung. Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich oder elektronisch mit; für die elektronische Mitteilung gilt § 37 Absatz 2b des Zehnten Buches entsprechend. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet. Die Krankenkasse berichtet dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen jährlich über die Anzahl der Fälle, in denen Fristen nicht eingehalten oder Kostenerstattungen vorgenommen wurden. Für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gelten die §§ 14 bis 24 des Neunten Buches zur Koordinierung der Leistungen und zur Erstattung selbst beschaffter Leistungen.

(4) Versicherte sind berechtigt, auch Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten oder unterliegen auf Grund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung. Es dürfen nur solche Leistungserbringer in Anspruch genommen werden, bei denen die Bedingungen des Zugangs und der Ausübung des Berufes Gegenstand einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft sind oder die im jeweiligen nationalen System der Krankenversicherung des Aufenthaltsstaates zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind. Der Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie hat dabei ausreichende Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent vorzusehen sowie vorgesehene Zuzahlungen in Abzug zu bringen. Ist eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich, kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung auch ganz übernehmen.

(5) Abweichend von Absatz 4 können in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz Krankenhausleistungen nach § 39 nur nach vorheriger Zustimmung durch die Krankenkassen in Anspruch genommen werden. Die Zustimmung darf nur versagt werden, wenn die gleiche oder eine für den Versicherten ebenso wirksame, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit rechtzeitig bei einem Vertragspartner der Krankenkasse im Inland erlangt werden kann.

(6) § 18 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 gilt in den Fällen der Absätze 4 und 5 entsprechend.

(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 überprüft auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Absatz 2 Satz 1, des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen, der Deutschen Krankenhausgesellschaft oder eines Bundesverbandes der Krankenhausträger Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden oder angewandt werden sollen, daraufhin, ob sie für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse erforderlich sind. Ergibt die Überprüfung, dass der Nutzen einer Methode nicht hinreichend belegt ist und sie nicht das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, insbesondere weil sie schädlich oder unwirksam ist, erlässt der Gemeinsame Bundesausschuss eine entsprechende Richtlinie, wonach die Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zulasten der Krankenkassen erbracht werden darf. Ergibt die Überprüfung, dass der Nutzen einer Methode noch nicht hinreichend belegt ist, sie aber das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss eine Richtlinie zur Erprobung nach § 137e. Nach Abschluss der Erprobung erlässt der Gemeinsame Bundesausschuss eine Richtlinie, wonach die Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zulasten der Krankenkassen erbracht werden darf, wenn die Überprüfung unter Hinzuziehung der durch die Erprobung gewonnenen Erkenntnisse ergibt, dass die Methode nicht den Kriterien nach Satz 1 entspricht. Die Beschlussfassung über die Annahme eines Antrags nach Satz 1 muss spätestens drei Monate nach Antragseingang erfolgen. Das sich anschließende Methodenbewertungsverfahren ist in der Regel innerhalb von spätestens drei Jahren abzuschließen, es sei denn, dass auch bei Straffung des Verfahrens im Einzelfall eine längere Verfahrensdauer erforderlich ist.

(2) Wird eine Beanstandung des Bundesministeriums für Gesundheit nach § 94 Abs. 1 Satz 2 nicht innerhalb der von ihm gesetzten Frist behoben, kann das Bundesministerium die Richtlinie erlassen. Ab dem Tag des Inkrafttretens einer Richtlinie nach Absatz 1 Satz 2 oder 4 darf die ausgeschlossene Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden; die Durchführung klinischer Studien bleibt von einem Ausschluss nach Absatz 1 Satz 4 unberührt.

(3) Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der Gemeinsame Bundesausschuss bisher keine Entscheidung nach Absatz 1 getroffen hat, dürfen im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt und von den Versicherten beansprucht werden, wenn sie das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten und ihre Anwendung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt, sie also insbesondere medizinisch indiziert und notwendig ist. Dies gilt sowohl für Methoden, für die noch kein Antrag nach Absatz 1 Satz 1 gestellt wurde, als auch für Methoden, deren Bewertung nach Absatz 1 noch nicht abgeschlossen ist.

(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlossen. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen.

(1a) Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, können auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die Krankenkasse erteilt für Leistungen nach Satz 1 vor Beginn der Behandlung eine Kostenübernahmeerklärung, wenn Versicherte oder behandelnde Leistungserbringer dies beantragen. Mit der Kostenübernahmeerklärung wird die Abrechnungsmöglichkeit der Leistung nach Satz 1 festgestellt.

(2) Die Versicherten erhalten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Neunte Buch nichts Abweichendes vorsehen. Die Leistungen werden auf Antrag durch ein Persönliches Budget erbracht; § 29 des Neunten Buches gilt entsprechend. Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels Verträge mit den Leistungserbringern.

(3) Bei der Auswahl der Leistungserbringer ist ihre Vielfalt zu beachten. Den religiösen Bedürfnissen der Versicherten ist Rechnung zu tragen.

(4) Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherte haben darauf zu achten, daß die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden.

Tenor

1. Der Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 27. August 2012 - L 8 KR 189/12 B ER - verletzt die Beschwerdeführerin in ihren Grundrechten aus Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes. Er wird aufgehoben. Die Sache wird an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

2. ...

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung für so genannte neue Behandlungsmethoden in Fällen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung im Rahmen der ambulanten ärztlichen Versorgung.

I.

2

1. Die 1959 geborene Beschwerdeführerin ist gesetzlich krankenversichert. Im November 2009 erkrankte sie an einem metastasierenden Ovarialkarzinom. Nach Operation und Chemotherapie wurden im Dezember 2011 Metastasen zwischen Magen und Pankreas sowie am Milzhilus festgestellt. Im März 2012 wurde weiter eine Milzmetastase festgestellt. Nicht klar beurteilen ließ sich, ob auch schon die Leber betroffen ist.

3

Am 19. März 2012 stellte die Beschwerdeführerin bei ihrer Krankenkasse den Antrag auf Übernahme der Kosten von 15.000 € monatlich für eine Behandlung mittels einer kombinierten Immuntherapie (Hyperthermie, onkolytische Viren und dendritische Zellen) bei einem Arzt für Allgemeinmedizin und Naturheilverfahren.

4

Die Krankenkasse holte eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) ein. Dieser kam zu dem Ergebnis, es liege eine lebensbedrohliche Erkrankung vor. Die vorgesehene Behandlung stelle eine experimentelle Therapie dar, ein positives Votum des Gemeinsamen Bundesausschusses liege nicht vor. Weder für die einzelnen Elemente noch für die Kombinationsbehandlung stünden ausreichend wissenschaftlich geprüfte und tragfähige Anhaltspunkte zur Verfügung, die eine klinisch relevante Wirksamkeit bei Patientinnen mit metastasierendem Ovarialkarzinom nach vorangegangener Chemotherapie belegten. Es stünden nach dem Versagen der Standardtherapie verschiedene Zweitlinienbehandlungen zur Verfügung. Die Entscheidung über eine Drittlinientherapie könne nur im Einzelfall erfolgen.

5

Mit Bescheid vom 2. April 2012 lehnte die Krankenkasse den Antrag auf Kostenübernahme für die beantragte Kombinationstherapie ab. Einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz lehnte das Sozialgericht mangels Anordnungsanspruch ab. Die streitige Behandlung sei kein Leistungsgegenstand der gesetzlichen Krankenversicherung. Auch bestehe kein Anspruch nach § 2 Abs. 1a Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V).

6

Gegen den ablehnenden Beschluss des Sozialgerichts legte die Beschwerdeführerin Beschwerde ein, die mit Beschluss des Landessozialgerichts vom 27. August 2012 zurückgewiesen wurde. Dieses stellte fest, dass es für die Behandlung der Krebserkrankung der Beschwerdeführerin durchaus Behandlungsmöglichkeiten der sogenannten Zweitlinien- und Drittlinienbehandlung gebe. Die Beschwerdeführerin könne sich nicht darauf berufen, mit der begehrten Kombinationstherapie werde ein kurativer und nicht ein palliativer Behandlungserfolg angestrebt. Denn es sei auf das Vorliegen einer schulmedizinischen Behandlungsmethode abzustellen, unabhängig davon, ob mit dieser eine palliative oder kurative Wirkung erzielt werden könne. Darüber hinaus ließ das Landessozialgericht einerseits offen, ob eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung des Krankheitsbildes der Beschwerdeführerin durch die angestrebte Therapie bestehe, erklärte aber andererseits, der Senat gehe davon aus, dass das begehrte Therapiekonzept keinerlei Aussicht auf Erfolg biete, den behaupteten kurativen Effekt zu erzielen.

7

2. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde wendet sich die Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Landessozialgerichts und rügt eine Verletzung von Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG.

8

3. Die Krankenkasse hält die Verfassungsbeschwerde für unbegründet. Das Hessische Ministerium der Justiz, für Integration und Europa hat von einer Stellungnahme abgesehen.

II.

9

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte der Beschwerdeführerin aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem grundgesetzlichen Sozialstaatsprinzip und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Auch die weiteren Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind durch das Bundesverfassungsgericht bereits geklärt. Die Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet.

10

1. Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden.

11

a) In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist hinreichend geklärt, welche Folgen sich gemäß Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem grundgesetzlichen Sozialstaatsprinzip aus dem in der gesetzlichen Krankenversicherung geltenden Versicherungszwang ergeben, wenn es um die Versorgung mit einer neuen Behandlungsmethode im Fall einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Krankheit geht und für die Behandlung dieser Krankheit eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht (vgl. BVerfGE 115, 25 <49>). Der Gesetzgeber hat die vom Bundesverfassungsgericht formulierten Anforderungen mit Wirkung ab dem 1. Januar 2012 in § 2 Abs. 1a SGB V einfachgesetzlich niedergelegt. Danach können Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht.

12

b) Geklärt ist darüber hinaus, dass Maßstab für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung und seiner fachgerichtlichen Auslegung und Anwendung im Einzelfall auch die Grundrechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG sind. Zwar folgt aus diesen Grundrechten regelmäßig kein verfassungsrechtlicher Anspruch gegen die Krankenkassen auf Bereitstellung bestimmter und insbesondere spezieller Gesundheitsleistungen. Die Gestaltung des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung hat sich jedoch an der objektiv-rechtlichen Pflicht des Staates zu orientieren, sich schützend und fördernd vor die Rechtsgüter des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG zu stellen. Insofern können diese Grundrechte in besonders gelagerten Fällen die Gerichte zu einer grundrechtsorientierten Auslegung der maßgeblichen Vorschriften des Krankenversicherungsrechts verpflichten. Dies gilt insbesondere in Fällen der Behandlung einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung. Denn das Leben stellt einen Höchstwert innerhalb der grundgesetzlichen Ordnung dar. Behördliche und gerichtliche Verfahren müssen dieser Bedeutung und der im Grundrecht auf Leben enthaltenen grundlegenden objektiven Wertentscheidung gerecht werden und sie bei der Auslegung und Anwendung der maßgeblichen Vorschriften des Krankenversicherungsrechts berücksichtigen (vgl. BVerfGE 115, 25 <44 f.> m.w.N.).

13

2. Der Beschluss des Landessozialgerichts beruht auf einer Auslegung von § 2 Abs. 1a SGB V, die mit Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem grundgesetzlichen Sozialstaatsprinzip und mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht vereinbar ist.

14

Vorliegend gehört die von der Beschwerdeführerin begehrte Kombinationstherapie nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung. Zwar gibt es nach den Feststellungen des Landessozialgerichts für die Behandlung der Krebserkrankung der Beschwerdeführerin mehrere allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Zweitlinienbehandlungen. Soweit das Landessozialgericht in dem angegriffenen Beschluss bei der Auslegung des § 2 Abs. 1a SGB V aber meint, es könne offen lassen, ob "eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung" besteht, ist dies mit Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem grundgesetzlichen Sozialstaatsprinzip und mit der Schutzpflicht des Staates für das Leben aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht zu vereinbaren.

15

Es bedarf einer besonderen Rechtfertigung vor Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip, wenn den der Versicherungspflicht unterworfenen Versicherten Leistungen für die Behandlung einer Krankheit und insbesondere einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung durch gesetzliche Bestimmungen oder durch deren fachgerichtliche Auslegung und Anwendung vorenthalten werden (vgl. BVerfGE 115, 25 <44>). Die Argumentation des Landessozialgerichts verkennt, dass die Frage, ob eine alternative Behandlungsmethode von der gesetzlichen Krankenversicherung zu finanzieren ist, nicht losgelöst davon betrachtet werden kann, was die anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung zu leisten vermag und was die alternative Behandlung zu leisten vorgibt. Bei der Frage, ob eine Behandlung mit Mitteln der Schulmedizin in Betracht kommt und inwieweit Behandlungsalternativen zur Verfügung stehen, ist zunächst das konkrete Behandlungsziel zu klären (vgl. BSGE 97, 190 <201>). Bereits aus § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V ergibt sich, dass hinsichtlich der therapeutischen Ziele der Krankenbehandlung zwischen der Heilung einer Krankheit, der Verhütung ihrer Verschlimmerung und der Linderung von Krankheitsbeschwerden differenziert wird. Dabei ist nach Möglichkeit die Heilung der Krankheit als das vorrangige Behandlungsziel anzustreben, während die Verhütung einer Verschlimmerung oder die Linderung von Krankheitsbeschwerden regelmäßig nachrangige Behandlungsziele sind (vgl. bereits BSGE 78, 70 <85>). Bietet die Schulmedizin nur noch palliative Therapien an, weil sie jede Möglichkeit kurativer Behandlung als aussichtslos erachtet, kommt die Alternativbehandlung nur dann in Betracht, wenn die auf Indizien gestützte Aussicht auf einen über die palliative Standardtherapie hinaus reichenden Erfolg besteht. Rein experimentelle Behandlungsmethoden, die nicht durch hinreichende Indizien gestützt sind, reichen hierfür nicht. Mit Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ist es in der extremen Situation einer krankheitsbedingten Lebensgefahr jedoch nicht zu vereinbaren, Versicherte auf eine nurmehr auf die Linderung von Krankheitsbeschwerden zielende Standardtherapie zu verweisen, wenn durch eine Alternativbehandlung eine nicht ganz entfernte Aussicht auf Heilung besteht.

16

3. Die angegriffene Entscheidung beruht auf dem festgestellten Verfassungsverstoß. Sie wird aufgehoben und die Sache an das Landessozialgericht zurückverwiesen (§ 95 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BVerfGG). Dieses wird zu entscheiden haben, ob es bei Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben noch Ermittlungsbedarf sieht. Der Entscheidung ist dies nicht mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen. Zwar führt das Gericht einerseits aus, dass die in Frage stehende Therapie keinerlei Aussicht auf Erfolg biete, den therapeutischen Effekt zu erzielen, jedoch lässt es andererseits offen, ob eine kurative Wirkung erzielt werden kann. Dies steht hinsichtlich des maßgeblichen Gesichtspunkts in Widerspruch zueinander oder bringt zumindest eine Unklarheit in die Entscheidung. Denn die Frage nach der Aussicht auf Heilung darf nach den dargelegten Kriterien gerade nicht offen gelassen werden. Maßstab der Prüfung unter dem Regime von Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip sowie des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ist, ob bei Einsatz der begehrten Kombinationstherapie entgegen der Annahme der Schulmedizin, nur noch palliativ behandeln zu können, eine auf Indizien gestützte, nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung der fortgeschrittenen Krebserkrankung besteht.

III.

17

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfaßt

1.
Ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung,
2.
zahnärztliche Behandlung,
2a.
Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen,
3.
Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln sowie mit digitalen Gesundheitsanwendungen,
4.
häusliche Krankenpflege, außerklinische Intensivpflege und Haushaltshilfe,
5.
Krankenhausbehandlung,
6.
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und ergänzende Leistungen.
Zur Krankenbehandlung gehört auch die palliative Versorgung der Versicherten. Bei der Krankenbehandlung ist den besonderen Bedürfnissen psychisch Kranker Rechnung zu tragen, insbesondere bei der Versorgung mit Heilmitteln und bei der medizinischen Rehabilitation. Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur Herstellung der Zeugungs- oder Empfängnisfähigkeit, wenn diese Fähigkeit nicht vorhanden war oder durch Krankheit oder wegen einer durch Krankheit erforderlichen Sterilisation verlorengegangen war. Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur vertraulichen Spurensicherung am Körper, einschließlich der erforderlichen Dokumentation sowie Laboruntersuchungen und einer ordnungsgemäßen Aufbewahrung der sichergestellten Befunde, bei Hinweisen auf drittverursachte Gesundheitsschäden, die Folge einer Misshandlung, eines sexuellen Missbrauchs, eines sexuellen Übergriffs, einer sexuellen Nötigung oder einer Vergewaltigung sein können.

(1a) Spender von Organen oder Geweben oder von Blut zur Separation von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen (Spender) haben bei einer nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes erfolgenden Spende von Organen oder Geweben oder im Zusammenhang mit einer im Sinne von § 9 des Transfusionsgesetzes erfolgenden Spende zum Zwecke der Übertragung auf Versicherte (Entnahme bei lebenden Spendern) Anspruch auf Leistungen der Krankenbehandlung. Dazu gehören die ambulante und stationäre Behandlung der Spender, die medizinisch erforderliche Vor- und Nachbetreuung, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie die Erstattung des Ausfalls von Arbeitseinkünften als Krankengeld nach § 44a und erforderlicher Fahrkosten; dies gilt auch für Leistungen, die über die Leistungen nach dem Dritten Kapitel dieses Gesetzes, auf die ein Anspruch besteht, hinausgehen, soweit sie vom Versicherungsschutz des Spenders umfasst sind. Zuzahlungen sind von den Spendern nicht zu leisten. Zuständig für Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 ist die Krankenkasse der Empfänger von Organen, Geweben oder Blutstammzellen sowie anderen Blutbestandteilen (Empfänger). Im Zusammenhang mit der Spende von Knochenmark nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes, von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen nach § 9 des Transfusionsgesetzes können die Erstattung der erforderlichen Fahrkosten des Spenders und die Erstattung der Entgeltfortzahlung an den Arbeitgeber nach § 3a Absatz 2 Satz 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes einschließlich der Befugnis zum Erlass der hierzu erforderlichen Verwaltungsakte auf Dritte übertragen werden. Das Nähere kann der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit den für die nationale und internationale Suche nach nichtverwandten Spendern von Blutstammzellen aus Knochenmark oder peripherem Blut maßgeblichen Organisationen vereinbaren. Für die Behandlung von Folgeerkrankungen der Spender ist die Krankenkasse der Spender zuständig, sofern der Leistungsanspruch nicht nach § 11 Absatz 5 ausgeschlossen ist. Ansprüche nach diesem Absatz haben auch nicht gesetzlich krankenversicherte Personen. Die Krankenkasse der Spender ist befugt, die für die Leistungserbringung nach den Sätzen 1 und 2 erforderlichen personenbezogenen Daten an die Krankenkasse oder das private Krankenversicherungsunternehmen der Empfänger zu übermitteln; dies gilt auch für personenbezogene Daten von nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Krankenversicherungspflichtigen. Die nach Satz 9 übermittelten Daten dürfen nur für die Erbringung von Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 verarbeitet werden. Die Datenverarbeitung nach den Sätzen 9 und 10 darf nur mit schriftlicher Einwilligung der Spender, der eine umfassende Information vorausgegangen ist, erfolgen.

(2) Versicherte, die sich nur vorübergehend im Inland aufhalten, Ausländer, denen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt wurde, sowie

1.
asylsuchende Ausländer, deren Asylverfahren noch nicht unanfechtbar abgeschlossen ist,
2.
Vertriebene im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 und 3 des Bundesvertriebenengesetzes sowie Spätaussiedler im Sinne des § 4 des Bundesvertriebenengesetzes, ihre Ehegatten, Lebenspartner und Abkömmlinge im Sinne des § 7 Abs. 2 des Bundesvertriebenengesetzes haben Anspruch auf Versorgung mit Zahnersatz, wenn sie unmittelbar vor Inanspruchnahme mindestens ein Jahr lang Mitglied einer Krankenkasse (§ 4) oder nach § 10 versichert waren oder wenn die Behandlung aus medizinischen Gründen ausnahmsweise unaufschiebbar ist.

(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlossen. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen.

(1a) Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, können auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die Krankenkasse erteilt für Leistungen nach Satz 1 vor Beginn der Behandlung eine Kostenübernahmeerklärung, wenn Versicherte oder behandelnde Leistungserbringer dies beantragen. Mit der Kostenübernahmeerklärung wird die Abrechnungsmöglichkeit der Leistung nach Satz 1 festgestellt.

(2) Die Versicherten erhalten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Neunte Buch nichts Abweichendes vorsehen. Die Leistungen werden auf Antrag durch ein Persönliches Budget erbracht; § 29 des Neunten Buches gilt entsprechend. Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels Verträge mit den Leistungserbringern.

(3) Bei der Auswahl der Leistungserbringer ist ihre Vielfalt zu beachten. Den religiösen Bedürfnissen der Versicherten ist Rechnung zu tragen.

(4) Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherte haben darauf zu achten, daß die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.

(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

(1) Fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen stehen beim Tod des Berechtigten nacheinander

1.
dem Ehegatten,
1a.
dem Lebenspartner,
2.
den Kindern,
3.
den Eltern,
4.
dem Haushaltsführer
zu, wenn diese mit dem Berechtigten zur Zeit seines Todes in einem gemeinsamen Haushalt gelebt haben oder von ihm wesentlich unterhalten worden sind. Mehreren Personen einer Gruppe stehen die Ansprüche zu gleichen Teilen zu.

(2) Als Kinder im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 2 gelten auch

1.
Stiefkinder und Enkel, die in den Haushalt des Berechtigten aufgenommen sind,
2.
Pflegekinder (Personen, die mit dem Berechtigten durch ein auf längere Dauer angelegtes Pflegeverhältnis mit häuslicher Gemeinschaft wie Kinder mit Eltern verbunden sind),
3.
Geschwister des Berechtigten, die in seinen Haushalt aufgenommen worden sind.

(3) Als Eltern im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 3 gelten auch

1.
sonstige Verwandte der geraden aufsteigenden Linie,
2.
Stiefeltern,
3.
Pflegeeltern (Personen, die den Berechtigten als Pflegekind aufgenommen haben).

(4) Haushaltsführer im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 4 ist derjenige Verwandte oder Verschwägerte, der an Stelle des verstorbenen oder geschiedenen oder an der Führung des Haushalts aus gesundheitlichen Gründen dauernd gehinderten Ehegatten oder Lebenspartners den Haushalt des Berechtigten mindestens ein Jahr lang vor dessen Tod geführt hat und von diesem überwiegend unterhalten worden ist.

(1) Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht.

(2) Versicherte können anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Hierüber haben sie ihre Krankenkasse vor Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis zu setzen. Der Leistungserbringer hat die Versicherten vor Inanspruchnahme der Leistung darüber zu informieren, dass Kosten, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden, von dem Versicherten zu tragen sind. Eine Einschränkung der Wahl auf den Bereich der ärztlichen Versorgung, der zahnärztlichen Versorgung, den stationären Bereich oder auf veranlasste Leistungen ist möglich. Nicht im Vierten Kapitel genannte Leistungserbringer dürfen nur nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse in Anspruch genommen werden. Eine Zustimmung kann erteilt werden, wenn medizinische oder soziale Gründe eine Inanspruchnahme dieser Leistungserbringer rechtfertigen und eine zumindest gleichwertige Versorgung gewährleistet ist. Die Inanspruchnahme von Leistungserbringern nach § 95b Absatz 3 Satz 1 im Wege der Kostenerstattung ist ausgeschlossen. Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie kann dabei Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent in Abzug bringen. Im Falle der Kostenerstattung nach § 129 Absatz 1 Satz 6 sind die der Krankenkasse entgangenen Rabatte nach § 130a Absatz 8 sowie die Mehrkosten im Vergleich zur Abgabe eines Arzneimittels nach § 129 Absatz 1 Satz 3 und 5 zu berücksichtigen; die Abschläge sollen pauschaliert werden. Die Versicherten sind an ihre Wahl der Kostenerstattung mindestens ein Kalendervierteljahr gebunden.

(3) Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem Neunten Buch werden nach § 18 des Neunten Buches erstattet. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen, die durch einen Psychotherapeuten erbracht werden, sind erstattungsfähig, sofern dieser die Voraussetzungen des § 95c erfüllt.

(3a) Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. Wird ein im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenes Gutachterverfahren gemäß § 87 Absatz 1c durchgeführt, hat die Krankenkasse ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden; der Gutachter nimmt innerhalb von vier Wochen Stellung. Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich oder elektronisch mit; für die elektronische Mitteilung gilt § 37 Absatz 2b des Zehnten Buches entsprechend. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet. Die Krankenkasse berichtet dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen jährlich über die Anzahl der Fälle, in denen Fristen nicht eingehalten oder Kostenerstattungen vorgenommen wurden. Für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gelten die §§ 14 bis 24 des Neunten Buches zur Koordinierung der Leistungen und zur Erstattung selbst beschaffter Leistungen.

(4) Versicherte sind berechtigt, auch Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten oder unterliegen auf Grund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung. Es dürfen nur solche Leistungserbringer in Anspruch genommen werden, bei denen die Bedingungen des Zugangs und der Ausübung des Berufes Gegenstand einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft sind oder die im jeweiligen nationalen System der Krankenversicherung des Aufenthaltsstaates zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind. Der Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie hat dabei ausreichende Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent vorzusehen sowie vorgesehene Zuzahlungen in Abzug zu bringen. Ist eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich, kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung auch ganz übernehmen.

(5) Abweichend von Absatz 4 können in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz Krankenhausleistungen nach § 39 nur nach vorheriger Zustimmung durch die Krankenkassen in Anspruch genommen werden. Die Zustimmung darf nur versagt werden, wenn die gleiche oder eine für den Versicherten ebenso wirksame, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit rechtzeitig bei einem Vertragspartner der Krankenkasse im Inland erlangt werden kann.

(6) § 18 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 gilt in den Fällen der Absätze 4 und 5 entsprechend.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfaßt

1.
Ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung,
2.
zahnärztliche Behandlung,
2a.
Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen,
3.
Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln sowie mit digitalen Gesundheitsanwendungen,
4.
häusliche Krankenpflege, außerklinische Intensivpflege und Haushaltshilfe,
5.
Krankenhausbehandlung,
6.
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und ergänzende Leistungen.
Zur Krankenbehandlung gehört auch die palliative Versorgung der Versicherten. Bei der Krankenbehandlung ist den besonderen Bedürfnissen psychisch Kranker Rechnung zu tragen, insbesondere bei der Versorgung mit Heilmitteln und bei der medizinischen Rehabilitation. Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur Herstellung der Zeugungs- oder Empfängnisfähigkeit, wenn diese Fähigkeit nicht vorhanden war oder durch Krankheit oder wegen einer durch Krankheit erforderlichen Sterilisation verlorengegangen war. Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur vertraulichen Spurensicherung am Körper, einschließlich der erforderlichen Dokumentation sowie Laboruntersuchungen und einer ordnungsgemäßen Aufbewahrung der sichergestellten Befunde, bei Hinweisen auf drittverursachte Gesundheitsschäden, die Folge einer Misshandlung, eines sexuellen Missbrauchs, eines sexuellen Übergriffs, einer sexuellen Nötigung oder einer Vergewaltigung sein können.

(1a) Spender von Organen oder Geweben oder von Blut zur Separation von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen (Spender) haben bei einer nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes erfolgenden Spende von Organen oder Geweben oder im Zusammenhang mit einer im Sinne von § 9 des Transfusionsgesetzes erfolgenden Spende zum Zwecke der Übertragung auf Versicherte (Entnahme bei lebenden Spendern) Anspruch auf Leistungen der Krankenbehandlung. Dazu gehören die ambulante und stationäre Behandlung der Spender, die medizinisch erforderliche Vor- und Nachbetreuung, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie die Erstattung des Ausfalls von Arbeitseinkünften als Krankengeld nach § 44a und erforderlicher Fahrkosten; dies gilt auch für Leistungen, die über die Leistungen nach dem Dritten Kapitel dieses Gesetzes, auf die ein Anspruch besteht, hinausgehen, soweit sie vom Versicherungsschutz des Spenders umfasst sind. Zuzahlungen sind von den Spendern nicht zu leisten. Zuständig für Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 ist die Krankenkasse der Empfänger von Organen, Geweben oder Blutstammzellen sowie anderen Blutbestandteilen (Empfänger). Im Zusammenhang mit der Spende von Knochenmark nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes, von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen nach § 9 des Transfusionsgesetzes können die Erstattung der erforderlichen Fahrkosten des Spenders und die Erstattung der Entgeltfortzahlung an den Arbeitgeber nach § 3a Absatz 2 Satz 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes einschließlich der Befugnis zum Erlass der hierzu erforderlichen Verwaltungsakte auf Dritte übertragen werden. Das Nähere kann der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit den für die nationale und internationale Suche nach nichtverwandten Spendern von Blutstammzellen aus Knochenmark oder peripherem Blut maßgeblichen Organisationen vereinbaren. Für die Behandlung von Folgeerkrankungen der Spender ist die Krankenkasse der Spender zuständig, sofern der Leistungsanspruch nicht nach § 11 Absatz 5 ausgeschlossen ist. Ansprüche nach diesem Absatz haben auch nicht gesetzlich krankenversicherte Personen. Die Krankenkasse der Spender ist befugt, die für die Leistungserbringung nach den Sätzen 1 und 2 erforderlichen personenbezogenen Daten an die Krankenkasse oder das private Krankenversicherungsunternehmen der Empfänger zu übermitteln; dies gilt auch für personenbezogene Daten von nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Krankenversicherungspflichtigen. Die nach Satz 9 übermittelten Daten dürfen nur für die Erbringung von Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 verarbeitet werden. Die Datenverarbeitung nach den Sätzen 9 und 10 darf nur mit schriftlicher Einwilligung der Spender, der eine umfassende Information vorausgegangen ist, erfolgen.

(2) Versicherte, die sich nur vorübergehend im Inland aufhalten, Ausländer, denen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt wurde, sowie

1.
asylsuchende Ausländer, deren Asylverfahren noch nicht unanfechtbar abgeschlossen ist,
2.
Vertriebene im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 und 3 des Bundesvertriebenengesetzes sowie Spätaussiedler im Sinne des § 4 des Bundesvertriebenengesetzes, ihre Ehegatten, Lebenspartner und Abkömmlinge im Sinne des § 7 Abs. 2 des Bundesvertriebenengesetzes haben Anspruch auf Versorgung mit Zahnersatz, wenn sie unmittelbar vor Inanspruchnahme mindestens ein Jahr lang Mitglied einer Krankenkasse (§ 4) oder nach § 10 versichert waren oder wenn die Behandlung aus medizinischen Gründen ausnahmsweise unaufschiebbar ist.

(1) Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht.

(2) Versicherte können anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Hierüber haben sie ihre Krankenkasse vor Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis zu setzen. Der Leistungserbringer hat die Versicherten vor Inanspruchnahme der Leistung darüber zu informieren, dass Kosten, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden, von dem Versicherten zu tragen sind. Eine Einschränkung der Wahl auf den Bereich der ärztlichen Versorgung, der zahnärztlichen Versorgung, den stationären Bereich oder auf veranlasste Leistungen ist möglich. Nicht im Vierten Kapitel genannte Leistungserbringer dürfen nur nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse in Anspruch genommen werden. Eine Zustimmung kann erteilt werden, wenn medizinische oder soziale Gründe eine Inanspruchnahme dieser Leistungserbringer rechtfertigen und eine zumindest gleichwertige Versorgung gewährleistet ist. Die Inanspruchnahme von Leistungserbringern nach § 95b Absatz 3 Satz 1 im Wege der Kostenerstattung ist ausgeschlossen. Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie kann dabei Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent in Abzug bringen. Im Falle der Kostenerstattung nach § 129 Absatz 1 Satz 6 sind die der Krankenkasse entgangenen Rabatte nach § 130a Absatz 8 sowie die Mehrkosten im Vergleich zur Abgabe eines Arzneimittels nach § 129 Absatz 1 Satz 3 und 5 zu berücksichtigen; die Abschläge sollen pauschaliert werden. Die Versicherten sind an ihre Wahl der Kostenerstattung mindestens ein Kalendervierteljahr gebunden.

(3) Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem Neunten Buch werden nach § 18 des Neunten Buches erstattet. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen, die durch einen Psychotherapeuten erbracht werden, sind erstattungsfähig, sofern dieser die Voraussetzungen des § 95c erfüllt.

(3a) Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. Wird ein im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenes Gutachterverfahren gemäß § 87 Absatz 1c durchgeführt, hat die Krankenkasse ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden; der Gutachter nimmt innerhalb von vier Wochen Stellung. Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich oder elektronisch mit; für die elektronische Mitteilung gilt § 37 Absatz 2b des Zehnten Buches entsprechend. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet. Die Krankenkasse berichtet dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen jährlich über die Anzahl der Fälle, in denen Fristen nicht eingehalten oder Kostenerstattungen vorgenommen wurden. Für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gelten die §§ 14 bis 24 des Neunten Buches zur Koordinierung der Leistungen und zur Erstattung selbst beschaffter Leistungen.

(4) Versicherte sind berechtigt, auch Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten oder unterliegen auf Grund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung. Es dürfen nur solche Leistungserbringer in Anspruch genommen werden, bei denen die Bedingungen des Zugangs und der Ausübung des Berufes Gegenstand einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft sind oder die im jeweiligen nationalen System der Krankenversicherung des Aufenthaltsstaates zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind. Der Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie hat dabei ausreichende Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent vorzusehen sowie vorgesehene Zuzahlungen in Abzug zu bringen. Ist eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich, kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung auch ganz übernehmen.

(5) Abweichend von Absatz 4 können in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz Krankenhausleistungen nach § 39 nur nach vorheriger Zustimmung durch die Krankenkassen in Anspruch genommen werden. Die Zustimmung darf nur versagt werden, wenn die gleiche oder eine für den Versicherten ebenso wirksame, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit rechtzeitig bei einem Vertragspartner der Krankenkasse im Inland erlangt werden kann.

(6) § 18 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 gilt in den Fällen der Absätze 4 und 5 entsprechend.

(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlossen. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen.

(1a) Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, können auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die Krankenkasse erteilt für Leistungen nach Satz 1 vor Beginn der Behandlung eine Kostenübernahmeerklärung, wenn Versicherte oder behandelnde Leistungserbringer dies beantragen. Mit der Kostenübernahmeerklärung wird die Abrechnungsmöglichkeit der Leistung nach Satz 1 festgestellt.

(2) Die Versicherten erhalten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Neunte Buch nichts Abweichendes vorsehen. Die Leistungen werden auf Antrag durch ein Persönliches Budget erbracht; § 29 des Neunten Buches gilt entsprechend. Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels Verträge mit den Leistungserbringern.

(3) Bei der Auswahl der Leistungserbringer ist ihre Vielfalt zu beachten. Den religiösen Bedürfnissen der Versicherten ist Rechnung zu tragen.

(4) Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherte haben darauf zu achten, daß die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfaßt

1.
Ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung,
2.
zahnärztliche Behandlung,
2a.
Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen,
3.
Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln sowie mit digitalen Gesundheitsanwendungen,
4.
häusliche Krankenpflege, außerklinische Intensivpflege und Haushaltshilfe,
5.
Krankenhausbehandlung,
6.
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und ergänzende Leistungen.
Zur Krankenbehandlung gehört auch die palliative Versorgung der Versicherten. Bei der Krankenbehandlung ist den besonderen Bedürfnissen psychisch Kranker Rechnung zu tragen, insbesondere bei der Versorgung mit Heilmitteln und bei der medizinischen Rehabilitation. Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur Herstellung der Zeugungs- oder Empfängnisfähigkeit, wenn diese Fähigkeit nicht vorhanden war oder durch Krankheit oder wegen einer durch Krankheit erforderlichen Sterilisation verlorengegangen war. Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur vertraulichen Spurensicherung am Körper, einschließlich der erforderlichen Dokumentation sowie Laboruntersuchungen und einer ordnungsgemäßen Aufbewahrung der sichergestellten Befunde, bei Hinweisen auf drittverursachte Gesundheitsschäden, die Folge einer Misshandlung, eines sexuellen Missbrauchs, eines sexuellen Übergriffs, einer sexuellen Nötigung oder einer Vergewaltigung sein können.

(1a) Spender von Organen oder Geweben oder von Blut zur Separation von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen (Spender) haben bei einer nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes erfolgenden Spende von Organen oder Geweben oder im Zusammenhang mit einer im Sinne von § 9 des Transfusionsgesetzes erfolgenden Spende zum Zwecke der Übertragung auf Versicherte (Entnahme bei lebenden Spendern) Anspruch auf Leistungen der Krankenbehandlung. Dazu gehören die ambulante und stationäre Behandlung der Spender, die medizinisch erforderliche Vor- und Nachbetreuung, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie die Erstattung des Ausfalls von Arbeitseinkünften als Krankengeld nach § 44a und erforderlicher Fahrkosten; dies gilt auch für Leistungen, die über die Leistungen nach dem Dritten Kapitel dieses Gesetzes, auf die ein Anspruch besteht, hinausgehen, soweit sie vom Versicherungsschutz des Spenders umfasst sind. Zuzahlungen sind von den Spendern nicht zu leisten. Zuständig für Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 ist die Krankenkasse der Empfänger von Organen, Geweben oder Blutstammzellen sowie anderen Blutbestandteilen (Empfänger). Im Zusammenhang mit der Spende von Knochenmark nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes, von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen nach § 9 des Transfusionsgesetzes können die Erstattung der erforderlichen Fahrkosten des Spenders und die Erstattung der Entgeltfortzahlung an den Arbeitgeber nach § 3a Absatz 2 Satz 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes einschließlich der Befugnis zum Erlass der hierzu erforderlichen Verwaltungsakte auf Dritte übertragen werden. Das Nähere kann der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit den für die nationale und internationale Suche nach nichtverwandten Spendern von Blutstammzellen aus Knochenmark oder peripherem Blut maßgeblichen Organisationen vereinbaren. Für die Behandlung von Folgeerkrankungen der Spender ist die Krankenkasse der Spender zuständig, sofern der Leistungsanspruch nicht nach § 11 Absatz 5 ausgeschlossen ist. Ansprüche nach diesem Absatz haben auch nicht gesetzlich krankenversicherte Personen. Die Krankenkasse der Spender ist befugt, die für die Leistungserbringung nach den Sätzen 1 und 2 erforderlichen personenbezogenen Daten an die Krankenkasse oder das private Krankenversicherungsunternehmen der Empfänger zu übermitteln; dies gilt auch für personenbezogene Daten von nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Krankenversicherungspflichtigen. Die nach Satz 9 übermittelten Daten dürfen nur für die Erbringung von Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 verarbeitet werden. Die Datenverarbeitung nach den Sätzen 9 und 10 darf nur mit schriftlicher Einwilligung der Spender, der eine umfassende Information vorausgegangen ist, erfolgen.

(2) Versicherte, die sich nur vorübergehend im Inland aufhalten, Ausländer, denen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt wurde, sowie

1.
asylsuchende Ausländer, deren Asylverfahren noch nicht unanfechtbar abgeschlossen ist,
2.
Vertriebene im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 und 3 des Bundesvertriebenengesetzes sowie Spätaussiedler im Sinne des § 4 des Bundesvertriebenengesetzes, ihre Ehegatten, Lebenspartner und Abkömmlinge im Sinne des § 7 Abs. 2 des Bundesvertriebenengesetzes haben Anspruch auf Versorgung mit Zahnersatz, wenn sie unmittelbar vor Inanspruchnahme mindestens ein Jahr lang Mitglied einer Krankenkasse (§ 4) oder nach § 10 versichert waren oder wenn die Behandlung aus medizinischen Gründen ausnahmsweise unaufschiebbar ist.

(1) Die Krankenhausbehandlung wird vollstationär, stationsäquivalent, tagesstationär, teilstationär, vor- und nachstationär sowie ambulant erbracht; sie umfasst auch Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der Gemeinsame Bundesausschuss bisher keine Entscheidung nach § 137c Absatz 1 getroffen hat und die das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten. Versicherte haben Anspruch auf vollstationäre, stationsäquivalente oder tagesstationäre Behandlung durch ein nach § 108 zugelassenes Krankenhaus, wenn die Aufnahme oder die Behandlung im häuslichen Umfeld nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Die Krankenhausbehandlung umfaßt im Rahmen des Versorgungsauftrags des Krankenhauses alle Leistungen, die im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinische Versorgung der Versicherten im Krankenhaus notwendig sind, insbesondere ärztliche Behandlung (§ 28 Abs. 1), Krankenpflege, Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, Unterkunft und Verpflegung; die akutstationäre Behandlung umfasst auch die im Einzelfall erforderlichen und zum frühestmöglichen Zeitpunkt einsetzenden Leistungen zur Frührehabilitation. Die stationsäquivalente Behandlung umfasst eine psychiatrische Behandlung im häuslichen Umfeld durch mobile ärztlich geleitete multiprofessionelle Behandlungsteams; die tagesstationäre Behandlung umfasst einen täglich mindestens sechsstündigen Aufenthalt der Patientinnen und Patienten im Krankenhaus, währenddessen überwiegend ärztliche oder pflegerische Behandlung erbracht wird, ohne Übernachtung im Krankenhaus. Die stationsäquivalente Behandlung und die tagesstationäre Behandlung entsprechen hinsichtlich der Inhalte sowie der Flexibilität und Komplexität der Behandlung einer vollstationären Behandlung. Zur Krankenhausbehandlung gehört auch eine qualifizierte ärztliche Einschätzung des Beatmungsstatus im Laufe der Behandlung und vor der Verlegung oder Entlassung von Beatmungspatienten.

(1a) Die Krankenhausbehandlung umfasst ein Entlassmanagement zur Unterstützung einer sektorenübergreifenden Versorgung der Versicherten beim Übergang in die Versorgung nach Krankenhausbehandlung. § 11 Absatz 4 Satz 4 gilt. Das Krankenhaus kann mit Leistungserbringern nach § 95 Absatz 1 Satz 1 vereinbaren, dass diese Aufgaben des Entlassmanagements wahrnehmen. § 11 des Apothekengesetzes bleibt unberührt. Der Versicherte hat gegenüber der Krankenkasse einen Anspruch auf Unterstützung des Entlassmanagements nach Satz 1; soweit Hilfen durch die Pflegeversicherung in Betracht kommen, kooperieren Kranken- und Pflegekassen miteinander. Das Entlassmanagement umfasst alle Leistungen, die für die Versorgung nach Krankenhausbehandlung erforderlich sind, insbesondere die Leistungen nach den §§ 37b, 38, 39c sowie alle dafür erforderlichen Leistungen nach dem Elften Buch. Das Entlassmanagement umfasst auch die Verordnung einer erforderlichen Anschlussversorgung durch Krankenhausbehandlung in einem anderen Krankenhaus. Soweit dies für die Versorgung des Versicherten unmittelbar nach der Entlassung erforderlich ist, können die Krankenhäuser Leistungen nach § 33a und die in § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 und 12 genannten Leistungen verordnen und die Arbeitsunfähigkeit feststellen; hierfür gelten die Bestimmungen über die vertragsärztliche Versorgung mit der Maßgabe, dass bis zur Verwendung der Arztnummer nach § 293 Absatz 7 Satz 3 Nummer 1 eine im Rahmenvertrag nach Satz 9 erster Halbsatz zu vereinbarende alternative Kennzeichnung zu verwenden ist. Bei der Verordnung von Arzneimitteln können Krankenhäuser eine Packung mit dem kleinsten Packungsgrößenkennzeichen gemäß der Packungsgrößenverordnung verordnen; im Übrigen können die in § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 genannten Leistungen für die Versorgung in einem Zeitraum von bis zu sieben Tagen verordnet und die Arbeitsunfähigkeit festgestellt werden (§ 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 7). Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6, 7 und 12 die weitere Ausgestaltung des Verordnungsrechts nach Satz 7. Die weiteren Einzelheiten zu den Sätzen 1 bis 8, insbesondere zur Zusammenarbeit der Leistungserbringer mit den Krankenkassen, regeln der Spitzenverband Bund der Krankenkassen auch als Spitzenverband Bund der Pflegekassen, die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Deutsche Krankenhausgesellschaft unter Berücksichtigung der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses in einem Rahmenvertrag. Wird der Rahmenvertrag ganz oder teilweise beendet und kommt bis zum Ablauf des Vertrages kein neuer Rahmenvertrag zustande, entscheidet das sektorenübergreifende Schiedsgremium auf Bundesebene gemäß § 89a. Vor Abschluss des Rahmenvertrages ist der für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisation der Apotheker sowie den Vereinigungen der Träger der Pflegeeinrichtungen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Das Entlassmanagement und eine dazu erforderliche Verarbeitung personenbezogener Daten dürfen nur mit Einwilligung und nach vorheriger Information des Versicherten erfolgen. Die Information sowie die Einwilligung müssen schriftlich oder elektronisch erfolgen.

(2) Wählen Versicherte ohne zwingenden Grund ein anderes als ein in der ärztlichen Einweisung genanntes Krankenhaus, können ihnen die Mehrkosten ganz oder teilweise auferlegt werden.

(3) Die Landesverbände der Krankenkassen, die Ersatzkassen und die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See gemeinsam erstellen unter Mitwirkung der Landeskrankenhausgesellschaft und der Kassenärztlichen Vereinigung ein Verzeichnis der Leistungen und Entgelte für die Krankenhausbehandlung in den zugelassenen Krankenhäusern im Land oder in einer Region und passen es der Entwicklung an (Verzeichnis stationärer Leistungen und Entgelte). Dabei sind die Entgelte so zusammenzustellen, daß sie miteinander verglichen werden können. Die Krankenkassen haben darauf hinzuwirken, daß Vertragsärzte und Versicherte das Verzeichnis bei der Verordnung und Inanspruchnahme von Krankenhausbehandlung beachten.

(4) Versicherte, die das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, zahlen vom Beginn der vollstationären Krankenhausbehandlung an innerhalb eines Kalenderjahres für längstens 28 Tage den sich nach § 61 Satz 2 ergebenden Betrag je Kalendertag an das Krankenhaus. Die innerhalb des Kalenderjahres bereits an einen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung geleistete Zahlung nach § 32 Abs. 1 Satz 2 des Sechsten Buches sowie die nach § 40 Abs. 6 Satz 1 geleistete Zahlung sind auf die Zahlung nach Satz 1 anzurechnen.

(5) (weggefallen)

(1) Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht.

(2) Versicherte können anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Hierüber haben sie ihre Krankenkasse vor Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis zu setzen. Der Leistungserbringer hat die Versicherten vor Inanspruchnahme der Leistung darüber zu informieren, dass Kosten, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden, von dem Versicherten zu tragen sind. Eine Einschränkung der Wahl auf den Bereich der ärztlichen Versorgung, der zahnärztlichen Versorgung, den stationären Bereich oder auf veranlasste Leistungen ist möglich. Nicht im Vierten Kapitel genannte Leistungserbringer dürfen nur nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse in Anspruch genommen werden. Eine Zustimmung kann erteilt werden, wenn medizinische oder soziale Gründe eine Inanspruchnahme dieser Leistungserbringer rechtfertigen und eine zumindest gleichwertige Versorgung gewährleistet ist. Die Inanspruchnahme von Leistungserbringern nach § 95b Absatz 3 Satz 1 im Wege der Kostenerstattung ist ausgeschlossen. Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie kann dabei Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent in Abzug bringen. Im Falle der Kostenerstattung nach § 129 Absatz 1 Satz 6 sind die der Krankenkasse entgangenen Rabatte nach § 130a Absatz 8 sowie die Mehrkosten im Vergleich zur Abgabe eines Arzneimittels nach § 129 Absatz 1 Satz 3 und 5 zu berücksichtigen; die Abschläge sollen pauschaliert werden. Die Versicherten sind an ihre Wahl der Kostenerstattung mindestens ein Kalendervierteljahr gebunden.

(3) Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem Neunten Buch werden nach § 18 des Neunten Buches erstattet. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen, die durch einen Psychotherapeuten erbracht werden, sind erstattungsfähig, sofern dieser die Voraussetzungen des § 95c erfüllt.

(3a) Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. Wird ein im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenes Gutachterverfahren gemäß § 87 Absatz 1c durchgeführt, hat die Krankenkasse ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden; der Gutachter nimmt innerhalb von vier Wochen Stellung. Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich oder elektronisch mit; für die elektronische Mitteilung gilt § 37 Absatz 2b des Zehnten Buches entsprechend. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet. Die Krankenkasse berichtet dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen jährlich über die Anzahl der Fälle, in denen Fristen nicht eingehalten oder Kostenerstattungen vorgenommen wurden. Für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gelten die §§ 14 bis 24 des Neunten Buches zur Koordinierung der Leistungen und zur Erstattung selbst beschaffter Leistungen.

(4) Versicherte sind berechtigt, auch Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten oder unterliegen auf Grund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung. Es dürfen nur solche Leistungserbringer in Anspruch genommen werden, bei denen die Bedingungen des Zugangs und der Ausübung des Berufes Gegenstand einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft sind oder die im jeweiligen nationalen System der Krankenversicherung des Aufenthaltsstaates zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind. Der Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie hat dabei ausreichende Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent vorzusehen sowie vorgesehene Zuzahlungen in Abzug zu bringen. Ist eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich, kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung auch ganz übernehmen.

(5) Abweichend von Absatz 4 können in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz Krankenhausleistungen nach § 39 nur nach vorheriger Zustimmung durch die Krankenkassen in Anspruch genommen werden. Die Zustimmung darf nur versagt werden, wenn die gleiche oder eine für den Versicherten ebenso wirksame, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit rechtzeitig bei einem Vertragspartner der Krankenkasse im Inland erlangt werden kann.

(6) § 18 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 gilt in den Fällen der Absätze 4 und 5 entsprechend.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 28. April 2011 geändert. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 17. November 2008 wird in vollem Umfang zurückgewiesen.

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 28. April 2011 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren und im Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten für ambulante transarterielle Chemoperfusionen und eine Laserinduzierte Interstitielle Thermotherapie (LITT).

2

Der Kläger war Ehemann und ist Erbe der 1927 geborenen und am 24.3.2008 verstorbenen Dr. K. M. (im Folgenden: Versicherte). Er lebte zur Zeit ihres Todes mit ihr in einem gemeinsamen Haushalt. Die Versicherte, eine ehemalige Zahnärztin, war als Bezieherin einer Regelaltersrente bei der beklagten Krankenkasse (KK) freiwillig versichert. Die Versicherte litt an einem Sigmakarzinom, das sie im Juli 2003 operieren ließ. Kontrolluntersuchungen im Mai und Juni 2005 zeigten einen hepatischen und lymphatischen Progress der Erkrankung. Daraufhin leitete das Krankenhaus N. in F. eine Chemotherapie ein (16.6.2005). Die Versicherte setzte die Behandlung nicht fort. Vertragsarzt Dr. L. überwies sie zur "Chemoembolisation" in das Universitätsklinikum F. zur Mit-/Weiterbehandlung "Leber NPL" (17.6.2005). Chefarzt Prof. Dr. V. war dort mit Einschränkungen ua zur Chemoembolisation ermächtigt (GO-Nr 34286 EBM 2000 plus), nicht aber zur Chemoperfusion (kein Gegenstand des EBM 2000 plus), die er als "lokale Chemotherapie " bezeichnet. Er klärte die Versicherte nach seinen Angaben anlässlich der Untersuchung darüber auf, dass sie die Kosten der beabsichtigten Chemoperfusion selbst tragen müsse, da "derzeit keine Kostenübernahme durch Kassenzulassung" stattfinde. Weiter vereinbarte er mit ihr bei jeder Behandlungseinheit schriftlich private persönliche Beratung und Behandlung. Die Versicherte beantragte bei der Beklagten, die bei Prof. Dr. V./Universitätsklinikum F. anfallenden Kosten zu übernehmen. Prof. Dr. V. werde bereits am 21.6.2005 mit "einer lokalen Chemotherapie beginnen". Diese werde im Abstand von einem Monat noch zweimal wiederholt, damit der Tumor schrumpfe, um ihn dann "mit Laser-Technik zu vernichten" (18./20.6.2005). Die Beklagte antwortete ua, wenn sie eine Privatbehandlungsvereinbarung treffe, habe sie die Mehrkosten zu tragen. Es sei nicht zu erkennen, ob sie eine Privatbehandlung gewählt habe. Der behandelnde Arzt kläre sie vor Behandlungsbeginn hierüber auf. Die Versicherte erhielt ab 21.6.2005 transarterielle Chemoperfusionen sowie später eine LITT. Sie beantragte, die bereits für den 21.6.2005 gezahlten Behandlungs- und Fahrkosten zu übernehmen (17./19.8.2005). Prof. Dr. V. rechne "prinzipiell nur mit den Patienten direkt ab". Die Rechnungen für den 21.6.2005 wie für die beiden Folgetermine umfassen ua neben Positionen für bildgebende Verfahren die GOÄ-Ziffer 5357 - "Embolisation". Die Beklagte lehnte den Antrag ab, da die Chemoperfusion keine vertragsärztliche Leistung sei, nur privat abgerechnet werden könne, die Versicherte hierüber aufgeklärt worden sei und Wahlerklärungen - auch für die folgenden Perfusionen - unterschrieben habe (Bescheid vom 22.9.2005). Mit ihrem Widerspruch trug die Versicherte vor, sie benötige dringend die lebensnotwendigen, als Methode etablierten Chemoperfusionen, die keine Wahlleistung seien, mit anschließender Laser-Therapie. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 16.3.2006). Die Versicherte hat Zahlungsklage erhoben und ihre Erstattungsforderung an den Kläger abgetreten. Das SG hat die Klage abgewiesen: Ambulante Chemoperfusionen seien umstritten und nicht vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) empfohlen. Als Alternative sei eine systemische Chemotherapie möglich gewesen (Urteil vom 17.11.2008).

3

Mit seiner auf Zahlung von 77 700,92 Euro für die Behandlung bis 8.11.2007 nebst Fahrkosten gerichteten Berufung hat der Kläger vorgetragen, Prof. Dr. V. habe nicht darüber aufgeklärt, dass die Chemoperfusion eine Privatleistung sei, "die meine Frau dann unterschrieben habe". Das LSG hat die Beklagte - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen - verurteilt, 18 708,87 Euro zu zahlen, Kosten für die vom 21.6. bis 13.9.2005 durchgeführten transarteriellen Chemoperfusionen und für die Fahrten zum Universitätsklinikum. Die Art der Rechtsnachfolge des Klägers sei unerheblich. Die Versicherte habe sich trotz der ihr abgerungenen Unterzeichnung privatärztlicher Behandlungsverträge bis zum Erlass des Bescheides vom 22.9.2005 in dem Glauben befunden, sie erhalte eine Chemoembolisation. Darin liege ein Systemversagen, das zur Kostenerstattung zwinge. Es sei nicht gewährleistet, dass die Zivilgerichte der Beurteilung der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit folgten. Nach Bescheiderlass habe die Versicherte nicht mehr geirrt. Auf die weitere erbrachte Behandlung bei Prof. Dr. V. habe sie keinen Naturalleistungsanspruch gehabt, da die Leistungen nicht zur ambulanten Behandlung zugelassen gewesen seien und eine systemische Chemotherapie als zugelassene Alternative zur Verfügung gestanden habe (Urteil vom 28.4.2011).

4

Der Kläger rügt zur Begründung seiner Revision sinngemäß die Verletzung des § 13 Abs 3 S 1 SGB V und ausdrücklich mangelnde Sachaufklärung. Das LSG hätte Vertrauensschutz gewähren und klären müssen, dass nach Zugang des Bescheides vom 22.9.2005 ein Wechsel zu einer systemischen Chemotherapie noch zumutbar gewesen sei.

5

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 28. April 2011 zu ändern, das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt vom 17. November 2008 sowie den Bescheid vom 22. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. März 2006 in vollem Umfang aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm über die zuerkannten 18 708,87 Euro hinaus weitere 58 992,05 Euro zu zahlen,
hilfsweise,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 28. April 2011 zu ändern, soweit es die Berufung des Klägers zurückgewiesen hat, und insoweit die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen,
sowie
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 28. April 2011 zu ändern und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt vom 17. November 2008 in vollem Umfang zurückzuweisen.

7

Sie rügt zur Begründung ihrer Revision die Verletzung des § 13 Abs 3 S 1 SGB V und sinngemäß, das LSG habe das Gesamtergebnis des Verfahrens nicht hinreichend beachtet. Mangels Naturalleistungsanspruchs im Zeitpunkt der Behandlung bestehe kein Anspruch auf Kostenerstattung.

8

Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision der beklagten KK ist begründet; die zulässige Revision des Klägers ist dagegen unbegründet. Das LSG-Urteil ist zu ändern und die Berufung des Klägers gegen das SG-Urteil ist in vollem Umfang zurückzuweisen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten der Behandlung der Versicherten vom 21.6.2005 bis 8.11.2007 aus § 13 Abs 3 S 1 SGB V(idF des Art 5 Nr 7 Buchst b SGB IX, Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 19.6.2001, BGBl I 1046). Obwohl die Versicherte ihren Anspruch auf Kostenerstattung nach § 13 Abs 3 S 1 SGB V während des Klageverfahrens an den Kläger abgetreten hat, blieb sie zunächst allein berechtigt, prozessual die Feststellung dieses Anspruchs zu betreiben(vgl entsprechend BSGE 97, 6 = SozR 4-2500 § 13 Nr 9, RdNr 11 ff und LS 1 mwN). Der Kläger handelte sinngemäß zunächst für die Versicherte. Er ist seit dem Tod der Versicherten als ihr Sonderrechtsnachfolger, nicht aber als Erbe prozessführungsbefugt (zum Begriff vgl BSGE 107, 18 = SozR 4-7837 § 2 Nr 6, RdNr 15 mwN), den Kostenerstattungsanspruch der Versicherten gerichtlich geltend zu machen (dazu 1.). Der Versicherten stand aber kein Zahlungsanspruch zu, da die Voraussetzungen des Kostenerstattungsanspruchs nicht erfüllt sind. Die Versicherte hatte nämlich gegen die Beklagte keinen Anspruch auf die durchgeführte Krankenbehandlung (dazu 2.). Der abweichenden LSG-Auffassung ist nicht zu folgen (dazu 3.).

10

1. Der Kläger ist prozessführungsbefugt, weil er Sonderrechtsnachfolger der Versicherten hinsichtlich des geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs aus § 13 Abs 3 S 1 SGB V ist. Das folgt aus § 56 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB I. Danach stehen beim Tode des Berechtigten fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen an erster Stelle dem Ehegatten zu, wenn dieser mit der Berechtigten zur Zeit ihres Todes in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat. So lag es beim Kläger. Bei dem geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch handelt es sich auch um einen fälligen Anspruch auf laufende Geldleistungen. Nach der Rechtsprechung des Senats ist der Kostenerstattungsanspruch auf Geldleistungen gerichtet (vgl BSGE 97, 6 = SozR 4-2500 § 13 Nr 9, RdNr 13 mwN). Bestand ein Kostenerstattungsanspruch, war er mit seinem Entstehen fällig (§ 41 SGB I).

11

Der Kostenerstattungsanspruch ist im Rechtssinne auf "laufende" Geldleistungen jedenfalls dann gerichtet, wenn er - wie vorliegend - über mehrere Zeitabschnitte selbst beschaffte Leistungen betrifft. § 56 SGB I ist in diesem Sinne bei Todesfällen in der Zeit ab dem 2.1.2002 auszulegen. Die Regelung ist einer weiten Auslegung zugänglich. Sie kann sogar als Basis einer Analogie dienen (vgl dazu BSG SozR 1500 § 75 Nr 44 S 48). Den Begriff der laufenden Geldleistungen, dem der Begriff der "einmaligen" Geldleistung gegenübersteht, definiert das Gesetz nicht. Nach den Gesetzesmaterialien (Entwurf der Bundesregierung zum SGB I, BT-Drucks 7/868 S 31 zu § 48)handelt es sich um Leistungen, die regelmäßig wiederkehrend für bestimmte Zeitabschnitte gezahlt werden; sie verlieren ihren Charakter nicht dadurch, dass sie verspätet oder als zusammenfassende Zahlung für mehrere Zeitabschnitte geleistet werden. Das kommt auch für die Kostenerstattungsansprüche nach dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bei Systemmangel in Betracht (§ 13 Abs 3 S 1 SGB V; § 15 Abs 1 SGB IX). Sie knüpfen daran an, dass der Berechtigte regelmäßig zu einer Vorfinanzierung für mehrere Zeitabschnitte gezwungen ist (vgl BSGE 97, 6 = SozR 4-2500 § 13 Nr 9, RdNr 13 mwN). Dem Zweck der Sonderrechtsnachfolge in § 56 SGB I wird es in besonderem Maße gerecht, solche Kostenerstattungsansprüche als Ansprüche auf laufende Geldleistungen anzusehen. Es beschränkt in aller Regel die Lebensführung nicht nur des Leistungsberechtigten, sondern aller Familienangehörigen, die mit ihm in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn Ansprüche auf laufende Geldleistung nicht rechtzeitig erfüllt werden (vgl Entwurf der Bundesregierung, BT-Drucks 7/868 S 33 zu den §§ 56 bis 59). Das gilt in gleicher Weise regelmäßig für die Fälle, in denen die KK ihre Pflicht zur Naturalleistungsgewährung (§ 2 Abs 2 und § 13 Abs 1 SGB V) nicht erfüllt, der Versicherte sich deshalb die zu beanspruchenden Leistungen selbst beschafft, vorfinanziert und später die Kostenerstattung von der KK erstreitet. Um die dadurch entstandene Benachteiligung auszugleichen, sieht § 56 SGB I in Abweichung vom Erbrecht, aber in Übereinstimmung mit Vorschriften des bis zum Inkrafttreten des SGB I geltenden Rechts und mit der Funktion solcher Leistungen eine Sonderrechtsnachfolge vor. Der Schutzbedarf der durch die Vorschriften der Sonderrechtsnachfolge erfassten Personen hat zwischenzeitlich noch dadurch zugenommen, dass § 183 S 1 SGG(hier idF durch Art 1 Nr 61 des Sechsten SGG-Änderungsgesetzes <6. SGGÄndG> vom 17.8.2001, BGBl I 2144) seit dem 2.1.2002 allein Sonderrechtsnachfolger hinsichtlich der Gerichtskosten privilegiert, während sonstige Rechtsnachfolger nach § 183 S 2 SGG Kostenfreiheit nur in dem Rechtszug haben können, indem sie das Verfahren aufnehmen(vgl zum Ganzen BSGE 97, 112 = SozR 4-2500 § 31 Nr 5, RdNr 11 - Ilomedin).

12

Der Vorbehalt abweichender Regelungen (§ 37 SGB I; vgl BSGE 97, 6 = SozR 4-2500 § 13 Nr 9, RdNr 17)steht dem Auslegungsergebnis nicht entgegen. Allerdings hatte das vor Inkrafttreten des SGB I geltende Recht der RVO für die GKV - anders als für das Recht der gesetzlichen Unfall- und Rentenversicherung (vgl hierzu § 630 und § 1288 RVO, dementsprechend § 65 Angestelltenversicherungsgesetz und § 88 Reichsknappschaftsgesetz) - keine Regelung zur Sonderrechtsnachfolge enthalten. Deshalb nahm auch die Rechtsprechung des BSG zum alten Rechtszustand an, der galt, wenn ein Sozialleistungsberechtigter vor dem Inkrafttreten des SGB I (1.1.1976) gestorben war (vgl Art II § 19 SGB I idF vom 11.12.1975, BGBl I 3015), dass ein Erstattungsanspruch im Wege der Rechtsnachfolge auf die Erben übergeht (vgl BSG Urteil vom 10.10.1978 - 3 RK 11/78 - USK 78126). Die bewusst umfassend getroffene Regelung des § 56 SGB I erfasst dagegen auch das Recht der GKV. Die Besonderheiten dieses Rechtsgebiets erfordern es nicht, Kostenerstattungsansprüche von der Sonderrechtsnachfolge nach dem SGB I auszuschließen. Besondere Überlegungen, die im Recht der Sozialhilfe für den Ausschluss der Sonderrechtsnachfolge oder Modifikationen in Betracht kommen (vgl dazu BVerwGE 96, 18, 22 ff = Buchholz 435.11 § 58 SGB I Nr 2; BSG SozR 4-3500 § 19 Nr 3, RdNr 16 ff mwN, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen), greifen insoweit für den Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 S 1 SGB V und § 15 Abs 1 SGB IX nicht durch.

13

Der vorliegende Fall unterscheidet sich durch den Tod der Versicherten in der Zeit ab dem 2.1.2002, dem Tag des Inkrafttretens des 6. SGGÄndG, auch wesentlich von jenem, der dem Urteil des 9. Senats des BSG vom 10.12.2003 (vgl BSGE 92, 42 = SozR 4-3100 § 35 Nr 3)zugrunde lag. Jener Rechtsstreit betraf die Erstattung von bis zum Tode des Berechtigten im Jahr 1999 verauslagten Aufwendungen entsprechend § 18 Abs 3 und 4 Bundesversorgungsgesetz (BVG) mit Blick auf Heimpflege nach § 35 Abs 6 BVG. Er war schon vor Inkrafttreten des 6. SGGÄndG rechtshängig geworden, sodass nach dem Übergangsrecht (Art 17 Abs 1 S 2 6. SGGÄndG) noch altes Kostenrecht anzuwenden war.

14

Der erkennende Senat kann diese Rechtsprechung fortführen (vgl grundlegend BSGE 97, 112 = SozR 4-2500 § 31 Nr 5 - Ilomedin), ohne den Großen Senat anrufen zu müssen. Denn der 3. Senat des BSG hat seine entgegenstehende, abweichende Rechtsauffassung aus den Urteilen vom 3.8.2006 und vom 25.8.2009 (vgl BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 10, RdNr 15; BSG SozR 4-2500 § 37 Nr 10 RdNr 11)auf Anfrage des erkennenden Senats (BSG Beschluss vom 8.11.2011 - B 1 KR 6/11 R) aufgegeben (BSG Beschluss vom 15.3.2012 - B 3 KR 2/11 S).

15

2. Die Voraussetzungen des geltend gemachten - hier allein in Betracht kommenden - Kostenerstattungsanspruchs nach § 13 Abs 3 S 1 SGB V sind nicht erfüllt. Die Rechtsnorm bestimmt: "Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war". Der Anspruch aus § 13 Abs 3 S 1 Fall 1 und 2 SGB V reicht nicht weiter als ein entsprechender Naturalleistungsanspruch des Versicherten gegen seine KK. Er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die KKn allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (stRspr, vgl zB BSG Urteil vom 8.11.2011 - B 1 KR 20/10 R - juris RdNr 8 - Leucinose, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen; BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, RdNr 13 - Lorenzos Öl; BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 11 mwN - LITT). Daran fehlt es.

16

Nach den insoweit unangegriffenen und damit den erkennenden Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) hatte die Versicherte keinen Anspruch auf eine ambulante Behandlung mit Chemoperfusionen und LITT gegen die Beklagte. Die Beklagte war zwar nach § 27 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB V zur Gewährung ärztlicher Behandlung der Versicherten verpflichtet. Der Behandlungs- und Versorgungsanspruch eines Versicherten unterliegt allerdings den sich aus § 2 Abs 1 und § 12 Abs 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Er umfasst folglich nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Die KKn sind nicht bereits dann leistungspflichtig, wenn die streitige Therapie - wie im vorliegenden Fall - nach eigener Einschätzung der Versicherten oder des behandelnden Arztes positiv verlaufen ist oder einzelne Ärzte die Therapie befürwortet haben. Vielmehr muss die betreffende Therapie rechtlich von der Leistungspflicht der GKV umfasst sein. Dies ist bei - wie hier - neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 135 Abs 1 S 1 SGB V nur dann der Fall, wenn der GBA in Richtlinien nach § 92 Abs 1 S 2 Nr 5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat. Durch Richtlinien nach § 92 Abs 1 S 2 Nr 5 iVm § 135 Abs 1 SGB V wird nämlich nicht nur geregelt, unter welchen Voraussetzungen die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer (Ärzte, Zahnärzte usw) neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu Lasten der KKn erbringen und abrechnen dürfen. Vielmehr wird durch diese Richtlinien auch der Umfang der den Versicherten von den KKn geschuldeten ambulanten Leistungen verbindlich festgelegt (vgl BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 12 - LITT, stRspr). Es fehlte zur Zeit der Behandlung der Versicherten an einer Empfehlung des GBA für eine ambulante Behandlung mit Chemoperfusionen und LITT.

17

Ein Ausnahmefall, in dem es keiner positiven Empfehlung des GBA bedarf, liegt nicht vor (vgl hierzu zB BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 16 RdNr 12 - ICL). Für ein Systemversagen wegen verzögerter Bearbeitung eines Antrags auf Empfehlung einer neuen Methode ist weder etwas vorgetragen noch sonst ersichtlich (vgl dazu BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 17 ff mwN - LITT; § 135 Abs 1 S 4 und 5 SGB V idF des Art 1 Nr 105 Buchst b des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung - GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - vom 26.3.2007, BGBl I 378). Auch die Voraussetzungen für eine grundrechtsorientierte Auslegung sind nicht erfüllt (vgl hierzu zB BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5; BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 21 und 29 ff mwN - Tomudex; BSGE 96, 153 = SozR 4-2500 § 27 Nr 7, RdNr 31 - 32 - D-Ribose; BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 20 ff mwN - LITT; BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, RdNr 32 - Lorenzos Öl; ab 1.1.2012 § 2 Abs 1a SGB V). Es stand nämlich für die Versicherte im maßgeblichen Zeitpunkt Juni 2005 zu Beginn der Behandlung (vgl hierzu zB BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 28, 33 - LITT) mit der systemischen Chemotherapie eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlung zur Verfügung (vgl hierzu zB BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 21 - LITT; BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 31 - Tomudex). Entgegen der Auffassung des Klägers stellt sich die Frage nach einem zumutbaren Wechsel von der transarteriellen Chemoperfusion zur systemischen Chemotherapie zu einem späteren Zeitpunkt nicht.

18

3. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz ist es für den Erstattungsanspruch aus § 13 Abs 3 S 1 SGB V unerheblich, dass - wovon das LSG ausgeht, was aber die Beklagte angegriffen hat - Prof. Dr. V. angeblich die Versicherte nicht über die Verabreichung von Chemoperfusionen aufgeklärt hat, sodass sie von einer Chemoembolisation ausging. Es bedarf deshalb keiner Vertiefung, ob die Beklagte mit ihrem Vorbringen noch hinreichend sinngemäß als Verfahrensverstoß gerügt hat, dass das LSG bei seiner Annahme das Gesamtergebnis des Verfahrens nicht ausreichend und umfassend berücksichtigt hat (vgl dazu BSG SozR Nr 56 zu § 128 SGG; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012 § 128 RdNr 13 mwN) und dass das LSG mit diesem Verfahrensverstoß die Grenzen der freien Beweiswürdigung überschritten hat. Hierfür spricht allerdings, dass es nicht darauf eingegangen ist, dass nach den vom LSG in Bezug genommenen Akteninhalt die Versicherte durch ihren Ehegatten schon am 18.6.2005, nach der Erstuntersuchung bei Prof. Dr. V. am 17.6.2005, Kostenerstattung für eine "lokale Chemotherapie" beantragte - so bezeichnet Prof. Dr. V. die Chemoperfusion; dass die Nachfrage der Beklagten im Sekretariat von Prof. Dr. V. ergab, dass die Versicherte über die nur privat abzurechnende Chemoperfusionen aufgeklärt wurde und entsprechende Wahlerklärungen unterschrieb; dass die Versicherte auf die Wiedergabe dieses Sachverhalts in ihrem Widerspruch nicht etwa überrascht reagierte, sondern ausführte, sie benötige dringend "die lebensnotwendige Chemoperfusion mit anschließender Laser-Therapie. Zu dieser Therapie gibt es keine Alternative"; dass Prof. Dr. V. selbst gegenüber dem SG angab, die Chemoperfusion habe er der Versicherten privat in Rechnung gestellt, weil "derzeit keine Kostenübernahme durch Kassenzulassung" erfolge, er habe mit der Versicherten eine private Kostenvereinbarung getroffen und ihr vor der Behandlung mit Chemoperfusion die Auskunft erteilt, dass die Kosten selbst getragen werden müssten; schließlich dass der Kläger dem bei Kenntnisnahme während des Klageverfahrens nicht etwa sofort widersprach, sondern die unmittelbar daneben aufgeführte Angabe von Prof. Dr. V. im gleichen Schreiben als entscheidend ansah, die Chemoembolisation wäre zu gefährlich gewesen.

19

Auch wenn man in Widerspruch zum Akteninhalt zugunsten des Klägers unterstellt, der hierzu nicht vom LSG persönlich angehörte Prof. Dr. V. habe die Versicherte nicht darüber aufgeklärt, Chemoperfusionen zu verabreichen, begründet dies entgegen der Auffassung des LSG kein "Systemversagen", welches das Erfordernis des Bestehens eines Primäranspruchs entfallen lässt und zur Kostenerstattung nach § 13 Abs 3 S 1 SGB V führt. Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Regelungssystem und -zweck des § 13 Abs 3 S 1 SGB V geben für die Rechtsauffassung des LSG nichts her, Versicherten seien bei unterlassener ärztlicher Aufklärung über eine durchgeführte, nicht zu Lasten der GKV zu beanspruchende Behandlung Kosten zu erstatten. Schon der Wortlaut der abschließenden Regelung (vgl dazu BSGE 99, 180 = SozR 4-2500 § 13 Nr 15, RdNr 19 mwN)des § 13 Abs 3 S 1 SGB V knüpft an die Voraussetzung an, dass die KK "eine … Leistung" nicht rechtzeitig erbringen konnte oder zu Unrecht ablehnte, sie zu erbringen. Dreh- und Angelpunkt des Anspruchs ist die dem Versicherten geschuldete Leistung, hier also die Krankenbehandlung. Die Gesetzesmaterialien belegen Gleiches. Danach ersetzt die Vorschrift den Sachleistungsanspruch durch einen Kostenerstattungsanspruch, wenn die KK eine Leistung wegen ihrer Dringlichkeit … nicht mehr rechtzeitig erbringen konnte oder zu Unrecht abgelehnt hat. In anderen Fällen selbstbeschaffter Leistungen besteht keine Leistungspflicht der KK (vgl insgesamt Entwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP eines Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen , BT-Drucks 11/2237 S 164, zu § 13 Abs 2). Sowohl § 13 Abs 3 S 1 Fall 1 SGB V als auch § 13 Abs 3 S 1 Fall 2 SGB V knüpfen zwingend an die von der KK geschuldete, aber rechtswidrig nicht erbrachte Leistung an(vgl zum Ganzen zB BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 20 RdNr 25; Brandts in Kasseler Komm, Stand April 2012, § 13 SGB V RdNr 52 ff; E. Hauck in Horst Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Teil II, Bd 1, Stand September 2011, § 13 SGB V RdNr 233 ff mwN). Das Regelungssystem des SGB V begründet Ansprüche auf Krankenbehandlung (§ 27 Abs 1 SGB V)unter Beachtung des Qualitätsgebots (§ 2 Abs 1 S 3 SGB V) grundsätzlich nach objektiven Kriterien (vgl beispielhaft für den Anspruch auf Krankenhausbehandlung BSGE 99, 111 = SozR 4-2500 § 39 Nr 10, RdNr 30 f; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 20 RdNr 19 ff mwN; Hauck, NZS 2007, 461 ff). Besteht die Möglichkeit, verschiedene Wege zu gehen, sind diese krankenversicherungsrechtlich auf ihre Eignung, Erforderlichkeit und Wirtschaftlichkeit hin zu überprüfen (§ 12 Abs 1 SGB V). Nur wenn mehrere verschiedene in Betracht kommende Maßnahmen ärztlichen Handelns diesen Anforderungen genügen, hat der versicherte Patient auch hierüber aufgeklärt zu werden und die Auswahl zu treffen (vgl BSG Beschluss vom 7.11.2006 - B 1 KR 32/04 R - GesR 2007, 276 RdNr 54). Dieses Regelungssystem sichert die Gleichbehandlung der Versicherten (Art 3 Abs 1 GG) und richtet die Leistungen am Gesichtspunkt der Qualität und Wirtschaftlichkeit aus. Es vermeidet, den Anspruch Versicherter von dem in dieser Hinsicht ungeeigneten Maßstab ärztlicher Pflichtverletzungen abhängig zu machen, wie es bei der Rechtsauffassung des LSG der Fall wäre.

20

Entgegen der Ansicht des LSG entstehen infolge der Regelung des Gesetzgebers keine Rechtsschutzdefizite zu Lasten der Versicherten. Erhalten Versicherte eine GKV-Leistung, müssen sie grundsätzlich hierfür abgesehen von der Zuzahlung nicht zahlen. Zahlen sie dennoch, können sie das Gezahlte im Zivilrechtsweg zurückfordern. Ihre Leistung erfolgte ohne Rechtsgrund, die Versicherten können zudem vom Leistungserbringer, etwa vom Arzt, Schadensersatz fordern (§ 76 Abs 4 SGB V). Deutet sich ein solcher Sachverhalt erst im Rechtsstreit der Sozialgerichtsbarkeit über Kostenerstattung an, kann der Versicherte nach dem SGG zwar nicht dem betroffenen Arzt den Streit verkünden. Das Gericht kann ihn aber - funktional gleichwertig - beiladen, um eine Bindungswirkung seiner Entscheidung zu erreichen (vgl dazu BSGE 40, 130, 132 = SozR 1750 § 41 Nr 1; zur rechtswegübergreifenden Interventionswirkung vgl auch BSGE 109, 133 = SozR 4-1750 § 68 Nr 1).

21

§ 13 Abs 3 S 1 SGB V ist für einen solchen Fall nicht gedacht. Kosten im Sinne des § 13 Abs 3 S 1 SGB V sind dem Versicherten in einem solchen Fall nicht dadurch "entstanden", dass seine KK eine Leistung rechtswidrig abgelehnt hat oder eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte. Seine KK kann ihn bei der Rückforderung unterstützen (vgl § 66 SGB V), hat aber nicht die Aufgabe, für solche ärztlichen Pflichtverletzungen nach § 13 Abs 3 S 1 SGB V einzustehen.

22

Die Regelung des § 13 Abs 3 S 1 SGB V will vielmehr Versicherten einerseits die Möglichkeit eröffnen, sich eine von der KK geschuldete, aber als Naturalleistung nicht erhältliche Behandlung selbst zu beschaffen, andererseits jedoch die Befolgung des Naturalleistungsgrundsatzes dadurch absichern, dass eine Kostenerstattung nur erfolgt, wenn tatsächlich eine Versorgungslücke besteht(vgl BSGE 99, 180 = SozR 4-2500 § 13 Nr 15, RdNr 25). Eine Versorgungslücke besteht nicht, wenn der Versicherte eine GKV-Leistung in Anspruch nehmen kann, aber nicht will. So lag es nach den LSG-Feststellungen hinsichtlich der Chemotherapie für die Versicherte. Will ein Versicherter dagegen eine GKV-Leistung in Anspruch nehmen, weiß er, dass er diese - abgesehen von den gesetzlichen Zuzahlungen - frei von Honorar beanspruchen kann.

23

§ 13 Abs 3 S 1 SGB V garantiert - wie dargelegt - lediglich, dass Versicherte tatsächlich bestehende Versorgungslücken des Naturalleistungssystems in den gesetzlich bestimmten Fällen zu Lasten der KKn beseitigen können, indem sie sich die geschuldete Leistung selbst verschaffen. Auch die irrige Annahme eines Versicherten, ihm werde eine GKV-Leistung erbracht, obwohl dies nicht der Fall ist, schafft keine Versorgungslücke. Denn die Fehlvorstellung ändert nicht den Umfang des GKV-Leistungskatalogs: Der Versicherte erhält eine Leistung, die er gerade nicht von der GKV beanspruchen kann. Hat der Leistungserbringer die Fehlvorstellung des Versicherten erzeugt, kann der Versicherte erst recht das Gezahlte nach den oben dargelegten Grundsätzen zurückverlangen. Schließt der zutreffend umfassend aufgeklärte Versicherte dagegen über die Leistung von vornherein eine private Honorarvereinbarung ab, begibt er sich des Schutzes des Naturalleistungssystems. Er ist in diesem Fall nicht schutzwürdig.

24

Verletzt der behandelnde Arzt seine Aufklärungspflichten, kann dies zum Ausschluss eines Vergütungsanspruchs des Arztes führen (vgl BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 35 - LITT; BSG SozR 4-2500 § 116b Nr 1 RdNr 18). Sollte der behandelnde Arzt mit Hilfe einer Honorarvereinbarung versuchen, ihn selbst treffende Risiken auf den Versicherten abzuwälzen, kommt nach der Rechtsprechung des Senats auch eine Nichtigkeit der Vereinbarung nach § 32 SGB I in Betracht(vgl BSGE 97, 6 = SozR 4-2500 § 13 Nr 9, RdNr 26; BSGE 99, 180 = SozR 4-2500 § 13 Nr 15, RdNr 16 f; BSG Urteil vom 18.7.2006 - B 1 KR 9/05 R - USK 2006-79 - juris RdNr 13; vgl auch die Auflistung der verschiedenen Fallgruppen fehlender Zahlungsverpflichtungen bei E. Hauck in Horst Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Teil II, Bd 1, Stand September 2011, § 13 SGB V, RdNr 267 ff).

25

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, weil der Kläger in seiner Eigenschaft als Sonderrechtsnachfolger nach § 56 SGB I klagt.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. Februar 2011 und der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 26. Juni 2009 sowie die Bescheide der Beklagten vom 1. Oktober 2007 und 19. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. September 2008 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die bis zum 11. Februar 2011 aufgewendeten Kosten für den chirurgischen Brustaufbau in Höhe 2792,16 Euro zu erstatten und sie im Übrigen von den weiteren Kosten freizustellen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in allen Rechtszügen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Erstattung und Freistellung von Kosten einer Mamma- Augmentationsplastik (MAP).

2

Die bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte Klägerin wurde 1967 als Mann geboren. Bei ihr besteht eine primäre Mann-zu-Frau-Transsexualität, die 2007 zu einer Änderung des Vornamens nach dem Transsexuellengesetz (TSG) führte (AG Schöneberg Beschluss vom 7.9.2007 - 70 III 59/07). Seit mehr als 15 Jahren wird sie mit weiblichen Hormonen behandelt. 2006/2007 erhielt sie eine operative Gesichtsfeminisierung und zwei Operationen zur Veränderung der Stimmlage zu Lasten der Beklagten. Ihren Antrag, ihr ua eine MAP zu gewähren (17.7.2007), lehnte die Beklagte hingegen ab: Die ebenfalls beantragte medizinisch indizierte Genitaltransformation habe Vorrang. Die Mikromastie als solche sei kein körperlicher Makel. Es sei möglich, dass die Brust nach der Kastration noch wachse (Bescheide vom 1.10.2007 und 19.3.2008, Widerspruchsbescheid vom 22.9.2008). Während des sich anschließenden Klageverfahrens hat sich die Klägerin vom 8. bis 11.10.2008 in der H. für Ästhetische und Plastische Chirurgie eine MAP verschafft (Behandlungs- und Honorarvereinbarung über 5000 Euro; Zahlung auf der Grundlage eines Privatkredits der Deutschen Bank mit einer Laufzeit von 66 Monaten und einem effektiven Jahreszins von 10,99 %, Gesamtbetrag: 6579,62 Euro). Eine Genitaltransformation ist bisher nicht erfolgt. Das SG hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 26.6.2009), das LSG die Berufung zurückgewiesen: Ein Anspruch auf Kostenerstattung scheitere bereits an einem fehlenden konkreten Antrag. Ein Anspruch auf operative Brustvergrößerung könne überdies nur bei Entstellung und als ultima ratio nur bestehen, wenn ein ausreichendes Brustwachstum auf anderem Wege nicht mehr zu erwarten sei (Urteil vom 11.2.2011).

3

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 13 Abs 3 S 1 Alt 2 und § 27 Abs 1 S 1 SGB V. Sie habe Anspruch auf den Aufbau einer weiblichen Brust, ohne auf eine vorherige geschlechtsumwandelnde Operation verwiesen werden zu können. Vor der streitbefangenen Operation habe ihr Brustumfang abzüglich des Unterbrustumfangs 6 cm betragen.

4

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. Februar 2011 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 26. Juni 2009 sowie die Bescheide der Beklagten vom 1. Oktober 2007 und 19. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. September 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die bis zum 11. Februar 2011 aufgewendeten Kosten für den chirurgischen Brustaufbau in Höhe 2792,16 Euro zu erstatten und sie im Übrigen von den weiteren Kosten freizustellen,
hilfsweise,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. Februar 2011 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

5

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet (§ 170 Abs 2 S 1 SGG). Das angefochtene LSG-Urteil, der SG-Gerichtsbescheid und die Bescheide der beklagten KK sind aufzuheben. Die Klägerin hat Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten Kosten für die auf der Grundlage einer vertragsärztlichen Verordnung im Oktober 2008 durchgeführte stationäre MAP und im Übrigen auf Freistellung von den weiteren Kosten. Die Voraussetzungen des geltend gemachten Kostenfreistellungs- und -erstattungsanspruchs aus § 13 Abs 3 S 1 Alt 2 SGB V(anzuwenden idF des Art 5 Nr 7 Buchst b SGB IX - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 19.6.2001, BGBl I 1046) sind erfüllt. Die Rechtsnorm bestimmt: Hat die KK eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der KK in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Der Anspruch auf Kostenerstattung ist demnach nur gegeben, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind (vgl zum Ganzen: BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 20 RdNr 25; E. Hauck in H. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Teil II, Bd 1, 19. Aufl, Stand: 1.1.2012, § 13 SGB V RdNr 233 ff):Bestehen eines Primärleistungs(Naturalleistungs-)anspruchs des Versicherten und dessen rechtswidrige Nichterfüllung, Ablehnung der Naturalleistung durch die KK, Selbstbeschaffung der entsprechenden Leistung durch den Versicherten, Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung, Notwendigkeit der selbst beschafften Leistung und (rechtlich wirksame) Kostenbelastung durch die Selbstbeschaffung. So liegt es hier: Die Beklagte lehnte es zu Unrecht ab, der Klägerin eine stationäre MAP zu gewähren (dazu 1.). Der Klägerin entstanden dadurch, dass sie sich eine der abgelehnten entsprechende, notwendige Leistung - MAP - selbst verschaffte, die von ihr geltend gemachten Kosten. Soweit sie Freistellung begehrt, droht ihr aufgrund der Selbstbeschaffung noch eine Kostenbelastung (dazu insgesamt 2.).

8

1. Die Beklagte lehnte einen Antrag der Klägerin auf Brustvergrößerung zu Unrecht ab, indem sie die Klägerin vorrangig auf die Durchführung einer Genitaltransformation verwies. Bei sinngemäßer Auslegung war der Antrag der Klägerin von Juli 2007 ua auf eine MAP ohne vorrangige Genitaltransformation gerichtet. Das Revisionsgericht ist berechtigt, den Antrag auszulegen. Das LSG hat die von ihm festgestellten Umstände im Hinblick darauf, wie der Antrag der Klägerin auszulegen ist, nicht verwertet. In einem solchen Fall hat das Revisionsgericht die vom LSG festgestellten Tatsachen in die Rechtsanwendung einzubeziehen. Die Auslegung eines Antrags hat sich danach zu richten, was als Leistung möglich ist, wenn jeder verständige Antragsteller mutmaßlich seinen Antrag bei entsprechender Beratung angepasst hätte und keine Gründe für anderes Verhalten vorliegen (vgl BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, RdNr 12 ff - UAE). Der Antrag der Klägerin lässt trotz seiner Verbindung mit weiteren Anträgen unmissverständlich erkennen, dass sie eine MAP nicht vom Ergebnis einer zuvor durchgeführten Kastration abhängig machen wollte. Ersichtlich ging es ihr lediglich darum, ua eine MAP als Maßnahme zur Angleichung ihrer Geschlechtsmerkmale zu erreichen.

9

Zu Unrecht lehnte die Beklagte den Antrag auf eine MAP ab. Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, dass transsexuelle Versicherte nach § 27 Abs 1 SGB V Anspruch auf geschlechtsangleichende Behandlungsmaßnahmen einschließlich chirurgischer Eingriffe in gesunde Organe zur Minderung ihres psychischen Leidensdrucks haben können, um sich dem Erscheinungsbild des angestrebten anderen Geschlechts deutlich anzunähern(dazu a). Die Reichweite des Anspruchs auf geschlechtsangleichende Behandlung bestimmt sich auf der Basis der allgemeinen und besonderen Voraussetzungen des Anspruchs auf Krankenbehandlung nach medizinischen Kriterien (dazu b). Der bestehende Brustansatz schließt den Anspruch auf geschlechtsangleichende Behandlung nicht aus (dazu c).

10

a) Versicherte - wie die Klägerin - haben nach § 27 Abs 1 S 1 SGB V Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Versicherte leidet an Transsexualismus in Gestalt einer psychischen Krankheit, deren Behandlung notwendig ist (dazu aa). Obwohl der Anspruch auf Krankenbehandlung psychischer Krankheiten grundsätzlich nicht körperliche Eingriffe in intakte Organsysteme erfasst, können zur notwendigen Krankenbehandlung des Transsexualismus - als Ausnahme von diesem Grundsatz - operative Eingriffe in den gesunden Körper zwecks Veränderung der äußerlich sichtbaren Geschlechtsmerkmale gehören (dazu bb). Die genannten operativen Eingriffe in den gesunden Körper müssen medizinisch erforderlich sein (dazu cc).

11

aa) Grundvoraussetzung des Anspruchs Versicherter auf Krankenbehandlung ist, dass sie an einer Krankheit leiden. Krankheit iS von § 27 Abs 1 S 1 SGB V ist ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht(stRspr, vgl nur BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 10 mwN - Zisidentität; zu Bestrebungen, den Transsexualismus zu "entpathologisieren", vgl LSG Baden-Württemberg Urteil vom 25.1.2010 - L 5 KR 375/10 - Juris RdNr 44). Die Klägerin leidet in diesem Sinne an einer Krankheit, nämlich an behandlungsbedürftigem Transsexualismus.

12

Transsexualismus ist nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse eine psychische Krankheit. Transsexuelle leben in dem irreversiblen und dauerhaften Bewusstsein, dem Geschlecht anzugehören, dem sie aufgrund ihrer äußeren körperlichen Geschlechtsmerkmale zum Zeitpunkt der Geburt nicht zugeordnet wurden (vgl BVerfGE 128, 109 = NJW 2011, 909, RdNr 34 mwN). Für die Diagnose entscheidend ist die Stabilität des transsexuellen Wunsches, der vollständigen psychischen Identifikation mit dem anderen, dem eigenen Körper widersprechenden Geschlecht (vgl BVerfGE 128, 109 = NJW 2011, 909, RdNr 35 unter Hinweis auf Becker/Berner/Dannecker/Richter-Appelt, Zf Sexualforschung 2001, S 258, 260; Pichlo, in: Groß/Neuschaefer-Grube/Steinmetzer, Transsexualität und Intersexualität, Medizinische, ethische, soziale und juristische Aspekte, 2008, S 121). Die ICD-10-GM Version 2012 ordnet Transsexualismus mit dem Schlüssel F64.0 (Störungen der Geschlechtsidentität) dem Kapitel V zu (Psychische und Verhaltensstörungen ). F64.0 spricht von dem "Wunsch, als Angehöriger des anderen Geschlechtes zu leben und anerkannt zu werden".

13

Die Rechtsordnung erkennt Transsexualismus nicht nur personenstandsrechtlich, sondern auch als behandlungsbedürftige Krankheit an. Der Gesetzgeber hat bereits durch Schaffung des Gesetzes über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen (TSG) vom 10.9.1980 (BGBl I 1654; zuletzt geändert durch Beschluss des BVerfG vom 11.1.2011 - 1 BvR 3295/07 - BGBl I 224 = BVerfGE 128, 109 = NJW 2011, 909) bestätigt, dass der Befund des Transsexualismus eine außergewöhnliche rechtliche Bewertung rechtfertigt (BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr 3, RdNr 11; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 17). Inzwischen erstreckt das SGB V ausdrücklich die ambulante spezialfachärztliche Versorgung auf die Diagnostik und Behandlung komplexer, schwer therapierbarer Krankheiten, die je nach Krankheit eine spezielle Qualifikation, eine interdisziplinäre Zusammenarbeit und besondere Ausstattungen erfordern. Hierzu gehört ua Transsexualismus als seltene Erkrankung (vgl § 116b Abs 1 S 2 Nr 2 Buchst i SGB V idF durch Art 1 Nr 44 Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 22.12.2011, BGBl I 2983; vgl dazu BT-Drucks 17/6906 S 81; vgl zuvor Anlage 2 Nr 9 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die ambulante Behandlung im Krankenhaus nach § 116b SGB V idF vom 18.10.2005, BAnz Nr 7 S 88 vom 11.1.2006, zuletzt geändert am 15.12.2011, BAnz Nr 197 S 4655, in Kraft getreten am 31.12.2011; zur erstmaligen Berücksichtigung des Transsexualismus als seltene Erkrankung im Rahmen des § 116b SGB V aF vgl die Bekanntmachung des GBA über eine Ergänzung des Katalogs nach § 116b Abs 3 SGB V vom 16.3.2004, BAnz Nr 88 S 10177).

14

bb) Das Spektrum medizinisch indizierter Krankenbehandlung des Transsexualismus ist mittlerweile - anknüpfend an den Erkenntnisfortschritt über die Erkrankung - weit gefächert. Für erforderlich werden individuelle therapeutische Lösungen erachtet, die von einem Leben im anderen Geschlecht ohne somatische Maßnahmen über hormonelle Behandlungen bis hin zur weitgehenden operativen Geschlechtsangleichung reichen können (vgl BVerfGE 128, 109 = NJW 2011, 909, RdNr 36 unter Hinweis auf Pichlo, in Groß/Neuschaefer-Grube/Steinmetzer, Transsexualität und Intersexualität, Medizinische, ethische, soziale und juristische Aspekte, 2008, 119, 122; Rauchfleisch, Transsexualität - Transidentität, 2006, 17; Becker, in: Kockott/Fahrner, Sexualstörungen, 2004, 153, 180, 181).

15

Während die notwendige Krankenbehandlung des Transsexualismus auf psychischer Ebene nach den allgemeinen Grundsätzen zur Ermöglichung und Stützung eines Lebens im anderen Geschlecht ohne somatische Maßnahmen unproblematisch von § 27 Abs 1 S 1 SGB V erfasst ist, versteht sich dies für hormonelle Behandlungen bis hin zur weitgehenden operativen Geschlechtsangleichung nicht in gleicher Weise beinahe von selbst. Der erkennende Senat erachtet dennoch solche Ansprüche weiterhin für möglich.

16

Die ständige Rechtsprechung des für diese Frage allein zuständigen erkennenden Senats verneint grundsätzlich eine Behandlungsbedürftigkeit psychischer Krankheiten mittels angestrebter körperlicher Eingriffe, wenn diese Maßnahmen nicht durch körperliche Fehlfunktionen oder durch Entstellung, also nicht durch einen regelwidrigen Körperzustand veranlasst werden (vgl zB BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 13 - Zisidentität; BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14, RdNr 16; BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr 3, RdNr 5; BSGE 82, 158, 163 f = SozR 3-2500 § 39 Nr 5 S 29 f, jeweils mwN). In Bezug auf Operationen am - krankenversicherungsrechtlich betrachtet - gesunden Körper, die psychische Leiden beeinflussen sollen, lässt sich ausgehend von der aufgezeigten Rechtsprechung grundsätzlich eine Behandlungsbedürftigkeit nicht begründen (näher dazu BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 13 mwN - Zisidentität).

17

Auch allein das subjektive Empfinden eines Versicherten vermag die Regelwidrigkeit und die daraus abgeleitete Behandlungsbedürftigkeit seines Zustandes nicht zu bestimmen. Maßgeblich sind vielmehr objektive Kriterien, nämlich der allgemein anerkannte Stand der medizinischen Erkenntnisse (§ 2 Abs 1 S 3, § 28 Abs 1 S 1 SGB V; vgl zur Gesetz- und Verfassungsmäßigkeit BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 23 mwN)und - bei der Frage, ob eine Entstellung besteht - der objektive Zustand einer körperlichen Auffälligkeit von so beachtlicher Erheblichkeit, dass sie die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft gefährdet (BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14 LS und RdNr 13 f). Andernfalls würde der Krankheitsbegriff über Gebühr relativiert und an Konturen verlieren. Es würde nicht gezielt gegen die eigentliche Krankheit selbst vorgegangen, sondern nur mittelbar die Besserung eines an sich einem anderen Bereich zugehörigen gesundheitlichen Defizits angestrebt (vgl zum Ganzen BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 14 mwN - Zisidentität). Daran hält der Senat fest.

18

Der Senat hat allerdings bisher unter Hinweis auf die Regelungen des TSG eine Ausnahme von den dargestellten Grundsätzen in dem hier betroffenen Bereich im Falle einer besonders tief greifenden Form des Transsexualismus gemacht. Er hat in diesen Fällen einen Anspruch auf medizinisch indizierte Hormonbehandlung und geschlechtsangleichende Operationen bejaht (vgl zum Ganzen BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 15 - Zisidentität), zugleich aber auch - neben § 27 Abs 1 S 1 SGB V - dem Regelungskonzept des TSG Grenzen der Reichweite des Anspruchs auf Krankenbehandlung entnommen(vgl BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 17 - Zisidentität). Die Ansprüche auf geschlechtsangleichende Operationen sind danach beschränkt auf einen Zustand, bei dem aus der Sicht eines verständigen Betrachters eine deutliche Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts eintritt (vgl BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 15 unter Hinweis ua auf § 8 Abs 1 Nr 4 TSG).

19

Der erkennende Senat führt seine Rechtsprechung im Kern trotz der Entscheidung des BVerfG fort, § 8 Abs 1 Nr 4 TSG mit Art 2 Abs 1 und Art 2 Abs 2 iVm Art 1 Abs 1 GG für nicht vereinbar und bis zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Neuregelung für nicht anwendbar zu erklären(vgl BVerfGE 128, 109 = NJW 2011, 909). Das BVerfG zielt mit seiner Entscheidung nämlich darauf ab, Transsexuelle vor unverhältnismäßigen Belastungen zu schützen. Es sieht - nach näherer Maßgabe der Entscheidungsgründe - die von § 8 Abs 1 Nr 4 TSG zum Erreichen personen-standsrechtlicher Änderungen zwingend vorgegebene deutliche Annäherung der transsexuellen Person an die körperliche Erscheinung des angestrebten anderen Geschlechts im Sinne einer genitalverändernden Operation angesichts der damit verbundenen gesundheitlichen Risiken als unzumutbar an. Es ist danach unzumutbar, von einem Transsexuellen zu verlangen, dass er sich derartigen risikoreichen, mit möglicherweise dauerhaften gesundheitlichen Schädigungen und Beeinträchtigungen verbundenen Operationen unterzieht, wenn sie medizinisch nicht indiziert sind, um damit die Ernsthaftigkeit und Dauerhaftigkeit seiner Transsexualität unter Beweis zu stellen und die personenstandsrechtliche Anerkennung im empfundenen Geschlecht zu erhalten (BVerfGE 128, 109, 131 f = NJW 2011, 909, RdNr 70). Die operativen Eingriffe als solche stellen dagegen bei wirksamer Einwilligung des Transsexuellen keinen Verstoß gegen seine Menschenwürde, sein Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit und das Sittengesetz dar (vgl zu Letzterem bereits BVerfGE 49, 286, 299 f). Unverändert kann bei Transsexuellen eine Operation zur Herbeiführung einer deutlichen Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts eine gebotene medizinische Maßnahme sein (BVerfGE 128, 109, 132 = NJW 2011, 909, RdNr 66; vgl auch zur Gesetzesentwicklung des TSG und § 116b Abs 1 S 2 Nr 2 Buchst i SGB V idF des GKV-VStG unten, II. 1.b).

20

cc) Ein Anspruch Versicherter auf geschlechtsangleichende Operationen am - krankenversicherungsrechtlich betrachtet - gesunden Körper zur Behandlung des Transsexualismus bedarf danach zunächst der medizinischen Indikation. Die geschlechtsangleichende Operation muss zudem zur Behandlung erforderlich sein. Daran fehlt es, wenn zum Erreichen der in § 27 Abs 1 S 1 SGB V genannten Therapieziele Behandlungsmaßnahmen ausreichen, die ein Leben im anderen Geschlecht ohne somatische Maßnahmen unterstützen oder sich auf hormonelle Behandlungen ohne Operationen beschränken. Die Erfüllung dieser Voraussetzungen kann nicht losgelöst von der inneren Reichweite des Anspruchs überprüft werden (dazu b.).

21

b) Die Klägerin erfüllte zur Zeit der Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung die Voraussetzungen des Anspruchs auf eine MAP. Die Reichweite des Anspruchs Transsexueller auf Krankenbehandlung (§ 27 Abs 1 S 1 SGB V) im Sinne von geschlechtsangleichender Behandlung kann nach der dargelegten Rechtsprechung des BVerfG allerdings nicht mehr unter Rückgriff auf Wertungen des § 8 Abs 1 Nr 4 TSG eingegrenzt werden. Das Ausmaß des Anspruchs Transsexueller auf geschlechtsangleichende Behandlung bestimmt sich nunmehr unter Einbeziehung der Wertungen des § 116b Abs 1 S 2 Nr 2 Buchst i SGB V idF des GKV-VStG auf der Basis der allgemeinen und besonderen Voraussetzungen des Anspruchs auf Krankenbehandlung(vgl dazu Hauck, NZS 2007, 461) nach den medizinischen Kriterien des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse (dazu aa). Für das erforderliche Ausmaß der Behandlung ist dagegen nicht auf das Erscheinungsbild des Betroffenen im gesellschaftlichen Alltag in dem Sinne abzustellen, dass dem Anspruch bereits Genüge getan ist, wenn die Behandlung nicht zu einer Entstellung führt (dazu bb).

22

aa) Besteht eine Indikation für eine begehrte geschlechtsangleichende Operation transsexueller Versicherter, bestimmen vornehmlich objektivierte medizinische Kriterien das erforderliche Ausmaß. Hierbei ist vor allem die Zielsetzung der Therapie zu berücksichtigen, den Leidensdruck der Betroffenen durch solche operativen Eingriffe zu lindern, die darauf gerichtet sind, das körperlich bestehende Geschlecht dem empfundenen Geschlecht anzunähern, es diesem näherungsweise anzupassen.

23

Die Begrenzung auf eine bloße Annäherung des körperlichen Erscheinungsbildes an das gefühlte Geschlecht ergibt sich nicht nur aus den faktischen Schranken, die hormonelle Therapie und plastische Chirurgie setzen. Die Einräumung von Ansprüchen für transsexuelle Versicherte führen unverändert nicht dazu, Betroffenen Anspruch auf jegliche Art von geschlechtsangleichenden operativen Maßnahmen im Sinne einer optimalen Annäherung an ein vermeintliches Idealbild und ohne Einhaltung der durch das Recht der GKV vorgegebenen allgemeinen Grenzen einzuräumen (vgl schon bisher BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 15 - Zisidentität; BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr 3, RdNr 11). Die Ansprüche sind vielmehr beschränkt auf einen Zustand, der aus der Sicht eines verständigen Betrachters dem Erscheinungsbild des anderen Geschlechts deutlich angenähert ist.

24

Der Anspruch auf Krankenbehandlung hat sich nach § 27 Abs 1 S 1 SGB V iVm § 2 Abs 1 S 3, § 2 Abs 4, § 12 Abs 1 SGB V daran auszurichten, welche Behandlung unter Beachtung des umfassenden Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit notwendig und ausreichend ist, um das angestrebte, in § 27 Abs 1 S 1 SGB V bezeichnete Behandlungsziel zu erreichen. Hierzu ist unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse nicht nur dem Grunde nach, sondern auch dem Umfang nach zu ermitteln, welche Reichweite der Therapie indiziert ist.

25

In Abkehr von den bisherigen Überlegungen, Transsexuellen zum Erreichen personenstandsrechtlicher Änderungen nach § 8 Abs 1 Nr 4 TSG (bisherige Fassung) eine genitalverändernde Operation abzuverlangen, können sich hierbei die gebotenen individuellen operativen Therapieansätze lediglich auf MAP ohne genitalverändernde Operationen beschränken. Denn neuere wissenschaftliche Erkenntnisse stützen die Relativierung des Operationswunsches in seiner Bedeutung für Diagnose und Therapie Transsexueller (vgl BVerfGE 128, 109 = NJW 2011, 909, RdNr 35 mwN). Insoweit muss medizinisch abgeklärt sein, dass die begehrte Therapie - MAP - geeignet, ausreichend und erforderlich, im Rahmen gleichwertiger Alternativen zudem im engeren Sinne wirtschaftlich ist. Auch der Operationswunsch hinsichtlich einer MAP darf nicht eine Lösungsschablone für etwa verborgene andere psychische Störungen oder Unbehagen mit etablierten Geschlechtsrollenbildern sein, sondern muss aufgrund des Transsexualismus indiziert sein.

26

Die genannten Voraussetzungen sind bei der Klägerin nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG erfüllt. Das LSG zieht die ärztlich gestellte Indikation nicht in medizinischer Hinsicht in Zweifel, sondern hat lediglich in rechtlicher Hinsicht Bedenken gegen die Reichweite des geltend gemachten Anspruchs der Klägerin, indem es der Genitaltransformation mit der anschließenden Möglichkeit eines spontanen Brustwachstums Vorrang vor einer MAP einräumt und diese auch nur bei Entstellung in Erwägung zieht.

27

bb) Der gegenüber der bisherigen Rechtslage geänderte rechtliche Ausgangspunkt des Anspruchs Transsexueller auf geschlechtsangleichende Behandlung schließt es demgegenüber aus, die Reichweite des Anspruchs primär anhand von Kriterien des Behandlungsanspruchs wegen Entstellung zu umreißen. Eine Entstellung begründet einen Anspruch auf Krankenbehandlung wegen einer körperlichen, nicht psychischen Krankheit (vgl zum Ganzen grundlegend BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14, RdNr 13 f mwN). Innerer Grund des Anspruchs Transsexueller auf geschlechtsangleichende Operationen ist es dagegen nicht, eine Entstellung zu heilen oder zu lindern. Ein solcher Anspruch, der bei Entstellung für alle Versicherte, auch für transsexuelle Versicherte besteht, bleibt hiervon unberührt.

28

c) Der Anspruch der Klägerin ist auch nicht wegen ihres bereits vorhandenen Brustansatzes ausgeschlossen. Es steht fest, dass die Klägerin einen Brustumfang hat, der eine medizinisch indizierte MAP erfordert.

29

Ansprüche Transsexueller auf geschlechtsangleichende Behandlung im Sinne medizinisch indizierter MAP sind zusätzlich durch das objektive Erscheinungsbild des Brustumfangs begrenzt. Die hierdurch gezogenen Grenzen sind allerdings weiter, als sie durch die oben dargelegte Rechtsprechung zur Entstellung gezogen sind. Wer als Mann-zu-Frau-Transsexueller - etwa aufgrund einer Hormontherapie - einen Brustansatz entwickelt hat, der die für konfektionierte Damenoberbekleidung vorgesehene Größe A nach DIN EN 13402 bei erfolgter Ausatmung im Rahmen normaler Messung ohne weitere Mittel voll ausfüllt, kann keine MAP beanspruchen (vgl zu DIN EN 13402: Größenbezeichnung von Bekleidung (2001) http://www.beuth.de/langanzeige/DIN-EN-13402-1/de/38031428). Das damit erreichte körperliche Erscheinungsbild bewegt sich nämlich - trotz der großen Vielfalt der Phänotypen bei Männern und Frauen - in einem unzweifelhaft geschlechtstypischen Bereich.

30

Die Grenze trägt auch dem Gleichbehandlungsgebot gemäß Art 3 Abs 1 GG Rechnung. Die Grenzziehung vermeidet es, transsexuellen Versicherten einen umfassenden leistungsrechtlichen Zugang zu kosmetischen Operationen zu eröffnen, der nicht transsexuellen Versicherten von vornherein versperrt ist (vgl dazu zB BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14, RdNr 13 mwN).

31

Nach den unangegriffenen, den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG hat die Mikromastie der Klägerin nicht ein Ausmaß, das nach den dargelegten Kriterien einen Anspruch auf eine MAP ausschließt.

32

2. a) Die Klägerin verschaffte sich aufgrund der Ablehnung ihres Antrags selbst eine solche Leistung, die der beantragten MAP entsprach und notwendig war. Grundsätzlich muss die selbst beschaffte Leistung zu demselben Leistungstyp gehören und auf gleicher Indikationsstellung bei im Wesentlichen unveränderten Verhältnissen beruhen wie die zuvor abgelehnte Leistung (BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 20 RdNr 28). Die in der H. selbst beschaffte MAP entsprach in medizinischer Hinsicht der beantragten, abgelehnten MAP. Sie erfolgte aufgrund andauernder Indikationsstellung ebenfalls in vergleichbarer Weise stationär. Die von der Klägerin selbst beschaffte Leistung war auch in vollem Umfang nach den allgemein anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst notwendig. Geht die selbst beschaffte Leistung über das als Naturalleistung Geschuldete hinaus, ist sie insoweit nicht notwendig. So lag es hier indes nach dem Gesamtzusammenhang der bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG nicht.

33

Ohne Belang ist es hierbei grundsätzlich, dass das von Versicherten - hier: der Klägerin - für die Selbstbeschaffung aufgesuchte Krankenhaus nicht zur Behandlung Versicherter zugelassen ist. Bei rechtswidriger Ablehnung stationärer Behandlung wegen angeblich fehlender medizinischer Notwendigkeit sind die Aufwendungen für die Inanspruchnahme eines nicht zugelassenen Krankenhauses nicht nur - wie es die Entscheidung des erkennenden Senats vom 24.9.1996 (1 RK 33/95 - BSGE 79, 125, 128 = SozR 3-2500 § 13 Nr 11 S 53 - Brustverkleinerung) nahelegen könnte - erstattungsfähig, wenn ein Vertragskrankenhaus mangels ausreichender Informationsmöglichkeiten des Versicherten nicht erreichbar gewesen ist. Versicherte, denen ihre KK rechtswidrig Leistungen verwehrt, sind vielmehr nicht prinzipiell auf die Selbstbeschaffung der Leistungen bei zugelassenen Leistungserbringern verwiesen. Sie müssen sich nur eine der vorenthaltenen Naturalleistung entsprechende Leistung verschaffen, dies aber von vorneherein privatärztlich außerhalb des Leistungssystems (vgl BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 20 RdNr 25 ff - Magenband). Es fehlt insoweit ein innerer Grund, den Kreis der nach ärztlichem Berufsrecht und sonstigem Recht für die Selbstverschaffung der notwendigen entsprechenden privatärztlichen Leistung zulässigen Leistungserbringer einzuschränken. Die Reichweite des Kostenerstattungsanspruchs bestimmt sich auch insoweit maßgeblich nach der konkreten Lücke im Leistungssystem, die er zu schließen hat (vgl hierzu BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, RdNr 18, 23 mwN - UAE). Erzwingt die rechtswidrige Leistungsablehnung der KK eine privatärztliche Selbstverschaffung des Versicherten, ziehen die Bestimmungen für privatärztliche Leistungen und nicht diejenigen für das Naturalleistungssystem die Grenzen für die Verschaffung einer entsprechenden Leistung.

34

Will die KK durch die konkrete Wahl des privatärztlichen Leistungserbringers entstehende Mehrkosten vermeiden, weil zB nicht die Grenzen des gesetzlichen Preisrechts der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) eingreifen, kann sie die Versicherten im Rahmen ihrer die Leistungen ablehnenden Entscheidung spontan auf konkrete günstige Möglichkeiten angemessener Selbstbeschaffung hinweisen. Das hat die Beklagte hier nicht getan. Sie hat der Klägerin von sich aus trotz wiederholter Kontaktaufnahme während des laufenden Widerspruchsverfahrens und der daraus erkennbaren Dringlichkeit des Anliegens eines operativen Brustaufbaus keinerlei Unterstützung bei der Suche nach einer kostengünstigen Krankenhausbehandlung gewährt.

35

Die Ablehnung des Antrags der Klägerin, ihr eine MAP zu gewähren, war auch die wesentliche Ursache der Selbstbeschaffung einer MAP. Insbesondere hatte sich die Klägerin nicht - unabhängig davon, wie eine Entscheidung der Beklagten ausfiel - von vornherein auf eine bestimmte Art der Krankenbehandlung bei einem nicht zugelassenen Leistungserbringer festgelegt (vgl hierzu BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 20 RdNr 29 mwN - Magenband; BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, RdNr 24 - UAE; E. Hauck in H. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Teil II, Bd 1, 19. Aufl, Stand: 1.1.2012, § 13 SGB V RdNr 260 f).

36

b) Weil die Klägerin sich die MAP selbst verschaffte, entstanden ihr bis zum 11.2.2011 Kosten in Höhe von 2792,16 Euro und droht ihr für die Folgezeit eine weitere Kostenbelastung. Ihr entstanden nämlich für die konkret durchgeführte MAP Kosten in Höhe von 5000 Euro (dazu aa) sowie hierfür Kreditfinanzierungskosten (dazu bb).

37

aa) Der H. erwuchs aus der MAP-Behandlung der Klägerin ein rechtswirksamer Vergütungsanspruch in Höhe von 5000 Euro. Die Klägerin und die H. vereinbarten in der Sache bei sinngemäßer Auslegung der Erklärungen der Vertragsparteien und ihrer Interessen einen umfassenden sog totalen Krankenhausaufnahmevertrag ohne Arztzusatzvertrag. Die Rechnung über die vereinbarte Leistung unterfiel nicht etwa den Anforderungen der Vorschriften der GOÄ (neugefasst durch Bekanntmachung vom 9.2.1996, BGBl I 210; zuletzt geändert durch Art 17 Gesetz vom 4.12.2001, BGBl I 3320) oder anderem öffentlich-rechtlichem Preisrecht.

38

(1) Geht es allein um die Kosten einer ärztlichen Behandlung, besteht allerdings ein Vergütungsanspruch des Arztes für eine ärztliche Behandlung nur, wenn er dem Patienten darüber eine ordnungsgemäße Abrechnung nach den Bestimmungen der GOÄ erteilt (vgl dazu zB BSG SozR 4-2500 § 116b Nr 1 RdNr 18 ff - Brachytherapie). Nach § 1 Abs 1 GOÄ bestimmen sich nämlich die Vergütungen für die beruflichen Leistungen der Ärzte nach dieser Verordnung, soweit nicht durch Bundesgesetz etwas anderes bestimmt ist. Der Anwendungsbereich der GOÄ (vgl dazu auch BGHZ 183, 143) ist dagegen nicht eröffnet, weil nicht nur "berufliche Leistungen der Ärzte" Vertragsgegenstand sind, wenn der Patient - wie hier die Klägerin - weitergehend einen umfassenden, sog totalen Krankenhausaufnahmevertrag ohne Arztzusatzvertrag mit dem Träger des Krankenhauses geschlossen hat (vgl Hermanns/Filler/Roscher, GOÄ Komm, 4. Aufl 2010, § 1 S 17 f; Quaas in ders/Zuck, Medizinrecht, 2. Aufl 2008, § 13 RdNr 41 ff; Spickhoff in ders, Medizinrecht, 2011, § 1 GOÄ RdNr 6). In einem solchen Falle schuldet der Träger des Krankenhauses nach näherer Maßgabe der vertraglichen und gesetzlichen Bestimmungen nicht nur ärztliche Leistungen, sondern zusätzlich auch alle anderen medizinisch erforderlichen Leistungen des Krankenhauses, insbesondere auch nichtärztliche pflegerische Betreuung, Unterbringung, Verpflegung und Medikation. Der behandelnde Krankenhausarzt wirkt an der Erfüllung dieser Pflicht des Krankenhausträgers für diesen mit und ist ihm gegenüber verpflichtet. Der behandelnde Krankenhausarzt ist dagegen gegenüber dem Patienten weder zur Erbringung der ärztlichen Leistungen im eigenen Namen verpflichtet noch berechtigt, ihm seine Leistungen in Rechnung zu stellen.

39

(2) Die vereinbarte Vergütung verstieß auch nicht gegen das öffentlich-rechtliche Preisrecht für Krankenhausbehandlungen. Nach § 1 Abs 1 Krankenhausentgeltgesetz(Gesetz über die Entgelte für voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen vom 23.4.2002, hier anzuwenden in der Fassung durch Art 2 Nr 1 Gesetz vom 17.7.2003 BGBl I 1461) werden die vollstationären und teilstationären Leistungen der DRG-Krankenhäuser nach diesem Gesetz und dem Krankenhausfinanzierungsgesetz (Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze vom 29.6.1972, BGBl I 1009, hier anzuwenden idF durch Art 4 Gesetz vom 5.9.2006 BGBl I 2098) vergütet. Gemäß § 1 Abs 2 S 2 Nr 2 KHEntgG gilt dieses Gesetz indes ua nicht für Krankenhäuser, die nach § 5 Abs 1 Nr 2 KHG nicht gefördert werden. Dies sind Krankenhäuser, die nicht die in § 67 Abgabenordnung(hier anzuwenden idF durch Art 10 Nr 7 und Nr 17 Gesetz vom 13.12.2006, BGBl I 2878) bezeichneten Voraussetzungen erfüllen. So liegt es nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG auch bei der H. (vgl auch allgemeine Informationen zur Berechnung der Kosten, abrufbar unter www.h. de). Eine solche aufgrund einer Konzession nach § 30 Abs 1 Gewerbeordnung betriebene Privatkrankenanstalt - wie die H. ist in ihrer Preisgestaltung - in den Grenzen der §§ 134, 138 BGB - grundsätzlich frei(vgl BGH Beschluss vom 21.4.2011 - III ZR 114/10 - RdNr 5, GesR 2011, 492 = MedR 2011, 801; vgl auch BGHZ 154, 154, 158).

40

Vorgaben für das Vergütungsrecht aus dem KHG (3. Abschnitt, §§ 16-26), insbesondere aufgrund von § 17 Abs 5 KHG, greifen für den Vertrag mit der H. über im Jahr 2008 zu erbringende Leistungen nicht ein. Das KHG ist grundsätzlich auch auf Krankenhäuser anwendbar, die nach § 5 Abs 1 Nr 2 KHG nicht gefördert werden. Die nicht geförderten Krankenhäuser sind vom Anwendungsbereich des KHG nicht ausgeschlossen (§ 3 KHG). § 20 S 1 KHG schränkt den Anwendungsbereich des 3. Abschnitts des KHG über Krankenhauspflegesätze für diese Krankenhäuser indes auf die Regelung des § 17 Abs 5 KHG ein. Pflegesätze sind die Entgelte der Benutzer oder ihrer Kostenträger für stationäre und teilstationäre Leistungen des Krankenhauses (§ 2 Nr 4 KHG). Die Vorschriften des 3. Abschnitts mit Ausnahme des § 17 Abs 5 KHG finden ua keine Anwendung auf Krankenhäuser, die nach § 5 Abs 1 Nr 2 KHG nicht gefördert werden(vgl § 20 S 1 KHG). Ohne Belang sind vorliegend die ab 1.1.2012 geltenden Änderungen des § 17 Abs 1 KHG(vgl § 17 Abs 1 S 5 und 6 KHG, eingefügt durch Art 6 Nr 1a GKV-VStG vom 22.12.2011, BGBl I 2983, kritisch hierzu Quaas, GesR 2012, 193).

41

Der Regelungsbereich des § 17 Abs 5 KHG ist indes vorliegend nicht betroffen. § 17 Abs 5 KHG(hier anzuwenden idF durch Art 18 Nr 3 Gesetz vom 26.3.2007 BGBl I 378 mWv 1.7.2008) regelt ausschließlich Fälle der unmittelbaren Leistung von Krankenhäusern an öffentlich-rechtliche Kostenträger und nicht Fälle, in denen sich Versicherte zunächst rechtswidrig abgelehnte Leistungen selbst privat verschaffen und anschließend von ihrer KK Kostenerstattung begehren. Denn nach § 17 Abs 5 S 1 KHG dürfen bei Krankenhäusern, die nach diesem Gesetz nicht oder nur teilweise öffentlich gefördert werden, bloß von Sozialleistungsträgern und sonstigen öffentlich-rechtlichen Kostenträgern keine höheren Pflegesätze gefordert werden, als sie von diesen für Leistungen vergleichbarer nach diesem Gesetz geförderter Krankenhäuser zu entrichten sind. Auch § 17 Abs 5 S 2 KHG ist nicht einschlägig. Er erfasst lediglich Krankenhäuser, die nur deshalb nach diesem Gesetz nicht gefördert werden, weil sie keinen Antrag auf Förderung stellen. Solche Krankenhäuser dürfen auch von einem Krankenhausbenutzer keine höheren als die sich aus § 17 Abs 5 S 1 KHG ergebenden Pflegesätze fordern. Die H. ist indes von vorneherein als nicht förderungsfähige Privatkrankenanstalt konzipiert (vgl zum Problem auch Dettling in Lenz, Dettling, Kieser, Krankenhausrecht 2007, S 95 RdNr 66; Genzel/Degener-Hencke in Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, 4. Aufl 2010, § 89 RdNr 21).

42

(3) Der Vergütungsanspruch der behandelnden Privatklinik ist auch nicht wegen Wuchers nach § 138 Abs 2 BGB oder als sog wucherähnliches Rechtsgeschäft wegen Sittenwidrigkeit gemäß § 138 Abs 1 BGB nichtig. Beide Tatbestände erfordern objektiv ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung (vgl zB BGHZ 104, 102, 104 mwN; BGHZ 128, 255, 257). Die Vergütungen nicht förderungsfähiger Privatkrankenanstalten wie der H., die kein Vertragskrankenhaus sind (§ 108 Nr 3 SGB V), sind mit den Entgelten zu vergleichen, die andere Privatkliniken für vergleichbare Krankenhausleistungen nach einem entsprechenden Abrechnungsmodus verlangen (vgl zum Ganzen BGHZ 154, 154, 159 ff). Es fehlt nach den Feststellungen des LSG jeglicher Hinweis auf ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung in diesem Sinne (vgl auch die Informationen zur Berechnung der Kosten abrufbar unter www.h. de). Die von der Beklagten angestellten Vergleichsberechnungen mit Vergütungen für stationäre Behandlungen von öffentlich geförderten Krankenhäusern und Versorgungskrankenhäusern sind für eine Vergleichsberechnung dagegen nicht geeignet.

43

bb) Die geltend gemachten Zinsen sind als notwendige Beschaffungskosten Teil der Kostenerstattung (vgl BSGE 96,161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, RdNr 29 - UAE). Die Erstattung "in entstandener Höhe" (§ 13 Abs 3 S 1 SGB V) geht insoweit der allgemeinen Regelung des § 44 SGB I vor(vgl zur abweichenden Situation bei Zinsaufwendungen zur Befriedigung einer rechtswidrigen Erstattungsforderung BSGE 76, 233 = SozR 3-1750 § 945 Nr 1). Für die noch ausstehenden Ratenzahlungen ist der Anspruch auf Freistellung gerichtet (vgl zur Freistellung E. Hauck in H. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Teil II, Bd 1, 19. Aufl, Stand: 1.1.2012, § 13 SGB V RdNr 275 f).

44

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 überprüft auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Absatz 2 Satz 1, des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen, der Deutschen Krankenhausgesellschaft oder eines Bundesverbandes der Krankenhausträger Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden oder angewandt werden sollen, daraufhin, ob sie für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse erforderlich sind. Ergibt die Überprüfung, dass der Nutzen einer Methode nicht hinreichend belegt ist und sie nicht das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, insbesondere weil sie schädlich oder unwirksam ist, erlässt der Gemeinsame Bundesausschuss eine entsprechende Richtlinie, wonach die Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zulasten der Krankenkassen erbracht werden darf. Ergibt die Überprüfung, dass der Nutzen einer Methode noch nicht hinreichend belegt ist, sie aber das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss eine Richtlinie zur Erprobung nach § 137e. Nach Abschluss der Erprobung erlässt der Gemeinsame Bundesausschuss eine Richtlinie, wonach die Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zulasten der Krankenkassen erbracht werden darf, wenn die Überprüfung unter Hinzuziehung der durch die Erprobung gewonnenen Erkenntnisse ergibt, dass die Methode nicht den Kriterien nach Satz 1 entspricht. Die Beschlussfassung über die Annahme eines Antrags nach Satz 1 muss spätestens drei Monate nach Antragseingang erfolgen. Das sich anschließende Methodenbewertungsverfahren ist in der Regel innerhalb von spätestens drei Jahren abzuschließen, es sei denn, dass auch bei Straffung des Verfahrens im Einzelfall eine längere Verfahrensdauer erforderlich ist.

(2) Wird eine Beanstandung des Bundesministeriums für Gesundheit nach § 94 Abs. 1 Satz 2 nicht innerhalb der von ihm gesetzten Frist behoben, kann das Bundesministerium die Richtlinie erlassen. Ab dem Tag des Inkrafttretens einer Richtlinie nach Absatz 1 Satz 2 oder 4 darf die ausgeschlossene Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden; die Durchführung klinischer Studien bleibt von einem Ausschluss nach Absatz 1 Satz 4 unberührt.

(3) Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der Gemeinsame Bundesausschuss bisher keine Entscheidung nach Absatz 1 getroffen hat, dürfen im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt und von den Versicherten beansprucht werden, wenn sie das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten und ihre Anwendung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt, sie also insbesondere medizinisch indiziert und notwendig ist. Dies gilt sowohl für Methoden, für die noch kein Antrag nach Absatz 1 Satz 1 gestellt wurde, als auch für Methoden, deren Bewertung nach Absatz 1 noch nicht abgeschlossen ist.

(1) Gelangt der Gemeinsame Bundesausschuss bei der Prüfung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden nach § 135 oder § 137c zu der Feststellung, dass eine Methode das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, ihr Nutzen aber noch nicht hinreichend belegt ist, muss der Gemeinsame Bundesausschuss unter Aussetzung seines Bewertungsverfahrens gleichzeitig eine Richtlinie zur Erprobung beschließen, um die notwendigen Erkenntnisse für die Bewertung des Nutzens der Methode zu gewinnen. Aufgrund der Richtlinie wird die Untersuchungs- oder Behandlungsmethode in einem befristeten Zeitraum im Rahmen der Krankenbehandlung oder der Früherkennung zulasten der Krankenkassen erbracht.

(2) Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt in der Richtlinie nach Absatz 1 Satz 1 die in die Erprobung einbezogenen Indikationen und die sächlichen, personellen und sonstigen Anforderungen an die Qualität der Leistungserbringung im Rahmen der Erprobung. Er legt zudem Anforderungen an die Durchführung, die wissenschaftliche Begleitung und die Auswertung der Erprobung fest. Für Krankenhäuser, die nicht an der Erprobung teilnehmen, kann der Gemeinsame Bundesausschuss nach den §§ 136 bis 136b Anforderungen an die Qualität der Leistungserbringung regeln. Die Anforderungen an die Erprobung haben unter Berücksichtigung der Versorgungsrealität zu gewährleisten, dass die Erprobung und die Leistungserbringung durchgeführt werden können. Die Erprobung hat innerhalb von 18 Monaten nach Inkrafttreten des Beschlusses über die Erprobungsrichtlinie zu beginnen. Eine Erprobung beginnt mit der Behandlung der Versicherten im Rahmen der Erprobung. Kommt eine Erprobung nicht fristgerecht zustande, hat der Gemeinsame Bundesausschuss seine Vorgaben in der Erprobungsrichtlinie innerhalb von drei Monaten zu überprüfen und anzupassen und dem Bundesministerium für Gesundheit über die Überprüfung und Anpassung der Erprobungsrichtlinie und Maßnahmen zur Förderung der Erprobung zu berichten.

(3) An der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Leistungserbringer und nach § 108 zugelassene Krankenhäuser können in dem erforderlichen Umfang an der Erprobung einer Untersuchungs- oder Behandlungsmethode teilnehmen, wenn sie gegenüber der wissenschaftlichen Institution nach Absatz 5 nachweisen, dass sie die Anforderungen nach Absatz 2 erfüllen.

(4) Die von den Leistungserbringern nach Absatz 3 im Rahmen der Erprobung erbrachten und verordneten Leistungen werden unmittelbar von den Krankenkassen vergütet. Bei voll- und teilstationären Krankenhausleistungen werden diese durch Entgelte nach § 17b oder § 17d des Krankenhausfinanzierungsgesetzes oder nach der Bundespflegesatzverordnung vergütet. Kommt für eine neue Untersuchungs- oder Behandlungsmethode, die mit pauschalierten Pflegesätzen nach § 17 Absatz 1a des Krankenhausfinanzierungsgesetzes noch nicht sachgerecht vergütet werden kann, eine sich auf den gesamten Erprobungszeitraum beziehende Vereinbarung nach § 6 Absatz 2 Satz 1 des Krankenhausentgeltgesetzes oder nach § 6 Absatz 4 Satz 1 der Bundespflegesatzverordnung nicht innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten des Beschlusses über die Erprobungsrichtlinie zustande, wird ihr Inhalt durch die Schiedsstelle nach § 13 des Krankenhausentgeltgesetzes oder nach § 13 der Bundespflegesatzverordnung festgelegt. Bei Methoden, die auch ambulant angewandt werden können, wird die Höhe der Vergütung für die ambulante Leistungserbringung durch den ergänzten Bewertungsausschuss in der Zusammensetzung nach § 87 Absatz 5a im einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten des Beschlusses über die Erprobungsrichtlinie geregelt. Kommt ein Beschluss des ergänzten Bewertungsausschusses nicht fristgerecht zustande, entscheidet der ergänzte erweiterte Bewertungsausschuss im Verfahren nach § 87 Absatz 5a Satz 2 bis 7. Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts haben keine aufschiebende Wirkung. Für die Abrechnung der ambulanten Leistungserbringung nach Satz 4 gilt § 295 Absatz 1b Satz 1 entsprechend; das Nähere über Form und Inhalt des Abrechnungsverfahrens sowie über die erforderlichen Vordrucke für die Abrechnung und die Verordnung von Leistungen einschließlich der Kennzeichnung dieser Vordrucke regeln der Spitzenverband Bund der Krankenkassen, die Deutsche Krankenhausgesellschaft und die Kassenärztliche Bundesvereinigung in einer Vereinbarung. Kommt eine Vereinbarung nach Satz 7 ganz oder teilweise nicht zustande, entscheidet auf Antrag einer Vertragspartei das sektorenübergreifende Schiedsgremium auf Bundesebene gemäß § 89a.

(5) Für die wissenschaftliche Begleitung und Auswertung der Erprobung schließt der Gemeinsame Bundesausschuss mit den maßgeblichen Wissenschaftsverbänden einen Rahmenvertrag, der insbesondere die Unabhängigkeit der beteiligten wissenschaftlichen Institutionen gewährleistet, oder beauftragt eigenständig eine unabhängige wissenschaftliche Institution. An der Erprobung beteiligte Medizinproduktehersteller oder Unternehmen, die als Anbieter der zu erprobenden Methode ein wirtschaftliches Interesse an einer Erbringung zulasten der Krankenkassen haben, können auch selbst eine unabhängige wissenschaftliche Institution auf eigene Kosten mit der wissenschaftlichen Begleitung und Auswertung der Erprobung beauftragen, wenn sie diese Absicht innerhalb eines vom Gemeinsamen Bundesausschuss bestimmten Zeitraums nach Inkrafttreten der Richtlinie nach Absatz 1, der zwei Monate nicht unterschreiten darf, dem Gemeinsamen Bundesausschuss mitteilen. Die an der Erprobung teilnehmenden Leistungserbringer sind verpflichtet, die für die wissenschaftliche Begleitung und Auswertung erforderlichen Daten zu dokumentieren und der beauftragten Institution zur Verfügung zu stellen. Sofern hierfür personenbezogene Daten der Versicherten benötigt werden, ist vorher deren Einwilligung einzuholen. Für den zusätzlichen Aufwand im Zusammenhang mit der Durchführung der Erprobung erhalten die an der Erprobung teilnehmenden Leistungserbringer von der beauftragten Institution eine angemessene Aufwandsentschädigung.

(6) Die Kosten einer von ihm nach Absatz 5 Satz 1 rahmenvertraglich veranlassten oder eigenständig beauftragten wissenschaftlichen Begleitung und Auswertung der Erprobung trägt der Gemeinsame Bundesausschuss.

(7) Unabhängig von einem Beratungsverfahren nach § 135 oder § 137c können Hersteller eines Medizinprodukts, auf dessen Einsatz die technische Anwendung einer neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode maßgeblich beruht, und Unternehmen, die in sonstiger Weise als Anbieter einer neuen Methode ein wirtschaftliches Interesse an einer Erbringung zulasten der Krankenkassen haben, beim Gemeinsamen Bundesausschuss beantragen, dass dieser eine Richtlinie zur Erprobung der neuen Methode nach Absatz 1 beschließt. Der Antragsteller hat aussagekräftige Unterlagen vorzulegen, aus denen hervorgeht, dass die Methode hinreichendes Potenzial für eine Erprobung bietet. Der Gemeinsame Bundesausschuss entscheidet innerhalb von drei Monaten nach Antragstellung auf der Grundlage der vom Antragsteller zur Begründung seines Antrags vorgelegten Unterlagen. Beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss eine Erprobung, entscheidet er im Anschluss an die Erprobung auf der Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse unverzüglich über eine Richtlinie nach § 135 oder § 137c. Die Möglichkeit einer Aussetzung des Bewertungsverfahrens im Falle des Fehlens noch erforderlicher Erkenntnisse bleibt unberührt. Die Kostentragung hinsichtlich der wissenschaftlichen Begleitung und Auswertung der Erprobung richtet sich nach Absatz 5 Satz 2 oder Absatz 6. Wenn der Gemeinsame Bundesausschuss die Durchführung einer Erprobung ablehnt, weil er den Nutzen der Methode bereits als hinreichend belegt ansieht, gilt Satz 4 entsprechend.

(8) Der Gemeinsame Bundesausschuss berät Hersteller von Medizinprodukten und sonstige Unternehmen im Sinne von Absatz 7 Satz 1 zu den Voraussetzungen der Erbringung einer Untersuchungs- oder Behandlungsmethode zulasten der Krankenkassen, zu dem Verfahren der Erprobung sowie zu der Möglichkeit, anstelle des Gemeinsamen Bundesausschusses eine unabhängige wissenschaftliche Institution auf eigene Kosten mit der wissenschaftlichen Begleitung und Auswertung der Erprobung zu beauftragen. Das Nähere einschließlich der Erstattung der für diese Beratung entstandenen Kosten ist in der Verfahrensordnung zu regeln.

(1) Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürfen in der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Abs. 2 Satz 1, einer Kassenärztlichen Bundesvereinigung, einer Kassenärztlichen Vereinigung oder des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Empfehlungen abgegeben hat über

1.
die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit - auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachte Methoden - nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung,
2.
die notwendige Qualifikation der Ärzte, die apparativen Anforderungen sowie Anforderungen an Maßnahmen der Qualitätssicherung, um eine sachgerechte Anwendung der neuen Methode zu sichern, und
3.
die erforderlichen Aufzeichnungen über die ärztliche Behandlung.
Der Gemeinsame Bundesausschuss überprüft die zu Lasten der Krankenkassen erbrachten vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Leistungen daraufhin, ob sie den Kriterien nach Satz 1 Nr. 1 entsprechen. Falls die Überprüfung ergibt, daß diese Kriterien nicht erfüllt werden, dürfen die Leistungen nicht mehr als vertragsärztliche oder vertragszahnärztliche Leistungen zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden. Die Beschlussfassung über die Annahme eines Antrags nach Satz 1 muss spätestens drei Monate nach Antragseingang erfolgen. Das sich anschließende Methodenbewertungsverfahren ist innerhalb von zwei Jahren abzuschließen. Bestehen nach dem Beratungsverlauf im Gemeinsamen Bundesausschuss ein halbes Jahr vor Fristablauf konkrete Anhaltspunkte dafür, dass eine fristgerechte Beschlussfassung nicht zustande kommt, haben die unparteiischen Mitglieder gemeinsam einen eigenen Beschlussvorschlag für eine fristgerechte Entscheidung vorzulegen; die Geschäftsführung ist mit der Vorbereitung des Beschlussvorschlags zu beauftragen. Der Beschlussvorschlag der unparteiischen Mitglieder muss Regelungen zu den notwendigen Anforderungen nach Satz 1 Nummer 2 und 3 enthalten, wenn die unparteiischen Mitglieder vorschlagen, dass die Methode die Kriterien nach Satz 1 Nummer 1 erfüllt. Der Beschlussvorschlag der unparteiischen Mitglieder muss Vorgaben für einen Beschluss einer Richtlinie nach § 137e Absatz 1 und 2 enthalten, wenn die unparteiischen Mitglieder vorschlagen, dass die Methode das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, ihr Nutzen aber noch nicht hinreichend belegt ist. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat innerhalb der in Satz 5 genannten Frist über den Vorschlag der unparteiischen Mitglieder zu entscheiden.

(1a) Für ein Methodenbewertungsverfahren, für das der Antrag nach Absatz 1 Satz 1 vor dem 31. Dezember 2018 angenommen wurde, gilt Absatz 1 mit der Maßgabe, dass das Methodenbewertungsverfahren abweichend von Absatz 1 Satz 5 erst bis zum 31. Dezember 2020 abzuschließen ist.

(2) Für ärztliche und zahnärztliche Leistungen, welche wegen der Anforderungen an ihre Ausführung oder wegen der Neuheit des Verfahrens besonderer Kenntnisse und Erfahrungen (Fachkundenachweis), einer besonderen Praxisausstattung oder anderer Anforderungen an die Versorgungsqualität bedürfen, können die Partner der Bundesmantelverträge einheitlich entsprechende Voraussetzungen für die Ausführung und Abrechnung dieser Leistungen vereinbaren. Soweit für die notwendigen Kenntnisse und Erfahrungen, welche als Qualifikation vorausgesetzt werden müssen, in landesrechtlichen Regelungen zur ärztlichen Berufsausübung, insbesondere solchen des Facharztrechts, bundesweit inhaltsgleich und hinsichtlich der Qualitätsvoraussetzungen nach Satz 1 gleichwertige Qualifikationen eingeführt sind, sind diese notwendige und ausreichende Voraussetzung. Wird die Erbringung ärztlicher Leistungen erstmalig von einer Qualifikation abhängig gemacht, so können die Vertragspartner für Ärzte, welche entsprechende Qualifikationen nicht während einer Weiterbildung erworben haben, übergangsweise Qualifikationen einführen, welche dem Kenntnis- und Erfahrungsstand der facharztrechtlichen Regelungen entsprechen müssen. Abweichend von Satz 2 können die Vertragspartner nach Satz 1 zur Sicherung der Qualität und der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung Regelungen treffen, nach denen die Erbringung bestimmter medizinisch-technischer Leistungen den Fachärzten vorbehalten ist, für die diese Leistungen zum Kern ihres Fachgebietes gehören. Die nach der Rechtsverordnung nach § 140g anerkannten Organisationen sind vor dem Abschluss von Vereinbarungen nach Satz 1 in die Beratungen der Vertragspartner einzubeziehen; die Organisationen benennen hierzu sachkundige Personen. § 140f Absatz 5 gilt entsprechend. Das Nähere zum Verfahren vereinbaren die Vertragspartner nach Satz 1. Für die Vereinbarungen nach diesem Absatz gilt § 87 Absatz 6 Satz 10 entsprechend.

(3) bis (6) (weggefallen)

(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlossen. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen.

(1a) Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, können auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die Krankenkasse erteilt für Leistungen nach Satz 1 vor Beginn der Behandlung eine Kostenübernahmeerklärung, wenn Versicherte oder behandelnde Leistungserbringer dies beantragen. Mit der Kostenübernahmeerklärung wird die Abrechnungsmöglichkeit der Leistung nach Satz 1 festgestellt.

(2) Die Versicherten erhalten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Neunte Buch nichts Abweichendes vorsehen. Die Leistungen werden auf Antrag durch ein Persönliches Budget erbracht; § 29 des Neunten Buches gilt entsprechend. Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels Verträge mit den Leistungserbringern.

(3) Bei der Auswahl der Leistungserbringer ist ihre Vielfalt zu beachten. Den religiösen Bedürfnissen der Versicherten ist Rechnung zu tragen.

(4) Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherte haben darauf zu achten, daß die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden.

(1) Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.

(2) Ist für eine Leistung ein Festbetrag festgesetzt, erfüllt die Krankenkasse ihre Leistungspflicht mit dem Festbetrag.

(3) Hat die Krankenkasse Leistungen ohne Rechtsgrundlage oder entgegen geltendem Recht erbracht und hat ein Vorstandsmitglied hiervon gewußt oder hätte es hiervon wissen müssen, hat die zuständige Aufsichtsbehörde nach Anhörung des Vorstandsmitglieds den Verwaltungsrat zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat das Regreßverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 überprüft auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Absatz 2 Satz 1, des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen, der Deutschen Krankenhausgesellschaft oder eines Bundesverbandes der Krankenhausträger Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden oder angewandt werden sollen, daraufhin, ob sie für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse erforderlich sind. Ergibt die Überprüfung, dass der Nutzen einer Methode nicht hinreichend belegt ist und sie nicht das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, insbesondere weil sie schädlich oder unwirksam ist, erlässt der Gemeinsame Bundesausschuss eine entsprechende Richtlinie, wonach die Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zulasten der Krankenkassen erbracht werden darf. Ergibt die Überprüfung, dass der Nutzen einer Methode noch nicht hinreichend belegt ist, sie aber das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss eine Richtlinie zur Erprobung nach § 137e. Nach Abschluss der Erprobung erlässt der Gemeinsame Bundesausschuss eine Richtlinie, wonach die Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zulasten der Krankenkassen erbracht werden darf, wenn die Überprüfung unter Hinzuziehung der durch die Erprobung gewonnenen Erkenntnisse ergibt, dass die Methode nicht den Kriterien nach Satz 1 entspricht. Die Beschlussfassung über die Annahme eines Antrags nach Satz 1 muss spätestens drei Monate nach Antragseingang erfolgen. Das sich anschließende Methodenbewertungsverfahren ist in der Regel innerhalb von spätestens drei Jahren abzuschließen, es sei denn, dass auch bei Straffung des Verfahrens im Einzelfall eine längere Verfahrensdauer erforderlich ist.

(2) Wird eine Beanstandung des Bundesministeriums für Gesundheit nach § 94 Abs. 1 Satz 2 nicht innerhalb der von ihm gesetzten Frist behoben, kann das Bundesministerium die Richtlinie erlassen. Ab dem Tag des Inkrafttretens einer Richtlinie nach Absatz 1 Satz 2 oder 4 darf die ausgeschlossene Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden; die Durchführung klinischer Studien bleibt von einem Ausschluss nach Absatz 1 Satz 4 unberührt.

(3) Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der Gemeinsame Bundesausschuss bisher keine Entscheidung nach Absatz 1 getroffen hat, dürfen im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt und von den Versicherten beansprucht werden, wenn sie das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten und ihre Anwendung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt, sie also insbesondere medizinisch indiziert und notwendig ist. Dies gilt sowohl für Methoden, für die noch kein Antrag nach Absatz 1 Satz 1 gestellt wurde, als auch für Methoden, deren Bewertung nach Absatz 1 noch nicht abgeschlossen ist.

(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlossen. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen.

(1a) Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, können auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die Krankenkasse erteilt für Leistungen nach Satz 1 vor Beginn der Behandlung eine Kostenübernahmeerklärung, wenn Versicherte oder behandelnde Leistungserbringer dies beantragen. Mit der Kostenübernahmeerklärung wird die Abrechnungsmöglichkeit der Leistung nach Satz 1 festgestellt.

(2) Die Versicherten erhalten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Neunte Buch nichts Abweichendes vorsehen. Die Leistungen werden auf Antrag durch ein Persönliches Budget erbracht; § 29 des Neunten Buches gilt entsprechend. Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels Verträge mit den Leistungserbringern.

(3) Bei der Auswahl der Leistungserbringer ist ihre Vielfalt zu beachten. Den religiösen Bedürfnissen der Versicherten ist Rechnung zu tragen.

(4) Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherte haben darauf zu achten, daß die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 27. Januar 2012 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 7055,12 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Der Kläger betreibt ein nach § 108 Nr 1 SGB V zur Versorgung von Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassenes Hochschulklinikum. In der dortigen Abteilung Kinderheilkunde I mit Poliklinik wurde der am 1984 geborene, bei der Beklagten versicherte R. H. (Versicherter) im September 2000 wegen eines T-zellreichen B-Zell-non-Hodgkin-Lymphoms (in der Folge: NHL) mit einer konventionellen Chemotherapie behandelt. Aufgrund eines im Dezember 2003 festgestellten Rezidivs erhielt der Versicherte im Januar 2004 zunächst erneut eine konventionelle Chemotherapie. In der Zeit vom 7.4. bis 7.5.2004 behandelte der Kläger den Versicherten zudem stationär mit Hochdosischemotherapie und autologer Stammzellgabe. Am 17.4.2004 erhielt der Versicherte autologe periphere Blutstammzellen, bei denen eine CD34+-Anreicherung durchgeführt worden war. Bei der CD34+-Anreicherung handelt es sich um eine Form der in-vitro Aufbereitung, mit der mögliche Tumorzellen aus dem Stammzellentransplantat entfernt werden sollen (in der Folge: in-vitro Aufbereitung).

2

Der Kläger stellte der Beklagten am 31.5.2004 auf der Basis der Diagnosis Related Group (DRG) A15b (Knochenmarktransplantation/Stammzellentransfusion, autogen, mit in-vitro Aufbereitung > 18 Jahre) nach dem Fallpauschalen-Katalog 2004 insgesamt 33 966,75 Euro in Rechnung. Die Beklagte bezahlte diesen Betrag und beauftragte sodann den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit einer Rechnungsprüfung. Dieser kam in seinem Gutachten vom 13.9.2004 zu dem Ergebnis, dass eine CD34+-Anreicherung eindeutig nicht dem evidenzbasierten Standard entspreche. Ein klinischer Nutzen gegenüber der autologen Stammzellentransplantation ohne in-vitro Aufbereitung sei nicht belegt. Somit sei die Behandlung unwirtschaftlich. Es werde eine Abrechnung der erbrachten Leistung nach der DRG A15c (Knochenmarktransplantation/Stammzellentransfusion, autogen, ohne in-vitro Aufbereitung) empfohlen. Im weiteren Verfahren verwies der MDK darauf, dass sich aus den für erwachsene Patienten zur Verfügung stehenden Studien keine Senkung der Rückfallquote und auch keine Verbesserung der Überlebensrate ergebe. Die Beklagte ermittelte unter Zugrundelegung der DRG A15c einen Rechnungsbetrag von 26 913,63 Euro und forderte mit Schreiben vom 15.9.2004 vom Kläger 7055,12 Euro zurück. Diesen Betrag rechnete sie am 10.11.2004 gegen Forderungen des Klägers aus anderen Behandlungsfällen auf.

3

Der Kläger trat den Ausführungen des MDK durch die Vorlage verschiedener Stellungnahmen von Prof. Dr. L. entgegen, der auch der behandelnde Oberarzt des Versicherten war. Trotz des nunmehrigen Alters des Versicherten sei von einer pädiatrischen Erkrankung auszugehen, da diese erstmals im Kindesalter aufgetreten sei. Studien mit erwachsenen Patienten seien deshalb nicht maßgeblich. Vergleichsstudien mit pädiatrischen Patienten hingegen ergäben keine einheitliche Datenlage. Die Ersterkrankung des Versicherten sei im Rahmen der Therapieoptimierungsstudie NHL-BFM 95 im Kindes- und Jugendalter von Prof. Dr. R., Universität G., und damit auf der Behandlungsgrundlage für jede NHL-Erkrankung im Kindes- und Jugendalter therapiert worden. Die weitere Therapie des Versicherten, insbesondere des Rezidivs, sei in Rücksprache mit der NHL-BFM-Studienzentrale erfolgt. Die klägerische Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, in der die streitige Behandlung des Versicherten erfolgt sei, verfüge über eigene langjährige Erfahrungen mit der Transplantatbearbeitung bei autologen Stammzellentransplantationen. Die Ergebnisse von entsprechenden Projekten seien in den Jahren 1997 bis 2003 veröffentlicht worden. Die beim Versicherten angewandte Therapie sei das Ergebnis eigener Erfahrungen und Plausibilitätsüberlegungen der Klinik gewesen. Der Versicherte wäre in anderen hämatologisch-onkologischen Zentren der Kinderkliniken mit sehr großer Wahrscheinlichkeit genauso behandelt worden.

4

Das SG hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger 7055,12 Euro nebst Zinsen seit dem 10.11.2004 zu zahlen, weil die streitige Behandlung zum Zeitpunkt ihrer Anwendung nicht nach § 137c SGB V ausgeschlossen und jedenfalls vertretbar gewesen sei(Urteil vom 23.11.2009). Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG die Entscheidung des SG geändert und die Klage abgewiesen (Urteil vom 27.1.2012): Der vom Kläger geltend gemachte restliche Vergütungsanspruch bestehe nicht, da die ihm zugrunde liegende Behandlung bereits zum Zeitpunkt ihrer Anwendung nicht mehr den Qualitätsanforderungen des SGB V entsprochen habe.

5

Mit der vom LSG zugelassenen Revision macht der Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts geltend. Das LSG sei entgegen §§ 135 ff SGB V davon ausgegangen, dass auch nach § 137c SGB V vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) von der Leistungspflicht in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nicht ausgeschlossene Behandlungsmethoden im Einzelfall auf ihre Wirtschaftlichkeit hin überprüft werden könnten. Dieser Auslegung widersprächen sowohl Gesetzessystematik als auch -wortlaut. Es sei zu klären, ob die - vom LSG in Bezug genommene - neuere Rechtsprechung des 1. Senats des BSG auf den vorliegenden Fall bzw vergleichbare Fällen anzuwenden sei, weil es sich um eine Hochschulklinik handele, die gerade in dem hier fraglichen Behandlungsbereich der Versorgung onkologischer Krankheitsbilder über eine unbestritten international anerkannte Erfahrung verfüge. Das LSG habe weiter gegen § 2 Abs 1 S 3 SGB V verstoßen, indem es unberücksichtigt gelassen habe, dass neben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse auch der medizinische Fortschritt maßgeblich sei, so dass ebenso die Meinung weniger namhafter Spezialisten zu berücksichtigen sei. Weiter werde gegen § 6 Abs 2 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) verstoßen, da auch dort von einer ausschließlichen Kompetenz des GBA zur Bewertung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden im Krankenhaus ausgegangen werde. Die Entscheidung des LSG sei schließlich unter mehrfacher Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes zustande gekommen. Insbesondere habe sich das LSG mit den in der letzten mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträgen nicht befasst.

6

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 27.1.2012 zu ändern und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 23.11.2009 zurückzuweisen.

7

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision des Klägers ist nicht begründet. Die Entscheidung des LSG, das Urteil des SG zu ändern und die Zahlungsklage abzuweisen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf weitergehendes Entgelt für Krankenhausleistungen, da die Beklagte insoweit gegen die Klageforderung rechtswirksam mit einer gleichartigen und erfüllbaren Gegenforderung aufgerechnet hat (dazu 1.). Grundlage der Aufrechnung ist ein Erstattungsanspruch der Beklagten wegen des überzahlten Krankenhausentgelts für die im Rahmen der Behandlung des Versicherten durchgeführte in-vitro Aufbereitung. Auf dieses Entgelt hatte der Kläger keinen Anspruch, da die Behandlung insoweit nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprach (dazu 2.). An diesem Stand war die im April/Mai 2004 erfolgte Krankenhausbehandlung zu messen, obgleich die Behandlungsmethode nicht nach § 137c Abs 1 S 2 SGB V durch den GBA als Leistung der GKV ausgeschlossen war(dazu 3.). Der Kläger kann seinen Anspruch auch nicht auf die Grundsätze eines Seltenheitsfalles (dazu 4.) oder auf eine grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungsanspruchs des Versicherten (dazu 5.) stützen. Seine Verfahrensrügen sind schließlich ebenfalls unbegründet (dazu 6.).

9

1. Dem zulässig im Wege der Leistungsklage (vgl dazu BSGE 86, 166, 167 f = SozR 3-2500 § 112 Nr 1) geltend gemachten Anspruch des Krankenhauses steht die Aufrechnung der Beklagten mit der streitigen Erstattungsforderung entgegen. Zwar hat das LSG weder ausdrücklich noch konkludent festgestellt, welche Vergütungsansprüche (Hauptforderung) der Kläger aufgrund welcher konkreten Krankenhausbehandlung geltend macht. Die Beteiligten haben aber übereinstimmend als selbstverständlich vorausgesetzt, dass dem Kläger gegen die Beklagte - ohne Berücksichtigung der streitigen Gegenforderung - laufende Zahlungsansprüche aus Anlass der Krankenhausbehandlung von Versicherten der Beklagten in Höhe von weiteren 7055,12 Euro erwachsen sind. Da die Beklagte sich gegenüber der Klage ausschließlich im Wege der Primäraufrechnung mit einer Gegenforderung verteidigt, steht die Klageforderung (Hauptforderung) selbst außer Streit (vgl zu einer entsprechenden Prozesssituation BSGE 93, 137 = SozR 4-2500 § 137c Nr 2, jeweils RdNr 6).

10

2. Die Beklagte konnte gegen die Hauptforderung des Klägers in Höhe von 7055,12 Euro aufrechnen. Denn in diesem Umfang hat sie für die stationäre Behandlung des Versicherten in der Zeit April/Mai 2004 Krankenhausentgelt ohne Rechtsgrund gezahlt, weil dem Kläger insoweit kein Vergütungsanspruch zustand (zum öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch bei Überzahlung von Krankenhausentgelten vgl BSGE 93, 137 = SozR 4-2500 § 137c Nr 2, jeweils RdNr 8 f).

11

a) Der Zahlungsanspruch des Krankenhauses korrespondiert mit dem Anspruch des Versicherten auf Krankenhausbehandlung (BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, jeweils RdNr 13; BSGE 100, 164 = SozR 4-2500 § 39 Nr 12, jeweils RdNr 13; BSGE 86, 166, 168 = SozR 3-2500 § 112 Nr 1 S 3). Nach dem seit 1993 unverändert geltenden § 39 Abs 1 S 2 SGB V haben Versicherte Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist (…). Dabei umfasst die Krankenhausbehandlung im Rahmen des Versorgungsauftrages des Krankenhauses alle Leistungen, die im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinische Versorgung der Versicherten im Krankenhaus notwendig sind (§ 39 Abs 1 S 3 Halbs 1 SGB V). Die Leistungspflicht der GKV besteht aber nicht uneingeschränkt für jede Art von medizinischer Versorgung; alle Behandlungsformen, auch solche im Krankenhaus, müssen vielmehr den in §§ 2 Abs 1, 12 Abs 1 und 28 Abs 1 SGB V für die gesamte GKV festgelegten Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitskriterien genügen(so bereits BSGE 93, 137 = SozR 4-2500 § 137c Nr 2, jeweils RdNr 10 mwN; BSGE 101, 177 = SozR 4-2500 § 109 Nr 6, jeweils RdNr 51 ff; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 18 RdNr 23).

12

b) Nach § 28 Abs 1 SGB V, auf den § 39 SGB V ausdrücklich Bezug nimmt, umfasst die ärztliche Behandlung die Tätigkeit des Arztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Krankheiten nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist. § 2 Abs 1 S 3 SGB V bestimmt allgemein, dass die Leistungen der Krankenversicherung nach Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen haben. Den Qualitätskriterien des § 2 Abs 1 S 3 SGB V schließlich entspricht eine Behandlung, wenn die "große Mehrheit der einschlägigen Fachleute (Ärzte, Wissenschaftler)" die Behandlungsmethode befürwortet und von einzelnen, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, über die Zweckmäßigkeit der Therapie Konsens besteht. Dieses setzt im Regelfall voraus, dass über Qualität und Wirksamkeit der Methode zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen gemacht werden können. Der Erfolg muss sich aus wissenschaftlich einwandfrei durchgeführten Studien über die Zahl der behandelten Fälle und die Wirksamkeit der Methode ablesen lassen. Die Therapie muss in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen erfolgreich gewesen sein (BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 5 RdNr 22, 24 ff mwN; BSG SozR 3-2500 § 92 Nr 12 S 71; BSG SozR 3-2500 § 18 Nr 6 S 23; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 38 RdNr 21 für den Bereich Hilfsmittel). Als Basis für die Herausbildung eines Konsenses können alle international zugänglichen einschlägigen Studien dienen; in ihrer Gesamtheit kennzeichnen sie den Stand der medizinischen Erkenntnisse (BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 5 RdNr 29).

13

c) Diesen Anforderungen wurde die streitige in-vitro Aufbereitung zum hier maßgeblichen Zeitpunkt April/Mai 2004 (zur Maßgeblichkeit des Behandlungszeitpunkts für die Beurteilung, ob eine Behandlungsmethode zum Leistungskatalog der Krankenkasse gehört, vgl BSG SozR 3-2500 § 135 Nr 12) nicht gerecht. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Versicherte nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse wie ein Kind oder wie ein Erwachsener zu behandeln war. Denn gesicherte Erkenntnisse über die Wirksamkeit und Zweckmäßigkeit der streitigen in-vitro Aufbereitung sind in beiden Fällen weder vom Kläger benannt worden noch haben sich dafür im Laufe der Verfahrens andere Anhaltspunkte ergeben (zur Feststellung als generelle Tatsache, ob eine Untersuchungs- oder Behandlungsmethode dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht, vgl BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 38 RdNr 23; BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 5 RdNr 18; BSG SozR 3-2500 § 18 Nr 6 S 26 f; BSGE 84, 90, 97 = SozR 3-2500 § 18 Nr 4 S 19). Die vom Kläger benannten Studien bzw Veröffentlichungen dokumentieren zwar in Einzelfällen Überlebensvorteile bei Patienten mit in-vitro gereinigten Transplantaten bzw mit Transplantaten ohne Tumorzellen. Dieselben Studien stellen allerdings gleichzeitig fest, dass die Ursache hierfür unklar bzw dieses Ergebnis in anderen Studien unbestätigt geblieben ist (Alvarnas JC et alt 2004). Auch soweit in der Studie "Granena et alt 1999" ein signifikanter Überlebensvorteil für Hochrisiko-Patienten mit akuter lymphatischer Leukämie nach Behandlung mit in-vitro gereinigtem Transplantat festgestellt wird, fordern die Verfasser im Anschluss gleichwohl die Durchführung einer Studie der Phase III, sehen selbst also ebenfalls noch keine gesicherte Wirksamkeit der Methode. Wie das LSG im Einzelnen ausführlich dargelegt hat (Urteilsumdruck S 27 ff), was im Revisionsverfahren nicht mit Verfahrensrügen angegriffen worden und deshalb für den Senat verbindlich (§ 163 SGG) festgestellt ist, finden sich weitere Studien und Veröffentlichungen, die keine verlässlichen Aussagen über die Wirksamkeit der streitigen in-vitro Aufbereitung hinsichtlich Überlebensvorteil oder Rezidivfreiheit zulassen, so dass beim Vergleich von Patienten mit und ohne in-vitro Aufbereitung signifikante und statistisch aussagekräftige Unterschiede im Hinblick auf Rezidivrate, rezidivfreie Überlebenszeit oder Gesamtüberlebenszeit gerade nicht festgestellt werden konnten. Nach der zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden Studienlage ergibt sich damit kein wissenschaftlicher Konsens über die Wirksamkeit der in-vitro Aufbereitung. Dies wird schließlich auch vom Kläger selbst eingeräumt, wenn er selbst für den aus seiner Sicht allein maßgeblichen pädiatrischen Bereich auf eine damals nicht einheitliche Datenlage verweist (Schriftsatz vom 26.2.2013, S 1).

14

Konsensfähige medizinische Erkenntnisse lassen sich auch nicht aus einschlägigen Leitlinien (zu deren Aussagekraft vgl BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 5 RdNr 33) ableiten. Für erwachsene Patienten haben sich im maßgeblichen Zeitraum keine einschlägigen Leitlinien feststellen lassen. Die Interdisziplinäre Leitlinie der Deutschen Krebsgesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie zu Non-Hodgkin-Lymphomen (zitiert nach Forum DKG 3/00 S 47 ff) sieht bei bestimmten Rezidivpatienten zwar die Durchführung von Knochenmarktransplantationen vor, nicht hingegen eine in-vitro Aufbereitung. Nachdem die in-vitro Aufbereitung damals in der medizinischen Fachdiskussion gerade keine breite Resonanz gefunden hatte, vermag auch der Hinweis des Klägers auf eine mutmaßlich entsprechende Behandlung des Versicherten in anderen hämatologischen Zentren und damit eine eventuelle Verbreitung in der Praxis den anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse nicht zu begründen (BSGE 84, 90, 97 = SozR 3-2500 § 18 Nr 4 S 19; BSGE 81, 54, 70 = SozR 3-2500 § 135 Nr 4 S 26 f - Systemversagen). Entsprechendes gilt für die vom Kläger in Anspruch genommene und zweifelsohne vorliegende langjährige Erfahrung der behandelnden Ärzte des Versicherten, da die Meinung einzelner Mediziner grundsätzlich nicht geeignet ist, einen allgemein anerkannten Stand zu begründen (BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 5 RdNr 24).

15

Das Qualitätsgebot des § 2 Abs 1 S 3 SGB V kann vorliegend ebenfalls nicht "unter Berücksichtigung des medizinischen Fortschritts" als erfüllt angesehen werden. Denn dieses Tatbestandsmerkmal bedeutet - wie der Senat bereits entschieden hat - gerade nicht, dass Anspruch auch auf solche Behandlungen besteht, deren Wirksamkeit und Zweckmäßigkeit noch erforscht wird, über die somit noch keine gesicherten medizinischen Erkenntnisse vorliegen. Vielmehr wird damit nur klargestellt, dass die Versicherten in der GKV am medizinischen Fortschritt teilhaben und grundsätzlich ohne Rücksicht auf die Kosten Anspruch auf diejenige Behandlung haben, die dem neuesten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht (BSGE 93, 137 = SozR 4-2500 § 137c Nr 2, jeweils RdNr 10; BSGE 81, 182, 187 = SozR 3-2500 § 109 Nr 5 S 39). Letzteres ist - wie dargelegt - vorliegend nicht der Fall.

16

3. Auch der Kläger behauptet letztlich nicht, dass die streitige in-vitro Aufbereitung zum Zeitpunkt der Behandlung dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprach. Er meint vielmehr, dass es auf diesen Stand vorliegend nicht ankomme. Weder die Beklagte noch das Sozialgericht seien berechtigt, die Einhaltung des Qualitätsgebots zu überprüfen, da die streitige Behandlungsmethode vom GBA nicht nach § 137c SGB V als Leistung der GKV ausgeschlossen worden sei(vgl auch Felix, NZS 2012, 1, 7 ff sowie NZS 2013, 81, 87 f; Bender, NZS 2012, 761, 766 f; Vollmöller, NZS 2012, 921, 922; Trefz, Pflege- und Krankenhausrecht 2011, 104 f; Hessisches LSG Urteil vom 5.2.2013 - L 1 KR 391/12 - RdNr 19, Juris; LSG Baden-Württemberg Urteil vom 13.11.2012 - L 11 KR 2254/10 - RdNr 33, Juris; aA hingegen Clemens in MedR 2012, 769, 772 - die insoweit vom Kläger in Bezug genommene Fußnote 59 betrifft aber nicht die hier streitige Frage). Etwas anderes könne nur für solche Behandlungen gelten, die offensichtlich nicht dem Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprächen, was auf die streitige Behandlung hier nicht zutreffe.

17

Der Senat vermag dieser Auffassung nicht zu folgen, da sie keine Stütze im Gesetz findet.

18

a) Nach § 137c Abs 1 S 1 SGB V(in der hier maßgeblichen Fassung des Art 1 Nr 106 Gesetz vom 14.11.2003, BGBl I 2190) überprüft der GBA auf Antrag Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden oder angewandt werden sollen, darauf hin, ob sie für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse erforderlich sind. Ergibt die Überprüfung, dass die Methode nicht den oa Kriterien entspricht, erlässt der GBA eine entsprechende Richtlinie (§ 137c Abs 1 S 2 SGB V). Ab dem Tag des Inkrafttretens einer Richtlinie darf die ausgeschlossene Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden; die Durchführung klinischer Studien bleibt unberührt (§ 137c Abs 2 S 2 SGB V).

19

§ 137c SGB V regelt damit ausdrücklich ausschließlich die Voraussetzungen, unter denen der GBA die Anwendung von Methoden im Rahmen einer Krankenhausbehandlung zu Lasten der Krankenkassen ausschließen kann. Welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, damit die stationäre Behandlung eines Versicherten zu Lasten der GKV erbracht werden darf, ist für den Fall des Fehlens eines Negativvotums allein dem Wortlaut der Vorschrift nicht zu entnehmen und mithin durch Auslegung zu ermitteln.

20

b) Der Kläger geht davon aus, dass aus der ausdrücklichen Regelung in § 137c SGB V, wann eine Methode im Rahmen der Krankenhausbehandlung ausgeschlossen ist, zu schlussfolgern sei, dass nicht ausgeschlossene Methoden ohne weitere Prüfung zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden dürfen. Dies widerspricht der Systematik des Gesetzes, die eine Leistungspflicht der GKV gerade nicht uneingeschränkt für jede Art von medizinischer Versorgung vorsieht. Vielmehr unterliegen alle Behandlungsformen, auch solche im Krankenhaus, den in § 2 Abs 1, § 12 Abs 1 und § 28 Abs 1 SGB V für die gesamte GKV festgelegten Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsanforderungen(vgl hierzu bereits die oa Ausführungen 2 a. und b. sowie BSGE 93, 137 = SozR 4-2500 § 137c Nr 2, jeweils RdNr 10; BSGE 90, 289, 291 = SozR 4-2500 § 137c Nr 1, RdNr 6; BSGE 81, 182, 187 = SozR 3-2500 § 109 Nr 5 S 39; BSG SozR 3-2500 § 92 Nr 12 S 71). Diese Anforderungen gelten uneingeschränkt auch für den Bereich des Leistungserbringerrechts (§ 70 Abs 1 SGB V idF des Art 1 Nr 27 des GKV-Gesundheitsreformgesetzes vom 22.12.1999, BGBl I 2626; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 275 Nr 5 RdNr 10 mwN). Der Ansatz des Klägers, die Beklagte sei wegen des Fehlens eines Negativvotums nach § 137c Abs 2 S 2 SGB V von einer Prüfung des Falles ausgeschlossen, widerspricht zudem der gesetzlichen Verpflichtung der Krankenkassen, auch Krankenhausabrechnungen beim Vorliegen von Auffälligkeiten zu überprüfen(§ 275 Abs 1 Nr 1 SGB V, vgl BSG SozR 4-2500 § 275 Nr 5 RdNr 10; zu der zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 137c SGB V geltenden Fassung des § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V bereits BSGE 90, 1, 3 = SozR 3-2500 § 112 Nr 3 S 22).

21

c) Die vom Kläger geforderte Außerachtlassung der Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitskriterien der §§ 2 Abs 1, 12 Abs 1 und 28 Abs 1 SGB V würde zudem dem aus den Gesetzesmaterialien ableitbaren Gesetzeszweck widersprechen. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sollte durch die GKV-Gesundheitsreform 2000 die Qualität der medizinischen Versorgung durch ein umfassendes System der Qualitätssicherung und die Bewertung von Kosten und Wirtschaftlichkeit medizinischer Technologien verbessert werden, indem für die stationäre Leistungserbringung im Krankenhaus der GBA beauftragt wurde, etablierte und neue medizinische Behandlungsmethoden zu überprüfen, ob sie - ähnlich wie in der vertragsärztlichen Versorgung - für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung erforderlich sind (Begründung - Allgemeiner Teil, BT-Drucks 14/1245 S 57). Zudem sollte die Qualität der medizinischen Versorgung gesichert und vermieden werden, dass medizinisch fragwürdige Leistungen zu Lasten der GKV erbracht werden (Begründung - Besonderer Teil, BT-Drucks 14/1245 S 90). Die mit der Einführung des § 137c SGB V verfolgte Zielsetzung entspricht damit der des Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsgebots nach § 2 Abs 1, § 12 Abs 1 und § 28 Abs 1 SGB V, weshalb die Anwendung der §§ 2 Abs 1, 12 Abs 1 und 28 Abs 1 SGB V auch nach Inkrafttreten des § 137c SGB V der in den Gesetzesmaterialien dokumentierten Zielsetzung der Norm entspricht. Ihnen ist jedenfalls nicht zu entnehmen, dass durch die Einführung des § 137c SGB V für den Bereich der Krankenhausbehandlung jegliche bis dorthin bereits vorhandenen Qualitätsanforderungen und die diesbezügliche Prüfungspflicht der Krankenkassen entfallen sollten.

22

d) Der Kläger kann seine Auslegung schließlich weder auf die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage "Nutzenbewertung von nichtmedikamentösen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden" vom 1.7.2011 (BT-Drucks 17/6397, insbesondere S 6 und 7) noch auf die Gesetzesmaterialien zum GKV-Modernisierungsgesetz - GMG - vom 14.11.2003 (BT-Drucks 15/1525 S 126) und zum GKV-Versorgungsstrukturgesetz - GKV-VStG - vom 22.12.2011 (BT-Drucks 17/6906 S 86 zu Nr 54 <§ 137c> und S 88) stützen. Zwar ist diesen Unterlagen zu entnehmen, dass dort für den stationären Bereich von einer "Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt" ausgegangen wird, so dass erst ein negatives Votum den Einsatz einer Methode zu Lasten der GKV in den Krankenhäusern ausschließt. Hierbei handelt es sich allerdings methodisch um eine sog authentische Interpretation, an die der Senat nicht gebunden ist. Sie schränkt die Kontrollrechte und -pflichten der Fachgerichte nicht ein. Denn zur verbindlichen Auslegung einer Norm ist letztlich allein die rechtsprechende Gewalt berufen, die nach Art 92 GG den Richtern anvertraut ist (BVerfGE 126, 369, 392 = SozR 4-5050 § 22b Nr 9 RdNr 73). Dies wird schließlich auch dann übersehen, wenn mit Blick auf die zum 1.1.2012 mit dem GKV-VStG in Kraft getretene Änderung des § 137c SGB V gefordert wird, nunmehr die Rechtsprechung entsprechend der Ausführungen in den dortigen Materialien anzupassen(so insbesondere Felix, NZS 2013, 81 ff). Denn zum einen hat die zum 1.1.2012 in Kraft getretene Änderung des § 137c SGB V an der für die hier streitige Frage maßgeblichen Grundkonzeption des § 137c SGB V nichts geändert. Mit ihr wird lediglich der GBA ermächtigt, Richtlinien zur Erprobung nach § 137e SGB V zu beschließen, wenn die Überprüfung im Rahmen des § 137c SGB V ergibt, dass der Nutzen einer Methode noch nicht hinreichend belegt ist, sie aber das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet(§ 137c Abs 1 S 4 SGB V idF des GKV-VStG vom 22.12.2011, BGBl I 2983). Aufgrund einer solchen Richtlinie dürfte die Untersuchungs- oder Behandlungsmethode dann in einem befristeten Zeitraum im Rahmen der Krankenbehandlung oder der Früherkennung zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden (§ 137e Abs 1 S 2 SGB V idF des GKV-VStG vom 22.12.2011, BGBl I 2983). Zur Anwendung des Qualitätsgebots bei einzelnen Krankenhausbehandlungen trifft § 137c SGB V aber weiter keine Regelung. Die Anwendung der Neuregelung des § 137c SGB V auf den vorliegenden Streitfall würde zum anderen die Annahme bedingen, dass der Gesetzgeber neben einer Gesetzesänderung für die Zukunft gleichzeitig im Wege einer Rechtsfortschreibung ohne Textänderung für die Vergangenheit angeordnet habe, den unveränderten Wortlaut des bisherigen § 137c Abs 1 S 2 und Abs 2 S 2 SGB V von Anfang an so zu verstehen, als habe er den vom Kläger gewünschten und allein in den Gesetzesmaterialien verlautbarten Inhalt auch schon früher gehabt. Diese Annahme lässt sich aber mit keiner der zur Verfügung stehenden Auslegungsmethoden begründen.

23

e) Auch der Verweis auf § 6 Abs 2 KHEntgG(idF des Art 2 Nr 4 Buchst b des Fallpauschalenänderungsgesetzes - FPÄndG - vom 17.7.2003, BGBl I 1461) kann die Auffassung des Klägers nicht stützen. Danach sollen die Vertragsparteien nach § 11 KHEntgG erstmals für das Kalenderjahr 2005 zeitlich befristete, fallbezogene Entgelte oder Zusatzentgelte vereinbaren für die Vergütung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die mit den Fallpauschalen und Zusatzentgelten nach § 7 S 1 Nr 1 und 2 KHEntgG noch nicht sachgerecht vergütet werden können und die nicht gemäß § 137c SGB V von der Finanzierung ausgeschlossen sind. Damit ist indes eine Aussage zu der hier streitigen Frage, ob eine Behandlungsmethode zu Lasten der GKV erbracht werden darf, nicht zu erkennen; diese ist vielmehr ausschließlich anhand des SGB V zu beantworten. Zudem schließt § 6 Abs 2 KHEntgG die Anwendung des Qualitätsgebots auf neue stationäre Behandlungsmethoden nicht aus, sondern ist für dessen Berücksichtigung im Rahmen der Auslegung völlig offen.

24

f) Insgesamt schließt sich der Senat nach eigener Prüfung der Rechtsprechung des 1. Senats des BSG an, wonach § 137c SGB V nicht im Sinne einer generellen Erlaubnis aller beliebigen Methoden für das Krankenhaus mit Verbotsvorbehalt ausgelegt werden darf(grundlegend BSGE 101, 177 = SozR 4-2500 § 109 Nr 6, jeweils RdNr 51 ff sowie BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 18 RdNr 23 und Urteil vom 18.12.2012 - B 1 KR 34/12 R - RdNr 34 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2500 § 137 Nr 2 vorgesehen). Die Vorschrift setzt die Geltung des Qualitätsgebots auch im stationären Bereich nicht außer Kraft. Andernfalls würde die aufgezeigte Systematik des SGB V durchbrochen und die Einheit der Rechtsordnung gefährdet. Denn eine Krankenhausbehandlung, die nicht nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt und deshalb für den Patienten Schadensersatzansprüche sowie für den Krankenhausarzt strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann, muss nicht von den Krankenkassen bezahlt werden (BSGE 101, 177 = SozR 4-2500 § 109 Nr 6, jeweils RdNr 51 ff). § 137c SGB V bewirkt vor diesem Hintergrund lediglich, dass - anders als für den Bereich der vertragsärztlichen Versorgung - nicht in einem generalisierten, zentralisierten formellen Prüfverfahren vor Einführung neuer Behandlungsmethoden im Krankenhaus deren Eignung, Erforderlichkeit und Wirtschaftlichkeit formalisiert überprüft wird, sondern die Prüfung der eingesetzten Methoden im zugelassenen Krankenhaus grundsätzlich prospektiv durch das Krankenhaus selbst und retrospektiv lediglich im Einzelfall anlässlich von Beanstandungen ex post erfolgt. Erst ein generalisiertes, zentralisiertes Prüfverfahren nach § 137c SGB V schafft über den Einzelfall hinaus Regelungsklarheit(BSG aaO), so dass es insoweit keiner Einzelfallprüfung mehr bedarf. Der 1. Senat des BSG hat schließlich auch schon entschieden, dass diese Rechtsauslegung nicht nur im Rahmen von Zulassungsverfahren nach § 109 SGB V maßgeblich ist, sondern ebenso bei der Bewertung des - für den Entgeltanspruch des Krankenhauses maßgeblichen - Leistungsanspruchs des Versicherten nach § 39 SGB V zu berücksichtigen ist(BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 18 RdNr 23). Hieran vermag die Stellung des Klägers als Universitätsklinikum nichts zu ändern, da das Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 SGB V) auch hier gilt (vgl BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 29.12.2012 - 1 BvR 1849/12 ua -, RdNr 11 f zitiert nach Juris).

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4. Der Kläger kann den streitigen Vergütungsanspruch auch nicht auf die Grundsätze eines Seltenheitsfalles stützen, da ein solcher der streitigen Behandlung nicht zugrunde lag. Denn ein Seltenheitsfall setzt voraus, dass eine Krankheit weltweit nur extrem selten auftritt und deshalb im nationalen wie im internationalen Rahmen weder systematisch erforscht noch systematisch behandelt werden kann (grundlegend BSGE 93, 236 = SozR 4-2500 § 27 Nr 1, jeweils RdNr 21 sowie in der Folge BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, jeweils RdNr 30; BSGE 109, 212 = SozR 4-2500 § 31 Nr 19, jeweils RdNr 21; BSGE 109, 218 = SozR 4-2500 § 31 Nr 20, jeweils RdNr 13 f; Urteil vom 3.7.2012 - B 1 KR 25/11 R - BSGE 111, 168 = SozR 4-2500 § 31 Nr 22, jeweils RdNr 18 ff). Vorliegend ergibt sich sowohl aus dem Vortrag des Klägers als auch aus den Stellungnahmen des MDK, dass eine systematische Erforschung sowohl der Behandlung der NHL-Erkrankung des Versicherten als auch der Wirksamkeit der streitigen in-vitro Aufbereitung erfolgt ist. Dabei kommt der Tatsache, dass die im Verfahren benannten Studien nicht genau zur Erkrankung des Versicherten, sondern teilweise zu anderen Unterarten des Non-Hodgking-Lymphoms durchgeführt worden sind, keine besondere Bedeutung zu, da die Beteiligten ungeachtet dessen davon ausgegangen sind, aus diesen auch Schlüsse über die Wirksamkeit der in-vitro Aufbereitung beim Versicherten ziehen zu können. Darüber hinaus hat die Interdisziplinäre Leitlinie der Deutschen Krebsgesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie zu Non-Hodgkin-Lymphomen im Kindesalter bereits in ihrer im Jahr 2000 veröffentlichten Fassung als ein vorrangiges Ziel die Entwicklung einer erfolgversprechenden Rezidivtherapie formuliert (zitiert nach Forum DKG 3/00 S 47, 50). Von einem Seltenheitsfall ist deshalb nicht auszugehen.

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5. Auch unter Berücksichtigung der vom BVerfG entwickelten Grundsätze einer grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungsrechts ("Nikolausbeschluss", zB BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5; vgl auch BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, jeweils RdNr 21 und 29 ff mwN; BSGE 96, 153 = SozR 4-2500 § 27 Nr 7, jeweils RdNr 31 f; BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, jeweils RdNr 20 ff mwN; seit 1.1.2012: § 2 Abs 1a SGB V),ergibt sich kein Anspruch des Krankenhauses, da mit der Hochdosischemotherapie mit autogener Stammzelltransplantation eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung zur Verfügung stand (vgl BSG Urteil vom 3.7.2012 - B 1 KR 6/11 R - BSGE 111, 137 = SozR 4-2500 § 13 Nr 25, jeweils RdNr 17).

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6. Die Revision hat schließlich auch keinen Erfolg mit den Verfahrensrügen, das LSG habe keine ordnungsgemäße Sachverhaltsaufklärung hinsichtlich der Feststellung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse betrieben und insoweit gegen § 103 SGG verstoßen, da es seine Entscheidung auf die Gutachten des MDK gestützt und weitere Ermittlungen, insbesondere die Einholung der in der mündlichen Verhandlung hilfsweise beantragten Sachverständigengutachten unterlassen habe.

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Nach § 103 SGG erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen. Dabei bestimmt das Tatsachengericht im Rahmen seines Ermessens die Ermittlungen und Maßnahmen, die nach seiner materiell-rechtlichen Auffassung zur Aufklärung des Sachverhalts notwendig sind. Sein Ermessen ist dabei durch die Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts in dem für die Entscheidung erforderlichen Umfang begrenzt. Ein Verstoß gegen § 103 SGG liegt deshalb nur dann vor, wenn das Berufungsgericht sich zu einer weiteren Sachverhaltsaufklärung hätte gedrängt fühlen müssen(BSGE 93, 137 = SozR 4-2500 § 137c Nr 2, jeweils RdNr 34; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 103 RdNr 20 mwN). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Es konnte materiell-rechtlich weder auf die Auffassung des MDK noch auf die Auffassung eines Sachverständigen zum allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse ankommen. Die Auffassung einzelner Mediziner - und als nichts anderes ist eine fachliche Stellungnahme des MDK zum allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu werten - ist bei der Beurteilung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse gerade nicht maßgeblich (BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 5 RdNr 24). Auch auf die Anerkennung und Akzeptanz der streitigen Methode in den einschlägigen medizinischen Fachkreisen zum Zeitpunkt der Behandlung konnte es aufgrund des fehlenden wissenschaftlichen Belegs der Wirksamkeit nicht ankommen (BSGE 84, 90, 96 f = SozR 3-2500 § 18 Nr 4 S 19; BSGE 81, 54, 70 = SozR 3-2500 § 135 Nr 4 S 26 f - Systemversagen).

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7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 SGG iVm § 154 Abs 1 und 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und § 47 Abs 1 GKG.

(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 überprüft auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Absatz 2 Satz 1, des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen, der Deutschen Krankenhausgesellschaft oder eines Bundesverbandes der Krankenhausträger Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden oder angewandt werden sollen, daraufhin, ob sie für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse erforderlich sind. Ergibt die Überprüfung, dass der Nutzen einer Methode nicht hinreichend belegt ist und sie nicht das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, insbesondere weil sie schädlich oder unwirksam ist, erlässt der Gemeinsame Bundesausschuss eine entsprechende Richtlinie, wonach die Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zulasten der Krankenkassen erbracht werden darf. Ergibt die Überprüfung, dass der Nutzen einer Methode noch nicht hinreichend belegt ist, sie aber das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss eine Richtlinie zur Erprobung nach § 137e. Nach Abschluss der Erprobung erlässt der Gemeinsame Bundesausschuss eine Richtlinie, wonach die Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zulasten der Krankenkassen erbracht werden darf, wenn die Überprüfung unter Hinzuziehung der durch die Erprobung gewonnenen Erkenntnisse ergibt, dass die Methode nicht den Kriterien nach Satz 1 entspricht. Die Beschlussfassung über die Annahme eines Antrags nach Satz 1 muss spätestens drei Monate nach Antragseingang erfolgen. Das sich anschließende Methodenbewertungsverfahren ist in der Regel innerhalb von spätestens drei Jahren abzuschließen, es sei denn, dass auch bei Straffung des Verfahrens im Einzelfall eine längere Verfahrensdauer erforderlich ist.

(2) Wird eine Beanstandung des Bundesministeriums für Gesundheit nach § 94 Abs. 1 Satz 2 nicht innerhalb der von ihm gesetzten Frist behoben, kann das Bundesministerium die Richtlinie erlassen. Ab dem Tag des Inkrafttretens einer Richtlinie nach Absatz 1 Satz 2 oder 4 darf die ausgeschlossene Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden; die Durchführung klinischer Studien bleibt von einem Ausschluss nach Absatz 1 Satz 4 unberührt.

(3) Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der Gemeinsame Bundesausschuss bisher keine Entscheidung nach Absatz 1 getroffen hat, dürfen im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt und von den Versicherten beansprucht werden, wenn sie das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten und ihre Anwendung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt, sie also insbesondere medizinisch indiziert und notwendig ist. Dies gilt sowohl für Methoden, für die noch kein Antrag nach Absatz 1 Satz 1 gestellt wurde, als auch für Methoden, deren Bewertung nach Absatz 1 noch nicht abgeschlossen ist.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 27. Januar 2012 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 7055,12 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Der Kläger betreibt ein nach § 108 Nr 1 SGB V zur Versorgung von Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassenes Hochschulklinikum. In der dortigen Abteilung Kinderheilkunde I mit Poliklinik wurde der am 1984 geborene, bei der Beklagten versicherte R. H. (Versicherter) im September 2000 wegen eines T-zellreichen B-Zell-non-Hodgkin-Lymphoms (in der Folge: NHL) mit einer konventionellen Chemotherapie behandelt. Aufgrund eines im Dezember 2003 festgestellten Rezidivs erhielt der Versicherte im Januar 2004 zunächst erneut eine konventionelle Chemotherapie. In der Zeit vom 7.4. bis 7.5.2004 behandelte der Kläger den Versicherten zudem stationär mit Hochdosischemotherapie und autologer Stammzellgabe. Am 17.4.2004 erhielt der Versicherte autologe periphere Blutstammzellen, bei denen eine CD34+-Anreicherung durchgeführt worden war. Bei der CD34+-Anreicherung handelt es sich um eine Form der in-vitro Aufbereitung, mit der mögliche Tumorzellen aus dem Stammzellentransplantat entfernt werden sollen (in der Folge: in-vitro Aufbereitung).

2

Der Kläger stellte der Beklagten am 31.5.2004 auf der Basis der Diagnosis Related Group (DRG) A15b (Knochenmarktransplantation/Stammzellentransfusion, autogen, mit in-vitro Aufbereitung > 18 Jahre) nach dem Fallpauschalen-Katalog 2004 insgesamt 33 966,75 Euro in Rechnung. Die Beklagte bezahlte diesen Betrag und beauftragte sodann den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit einer Rechnungsprüfung. Dieser kam in seinem Gutachten vom 13.9.2004 zu dem Ergebnis, dass eine CD34+-Anreicherung eindeutig nicht dem evidenzbasierten Standard entspreche. Ein klinischer Nutzen gegenüber der autologen Stammzellentransplantation ohne in-vitro Aufbereitung sei nicht belegt. Somit sei die Behandlung unwirtschaftlich. Es werde eine Abrechnung der erbrachten Leistung nach der DRG A15c (Knochenmarktransplantation/Stammzellentransfusion, autogen, ohne in-vitro Aufbereitung) empfohlen. Im weiteren Verfahren verwies der MDK darauf, dass sich aus den für erwachsene Patienten zur Verfügung stehenden Studien keine Senkung der Rückfallquote und auch keine Verbesserung der Überlebensrate ergebe. Die Beklagte ermittelte unter Zugrundelegung der DRG A15c einen Rechnungsbetrag von 26 913,63 Euro und forderte mit Schreiben vom 15.9.2004 vom Kläger 7055,12 Euro zurück. Diesen Betrag rechnete sie am 10.11.2004 gegen Forderungen des Klägers aus anderen Behandlungsfällen auf.

3

Der Kläger trat den Ausführungen des MDK durch die Vorlage verschiedener Stellungnahmen von Prof. Dr. L. entgegen, der auch der behandelnde Oberarzt des Versicherten war. Trotz des nunmehrigen Alters des Versicherten sei von einer pädiatrischen Erkrankung auszugehen, da diese erstmals im Kindesalter aufgetreten sei. Studien mit erwachsenen Patienten seien deshalb nicht maßgeblich. Vergleichsstudien mit pädiatrischen Patienten hingegen ergäben keine einheitliche Datenlage. Die Ersterkrankung des Versicherten sei im Rahmen der Therapieoptimierungsstudie NHL-BFM 95 im Kindes- und Jugendalter von Prof. Dr. R., Universität G., und damit auf der Behandlungsgrundlage für jede NHL-Erkrankung im Kindes- und Jugendalter therapiert worden. Die weitere Therapie des Versicherten, insbesondere des Rezidivs, sei in Rücksprache mit der NHL-BFM-Studienzentrale erfolgt. Die klägerische Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, in der die streitige Behandlung des Versicherten erfolgt sei, verfüge über eigene langjährige Erfahrungen mit der Transplantatbearbeitung bei autologen Stammzellentransplantationen. Die Ergebnisse von entsprechenden Projekten seien in den Jahren 1997 bis 2003 veröffentlicht worden. Die beim Versicherten angewandte Therapie sei das Ergebnis eigener Erfahrungen und Plausibilitätsüberlegungen der Klinik gewesen. Der Versicherte wäre in anderen hämatologisch-onkologischen Zentren der Kinderkliniken mit sehr großer Wahrscheinlichkeit genauso behandelt worden.

4

Das SG hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger 7055,12 Euro nebst Zinsen seit dem 10.11.2004 zu zahlen, weil die streitige Behandlung zum Zeitpunkt ihrer Anwendung nicht nach § 137c SGB V ausgeschlossen und jedenfalls vertretbar gewesen sei(Urteil vom 23.11.2009). Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG die Entscheidung des SG geändert und die Klage abgewiesen (Urteil vom 27.1.2012): Der vom Kläger geltend gemachte restliche Vergütungsanspruch bestehe nicht, da die ihm zugrunde liegende Behandlung bereits zum Zeitpunkt ihrer Anwendung nicht mehr den Qualitätsanforderungen des SGB V entsprochen habe.

5

Mit der vom LSG zugelassenen Revision macht der Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts geltend. Das LSG sei entgegen §§ 135 ff SGB V davon ausgegangen, dass auch nach § 137c SGB V vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) von der Leistungspflicht in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nicht ausgeschlossene Behandlungsmethoden im Einzelfall auf ihre Wirtschaftlichkeit hin überprüft werden könnten. Dieser Auslegung widersprächen sowohl Gesetzessystematik als auch -wortlaut. Es sei zu klären, ob die - vom LSG in Bezug genommene - neuere Rechtsprechung des 1. Senats des BSG auf den vorliegenden Fall bzw vergleichbare Fällen anzuwenden sei, weil es sich um eine Hochschulklinik handele, die gerade in dem hier fraglichen Behandlungsbereich der Versorgung onkologischer Krankheitsbilder über eine unbestritten international anerkannte Erfahrung verfüge. Das LSG habe weiter gegen § 2 Abs 1 S 3 SGB V verstoßen, indem es unberücksichtigt gelassen habe, dass neben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse auch der medizinische Fortschritt maßgeblich sei, so dass ebenso die Meinung weniger namhafter Spezialisten zu berücksichtigen sei. Weiter werde gegen § 6 Abs 2 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) verstoßen, da auch dort von einer ausschließlichen Kompetenz des GBA zur Bewertung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden im Krankenhaus ausgegangen werde. Die Entscheidung des LSG sei schließlich unter mehrfacher Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes zustande gekommen. Insbesondere habe sich das LSG mit den in der letzten mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträgen nicht befasst.

6

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 27.1.2012 zu ändern und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 23.11.2009 zurückzuweisen.

7

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision des Klägers ist nicht begründet. Die Entscheidung des LSG, das Urteil des SG zu ändern und die Zahlungsklage abzuweisen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf weitergehendes Entgelt für Krankenhausleistungen, da die Beklagte insoweit gegen die Klageforderung rechtswirksam mit einer gleichartigen und erfüllbaren Gegenforderung aufgerechnet hat (dazu 1.). Grundlage der Aufrechnung ist ein Erstattungsanspruch der Beklagten wegen des überzahlten Krankenhausentgelts für die im Rahmen der Behandlung des Versicherten durchgeführte in-vitro Aufbereitung. Auf dieses Entgelt hatte der Kläger keinen Anspruch, da die Behandlung insoweit nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprach (dazu 2.). An diesem Stand war die im April/Mai 2004 erfolgte Krankenhausbehandlung zu messen, obgleich die Behandlungsmethode nicht nach § 137c Abs 1 S 2 SGB V durch den GBA als Leistung der GKV ausgeschlossen war(dazu 3.). Der Kläger kann seinen Anspruch auch nicht auf die Grundsätze eines Seltenheitsfalles (dazu 4.) oder auf eine grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungsanspruchs des Versicherten (dazu 5.) stützen. Seine Verfahrensrügen sind schließlich ebenfalls unbegründet (dazu 6.).

9

1. Dem zulässig im Wege der Leistungsklage (vgl dazu BSGE 86, 166, 167 f = SozR 3-2500 § 112 Nr 1) geltend gemachten Anspruch des Krankenhauses steht die Aufrechnung der Beklagten mit der streitigen Erstattungsforderung entgegen. Zwar hat das LSG weder ausdrücklich noch konkludent festgestellt, welche Vergütungsansprüche (Hauptforderung) der Kläger aufgrund welcher konkreten Krankenhausbehandlung geltend macht. Die Beteiligten haben aber übereinstimmend als selbstverständlich vorausgesetzt, dass dem Kläger gegen die Beklagte - ohne Berücksichtigung der streitigen Gegenforderung - laufende Zahlungsansprüche aus Anlass der Krankenhausbehandlung von Versicherten der Beklagten in Höhe von weiteren 7055,12 Euro erwachsen sind. Da die Beklagte sich gegenüber der Klage ausschließlich im Wege der Primäraufrechnung mit einer Gegenforderung verteidigt, steht die Klageforderung (Hauptforderung) selbst außer Streit (vgl zu einer entsprechenden Prozesssituation BSGE 93, 137 = SozR 4-2500 § 137c Nr 2, jeweils RdNr 6).

10

2. Die Beklagte konnte gegen die Hauptforderung des Klägers in Höhe von 7055,12 Euro aufrechnen. Denn in diesem Umfang hat sie für die stationäre Behandlung des Versicherten in der Zeit April/Mai 2004 Krankenhausentgelt ohne Rechtsgrund gezahlt, weil dem Kläger insoweit kein Vergütungsanspruch zustand (zum öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch bei Überzahlung von Krankenhausentgelten vgl BSGE 93, 137 = SozR 4-2500 § 137c Nr 2, jeweils RdNr 8 f).

11

a) Der Zahlungsanspruch des Krankenhauses korrespondiert mit dem Anspruch des Versicherten auf Krankenhausbehandlung (BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, jeweils RdNr 13; BSGE 100, 164 = SozR 4-2500 § 39 Nr 12, jeweils RdNr 13; BSGE 86, 166, 168 = SozR 3-2500 § 112 Nr 1 S 3). Nach dem seit 1993 unverändert geltenden § 39 Abs 1 S 2 SGB V haben Versicherte Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist (…). Dabei umfasst die Krankenhausbehandlung im Rahmen des Versorgungsauftrages des Krankenhauses alle Leistungen, die im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinische Versorgung der Versicherten im Krankenhaus notwendig sind (§ 39 Abs 1 S 3 Halbs 1 SGB V). Die Leistungspflicht der GKV besteht aber nicht uneingeschränkt für jede Art von medizinischer Versorgung; alle Behandlungsformen, auch solche im Krankenhaus, müssen vielmehr den in §§ 2 Abs 1, 12 Abs 1 und 28 Abs 1 SGB V für die gesamte GKV festgelegten Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitskriterien genügen(so bereits BSGE 93, 137 = SozR 4-2500 § 137c Nr 2, jeweils RdNr 10 mwN; BSGE 101, 177 = SozR 4-2500 § 109 Nr 6, jeweils RdNr 51 ff; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 18 RdNr 23).

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b) Nach § 28 Abs 1 SGB V, auf den § 39 SGB V ausdrücklich Bezug nimmt, umfasst die ärztliche Behandlung die Tätigkeit des Arztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Krankheiten nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist. § 2 Abs 1 S 3 SGB V bestimmt allgemein, dass die Leistungen der Krankenversicherung nach Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen haben. Den Qualitätskriterien des § 2 Abs 1 S 3 SGB V schließlich entspricht eine Behandlung, wenn die "große Mehrheit der einschlägigen Fachleute (Ärzte, Wissenschaftler)" die Behandlungsmethode befürwortet und von einzelnen, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, über die Zweckmäßigkeit der Therapie Konsens besteht. Dieses setzt im Regelfall voraus, dass über Qualität und Wirksamkeit der Methode zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen gemacht werden können. Der Erfolg muss sich aus wissenschaftlich einwandfrei durchgeführten Studien über die Zahl der behandelten Fälle und die Wirksamkeit der Methode ablesen lassen. Die Therapie muss in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen erfolgreich gewesen sein (BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 5 RdNr 22, 24 ff mwN; BSG SozR 3-2500 § 92 Nr 12 S 71; BSG SozR 3-2500 § 18 Nr 6 S 23; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 38 RdNr 21 für den Bereich Hilfsmittel). Als Basis für die Herausbildung eines Konsenses können alle international zugänglichen einschlägigen Studien dienen; in ihrer Gesamtheit kennzeichnen sie den Stand der medizinischen Erkenntnisse (BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 5 RdNr 29).

13

c) Diesen Anforderungen wurde die streitige in-vitro Aufbereitung zum hier maßgeblichen Zeitpunkt April/Mai 2004 (zur Maßgeblichkeit des Behandlungszeitpunkts für die Beurteilung, ob eine Behandlungsmethode zum Leistungskatalog der Krankenkasse gehört, vgl BSG SozR 3-2500 § 135 Nr 12) nicht gerecht. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Versicherte nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse wie ein Kind oder wie ein Erwachsener zu behandeln war. Denn gesicherte Erkenntnisse über die Wirksamkeit und Zweckmäßigkeit der streitigen in-vitro Aufbereitung sind in beiden Fällen weder vom Kläger benannt worden noch haben sich dafür im Laufe der Verfahrens andere Anhaltspunkte ergeben (zur Feststellung als generelle Tatsache, ob eine Untersuchungs- oder Behandlungsmethode dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht, vgl BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 38 RdNr 23; BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 5 RdNr 18; BSG SozR 3-2500 § 18 Nr 6 S 26 f; BSGE 84, 90, 97 = SozR 3-2500 § 18 Nr 4 S 19). Die vom Kläger benannten Studien bzw Veröffentlichungen dokumentieren zwar in Einzelfällen Überlebensvorteile bei Patienten mit in-vitro gereinigten Transplantaten bzw mit Transplantaten ohne Tumorzellen. Dieselben Studien stellen allerdings gleichzeitig fest, dass die Ursache hierfür unklar bzw dieses Ergebnis in anderen Studien unbestätigt geblieben ist (Alvarnas JC et alt 2004). Auch soweit in der Studie "Granena et alt 1999" ein signifikanter Überlebensvorteil für Hochrisiko-Patienten mit akuter lymphatischer Leukämie nach Behandlung mit in-vitro gereinigtem Transplantat festgestellt wird, fordern die Verfasser im Anschluss gleichwohl die Durchführung einer Studie der Phase III, sehen selbst also ebenfalls noch keine gesicherte Wirksamkeit der Methode. Wie das LSG im Einzelnen ausführlich dargelegt hat (Urteilsumdruck S 27 ff), was im Revisionsverfahren nicht mit Verfahrensrügen angegriffen worden und deshalb für den Senat verbindlich (§ 163 SGG) festgestellt ist, finden sich weitere Studien und Veröffentlichungen, die keine verlässlichen Aussagen über die Wirksamkeit der streitigen in-vitro Aufbereitung hinsichtlich Überlebensvorteil oder Rezidivfreiheit zulassen, so dass beim Vergleich von Patienten mit und ohne in-vitro Aufbereitung signifikante und statistisch aussagekräftige Unterschiede im Hinblick auf Rezidivrate, rezidivfreie Überlebenszeit oder Gesamtüberlebenszeit gerade nicht festgestellt werden konnten. Nach der zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden Studienlage ergibt sich damit kein wissenschaftlicher Konsens über die Wirksamkeit der in-vitro Aufbereitung. Dies wird schließlich auch vom Kläger selbst eingeräumt, wenn er selbst für den aus seiner Sicht allein maßgeblichen pädiatrischen Bereich auf eine damals nicht einheitliche Datenlage verweist (Schriftsatz vom 26.2.2013, S 1).

14

Konsensfähige medizinische Erkenntnisse lassen sich auch nicht aus einschlägigen Leitlinien (zu deren Aussagekraft vgl BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 5 RdNr 33) ableiten. Für erwachsene Patienten haben sich im maßgeblichen Zeitraum keine einschlägigen Leitlinien feststellen lassen. Die Interdisziplinäre Leitlinie der Deutschen Krebsgesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie zu Non-Hodgkin-Lymphomen (zitiert nach Forum DKG 3/00 S 47 ff) sieht bei bestimmten Rezidivpatienten zwar die Durchführung von Knochenmarktransplantationen vor, nicht hingegen eine in-vitro Aufbereitung. Nachdem die in-vitro Aufbereitung damals in der medizinischen Fachdiskussion gerade keine breite Resonanz gefunden hatte, vermag auch der Hinweis des Klägers auf eine mutmaßlich entsprechende Behandlung des Versicherten in anderen hämatologischen Zentren und damit eine eventuelle Verbreitung in der Praxis den anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse nicht zu begründen (BSGE 84, 90, 97 = SozR 3-2500 § 18 Nr 4 S 19; BSGE 81, 54, 70 = SozR 3-2500 § 135 Nr 4 S 26 f - Systemversagen). Entsprechendes gilt für die vom Kläger in Anspruch genommene und zweifelsohne vorliegende langjährige Erfahrung der behandelnden Ärzte des Versicherten, da die Meinung einzelner Mediziner grundsätzlich nicht geeignet ist, einen allgemein anerkannten Stand zu begründen (BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 5 RdNr 24).

15

Das Qualitätsgebot des § 2 Abs 1 S 3 SGB V kann vorliegend ebenfalls nicht "unter Berücksichtigung des medizinischen Fortschritts" als erfüllt angesehen werden. Denn dieses Tatbestandsmerkmal bedeutet - wie der Senat bereits entschieden hat - gerade nicht, dass Anspruch auch auf solche Behandlungen besteht, deren Wirksamkeit und Zweckmäßigkeit noch erforscht wird, über die somit noch keine gesicherten medizinischen Erkenntnisse vorliegen. Vielmehr wird damit nur klargestellt, dass die Versicherten in der GKV am medizinischen Fortschritt teilhaben und grundsätzlich ohne Rücksicht auf die Kosten Anspruch auf diejenige Behandlung haben, die dem neuesten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht (BSGE 93, 137 = SozR 4-2500 § 137c Nr 2, jeweils RdNr 10; BSGE 81, 182, 187 = SozR 3-2500 § 109 Nr 5 S 39). Letzteres ist - wie dargelegt - vorliegend nicht der Fall.

16

3. Auch der Kläger behauptet letztlich nicht, dass die streitige in-vitro Aufbereitung zum Zeitpunkt der Behandlung dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprach. Er meint vielmehr, dass es auf diesen Stand vorliegend nicht ankomme. Weder die Beklagte noch das Sozialgericht seien berechtigt, die Einhaltung des Qualitätsgebots zu überprüfen, da die streitige Behandlungsmethode vom GBA nicht nach § 137c SGB V als Leistung der GKV ausgeschlossen worden sei(vgl auch Felix, NZS 2012, 1, 7 ff sowie NZS 2013, 81, 87 f; Bender, NZS 2012, 761, 766 f; Vollmöller, NZS 2012, 921, 922; Trefz, Pflege- und Krankenhausrecht 2011, 104 f; Hessisches LSG Urteil vom 5.2.2013 - L 1 KR 391/12 - RdNr 19, Juris; LSG Baden-Württemberg Urteil vom 13.11.2012 - L 11 KR 2254/10 - RdNr 33, Juris; aA hingegen Clemens in MedR 2012, 769, 772 - die insoweit vom Kläger in Bezug genommene Fußnote 59 betrifft aber nicht die hier streitige Frage). Etwas anderes könne nur für solche Behandlungen gelten, die offensichtlich nicht dem Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprächen, was auf die streitige Behandlung hier nicht zutreffe.

17

Der Senat vermag dieser Auffassung nicht zu folgen, da sie keine Stütze im Gesetz findet.

18

a) Nach § 137c Abs 1 S 1 SGB V(in der hier maßgeblichen Fassung des Art 1 Nr 106 Gesetz vom 14.11.2003, BGBl I 2190) überprüft der GBA auf Antrag Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden oder angewandt werden sollen, darauf hin, ob sie für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse erforderlich sind. Ergibt die Überprüfung, dass die Methode nicht den oa Kriterien entspricht, erlässt der GBA eine entsprechende Richtlinie (§ 137c Abs 1 S 2 SGB V). Ab dem Tag des Inkrafttretens einer Richtlinie darf die ausgeschlossene Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden; die Durchführung klinischer Studien bleibt unberührt (§ 137c Abs 2 S 2 SGB V).

19

§ 137c SGB V regelt damit ausdrücklich ausschließlich die Voraussetzungen, unter denen der GBA die Anwendung von Methoden im Rahmen einer Krankenhausbehandlung zu Lasten der Krankenkassen ausschließen kann. Welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, damit die stationäre Behandlung eines Versicherten zu Lasten der GKV erbracht werden darf, ist für den Fall des Fehlens eines Negativvotums allein dem Wortlaut der Vorschrift nicht zu entnehmen und mithin durch Auslegung zu ermitteln.

20

b) Der Kläger geht davon aus, dass aus der ausdrücklichen Regelung in § 137c SGB V, wann eine Methode im Rahmen der Krankenhausbehandlung ausgeschlossen ist, zu schlussfolgern sei, dass nicht ausgeschlossene Methoden ohne weitere Prüfung zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden dürfen. Dies widerspricht der Systematik des Gesetzes, die eine Leistungspflicht der GKV gerade nicht uneingeschränkt für jede Art von medizinischer Versorgung vorsieht. Vielmehr unterliegen alle Behandlungsformen, auch solche im Krankenhaus, den in § 2 Abs 1, § 12 Abs 1 und § 28 Abs 1 SGB V für die gesamte GKV festgelegten Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsanforderungen(vgl hierzu bereits die oa Ausführungen 2 a. und b. sowie BSGE 93, 137 = SozR 4-2500 § 137c Nr 2, jeweils RdNr 10; BSGE 90, 289, 291 = SozR 4-2500 § 137c Nr 1, RdNr 6; BSGE 81, 182, 187 = SozR 3-2500 § 109 Nr 5 S 39; BSG SozR 3-2500 § 92 Nr 12 S 71). Diese Anforderungen gelten uneingeschränkt auch für den Bereich des Leistungserbringerrechts (§ 70 Abs 1 SGB V idF des Art 1 Nr 27 des GKV-Gesundheitsreformgesetzes vom 22.12.1999, BGBl I 2626; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 275 Nr 5 RdNr 10 mwN). Der Ansatz des Klägers, die Beklagte sei wegen des Fehlens eines Negativvotums nach § 137c Abs 2 S 2 SGB V von einer Prüfung des Falles ausgeschlossen, widerspricht zudem der gesetzlichen Verpflichtung der Krankenkassen, auch Krankenhausabrechnungen beim Vorliegen von Auffälligkeiten zu überprüfen(§ 275 Abs 1 Nr 1 SGB V, vgl BSG SozR 4-2500 § 275 Nr 5 RdNr 10; zu der zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 137c SGB V geltenden Fassung des § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V bereits BSGE 90, 1, 3 = SozR 3-2500 § 112 Nr 3 S 22).

21

c) Die vom Kläger geforderte Außerachtlassung der Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitskriterien der §§ 2 Abs 1, 12 Abs 1 und 28 Abs 1 SGB V würde zudem dem aus den Gesetzesmaterialien ableitbaren Gesetzeszweck widersprechen. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sollte durch die GKV-Gesundheitsreform 2000 die Qualität der medizinischen Versorgung durch ein umfassendes System der Qualitätssicherung und die Bewertung von Kosten und Wirtschaftlichkeit medizinischer Technologien verbessert werden, indem für die stationäre Leistungserbringung im Krankenhaus der GBA beauftragt wurde, etablierte und neue medizinische Behandlungsmethoden zu überprüfen, ob sie - ähnlich wie in der vertragsärztlichen Versorgung - für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung erforderlich sind (Begründung - Allgemeiner Teil, BT-Drucks 14/1245 S 57). Zudem sollte die Qualität der medizinischen Versorgung gesichert und vermieden werden, dass medizinisch fragwürdige Leistungen zu Lasten der GKV erbracht werden (Begründung - Besonderer Teil, BT-Drucks 14/1245 S 90). Die mit der Einführung des § 137c SGB V verfolgte Zielsetzung entspricht damit der des Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsgebots nach § 2 Abs 1, § 12 Abs 1 und § 28 Abs 1 SGB V, weshalb die Anwendung der §§ 2 Abs 1, 12 Abs 1 und 28 Abs 1 SGB V auch nach Inkrafttreten des § 137c SGB V der in den Gesetzesmaterialien dokumentierten Zielsetzung der Norm entspricht. Ihnen ist jedenfalls nicht zu entnehmen, dass durch die Einführung des § 137c SGB V für den Bereich der Krankenhausbehandlung jegliche bis dorthin bereits vorhandenen Qualitätsanforderungen und die diesbezügliche Prüfungspflicht der Krankenkassen entfallen sollten.

22

d) Der Kläger kann seine Auslegung schließlich weder auf die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage "Nutzenbewertung von nichtmedikamentösen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden" vom 1.7.2011 (BT-Drucks 17/6397, insbesondere S 6 und 7) noch auf die Gesetzesmaterialien zum GKV-Modernisierungsgesetz - GMG - vom 14.11.2003 (BT-Drucks 15/1525 S 126) und zum GKV-Versorgungsstrukturgesetz - GKV-VStG - vom 22.12.2011 (BT-Drucks 17/6906 S 86 zu Nr 54 <§ 137c> und S 88) stützen. Zwar ist diesen Unterlagen zu entnehmen, dass dort für den stationären Bereich von einer "Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt" ausgegangen wird, so dass erst ein negatives Votum den Einsatz einer Methode zu Lasten der GKV in den Krankenhäusern ausschließt. Hierbei handelt es sich allerdings methodisch um eine sog authentische Interpretation, an die der Senat nicht gebunden ist. Sie schränkt die Kontrollrechte und -pflichten der Fachgerichte nicht ein. Denn zur verbindlichen Auslegung einer Norm ist letztlich allein die rechtsprechende Gewalt berufen, die nach Art 92 GG den Richtern anvertraut ist (BVerfGE 126, 369, 392 = SozR 4-5050 § 22b Nr 9 RdNr 73). Dies wird schließlich auch dann übersehen, wenn mit Blick auf die zum 1.1.2012 mit dem GKV-VStG in Kraft getretene Änderung des § 137c SGB V gefordert wird, nunmehr die Rechtsprechung entsprechend der Ausführungen in den dortigen Materialien anzupassen(so insbesondere Felix, NZS 2013, 81 ff). Denn zum einen hat die zum 1.1.2012 in Kraft getretene Änderung des § 137c SGB V an der für die hier streitige Frage maßgeblichen Grundkonzeption des § 137c SGB V nichts geändert. Mit ihr wird lediglich der GBA ermächtigt, Richtlinien zur Erprobung nach § 137e SGB V zu beschließen, wenn die Überprüfung im Rahmen des § 137c SGB V ergibt, dass der Nutzen einer Methode noch nicht hinreichend belegt ist, sie aber das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet(§ 137c Abs 1 S 4 SGB V idF des GKV-VStG vom 22.12.2011, BGBl I 2983). Aufgrund einer solchen Richtlinie dürfte die Untersuchungs- oder Behandlungsmethode dann in einem befristeten Zeitraum im Rahmen der Krankenbehandlung oder der Früherkennung zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden (§ 137e Abs 1 S 2 SGB V idF des GKV-VStG vom 22.12.2011, BGBl I 2983). Zur Anwendung des Qualitätsgebots bei einzelnen Krankenhausbehandlungen trifft § 137c SGB V aber weiter keine Regelung. Die Anwendung der Neuregelung des § 137c SGB V auf den vorliegenden Streitfall würde zum anderen die Annahme bedingen, dass der Gesetzgeber neben einer Gesetzesänderung für die Zukunft gleichzeitig im Wege einer Rechtsfortschreibung ohne Textänderung für die Vergangenheit angeordnet habe, den unveränderten Wortlaut des bisherigen § 137c Abs 1 S 2 und Abs 2 S 2 SGB V von Anfang an so zu verstehen, als habe er den vom Kläger gewünschten und allein in den Gesetzesmaterialien verlautbarten Inhalt auch schon früher gehabt. Diese Annahme lässt sich aber mit keiner der zur Verfügung stehenden Auslegungsmethoden begründen.

23

e) Auch der Verweis auf § 6 Abs 2 KHEntgG(idF des Art 2 Nr 4 Buchst b des Fallpauschalenänderungsgesetzes - FPÄndG - vom 17.7.2003, BGBl I 1461) kann die Auffassung des Klägers nicht stützen. Danach sollen die Vertragsparteien nach § 11 KHEntgG erstmals für das Kalenderjahr 2005 zeitlich befristete, fallbezogene Entgelte oder Zusatzentgelte vereinbaren für die Vergütung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die mit den Fallpauschalen und Zusatzentgelten nach § 7 S 1 Nr 1 und 2 KHEntgG noch nicht sachgerecht vergütet werden können und die nicht gemäß § 137c SGB V von der Finanzierung ausgeschlossen sind. Damit ist indes eine Aussage zu der hier streitigen Frage, ob eine Behandlungsmethode zu Lasten der GKV erbracht werden darf, nicht zu erkennen; diese ist vielmehr ausschließlich anhand des SGB V zu beantworten. Zudem schließt § 6 Abs 2 KHEntgG die Anwendung des Qualitätsgebots auf neue stationäre Behandlungsmethoden nicht aus, sondern ist für dessen Berücksichtigung im Rahmen der Auslegung völlig offen.

24

f) Insgesamt schließt sich der Senat nach eigener Prüfung der Rechtsprechung des 1. Senats des BSG an, wonach § 137c SGB V nicht im Sinne einer generellen Erlaubnis aller beliebigen Methoden für das Krankenhaus mit Verbotsvorbehalt ausgelegt werden darf(grundlegend BSGE 101, 177 = SozR 4-2500 § 109 Nr 6, jeweils RdNr 51 ff sowie BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 18 RdNr 23 und Urteil vom 18.12.2012 - B 1 KR 34/12 R - RdNr 34 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2500 § 137 Nr 2 vorgesehen). Die Vorschrift setzt die Geltung des Qualitätsgebots auch im stationären Bereich nicht außer Kraft. Andernfalls würde die aufgezeigte Systematik des SGB V durchbrochen und die Einheit der Rechtsordnung gefährdet. Denn eine Krankenhausbehandlung, die nicht nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt und deshalb für den Patienten Schadensersatzansprüche sowie für den Krankenhausarzt strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann, muss nicht von den Krankenkassen bezahlt werden (BSGE 101, 177 = SozR 4-2500 § 109 Nr 6, jeweils RdNr 51 ff). § 137c SGB V bewirkt vor diesem Hintergrund lediglich, dass - anders als für den Bereich der vertragsärztlichen Versorgung - nicht in einem generalisierten, zentralisierten formellen Prüfverfahren vor Einführung neuer Behandlungsmethoden im Krankenhaus deren Eignung, Erforderlichkeit und Wirtschaftlichkeit formalisiert überprüft wird, sondern die Prüfung der eingesetzten Methoden im zugelassenen Krankenhaus grundsätzlich prospektiv durch das Krankenhaus selbst und retrospektiv lediglich im Einzelfall anlässlich von Beanstandungen ex post erfolgt. Erst ein generalisiertes, zentralisiertes Prüfverfahren nach § 137c SGB V schafft über den Einzelfall hinaus Regelungsklarheit(BSG aaO), so dass es insoweit keiner Einzelfallprüfung mehr bedarf. Der 1. Senat des BSG hat schließlich auch schon entschieden, dass diese Rechtsauslegung nicht nur im Rahmen von Zulassungsverfahren nach § 109 SGB V maßgeblich ist, sondern ebenso bei der Bewertung des - für den Entgeltanspruch des Krankenhauses maßgeblichen - Leistungsanspruchs des Versicherten nach § 39 SGB V zu berücksichtigen ist(BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 18 RdNr 23). Hieran vermag die Stellung des Klägers als Universitätsklinikum nichts zu ändern, da das Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 SGB V) auch hier gilt (vgl BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 29.12.2012 - 1 BvR 1849/12 ua -, RdNr 11 f zitiert nach Juris).

25

4. Der Kläger kann den streitigen Vergütungsanspruch auch nicht auf die Grundsätze eines Seltenheitsfalles stützen, da ein solcher der streitigen Behandlung nicht zugrunde lag. Denn ein Seltenheitsfall setzt voraus, dass eine Krankheit weltweit nur extrem selten auftritt und deshalb im nationalen wie im internationalen Rahmen weder systematisch erforscht noch systematisch behandelt werden kann (grundlegend BSGE 93, 236 = SozR 4-2500 § 27 Nr 1, jeweils RdNr 21 sowie in der Folge BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, jeweils RdNr 30; BSGE 109, 212 = SozR 4-2500 § 31 Nr 19, jeweils RdNr 21; BSGE 109, 218 = SozR 4-2500 § 31 Nr 20, jeweils RdNr 13 f; Urteil vom 3.7.2012 - B 1 KR 25/11 R - BSGE 111, 168 = SozR 4-2500 § 31 Nr 22, jeweils RdNr 18 ff). Vorliegend ergibt sich sowohl aus dem Vortrag des Klägers als auch aus den Stellungnahmen des MDK, dass eine systematische Erforschung sowohl der Behandlung der NHL-Erkrankung des Versicherten als auch der Wirksamkeit der streitigen in-vitro Aufbereitung erfolgt ist. Dabei kommt der Tatsache, dass die im Verfahren benannten Studien nicht genau zur Erkrankung des Versicherten, sondern teilweise zu anderen Unterarten des Non-Hodgking-Lymphoms durchgeführt worden sind, keine besondere Bedeutung zu, da die Beteiligten ungeachtet dessen davon ausgegangen sind, aus diesen auch Schlüsse über die Wirksamkeit der in-vitro Aufbereitung beim Versicherten ziehen zu können. Darüber hinaus hat die Interdisziplinäre Leitlinie der Deutschen Krebsgesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie zu Non-Hodgkin-Lymphomen im Kindesalter bereits in ihrer im Jahr 2000 veröffentlichten Fassung als ein vorrangiges Ziel die Entwicklung einer erfolgversprechenden Rezidivtherapie formuliert (zitiert nach Forum DKG 3/00 S 47, 50). Von einem Seltenheitsfall ist deshalb nicht auszugehen.

26

5. Auch unter Berücksichtigung der vom BVerfG entwickelten Grundsätze einer grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungsrechts ("Nikolausbeschluss", zB BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5; vgl auch BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, jeweils RdNr 21 und 29 ff mwN; BSGE 96, 153 = SozR 4-2500 § 27 Nr 7, jeweils RdNr 31 f; BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, jeweils RdNr 20 ff mwN; seit 1.1.2012: § 2 Abs 1a SGB V),ergibt sich kein Anspruch des Krankenhauses, da mit der Hochdosischemotherapie mit autogener Stammzelltransplantation eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung zur Verfügung stand (vgl BSG Urteil vom 3.7.2012 - B 1 KR 6/11 R - BSGE 111, 137 = SozR 4-2500 § 13 Nr 25, jeweils RdNr 17).

27

6. Die Revision hat schließlich auch keinen Erfolg mit den Verfahrensrügen, das LSG habe keine ordnungsgemäße Sachverhaltsaufklärung hinsichtlich der Feststellung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse betrieben und insoweit gegen § 103 SGG verstoßen, da es seine Entscheidung auf die Gutachten des MDK gestützt und weitere Ermittlungen, insbesondere die Einholung der in der mündlichen Verhandlung hilfsweise beantragten Sachverständigengutachten unterlassen habe.

28

Nach § 103 SGG erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen. Dabei bestimmt das Tatsachengericht im Rahmen seines Ermessens die Ermittlungen und Maßnahmen, die nach seiner materiell-rechtlichen Auffassung zur Aufklärung des Sachverhalts notwendig sind. Sein Ermessen ist dabei durch die Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts in dem für die Entscheidung erforderlichen Umfang begrenzt. Ein Verstoß gegen § 103 SGG liegt deshalb nur dann vor, wenn das Berufungsgericht sich zu einer weiteren Sachverhaltsaufklärung hätte gedrängt fühlen müssen(BSGE 93, 137 = SozR 4-2500 § 137c Nr 2, jeweils RdNr 34; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 103 RdNr 20 mwN). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Es konnte materiell-rechtlich weder auf die Auffassung des MDK noch auf die Auffassung eines Sachverständigen zum allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse ankommen. Die Auffassung einzelner Mediziner - und als nichts anderes ist eine fachliche Stellungnahme des MDK zum allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu werten - ist bei der Beurteilung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse gerade nicht maßgeblich (BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 5 RdNr 24). Auch auf die Anerkennung und Akzeptanz der streitigen Methode in den einschlägigen medizinischen Fachkreisen zum Zeitpunkt der Behandlung konnte es aufgrund des fehlenden wissenschaftlichen Belegs der Wirksamkeit nicht ankommen (BSGE 84, 90, 96 f = SozR 3-2500 § 18 Nr 4 S 19; BSGE 81, 54, 70 = SozR 3-2500 § 135 Nr 4 S 26 f - Systemversagen).

29

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 SGG iVm § 154 Abs 1 und 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und § 47 Abs 1 GKG.

Tenor

Die Revision der Klägerinnen gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 16. Dezember 2009 wird zurückgewiesen.

Die Klägerinnen tragen auch die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2. bis 8.

Der Streitwert wird für das Revisionsverfahren auf 2 500 000 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die klagenden pharmazeutischen Unternehmen wenden sich gegen die Festsetzung eines Festbetrages für Arzneimittel mit dem Wirkstoff Atorvastatin.

2

Atorvastatin gehört zur Wirkstoffgruppe der Statine, die insbesondere dazu dienen, den Cholesterin-Spiegel im Menschen zu senken. Dazu vermindern sie die körpereigene Erzeugung des an Lipoprotein geringer Dichte (LDL) gebundenen Cholesterins, das im Blutkreislauf zur Leber transportiert wird, indem sie die Wirkung des Schlüsselenzyms für die Cholesterinproduktion in Körperzellen (ß-Hydroxy-ß-Methylglutaryl-Coenzym A-Reduktase ) hemmen. Die Zellen reagieren auf den hierdurch hervorgerufenen Cholesterinmangel, indem sie vermehrt Rezeptoren bilden, die das LDL aus dem Blut aufnehmen. Der Wirkstoff Atorvastatin ist enthalten in dem von den Klägerinnen seit 1997 in Deutschland hergestellten und vertriebenen Fertigarzneimittel Sortis. Atorvastatin wird synthetisch hergestellt und genießt bis 2011 Patentschutz. Sortis wurde am 17.12.1996 mit den Wirkstärken 10, 20, 40 mg, später auch mit der Wirkstärke 80 mg arzneimittelrechtlich zugelassen. Nach der Fachinformation erstreckt sich die Zulassung von Sortis ua auf das Anwendungsgebiet der primären und kombinierten Hypercholesterinämie. Für diese Anwendungsgebiete sind auch die übrigen Arzneimittel zugelassen, die die Statine Fluvastatin, Lovastatin, Pravastatin und Simvastatin enthalten. Der Beigeladene zu 1. fasste auf der Grundlage einer Anhörung und einer gutachterlichen Stellungnahme Arzneimittel mit Statinen als Wirkstoff in der Festbetragsgruppe "HMG-CoA-Reduktasehemmer" in der Anlage 2 der Arzneimittel-Richtlinien zusammen (Wirkstoffe und Vergleichsgrößen Atorvastatin: 16,7; Fluvastatin: 42,2; Lovastatin: 23,2; Pravastatin: 21,3 sowie Simvastatin: 20,7; Beschluss vom 20.7.2004, BAnz Nr 182 vom 25.9.2004, S 21086). Die Beigeladenen zu 3. bis 8. setzten mit Wirkung vom 1.1.2005 einen Festbetrag von 62,55 Euro für die Wirkstoffgruppe der HMG-CoA-Reduktasehemmer fest (Standardpackung 100, Wirkstärkenvergleichsgröße 0,97; Beschluss vom 29.10.2004, BAnz Nr 210 vom 5.11.2004, S 22602). Die Wirkstoffe Fluvastatin, Lovastatin und Simvastatin waren bei Beschlussfassung zu diesem Festbetrag erhältlich. Der Apothekenabgabepreis von Sortis liegt seit Inkrafttreten dieser Festbetragsfestsetzung deutlich über dem Festbetrag.

3

Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 22.11.2005). Während des Berufungsverfahrens haben die Beigeladenen zu 3. bis 8. am 10.2.2006 beschlossen, den Festbetrag für die Wirkstoffgruppe der HMG-CoA-Reduktasehemmer mit Wirkung vom 1.4.2006 um fünf Prozent auf 59,42 Euro abzusenken (Standardpackung 100, Wirkstärkenvergleichsgröße 0,97; BAnz Nr 48 vom 9.3.2006, S 1524, 1534). Das LSG hat den Streit über die Anfechtung der Festbetragsfestsetzungen abgetrennt, die ab 1.7.2006 Arzneimittel mit dem Wirkstoff Atorvastatin betreffen (Aktenzeichen L 9 KR 351/09; vgl näher Senatsurteil vom selben Tage - B 1 KR 13/10 R), die Berufung gegen das SG-Urteil zurückgewiesen sowie die Klage gegen die Festbetragsfestsetzung vom 10.2.2006 abgewiesen: Die an § 35 SGB V zu messenden Allgemeinverfügungen der Beigeladenen zu 3. bis 8. wie auch der zugrunde liegende Beschluss des Beigeladenen zu 1. vom 20.7.2004 zur Festbetragsgruppen- und Vergleichsgrößenbildung seien nicht zu beanstanden (Urteil vom 16.12.2009).

4

Mit ihrer Revision rügen die Klägerinnen die Verletzung von § 35 Abs 1 Satz 2 Nr 2, Satz 3, Satz 5, Abs 1a, Abs 2, Abs 5 Satz 1 und 2 SGB V sowie von Verfahrensrecht. Der Beigeladene zu 1. habe Arzneimittel mit dem Wirkstoff Atorvastatin nicht in die Festbetragsgruppe der Statine einbeziehen dürfen, insbesondere da sie nachweislich pleiotrope Eigenschaften, eine therapierelevant besonders starke Wirkpotenz und einen schnellen Wirkeintritt sowie ein überlegenes Sicherheitsprofil hätten. Die festgesetzten Vergleichsgrößen spiegelten die Wirkunterschiede der betroffenen Arzneimittel nicht angemessen wider. Die festgesetzten Festbetragshöhen seien rechtswidrig, weil sie nicht das gesamte Spektrum der zu behandelnden Patienten berücksichtigten. Das LSG habe gegen §§ 103 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG verstoßen, da es entgegen seiner Aufklärungspflicht abgelehnt habe, antragsgemäß Prof. Dr. W. zu hören.

5

Die Klägerinnen beantragen,
die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 16. Dezember 2009 und des Sozialgerichts Berlin vom 22. November 2005 aufzuheben sowie die Festbetragsfestsetzungen vom 29. Oktober 2004 und 10. Februar 2006 insoweit abzuändern, als darin ein Festbetrag für Arzneimittel mit dem Wirkstoff Atorvastatin festgesetzt wird.

6

Der Beklagte und der Beigeladene zu 1. beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

7

Beide halten das Urteil des LSG für zutreffend.

8

Die übrigen Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision der Klägerinnen ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Die Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt, insbesondere sind die Klägerinnen klagebefugt (dazu 1.). Das LSG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass die Festbetragsfestsetzung für den Geltungszeitraum vom 1.1.2005 bis 31.3.2006 (dazu 2.) sowie vom 1.4. bis 30.6.2006 (dazu 3.) die Klägerinnen nicht rechtswidrig beschwert, obwohl sie Arzneimittel mit dem Wirkstoff Atorvastatin einbezieht.

10

1. Die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtenden Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt.

11

a) Die auf die Aufhebung von Festbetragsfestsetzungen gerichtete Klage ist eine ohne Vorverfahren statthafte Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 Alt 1 SGG iVm § 35 Abs 7 Satz 3 SGB V). Festbetragsfestsetzungen sind grundsätzlich Verwaltungsakte in Form der Allgemeinverfügung (§ 31 Satz 2 SGB X; vgl BVerfGE 106, 275 = SozR 3-2500 § 35 Nr 2; BSGE 94, 1 = SozR 4-2500 § 35 Nr 3, RdNr 8). Zulässiger Streitgegenstand der Klage ist der Anspruch auf Aufhebung der Festbetragsfestsetzung vom 29.10.2004 und der später kraft Gesetzes (§ 153 Abs 1, § 96 Abs 1 SGG) einbezogenen Festbetragsanpassung vom 10.2.2006 für die Zeit bis zum Ablauf des 30.6.2006. Die Klägerinnen verfolgen zulässig ihren Anspruch auf Aufhebung der Festbetragsfestsetzungen vom 29.10.2004, 10.2.2006, 11.5.2006 und 7.4.2008 für die Zeit ab 1.7.2006 in einem gesonderten Verfahren (vgl zur Teilbarkeit des Anfechtungsbegehrens Senatsurteile vom selben Tage - B 1 KR 10/10 R -, zur Veröffentlichung vorgesehen, und - B 1 KR 13/10 R).

12

b) Die Klägerinnen haben ihre Klage im Berufungsverfahren zulässig gegen den Beklagten umgestellt, um nach Änderung der Zuständigkeit für Festbetragsfestsetzungen in § 35 Abs 3 Satz 1 SGB V iVm § 217f Abs 1 SGB V(idF des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 26.3.2007, BGBl l 378) dem mit dieser Funktionsnachfolge verbundenen gesetzlichen Beteiligtenwechsel von den Beigeladenen zu 3. bis 8. zum Beklagten Rechnung zu tragen (vgl hierzu BSGE 101, 177 = SozR 4-2500 § 109 Nr 6, RdNr 13; BSGE 102, 248 = SozR 4-5050 § 15 Nr 6).

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c) Die Klägerinnen sind als Herstellerinnen eines von der Festbetragsfestsetzung betroffenen Arzneimittels klagebefugt iS von § 54 Abs 1 Satz 2 SGG, obwohl sie nicht Adressaten der Regelung sind. Festbetragsfestsetzungen sind Verwaltungsakte in Form der Allgemeinverfügung, die sich nach der Gesetzeskonzeption an Versicherte und Vertragsärzte, nicht jedoch an Arzneimittelhersteller richten (§ 31 Satz 2 SGB X; vgl zur Regelung gegenüber Versicherten und Vertragsärzten näher Senatsurteil vom selben Tage - B 1 KR 10/10 R - unter II. 1.a, mwN, zur Veröffentlichung vorgesehen). Festgesetzte Festbeträge legen insbesondere als solche nicht Arzneimittelpreise fest. Betroffene Arzneimittelhersteller können die Aufhebung einer Festbetragsfestsetzung verlangen, soweit sie in ihren Anhörungsrechten verletzt oder wegen einer willkürlichen Handhabung des § 35 SGB V benachteiligt sind.

14

§ 35 SGB V verbürgt für Arzneimittelhersteller lediglich das - vorliegend unstreitig beachtete - Recht, vor Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) Stellung zu nehmen(vgl § 35 Abs 2 SGB V). Im Übrigen regelt § 35 SGB V im Interesse des Wirtschaftlichkeitsgebots der gesetzlichen Krankenversicherung - GKV -(vgl § 12 Abs 1 SGB V)Voraussetzungen, Verfahren und Rechtsschutz bei Festbetragsfestsetzungen. Wortlaut, Entstehungsgeschichte und aufgezeigter Regelungszweck sowie die Gesetzesentwicklung nach der Entscheidung des BVerfG zur Verfassungsmäßigkeit des § 35 SGB V vom 17.12.2002 (BVerfGE 106, 275 = SozR 3-2500 § 35 Nr 2) geben keinen Hinweis auf einen drittschützenden Gehalt der Regelung zugunsten von Arzneimittelherstellern. Daran hat sich auch dadurch nichts geändert, dass der GBA neuerdings die Verordnung eines Arzneimittels nur einschränken oder ausschließen darf, wenn die Wirtschaftlichkeit nicht durch einen Festbetrag nach § 35 SGB V oder durch die Vereinbarung eines Erstattungsbetrags nach § 130b SGB V hergestellt werden kann(s § 92 Abs 2 Satz 11 SGB V idF durch Art 1 Nr 13 Buchst b Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung - Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz vom 22.12.2010, BGBl I 2262; vgl hierzu Hauck, GesR 2011, 69, 70 ff). Diese Regelung begründet subjektive Rechte zugunsten von Arzneimittelherstellern bloß im Zusammenhang mit Verordnungseinschränkungen oder -ausschlüssen durch den GBA. Arzneimittelhersteller können sich indes darauf berufen, dass eine fehlerhafte Festbetragsfestsetzung ihre Grundrechte verletzt, soweit sie eine grundrechtlich maßgebliche Wettbewerbsverfälschung beinhaltet (vgl BSGE 94, 1 = SozR 4-2500 § 35 Nr 3, RdNr 15).

15

Nach der Rechtsprechung des BVerfG verletzen Festbetragsfestsetzungen - ähnlich wie Ausschreibungen von Rabattverträgen - die Berufsfreiheit (Art 12 Abs 1 GG) pharmazeutischer Unternehmer nicht (BVerfGE 106, 275 = SozR 3-2500 § 35 Nr 2; BVerfG A&R 2011, 38). Das Grundrecht der Berufsfreiheit umfasst zwar ua die Freiheit, das Entgelt für berufliche Leistungen selbst festzusetzen oder mit den Interessenten auszuhandeln (vgl BVerfGE 101, 331, 347; 106, 275, 298; 117, 163, 181). Erfolgt die unternehmerische Berufstätigkeit am Markt nach den Grundsätzen des Wettbewerbs, wird die Reichweite des Freiheitsschutzes auch durch die rechtlichen Regeln mitbestimmt, die den Wettbewerb ermöglichen und begrenzen. Art 12 Abs 1 GG sichert in diesem Rahmen die Teilhabe am Wettbewerb nach Maßgabe seiner Funktionsbedingungen (vgl BVerfGE 105, 252, 265). Dagegen umfasst das Grundrecht keinen Anspruch auf Erfolg im Wettbewerb und Sicherung künftiger Erwerbsmöglichkeiten (vgl BVerfGE 106, 275, 299 = SozR 3-2500 § 35 Nr 2 S 18; BVerfGE 116, 135, 152). Die Vergabe eines öffentlichen Auftrags an einen Mitbewerber und die der Vergabeentscheidung zugrunde gelegten Kriterien berühren ebenso wie mögliche Vorstufen einer Vergabeentscheidung, hier die Festbetragsfestsetzung, grundsätzlich nicht den Schutzbereich der Berufsfreiheit des erfolglosen Bewerbers. Bei der Vergabe eines öffentlichen Auftrags beeinflusst die handelnde staatliche Stelle den Wettbewerb nicht von außen, sondern wird selbst auf der Nachfrageseite wettbewerblich tätig und eröffnet so einen Vergabewettbewerb zwischen den potentiellen Anbietern. Dabei ist es grundsätzlich Sache des Nachfragers, nach welchen Kriterien und in welchem Verfahren er das günstigste Angebot auswählt. Dementsprechend trägt ein Wettbewerber auf der Angebotsseite stets das Risiko, dass seinem Angebot ein anderes, für den Nachfrager günstigeres vorgezogen wird (vgl BVerfGE 116, 135, 151 f). Festbetragsfestsetzungen betreffen lediglich die Rahmenbedingungen der wirtschaftlichen Betätigung pharmazeutischer Unternehmer, nämlich in einem weiteren Sinne Auswahlkriterien für die Einbeziehung von Arzneimitteln in den GKV-Leistungskatalog. Pharmazeutische Unternehmer haben keinen verfassungsrechtlich geschützten Anspruch darauf, dass ihre Angebote in den GKV-Leistungskatalog aufgenommen werden und nicht von Festbetragsfestsetzungen betroffen sind.

16

Anders läge es nur, wenn die angewandten Bewertungskriterien nach ihrer Zielsetzung und ihren Wirkungen einen Ersatz für eine staatliche Maßnahme darstellen würden, die als Grundrechtseingriff in die Berufsfreiheit zu qualifizieren wäre (vgl BVerfGE 105, 252, 273; 116, 135, 153; 118, 1, 20). An einer eingriffsgleichen Wirkung einer staatlichen Maßnahme fehlt es jedoch, wenn mittelbare Folgen lediglich ein bloßer Reflex einer nicht entsprechend ausgerichteten Regelung sind (vgl BVerfGE 106, 275, 299 = SozR 3-2500 § 35 Nr 2 S 18; BVerfGE 116, 202, 222). Zwar verringern sich die Chancen eines Unternehmens erheblich, dessen Arzneimittel zu einem Preis oberhalb des Festbetrags verkauft werden. Die Marktbedeutung der Festbetragsfestsetzung mag dazu führen, dass sich pharmazeutische Unternehmen deshalb regelmäßig - anders als die Klägerinnen - veranlasst sehen, eine Festbetragsüberschreitung zu vermeiden. Die Rechtsgrundlagen der Festbetragsfestsetzung dienen aber erkennbar nicht dem Zweck, einer solchen Überschreitung generell entgegenzuwirken, sondern zielen darauf ab, im Interesse der Finanzierbarkeit der GKV für die Wirtschaftlichkeit der Angebote zu sorgen. Etwaige Auswirkungen auf die allgemeine Preisgestaltung der Arzneimittel für den GKV-Leistungskatalog anbietenden pharmazeutischen Unternehmen stellen sich lediglich als Reflex dieser Zielsetzung dar.

17

Zu messen ist die angegriffene Entscheidung allerdings am allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG. Einer staatlichen Stelle, die einen öffentlichen Auftrag vergibt, ist es aufgrund des Gleichheitssatzes verwehrt, das Verfahren oder die Kriterien der Vergabe willkürlich zu bestimmen (vgl BVerfGE 116, 135, 153), gleiches gilt für die Vorstufe von Vergaben, wie hier die Festbetragsfestsetzungen. Nach diesem Maßstab können staatliche Maßnahmen, die den Wettbewerb der Unternehmen untereinander willkürlich verfälschen, im Einzelfall eine Grundrechtsverletzung bedeuten. Wird eine Versorgungsalternative infolge willkürlicher medizinisch-pharmakologischer Bewertung zu Unrecht als mit anderen Arzneimitteln gleichwertig eingestuft, so beinhaltet dies jedenfalls dann eine Benachteiligung des betroffenen Arzneimittelherstellers im Wettbewerb, wenn die besondere therapeutische Qualität seines Arzneimittels durch Gleichbewertung mit andersartigen Konkurrenzprodukten ohne jeden sachlichen Grund verneint wird und dieses Arzneimittel als durch andere gleichwertig ersetzbar erscheint. Dagegen schützt der allgemeine Gleichheitssatz gemäß Art 3 Abs 1 GG. Er verbietet nicht nur die unterschiedliche Behandlung von Gleichem, sondern auch die Gleichbehandlung von sachlich Ungleichem anhand offensichtlich sachwidriger Kriterien (vgl BVerfG A&R 2011, 38 RdNr 14).

18

Im Bereich der Festbeträge liegt eine solche verfassungswidrige Gleichbehandlung vor, wenn die Arzneimittel eines Arzneimittelherstellers offensichtlich aus pharmakologisch-therapeutischer Sicht so unterschiedlich sind, dass sie durch die Arzneimittel eines anderen Herstellers praktisch nicht ersetzt werden können, sie dennoch aber ohne Rechtfertigung in einer Festbetragsgruppe zusammengefasst sind. Dabei ergeben sich aus dem Gleichheitssatz umso engere Grenzen, je stärker sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann (vgl für das Verhältnis zum Gesetzgeber BVerfGE 89, 15, 22 f; 90, 46, 56; 97, 271, 290 f; 99, 341, 355 f; 103, 242, 258; 105, 73, 110f; 116, 135, 161).

19

2. In der Sache bleibt die Revision ohne Erfolg. Die klagenden pharmazeutischen Unternehmen können anhand des dargelegten Prüfmaßstabs der willkürlichen Wettbewerbsverfälschung (vgl oben II.1.c) nicht beanspruchen, dass der Beschluss über die Festbetragsfestsetzung vom 29.10.2004 aufgehoben wird, da er rechtmäßig und keineswegs offensichtlich sachwidrig ist. Ein strengerer Maßstab als das Willkürverbot ist unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten (vgl BVerfGE 116, 135, 161) angesichts der rein sachbezogenen Ausgestaltung der Festbetragsregelung im SGB V weder bei der Bildung der Festbetragsgruppe und der Vergleichsgrößen noch bei der Festsetzung der Festbetragshöhe geboten. Nach der anzuwendenden gesetzlichen Regelung (dazu a) handelte der hierzu berufene Beigeladene zu 1. formell rechtmäßig (dazu b). Er bildete die Festbetragsgruppe (dazu c, d) und die Vergleichsgrößen (dazu e) materiell rechtmäßig. Die Beigeladenen zu 3. bis 8. setzten die Festbeträge rechtmäßig fest (dazu f).

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a) Zu messen ist die Rechtmäßigkeit des Beschlusses vom 29.10.2004 an der Festbetragsregelung des § 35 SGB V idF des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung(GKV-Modernisierungsgesetz ) vom 14.11.2003 (BGBl I 2190) mit Wirkung vom 20.11.2003. Diese Norm gibt für die Festsetzung von Festbeträgen ein zweistufiges Verfahren vor: Zunächst bestimmt der Beigeladene zu 1. in den Arzneimittel-Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V, für welche Gruppen von Arzneimitteln Festbeträge festgesetzt werden können und welche Vergleichsgrößen dabei zugrunde zu legen sind(§ 35 Abs 1 und 2 SGB V). Auf der Grundlage dieses Beschlusses erfolgt sodann die Festsetzung der jeweiligen Festbeträge im Wege einer Allgemeinverfügung (vgl § 35 Abs 3 bis 6 und Abs 7 Satz 1 SGB V). Die Entscheidung des Beigeladenen zu 1. ist nicht isoliert anfechtbar (§ 35 Abs 7 Satz 4 SGB V), ihre Überprüfung indessen Bestandteil der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der auf ihrer Grundlage ergangenen Allgemeinverfügung (BSGE 94, 1 = SozR 4-2500 § 35 Nr 3, RdNr 11, unter Hinweis auf BT-Drucks 11/3480 S 54).

21

b) Der hierzu berufene Beigeladene zu 1. hat die Festbetragsgruppe (§ 35 Abs 1 Satz 1 bis 3 SGB V) und die Vergleichsgrößen (§ 35 Abs 1 Satz 5 SGB V) als Grundlage der Festbetragsfestsetzung formell rechtsfehlerfrei bestimmt. Er hat erstmals eine Festbetragsgruppe der Statine bestehend aus Atorvastatin, Fluvastatin, Lovastatin, Pravastatin, Simvastatin gebildet, Vergleichsgrößen festgesetzt (Beschluss vom 20.7.2004) und dies in Arzneimittel-Richtlinien geregelt (§ 35 Abs 1 Satz 1 und 5 SGB V idF des GMG; § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V idF des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000). Die Richtlinien des GBA sind in der Rechtsprechung seit Langem als untergesetzliche Rechtsnormen anerkannt (stRspr; vgl nur BSGE 105, 1 = SozR 4-2500 § 125 Nr 5, RdNr 26). Ihre Bindungswirkung gegenüber allen Systembeteiligten steht außer Frage (vgl § 91 Abs 9 SGB V idF des GMG; jetzt § 91 Abs 6 SGB V idF des GKV-WSG; BSGE 105, 1 = SozR 4-2500 § 125 Nr 5, RdNr 33; BSGE 104, 95 = SozR 4-2500 § 139 Nr 4, RdNr 22; vgl auch BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 57 ff).

22

Das BSG zieht die Verfassungsmäßigkeit dieser Art der Rechtsetzung nicht mehr grundlegend in Zweifel (BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 14 mwN - LITT; BSGE 104, 95 = SozR 4-2500 § 139 Nr 4, RdNr 18 mwN). Kritischen Stimmen ist in jüngerer Zeit Literatur entgegengetreten (vgl Neumann, NZS 2010, 593; Hauck, NZS 2010, 600 mwN). Für die Bildung von Festbetragsgruppen gilt die Bejahung der Verfassungsmäßigkeit im Besonderen, weil der Gesetzgeber einen konkreten Katalog von gesetzlichen Voraussetzungen formuliert, bei deren Vorliegen er den Beigeladenen zu 1. im Bereich der Arzneimittelversorgung mit der Gruppenbildung betraut (vgl Hauck in: H. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Stand 1.7.2010, Band 2, § 35 SGB V RdNr 30). Das BVerfG hat in seiner Entscheidung vom 17.12.2002 (BVerfGE 106, 275 = SozR 3-2500 § 35 Nr 2) zwar ausdrücklich nur das System der Festsetzung von Festbeträgen (§§ 35 ff SGB V) im Ganzen als verfassungskonform bewertet, folgerichtig die Verfassungsmäßigkeit der Kompetenzen des Beigeladenen zu 1. damit aber unausgesprochen vorausgesetzt (vgl auch BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 61 - Therapiehinweise).

23

Die im Interesse der verfassungsrechtlichen Anforderungen der Betroffenenpartizipation umfassend durch Gesetz und - inzwischen - Verfahrensordnung des Beigeladenen zu 1. ausgestalteten und abgesicherten Beteiligungsrechte wurden gewahrt. Sie stellen sicher, dass alle sachnahen Betroffenen selbst oder durch Repräsentanten auch über eine unmittelbare Betroffenheit in eigenen Rechten hinaus Gelegenheit zur Stellungnahme haben, wenn ihnen nicht nur marginale Bedeutung zukommt (vgl dazu Hauck, NZS 2010, 600, 604).

24

Auf die von den Klägerinnen unter Beweis gestellte Behauptung, dass der Beigeladene zu 1. anlässlich der Gruppenbildung für Statine im Jahre 2004 Prof. Dr. W. mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt hat, kommt es demgegenüber nicht an. Auswahl und Entpflichtung von Sachverständigen liegen im Ermessen des Beigeladenen zu 1. (vgl auch Kraftberger/Adelt: in Kruse/Hänlein, LPK-SGB V, 3. Aufl 2009, § 35 RdNr 38; Hess in: Kasseler Komm, Stand 1.10.2010, § 35 SGB V RdNr 19). Seine Entscheidung war ohne Zweifel sachgerecht, eine auf Neutralität angelegte Institution wie die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) mit einem Gutachten zu betrauen und einem Einzelsachverständigen vorzuziehen. Die AkdÄ hat als wissenschaftlicher Fachausschuss der Bundesärztekammer ua die Aufgabe, entsprechend den Regelungen in den ärztlichen Berufsordnungen - wie in § 62 Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln(Arzneimittelgesetz ) vorausgesetzt - unerwünschte Arzneimittelwirkungen, die ihr aus der deutschen Ärzteschaft mitgeteilt werden müssen, zu erfassen, zu dokumentieren und zu bewerten. Der Gesetzgeber bindet vor diesem Hintergrund die AkdÄ inzwischen selbst in Verfahren des GBA zur Anforderung ergänzender versorgungsrelevanter Studien zur Bewertung der Zweckmäßigkeit von Arzneimitteln ein (vgl § 92 Abs 2a Satz 1 SGB V idF durch Art 1 Nr 13 Buchst c AMNOG - vom 22.12.2010, BGBl I 2262, mit Wirkung vom 1.1.2011).

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c) Die gebildete Gruppeneinteilung entspricht nach der gebotenen gerichtlichen Prüfung (dazu aa) materiellem Recht. Der Beigeladene zu 1. hat mit seinem Beschluss vom 20.7.2004 ausgehend von rechtmäßigen Kriterien (dazu bb) - hier: dem Inhalt der Arzneimittelzulassungen (dazu cc) - in der Gruppe "HMG-CoA-Reduktasehemmer" Arzneimittel mit pharmakologisch-therapeutisch vergleichbaren Wirkstoffen, insbesondere mit chemisch verwandten Stoffen, zusammengefasst (dazu dd), ohne unterschiedliche Bioverfügbarkeiten der Arzneimittel berücksichtigen zu müssen (§ 35 Abs 1 Satz 2 SGB V; dazu ee). Die gebildete Gruppe gewährleistet, dass Therapiemöglichkeiten nicht eingeschränkt werden und medizinisch notwendige Verordnungsalternativen zur Verfügung stehen (§ 35 Abs 1 Satz 3 Halbs 1 SGB V; dazu ff). Der Einbeziehung von Sortis steht nicht die Ausnahme von der Gruppenbildung für Arzneimittel mit patentgeschützten Wirkstoffen entgegen, deren Wirkungsweise neuartig ist und die eine therapeutische Verbesserung, auch wegen geringerer Nebenwirkungen, bedeuten (§ 35 Abs 1 Satz 3 Halbs 2 SGB V; dazu d).

26

aa) Die im Rang unterhalb des einfachen Gesetzesrechts stehenden Richtlinien des Beigeladenen zu 1. sind gerichtlich in der Weise zu prüfen, wie wenn der Bundesgesetzgeber derartige Regelungen in Form einer untergesetzlichen Norm - etwa einer Rechtsverordnung - selbst erlassen hätte (BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 14 - LITT; Schlegel, MedR 2008, 30, 32; Hauck, NZS 2010, 600, 611 f). § 35 SGB V gibt dem Beigeladenen zu 1. ein engmaschiges, rechtlich voll überprüfbares Programm vor: Die Verwendung ihrer Art nach rechtmäßiger Prüfkriterien, die Ermittlung des Inhalts der Arzneimittelzulassungen, die Qualifizierung von Arzneimitteln als solche mit pharmakologisch-therapeutisch vergleichbaren Wirkstoffen, insbesondere mit chemisch verwandten Stoffen, die Gewährleistung sowohl fehlender Einschränkungen von Therapiemöglichkeiten als auch der Verfügbarkeit medizinisch notwendiger Verordnungsalternativen sowie die zutreffende rechtliche Erfassung der Ausnahme von der Gruppenbildung für Arzneimittel mit patentgeschützten Wirkstoffen ist vom Gericht uneingeschränkt zu überprüfen. Der Gesetzgeber belässt dem Beigeladenen zu 1. bei der Umsetzung dieser Regelungselemente des § 35 SGB V keinen Gestaltungsspielraum. Das gilt auch für die Vollständigkeit der vom Beigeladenen zu 1. zu berücksichtigenden Studienlage.

27

Anders liegt es dagegen bei der Entscheidung über Zeitpunkt, Zuschnitt und Auswahl der Gruppe sowie bei der Bewertung des zutreffend ermittelten Standes der Studienlage im Hinblick auf ihre Eignung, für die Gruppenbildung relevante Therapiehinweise, Verordnungseinschränkungen oder -ausschlüsse zu erlassen. Hier entscheidet der Beigeladene zu 1. als Normgeber. Insoweit darf die sozialgerichtliche Kontrolle ihre eigenen Wertungen nicht an die Stelle der vom Beigeladenen zu 1. getroffenen Wertungen setzen (vgl ähnlich BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 67 - Therapiehinweise). Vielmehr beschränkt sich die gerichtliche Prüfung in diesen Segmenten darauf, ob die Zuständigkeits- und Verfahrensbestimmungen sowie die gesetzlichen Vorgaben nachvollziehbar und widerspruchsfrei Beachtung gefunden haben, um den Gestaltungsspielraum auszufüllen.

28

bb) Grundlage und Ausgangspunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Festbetragsgruppenbildung ist grundsätzlich der Inhalt der arzneimittelrechtlichen Zulassung nach dem AMG. Der Inhalt ergibt sich zusammengefasst insbesondere aus der Fachinformation gemäß § 11a AMG. Eine Berücksichtigung darüber hinausgehender Unterlagen ist für die Prüfung des Vorliegens vergleichbarer Wirkstoffe nach Maßgabe des § 35 Abs 1 Satz 2 Halbs 1 und Satz 3 Halbs 1 SGB V grundsätzlich nicht vorgesehen. Hiervon abweichend ist dagegen nicht allein die arzneimittelrechtliche Zulassung, sondern eine neuere Studienlage maßgeblich, wenn eine solche für die Gruppenbildung bedeutsame Therapiehinweise, Verordnungseinschränkungen oder Verordnungsausschlüsse durch den GBA rechtfertigt, weil sie Indikationsbereiche eines Arzneimittels oder von Arzneimitteln im Vergleich zu anderen als unwirtschaftlich erscheinen lässt und nicht lediglich insgesamt das Therapiegebiet der Gesamtgruppe einschränkt. Dies folgt aus Regelungssystem (dazu <1.>), Normsystematik und Wortlaut (dazu <2.>), Entstehungsgeschichte (dazu <3.>) sowie Sinn und Zweck des § 35 SGB V(dazu <4.>).

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(1.) § 35 SGB V knüpft an das allgemeine Regelungssystem der Arzneimittelversorgung in der GKV an und ändert es nur in spezifischen, genau umrissenen Teilbereichen. Nach diesem System ist Grundvoraussetzung des Anspruchs Versicherter auf ein zur Krankenbehandlung notwendiges Arzneimittel in der Regel seine Anwendung im Rahmen der durch die arzneimittelrechtliche Zulassung vorgegebenen Indikation. Notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung der Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln in der GKV ist ihre Qualität als Arzneimittel im Sinne des Arzneimittelrechts. Dieses bezweckt, im Interesse einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung von Mensch und Tier für die Sicherheit im Verkehr mit Arzneimitteln, insbesondere für die Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Arzneimittel zu sorgen (§ 1 AMG). Insoweit stellen das SGB V und das AMG auf denselben Zweck ab (stRspr, vgl BSGE 96, 153 = SozR 4-2500 § 27 Nr 7, RdNr 15 mwN - D-Ribose; BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, RdNr 15 - Lorenzos Öl; vgl auch BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 55 f - Therapiehinweise und SozR 4-2500 § 106 Nr 21<6. BSG-Senat>). Daher verzichtet das Krankenversicherungsrecht bei der Arzneimittelversorgung weitgehend auf eigene Vorschriften zur Qualitätssicherung. Es knüpft insoweit vielmehr im Ausgangspunkt an das Arzneimittelrecht nach dem AMG an, das für Fertigarzneimittel eine staatliche Zulassung vorschreibt und deren Erteilung vom Nachweis der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit eines Medikaments (vgl § 25 Abs 2 AMG) abhängig macht (vgl BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, RdNr 29 - Lorenzos Öl; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21). Wurde diese Prüfung erfolgreich durchlaufen und ist für das Arzneimittel die Zulassung einschließlich der darin enthaltenen Ausweisung der Anwendungsgebiete erteilt worden, so ist es in diesem Umfang grundsätzlich auch verordnungsfähig im Sinne des SGB V (vgl BSGE 95, 132 RdNr 18 = SozR 4-2500 § 31 Nr 3 RdNr 25 mit Bezugnahme auf BSGE 93, 1 = SozR 4-2500 § 31 Nr 1, RdNr 7). Eine eigene Sachprüfungsbefugnis der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit kommt hinsichtlich der erteilten arzneimittelrechtlichen Zulassung nicht in Betracht (BSGE 95, 132 RdNr 15 = SozR 4-2500 § 31 Nr 3 RdNr 22). Eine erforderliche, aber nicht vorhandene Zulassung schließt grundsätzlich die Verordnungsfähigkeit eines Arzneimittels aus. Insoweit ist die arzneimittelrechtliche Zulassung für die Verordnungsfähigkeit eines Arzneimittels in der GKV "negativ vorgreiflich" (vgl BSGE 95, 132 RdNr 16 = SozR 4-2500 § 31 Nr 3 RdNr 23 mwN).

30

Auch soweit Versicherte ausnahmsweise außerhalb der arzneimittelrechtlichen Zulassung Versorgung mit arzneimittelrechtlich zugelassenen Arzneimitteln nach den Grundsätzen des sogenannten Off-Label-Use beanspruchen können, setzt dies ua eine Studienlage voraus, die eine Zulassung des Arzneimittels nach den Anforderungen des AMG zur betroffenen Indikation rechtfertigen würde. Nach der Rechtsprechung des Senats (BSGE 89, 184, 191 f = SozR 3-2500 § 31 Nr 8 S 36 - Sandoglobulin; BSGE 97, 112 = SozR 4-2500 § 31 Nr 5, RdNr 17 f - Ilomedin; BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 15 RdNr 31 mwN - Ritalin) kommt die Verordnung eines Medikaments in einem von der Zulassung nicht umfassten Anwendungsgebiet nämlich grundsätzlich nur in Betracht, wenn es 1.) um die Behandlung einer schwerwiegenden (lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden) Erkrankung geht, wenn 2.) keine andere Therapie verfügbar ist und wenn 3.) aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden kann. Die Qualität der wissenschaftlichen Erkenntnisse über den Behandlungserfolg, die für eine zulassungsüberschreitende Pharmakotherapie auf Kosten der GKV nachgewiesen sein muss, entspricht derjenigen für die Zulassungsreife des Arzneimittels im betroffenen Indikationsbereich. Sie ist während und außerhalb eines arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahrens regelmäßig gleich. Der Schutzbedarf der Patienten, der dem gesamten Arzneimittelrecht zugrunde liegt und - wie dargelegt - in das Leistungsrecht der GKV einstrahlt, unterscheidet sich in beiden Situationen nicht (vgl BSGE 97, 112 = SozR 4-2500 § 31 Nr 5, RdNr 24 - Ilomedin; BSG SozR 4-2500 § 31 Nr 15 RdNr 34 mwN - Ritalin).

31

Änderungen des Maßstabs der danach an der arzneimittelrechtlichen Zulassung ausgerichteten Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln in der GKV können sich indes mit Blick auf das Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 Abs 1 SGB V) ergeben. Dies erwächst daraus, dass eine Diskrepanz bestehen kann zwischen der Aussagekraft der für die Zulassung durchgeführten klinischen Studien und den in der Praxis auftretenden Anforderungen an ein Arzneimittel, insbesondere beim Fehlen klinischer Studien zu patientenrelevanten Endpunkten. Der Behandlungs- und Versorgungsanspruch eines Versicherten unterliegt ua den sich aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 Abs 1 SGB V) ergebenden Einschränkungen (vgl BSGE 95, 132 RdNr 20 = SozR 4-2500 § 31 Nr 3 RdNr 27). Das Wirtschaftlichkeitsgebot kann weitergehende Einschränkungen der generellen Verordnungsfähigkeit zugelassener Arzneimittel im Rahmen der GKV fordern, etwa weil eine neuere Studienlage Therapiehinweise rechtfertigt, da Indikationsbereiche eines Arzneimittels oder von Arzneimitteln im Vergleich zu anderen als unwirtschaftlich erscheinen (vgl zum bisher geltenden Recht zB BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 39 ff - Therapiehinweise). Der Beigeladene zu 1. kann nach heutiger Rechtslage die Verordnung von Arzneimitteln einschränken oder ausschließen, wenn die Unzweckmäßigkeit erwiesen oder eine andere, wirtschaftlichere Behandlungsmöglichkeit mit vergleichbarem diagnostischen oder therapeutischen Nutzen verfügbar ist (§ 92 Abs 1 Satz 1 Halbs 4 SGB V idF durch Art 1 Nr 13 Buchst a AMNOG, vom 22.12.2010, BGBl I 2262, mit Wirkung vom 1.1.2011). Er kann im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft vom pharmazeutischen Unternehmer im Benehmen mit der AkdÄ, dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte oder dem Paul-Ehrlich-Institut innerhalb einer angemessenen Frist ergänzende versorgungsrelevante Studien zur Bewertung der Zweckmäßigkeit eines Arzneimittels fordern. Werden die Studien nicht oder nicht rechtzeitig vorgelegt, kann der GBA das Arzneimittel schon allein deshalb von der Verordnungsfähigkeit ausschließen (§ 92 Abs 2a Satz 1 und 4 SGB V idF durch Art 1 Nr 13 Buchst c AMNOG). Die in besonderen Fällen mögliche Ausrichtung an auf patientenrelevante Endpunkte bezogene Studien wird schließlich auch daran deutlich, dass der GBA neuerdings die Verordnung eines Arzneimittels nur einschränken oder ausschließen darf, wenn die Wirtschaftlichkeit nicht durch einen Festbetrag nach § 35 SGB V oder durch die Vereinbarung eines Erstattungsbetrags nach § 130b SGB V hergestellt werden kann(s § 92 Abs 2 Satz 11 SGB V idF durch Art 1 Nr 13 Buchst b AMNOG; vgl zum Ganzen Hauck, GesR 2011, 69, 70 ff).

32

(2.) Auch Wortlaut und Normsystematik des § 35 Abs 1 SGB V verdeutlichen, dass grundsätzlich für die Festbetragsgruppen auf die arzneimittelrechtliche Zulassung abzustellen ist. Das Prüfprogramm für die Bildung von Festbetragsgruppen weist breite sachliche Überschneidungen mit dem Arzneimittelrecht auf. So enthält § 35 Abs 1 Satz 2 Halbs 1 SGB V die grundlegende Aufzählung denkbarer Festbetragsgruppen anhand von Kriterien, die sich entsprechend auch in der arzneimittelrechtlichen Überprüfung der Verkehrsfähigkeit eines Arzneimittels wiederfinden und keinen Hinweis auf Abweichungen vom dargelegten allgemeinen Regelungssystem enthalten. Der Begriff des Wirkstoffs in Nr 1 greift den Wirkstoffbegriff nach § 4 Abs 19 AMG auf, der infolgedessen sinngemäß anwendbar ist(vgl Hauck in: H. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Stand 1.7.2010, Band 2, § 35 SGB V RdNr 37; zur arzneimittelrechtlichen Anbindung des Begriffs "Bioverfügbarkeit" in diesem Zusammenhang vgl Orlowski in: Orlowski/Wasem/Rau/Zipperer, GKV-Kommentar SGB V, Stand Januar 2011, § 35 RdNr 9 f). Mit Blick darauf ist auch die Eingrenzung auf pharmakologisch-therapeutisch vergleichbare Wirkstoffe in Nr 2 folgerichtig in Anlehnung an das AMG vorzunehmen. Denn pharmakologisch-therapeutische Wirkungsweisen eines Wirkstoffs sind Bestandteil der arzneimittelrechtlichen Zulassungsprüfung (§ 25 Abs 2 Nr 1 bis 5a AMG) und dementsprechend Inhalt der Fachinformation (§ 11a AMG).

33

Dagegen hat der Gesetzgeber in § 35 Abs 1 Satz 3 Halbs 2 SGB V idF des GMG eine Ausnahmeregelung für patentgeschützte Arzneimittel statuiert, für die er einen über die arzneimittelrechtliche Zulassung hinausgehenden Überprüfungsmaßstab angewendet wissen will: Von der Bildung eigentlich zulässiger Festbetragsgruppen sind patentgeschützte Arzneimittel ausgenommen, deren Wirkungsweise neuartig ist und (ab 1.5.2006 "oder", dazu d und 3.b) die eine therapeutische Verbesserung bedeuten. Diese Regelung bezweckt, den Arzneimittelherstellern Anreize zur Entwicklung von innovativen Arzneimitteln zu bieten (vgl hierzu Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung, BT-Drucks 11/3480, S 53; zur Klarstellung späterer Gesetzesfassungen BT-Drucks 15/1525 S 87; s zur nachträglichen Einfügung der Regelung auch Schulin, Patentschutz und Festbeträge für Arzneimittel, 1993, 92 ff). Nach Auffassung des Gesetzgebers sind echte Innovationen mit therapeutischem Zusatznutzen erwünscht und unterliegen nicht der Festbetragsregelung (Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung <AVWG> der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, BT-Drucks 16/194 S 7 zu Art 1 Nr 2 Buchst c). Um bloße Scheininnovationen nicht zu begünstigen, erfolgt der Nachweis einer therapeutischen Verbesserung nicht allein aufgrund der Fachinformationen, sondern auch durch Bewertung von klinischen Studien nach methodischen Grundsätzen der evidenzbasierten Medizin, soweit diese Studien allgemein verfügbar sind oder gemacht werden und ihre Methodik internationalen Standards entspricht. Vorrangig sind klinische Studien, insbesondere direkte Vergleichsstudien mit anderen Arzneimitteln dieser Wirkstoffgruppe mit patientenrelevanten Endpunkten, insbesondere Mortalität, Morbidität und Lebensqualität, zu berücksichtigen (§ 35 Abs 1b Satz 4 und 5 SGB V; vgl näher unten II 3. b bb).

34

(3.) Auch die Entstehungsgeschichte des § 35 SGB V belegt die Bedeutung der arzneimittelrechtlichen Zulassung als Ausgangspunkt der Gruppenbildung. Die erste Fassung einer Festbetragsregelung nach dem Gesetz zur Strukturreform im Gesundheitswesen vom 20.12.1988 (BGBl I S 2477) sah in Abs 4 die Festsetzung eines Festbetrags für Arzneimittel mit denselben Wirkstoffen (§ 35 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB V) erst drei Jahre nach der ersten Zulassung eines wirkstoffgleichen Arzneimittels vor. Damit stellte die Regelung den Zusammenhang zwischen SGB V und AMG für den Wirkstoffbegriff ausdrücklich her. Dass diese Regelung durch das Gesundheitsstrukturgesetz vom 21.12.1992 (BGBl I 2266) beseitigt worden ist, beruht auf der Verlängerung des Patentschutzes für Arzneimittel um bis zu fünf Jahre durch die Verordnung des Rates der Europäischen Gemeinschaften über die Schaffung eines ergänzenden Schutzzertifikates für Arzneimittel (vgl BT-Drucks 12/3608 S 81). Eine Loslösung des Wirkstoffbegriffs im SGB V von demjenigen des AMG war nicht beabsichtigt.

35

(4.) Schließlich entspricht die grundsätzliche Anknüpfung der Festbetragsgruppenbildung an die arzneimittelrechtliche Zulassung dem Regelungszweck des § 35 SGB V. Die Festbetragsregelung des § 35 SGB V zielt - wie dargelegt - unter Ausgestaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots darauf ab, den Bereich zu Lasten der GKV verordnungsfähiger Arzneimittel de iure zu erweitern, die Leistungspflicht der Krankenkassen hierbei auf den einschlägigen festgesetzten Festbetrag zu begrenzen und hierdurch zugleich den Wettbewerb unter den Arzneimittelanbietern zu verstärken und das Interesse der Anbieter zu wecken, Preise unterhalb des Festbetrags festzusetzen. All dies kann nur im Rahmen des allgemeinen Systems der in den GKV-Leistungskatalog einbezogenen Arzneimittel gelingen.

36

cc) Hinsichtlich der Arzneimittelgruppe der Statine ist für den hier betroffenen Zeitraum ab 1.1.2005 an die Inhalte der arzneimittelrechtlichen Zulassung anzuknüpfen. Dass für einzelne Statine der Festbetragsgruppe eine Studienlage besteht, die weitergehende Einschränkungen der generellen Verordnungsfähigkeit zugelassener Arzneimittel mit diesem Wirkstoff im Rahmen der GKV rechtfertigt, hat das LSG nicht festgestellt. Der Beigeladene zu 1. hat dies ebenfalls nicht angenommen und deshalb keine der ihm rechtlich für einen solchen Fall eröffneten Maßnahmen ergriffen. Weder er noch die AkdÄ und später das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) gehen nach eingehender Recherche hiervon aus. Bei einem solchen Sachstand verbleibt es beim durch das Arzneimittelzulassungsrecht vorgegebenen Prüfmaßstab für die Festbetragsgruppenbildung, ohne dass weitere Ermittlungen des erkennenden Senats zu diesen generellen Tatsachen geboten wären.

37

dd) Auf der Grundlage des Inhalts der arzneimittelrechtlichen Zulassung stellen die fünf fraglichen Statine pharmakologisch-therapeutisch vergleichbare Wirkstoffe, insbesondere chemisch verwandte Stoffe iS von § 35 Abs 1 Satz 2 Halbs 1 Nr 2 SGB V dar. Zutreffend ist der Beigeladene zu 1. davon ausgegangen, dass die Überprüfung der pharmakologisch-therapeutischen Vergleichbarkeit zwei verschiedene Aspekte, namentlich einen pharmakologischen wie einen therapeutischen umfasst (vgl Hauck in: H. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Stand 1.7.2010, Band 2, § 35 SGB V RdNr 38). Für das Verständnis des Begriffs der Vergleichbarkeit ist mit den Vorinstanzen davon auszugehen, dass Vergleichbarkeit nicht Austauschbarkeit oder Identität bedeutet. Anders als nach Nr 1 geht es bei der Gruppenbildung nach Nr 2 vielmehr darum, einen übergreifenden gemeinsamen Bezugspunkt mehrerer Wirkstoffe herzustellen (ebenso Sodan, PharmR 2007, 485, 487). Dementsprechend steht mit der Überprüfung der pharmakologisch-therapeutischen, insbesondere chemischen Vergleichbarkeit eine Beurteilung von Art und Aufbau der einzelnen Wirkstoffe, ihrer Wirkmechanismen und ihrer Anwendungsgebiete an.

38

Der Beigeladene zu 1. hat die dargelegten Vergleichsmaßstäbe entsprechend seinen Ausführungen zu chemischer Zusammensetzung, Wirkprofil und therapeutischem Einsatzgebiet der fünf Statine rechtsfehlerfrei angewendet. Nicht zu beanstanden ist, dass er hierbei als Einstieg die in der Fachinformation enthaltene Anatomisch-Therapeutisch-Chemische (ATC) Klassifikation der WHO nach Maßgabe des § 73 Abs 8 Satz 5 SGB V gewählt hat, wie es inzwischen seiner Verfahrensordnung (VerfO) entspricht(vgl § 16 Abs 2 VerfO). Die ATC-Klassifikation teilt die Wirkstoffe nach dem Organ oder Organsystem, auf das sie einwirken, und nach ihren chemischen, pharmakologischen und therapeutischen Eigenschaften in verschiedene Gruppen ein (abrufbar unter www.dimdi.de). Sie geht von einem identischen Code für die Wirkstoffgruppe der fünf Statine Simvastatin, Lovastatin, Pravastatin, Fluvastatin und Atorvastatin aus.

39

Zu Recht bejaht der Beigeladene zu 1. die chemische Verwandtschaft der betroffenen Wirkstoffe. Er beurteilt sie im Einklang mit dem Wortlaut des § 35 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB V maßgeblich vom Endprodukt und nicht von der Herstellungsform her: Die fünf Statine haben nicht nur eine gemeinsame b-, d- Dihydroxy-n-Carbonsäure-Struktur, sondern darüber hinaus auch eine gemeinsame molekulare räumliche Struktur, die erst die spezifische Interaktion Wirkstoff - Enzym ermöglicht.

40

Der Beigeladene zu 1. stellt rechtmäßig auch für die pharmakologische Vergleichbarkeit maßgeblich auf den Wirkmechanismus der erfassten Arzneimittel ab. Er geht nämlich von einem vergleichbaren Wirkprofil aller HMG-CoA-Reduktase (=CSE)-Hemmer aus, weil durch alle Hemmer der HMG-CoA-Reduktase Vorstufen von Cholesterin verringert synthetisiert werden. Die daraus resultierende Verarmung an interzellulärem Cholesterin führt zu einer Zunahme von LDL-Rezeptoren an der Zelloberfläche, die Aufnahme von LDL-Cholesterin in die Zelle wird hierdurch erhöht.

41

Auch die therapeutische Vergleichbarkeit hat der Beigeladene zu 1. anhand der Anwendungsgebiete der Statine, wie sie sich aus der arzneimittelrechtlichen Zulassung ergeben, frei von Rechtsfehlern beurteilt. Für alle fünf Wirkstoffe bestand im hier maßgeblichen Zeitraum eine Zulassung für das Anwendungsgebiet der Hypercholesterinämie; schon daraus lässt sich die therapeutische Vergleichbarkeit ableiten. Atorvastatin besitzt zudem seit Mai 2006 eine Zulassung auch für das Anwendungsgebiet der Vorbeugung kardiovaskulärer Erkrankungen; über eine Zulassung für dieses Anwendungsgebiet verfügen aber auch die Konkurrenzwirkstoffe Fluvastatin, Pravastatin und Simvastatin, so dass auch insoweit für Atorvastatin keine Sonderstellung beansprucht werden kann.

42

ee) Der Beigeladene zu 1. musste keine für die Therapie bedeutsamen unterschiedlichen Bioverfügbarkeiten wirkstoffgleicher Arzneimittel berücksichtigen (§ 35 Abs 1 Satz 2 SGB V). Denn mit den Statinen ist eine Festbetragsgruppe nach § 35 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB V betroffen, der lediglich pharmakologisch-therapeutisch vergleichbare Wirkstoffe angehören.

43

ff) Dass alle fünf Statine einschließlich Atorvastatin in eine Festbetragsgruppe einbezogen wurden, schränkt iS von § 35 Abs 1 Satz 3 Halbs 1 SGB V keine Therapiemöglichkeiten ein und schneidet keine medizinisch notwendigen Verordnungsalternativen ab. Der Wirkstoff Atorvastatin war im hier zu prüfenden Zeitraum ab 1.1.2005 für kein Behandlungsgebiet zugelassen, für das nicht wenigstens ein anderes Statin zugelassen war. Gleichzeitig erlaubt die arzneimittelrechtliche Zulassung von Atorvastatin keinen Rückschluss darauf, dass ausschließlich mit diesem Wirkstoff besondere Patientenkollektive zu erschließen seien. Ebenso wenig kommt es unter dem Aspekt der Nebenwirkungen zu einer Einengung der Therapiemöglichkeiten, denn der Fachinformation für Atorvastatin ist im Vergleich zu denjenigen der anderen vier Statine kein Vorteil im Hinblick auf das Nebenwirkungsspektrum zu entnehmen; dies wird im Übrigen auch von den Klägerinnen nicht behauptet.

44

d) Der Einbeziehung von Sortis steht nicht die Ausnahme von der Gruppenbildung für Arzneimittel mit patentgeschützten Wirkstoffen entgegen, deren Wirkungsweise neuartig ist und die eine therapeutische Verbesserung, auch wegen geringerer Nebenwirkungen, bedeuten (§ 35 Abs 1 Satz 3 Halbs 2 SGB V idF des GMG). Die Wirkungsweise von dem noch bis 2011 patentgeschützten Wirkstoff Atorvastatin ist im Rechtssinne nicht neuartig. Als neuartig gilt ein Wirkstoff nämlich nur, solange derjenige Wirkstoff, der als erster dieser Gruppe in Verkehr gebracht worden ist, unter Patentschutz steht (§ 35 Abs 1 Satz 4 SGB V). Nach den unangegriffenen und damit für den Senat bindenden (§ 163 SGG)Feststellungen des LSG wurde der Wirkstoff Lovastatin als erster der Gruppe der Statine in Verkehr gebracht und war schon vor 2003 patentfrei.

45

Ob eine therapeutische Verbesserung vorlag, ist mangels neuartiger Wirkungsweise von Atorvastatin nicht entscheidend. Zu Recht hat das LSG erkannt, dass § 35 Abs 1 Satz 3 Halbs 2 SGB V in der hier maßgeblichen, bis zum 30.4.2006 geltenden Fassung des GMG die Erfüllung der beiden Merkmale der "Neuartigkeit" der Wirkungsweise und der "therapeutischen Verbesserung" kumulativ fordert, um die Aufnahme eines Arzneimittels in eine Festbetragsgruppe nach § 35 Abs 1 Satz 2 Nr 2 und 3 SGB V auszuschließen. Das entspricht dem klaren Wortlaut in Bezug auf die Konjunktion "und" sowie der Entstehungsgeschichte. Nach der Gesetzesbegründung greift die Ausnahme von der Festbetragsregelung nur für Arzneimittel mit solchen patentgeschützten Wirkstoffen, deren Wirkungsweise neuartig ist und die deshalb mit anderen Wirkstoffen nicht vergleichbar sind. Eine therapeutische Verbesserung - so die Begründung - kann auch in der Minderung von Nebenwirkungen liegen (vgl BT-Drucks 11/3480 S 53). Aus dem Regelungssystem und -zweck folgt nichts anderes. Der Gesetzgeber hat erst mit dem AVWG vom 26.4.2006 (BGBl I 984) mit Wirkung vom 1.5.2006 das Erfordernis des kumulativen Vorliegens beider Tatbestandsvoraussetzungen aufgegeben, indem er das "und" durch ein "oder" ersetzt hat. Dies entspricht der im Gesetzgebungsverfahren geäußerten Intention, Anreize zur Forschung nach echten Arzneimittelinnovationen zu setzen (vgl BT-Drucks 16/194, S 6, 7; 16/691, S 14). Dass der Gesetzgeber selbst diese Änderung nur als Klarstellung bezeichnet hat (BT-Drucks 16/194, S 7), ist unerheblich. Denn auch die Grenzen der authentischen Interpretation sind durch den Wortlaut vorgegeben (vgl BSG SozR 4-2500 § 62 Nr 8; BSG SozR 4-4300 § 147a Nr 9).

46

Die Regelung des § 35 Abs 1a SGB V ist hier von vornherein nicht anwendbar. Sie ermöglicht die Bildung von Festbetragsgruppen für Arzneimittel, die allesamt noch unter Patentschutz stehen. Für den Fall, dass dies nicht mehr auf alle Arzneimittel einer Festbetragsgruppe zutrifft, ist § 35 Abs 1 Satz 3 Halbs 2 SGB V die maßgebliche Regelung für die Möglichkeit der Einbeziehung patentgeschützter Arzneimittel(vgl BT-Drucks 16/691, S 15; Kraftberger/Adelt in: Kruse/Hänlein, LPK-SGB V, 3. Aufl 2009, § 35 RdNr 25; aA im Ergebnis für Arzneimittel der Festbetragsgruppe 2, Reese/Gaßner, PharmR 2004, 428).

47

e) Auch die Entscheidung über die Bildung der Vergleichsgrößen ist rechtmäßig. Gemäß § 35 Abs 1 Satz 5 SGB V ermittelt der Beigeladene zu 1. die nach § 35 Abs 3 SGB V "notwendigen rechnerischen mittleren Tages- oder Einzeldosen oder anderen geeigneten Vergleichsgrößen". Die von ihm festgeschriebenen Werte sind in diesem Sinne geeignete Vergleichsgrößen.

48

Die gerichtliche Kontrolle der Ermittlung von Vergleichsgrößen ist beschränkt. Dem Beigeladenen zu 1. steht nämlich bei der Entscheidung über die Vergleichsgrößenbildung ein Gestaltungsspielraum zu. Er kann selbst darüber entscheiden, anhand welcher Kriterien er die Vergleichsgrößen bestimmt. Das Gesetz gibt keine Wahl dahin vor, ob der Tagesdosis, der Einzeldosis oder aber einer gänzlich anderen geeigneten Vergleichsgröße der Vorrang gebührt (Hauck in: H. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, aaO, § 35 SGB V RdNr 45). Die Gerichte haben lediglich zu kontrollieren, ob der GBA hierbei auf der Grundlage eines vollständig ermittelten Sachverhalts den Zweck der Vergleichsgrößenbildung nachvollziehbar beachtet hat, die Arzneimittel mit verschiedenen Wirkstoffen innerhalb einer Gruppe vergleichbar zu machen (zum Grundsatz oben, II. 2. c aa; s auch Kraftberger/Adelt in: Kruse/Hänlein, LPK-SGB V, 3. Aufl 2009, § 35 RdNr 20a). Diesen Anforderungen genügt der Beschluss vom 20.7.2004. Der Beigeladene zu 1. hat sämtliche Daten anhand der zum Zeitpunkt des Gruppenbeschlusses zuletzt verfügbaren Jahresdaten des GKV-Arzneimittelindexes ermittelt und diese rechnerisch korrekt für alle fünf Statine umgesetzt. Das ziehen die Beteiligten nicht in Zweifel.

49

Der Beigeladene zu 1. hat den Gesetzeszweck der Vergleichsgrößen beachtet, sicherzustellen, dass die aufzuwendenden Arzneimittelkosten unabhängig vom jeweiligen Wirkstoff für die von jedem Versicherten individuell benötigte Arzneimitteldosis annähernd gleich sind (vgl dazu Kraftberger/Adelt in: Kruse/Hänlein, LPK-SGB V, 3. Aufl 2009, § 35 RdNr 20a). Er hat jedem Wirkstoff einen bestimmten Zahlenwert zugewiesen, der ihn innerhalb der Gruppe vergleichbar macht. Seine hierbei gewählte Methode der verordnungsgewichteten durchschnittlichen Wirkstärke ist geeignet, eine sachgerechte mengenbezogene Vergleichbarkeit zwischen den verschiedenen Wirkstoffen herzustellen. Sie errechnet für jeden der fünf Wirkstoffe einen Einzelwert als Vergleichsgröße, der sich am Verordnungsverhalten der Ärzte orientiert, also daran, welcher Wirkstoff wie häufig in welcher Wirkstärke verordnet wurde.

50

Die dagegen vorgetragenen Einwendungen der Klägerinnen greifen nicht durch. Die vom Beigeladenen zu 1. angewendete Methode geht systemgerecht davon aus, dass nur therapeutisch sinnvolle Wirkstärken gemäß § 25 Abs 1 Satz 1 AMG zugelassen werden, und die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte diese Wirkstärken zutreffend verordnen(vgl Hess in: Kasseler Komm, Stand 1.10.2010, § 35 SGB V RdNr 9). Die von den Klägerinnen bevorzugte Methode, die Vergleichsgröße anhand einer tatsächlichen Wirkstärke zu bestimmen, leidet dagegen daran, dass sich ihre Prämisse, bei jedem Patienten wirke etwa Atorvastatin "doppelt so gut" wie Pravastatin oder "viermal so gut" wie Simvastatin, schwerlich objektivieren lässt. Bei Anwendung eines Wirkstoffs bringt die doppelte Wirkmenge nicht automatisch auch den doppelten Behandlungserfolg mit sich. Ua vor diesem Hintergrund ist eine arzneimittelrechtliche Zulassung stets wirkstärkenbezogen (vgl § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AMG). Dem trägt die hier gewählte Methode sachgerecht Rechnung, sich nicht an einer fiktiven "tatsächlichen Wirkstärke", sondern an der tatsächlichen Situation der Verordnungen in der Praxis im Hinblick auf die Wirkstärke zu orientieren (ähnlich für den Vergleich der Wirksamkeit mehrerer Wirkstoffe BSGE 93, 296 RdNr 14 = SozR 4-2500 § 35 Nr 2 RdNr 16).

51

f) Die (hier noch zuständigen) Beigeladenen zu 3. bis 8. haben die Festbeträge durch Beschluss vom 29.10.2004 rechtmäßig festgesetzt. Sie haben die notwendige Form gewahrt, da die Festsetzung im Bundesanzeiger öffentlich bekannt gemacht wurde (§ 35 Abs 7 Satz 1 SGB V), und die Festbeträge auch materiell rechtmäßig festgesetzt. Sie haben die in § 35 Abs 5 SGB V formulierten Vorgaben befolgt, Festbeträge so festzusetzen, dass sie im Allgemeinen eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche sowie in der Qualität gesicherte Versorgung gewährleisten(Satz 1), Wirtschaftlichkeitsreserven ausschöpfen, einen wirksamen Preiswettbewerb auslösen, sich deshalb an möglichst preisgünstigen Versorgungsmöglichkeiten ausrichten und soweit wie möglich eine für die Therapie hinreichende Arzneimittelauswahl sicherstellen (Satz 2).

52

Die gerichtliche Kontrolle der festgesetzten Festbetragshöhe erfolgt grundsätzlich in vollem Umfang. Sie beschränkt sich jedoch dort auf die zutreffende Konkretisierung der bestehenden Zielvorgaben nebst wissenschaftlich haltbarer Schätzungen, wo in Unkenntnis der Reaktion jedes einzelnen Arzneimittelanbieters prognostische Elemente und Schätzungen mit in die Festbetragsfestsetzung einfließen müssen. Es besteht allerdings kein Beurteilungsspielraum der Beigeladenen zu 3. bis 8. mit Blick darauf, dass im Allgemeinen eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche, in der Qualität gesicherte Versorgung gewährleistet ist (vgl Hauck in: Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Stand 1.7.2010, Band 2, § 35 SGB V RdNr 46; aA - einen Beurteilungsspielraum bejahend - Hess in: Kasseler Komm, Stand 1.10.2010, § 35 SGB V RdNr 31; Flint in: Hauck/Noftz, SGB V, Stand Februar 2011, K § 35 RdNr 93). Anderes wäre auch verfassungsrechtlich bedenklich. Das BVerfG hat die Regelungen über die Festsetzung von Festbeträgen in § 35 Abs 5 SGB V gerade mit Blick darauf nicht beanstandet, dass sie klar überprüfbare Festsetzungsmaßstäbe enthalten. Eine wesentliche Änderung des Inhalts des Wirtschaftlichkeitsgebots oder wirtschaftslenkende Handlungsspielräume sind dem Beklagten und waren den beigeladenen Krankenkassenverbänden nicht eröffnet (vgl näher BVerfGE 106, 275, 302 = SozR 3-2500 § 35 Nr 2 S 20).

53

Die konkrete Festbetragsfestsetzung von 62,55 Euro für eine Standardpackung zu 100 Stück (Wirkstärkenvergleichsgröße 0,97) setzt die Zielvorgaben des § 35 Abs 5 SGB V idF des GMG zutreffend um. Rechenfehler sind durch die Klägerinnen nicht geltend gemacht und auch sonst nicht ersichtlich. Der Beklagte nähert sich iterativ unter Anwendung einer Maßzahl der optimalen Festbetragshöhe an (sogenannte Maßzahl M). Sie ist als Summe des prozentualen Anteils zuzahlungspflichtiger Verordnungen und des prozentualen Anteils zuzahlungspflichtiger Packungen definiert. Der Gesetzgeber selbst hat das Grundprinzip dieser mathematischen Methodik mithilfe der Maßzahl M mittlerweile ausdrücklich anerkannt, indem er diesem Berechnungsverfahren nunmehr in § 35 Abs 5 Satz 5 SGB V idF des AVWG Gesetzesrang verschafft hat(vgl BT-Drucks 16/194 S 8 f). Als Grenzwert für die Maßzahl M haben die Beigeladenen zu 3. bis 8. für die Festbetragsgruppen nach § 35 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB V den Wert 100 festgelegt. Dies bedeutet, dass im Idealfall mindestens die Hälfte der Verordnungen und die Hälfte der Packungen für die Versicherten ohne festbetragsbedingte Zuzahlung zur Verfügung stehen. In der Festbetragsgruppe der Statine lag die Maßzahl M im hier maßgeblichen Zeitraum bei 98,8. Es standen hierdurch rund 75 Prozent der Packungen und 26,3 Prozent der Verordnungen den Versicherten zum Festbetrag zur Verfügung. Dabei waren drei der fünf Wirkstoffe der Gruppe der Statine zum Festbetrag ohne Mehrzahlung erhältlich (Fluvastatin, Lovastatin und Simvastatin).

54

Mit diesem Ergebnis wird in der Festbetragsgruppe der Statine der gesetzgeberische Zweck erfüllt, unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots eine in der Qualität gesicherte Versorgung sowie eine für die Therapie hinreichende Arzneimittelauswahl zu gewährleisten. Danach greift das Vorbringen der Klägerinnen nicht durch, die festgesetzte Festbetragshöhe stelle keine hinreichende Arzneimittelauswahl sicher. Die Sicherstellung einer für die Therapie hinreichenden Arzneimittelauswahl hat nur "soweit wie möglich" zu erfolgen, kann also auch dazu führen, dass lediglich ein einziges therapiegerechtes Arzneimittel zum Festbetrag zur Verfügung steht. Darüber ging das Angebot zum Festbetrag erhältlicher therapiegerechter Statine deutlich hinaus.

55

3. Die Revision ist schließlich unbegründet, soweit die klagenden pharmazeutischen Unternehmen die Aufhebung des Festbetragsbeschlusses vom 10.2.2006 für die Zeit vom 1.4. bis zum Ablauf des 30.6.2006 begehren (zu den Folgezeiträumen vgl Senatsurteile vom selben Tage - B 1 KR 10/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen und - B 1 KR 13/10 R). Auch diese Allgemeinverfügung, die die Festsetzung vom 29.10.2004 mit Wirkung vom 1.4.2006 ersetzte, beschwert die Klägerinnen nach dem dargelegten reduzierten Prüfmaßstab der grundrechtsrelevanten Wettbewerbsverfälschung (vgl oben II.1.c und 2) sowohl für die Zeit bis zum 30.4.2006 (dazu a) als auch für die Zeit ab 1.5.2006 (dazu b) nicht rechtswidrig. Sie ist, soweit sie Rechte der Klägerinnen betrifft, rechtmäßig und nicht etwa offensichtlich sachwidrig. Die infolge der Gesetzesänderung durch das AVWG zum 1.5.2006 erheblich gewordene Frage, ob Atorvastatin eine therapeutische Verbesserung gegenüber den anderen vier Statinen bedeutet, hat der Beigeladene zu 1. rechtmäßig verneint.

56

a) Die Rechtmäßigkeit des Festbetragsbeschlusses vom 10.2.2006 ist zunächst für den Geltungszeitraum vom 1.4. bis zum 30.4.2006 an § 35 SGB V idF des GMG zu messen. Hinsichtlich der gebildeten Gruppe und der ermittelten Vergleichsgröße ergeben sich keine Abweichungen gegenüber der Vorgängerverfügung. Auch der Höhe nach ist die Festsetzung der Festbeträge durch den Beschluss vom 10.2.2006 rechtlich nicht zu beanstanden, soweit dies für die Klägerinnen von rechtlichem Interesse ist. Rechtsgrundlage der Festbetragsanpassung ist § 35 Abs 5 Satz 3 SGB V, wonach die Festbeträge einmal im Jahr zu überprüfen sind und eine Anpassung an die geänderte Marktlage vorzunehmen ist. Neben § 35 Abs 5 Satz 1 und 2 SGB V ist die durch das AVWG(rückwirkend zum 17.2.2006) eingeführte Regelung in § 35 Abs 5 Satz 4 und 5 SGB V zu berücksichtigen. Hiernach soll erstmals zum 1.4.2006 der Festbetrag auch einer Festbetragsgruppe nach § 35 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB V den höchsten Abgabepreis des unteren Drittels des Intervalls zwischen dem niedrigsten und dem höchsten Preis einer Standardpackung nicht übersteigen. Dabei müssen mindestens ein Fünftel aller Verordnungen und mindestens ein Fünftel aller Packungen zum Festbetrag verfügbar sein; zugleich darf die Summe der jeweiligen Vomhundertsätze der Verordnungen und Packungen, die nicht zum Festbetrag erhältlich sind, den Wert von 160 nicht überschreiten.

57

Der festgesetzte Festbetrag von 59,42 Euro genügt diesen gesetzlichen Anforderungen, soweit die Klägerinnen betroffen sein können. Die Beigeladenen zu 3. bis 8. ermittelten den Festbetrag wiederum unter Anwendung des iterativen Verfahrens. Die Maßzahl M lag am Berechnungsstichtag bei 60,8. Damit standen rund 87,5 Prozent der 766 Packungen und 51,7 Prozent der Verordnungen den Versicherten zum angepassten Festbetrag zur Verfügung. Nach wie vor waren zudem drei der fünf Wirkstoffe der Festbetragsgruppe zum Festbetrag erhältlich. Es bedarf nicht der - vom LSG nicht getroffenen - Feststellung, dass der Festbetrag sich noch innerhalb des unteren Drittels aller Abgabepreise für Statine befand. Selbst ein Überschreiten dieser Soll-Grenze könnte Rechte der Klägerinnen nicht verletzen. Rechenfehler sind im Übrigen weder gerügt noch ersichtlich.

58

b) Der Festbetragsbeschluss vom 10.2.2006 beschwert die Klägerinnen auch im verbleibenden zu prüfenden Zeitraum vom 1.5. bis 30.6.2006 nicht rechtswidrig. Der Beschluss zur Festbetragsgruppenbildung vom 20.7.2004 blieb weiterhin rechtmäßig (dazu aa bis gg). Auch die gebildete Vergleichsgröße und die festgesetzte Festbetragshöhe beschwerten die Klägerinnen nicht (dazu hh).

59

Die zunächst 2004 rechtmäßige Gruppenbildung wurde durch das AVWG nicht unwirksam (dazu aa). Der Einbeziehung von Sortis stand nicht die Ausnahme von der Gruppenbildung für Arzneimittel mit patentgeschützten Wirkstoffen entgegen, deren Wirkungsweise neuartig ist oder die eine therapeutische Verbesserung, auch wegen geringerer Nebenwirkungen, bedeuten (§ 35 Abs 1 Satz 3 Halbs 2 SGB V idF des AVWG). Der Senat vermag nicht festzustellen, dass der Beigeladene zu 1. die ab dem 1.5.2006 hier zusätzlich zur (fehlenden) Neuartigkeit zu prüfende therapeutische Verbesserung durch Sortis zu Unrecht verneint hat. Der Beigeladene zu 1. hat die Anforderungen an eine therapeutische Verbesserung (dazu bb) und deren Nachweis (dazu cc) gerichtlich voll überprüfbar (dazu dd) gesetzeskonform zugrunde gelegt. Ihm sind bei seiner Bewertung der Studienlage hinsichtlich einer therapeutischen Verbesserung keine Beurteilungsfehler unterlaufen (dazu ee). Die Gruppenbildung ist auch nicht wegen Verletzung der Beobachtungspflicht bezüglich einer therapeutischen Verbesserung rechtswidrig geworden (dazu ff). Es bedarf keiner weiteren gerichtlichen Ermittlungen (dazu gg).

60

aa) Die Gruppenbildung erfolgte 2004 insgesamt rechtmäßig, ohne dass ihre Wirksamkeit durch das AVWG entfiel. Unerheblich ist, dass der Beigeladene zu 1. in seinem Beschluss vom 20.7.2004 die Erfüllung beider Voraussetzungen eines Festbetragsausschlusses - Neuartigkeit und Bestehen einer therapeutischen Verbesserung - geprüft und verneint hat, obwohl § 35 SGB V idF des GMG eine Ausnahme von der Gruppenbildung schon bei Nichterfüllung einer der beiden Voraussetzungen ausschloss(vgl dazu oben II. 2.d). Die zusätzliche Prüfung wirkte sich im Ergebnis nicht aus, auch wenn erst aufgrund der Änderung des § 35 SGB V durch das AVWG ab 1.5.2006 die Kriterien der Neuartigkeit und therapeutischen Verbesserung kumulativ zu prüfen sind.

61

Die Gesetzesänderung durch das AVWG ließ die bisher beschlossene Richtlinie nicht unwirksam werden. Die Änderung oder der Wegfall der Ermächtigungsgrundlage einer untergesetzlichen Norm berührt nämlich nicht per se deren Rechtswirksamkeit (vgl entsprechend zu Rechtsverordnungen zB BVerwG Buchholz 451.20 § 139i GewO Nr 1 = GewArch 1997, 245; vgl auch BVerfGE 14, 245, 249; BVerfGE 78, 179, 198). Ab Inkrafttreten des AVWG war die Rechtmäßigkeit des fortwirkenden Beschlusses des Beigeladenen zu 1. indes an der neuen Gesetzesfassung zu messen, da § 35 SGB V idF des AVWG wegen seines unmittelbaren Geltungsanspruchs ohne Übergangsregelung ein solcher Normanwendungsbefehl zu entnehmen ist. Der Gruppenbildungsbeschluss genügt aber auch diesen gesetzlichen Anforderungen.

62

bb) Schon im Jahre 2004 waren für die Anforderungen an eine therapeutische Verbesserung die sachlichen Kriterien zugrunde zu legen, die der Gesetzgeber durch Art 1 Nr 2 Buchst c AVWG ausdrücklich erst 2006 in § 35 Abs 1b SGB V normiert hat. Bereits auf der Grundlage des GMG stand ein solches Vorgehen mit der Gesetzeslage in Einklang. Demgemäß geht die Begründung des Gesetzentwurfs eines AVWG davon aus, dass sich eine Änderung des geltenden Verfahrens für die Bildung von Festbetragsgruppen durch Einführung des § 35 Abs 1b SGB V zum 1.5.2006 nicht ergebe, da der GBA bereits jetzt entsprechend verfahre (vgl BT-Drucks 16/194 S 7). Auch in der Folgezeit hat sich das danach maßgebliche gesetzliche Prüfprogramm für das Bestehen einer therapeutischen Verbesserung nicht geändert.

63

Danach besteht eine therapeutische Verbesserung, wenn ein patentgeschützter Wirkstoff für die betroffenen Patienten einen therapierelevanten höheren Nutzen als andere Arzneimittel dieser Wirkstoffgruppe hat und deshalb als zweckmäßige Therapie regelmäßig oder auch für relevante Patientengruppen oder Indikationsbereiche den anderen Arzneimitteln dieser Wirkstoffgruppe vorzuziehen ist (§ 35 Abs 1b Satz 1 SGB V). Der geforderte "höhere Nutzen" entspricht dem "Zusatznutzen" gegenüber anderen Wirkstoffen, wie er vom Gesetzgeber auch in § 35b Abs 1 Satz 3 SGB V(idF durch Art 1 Nr 20 Buchst b GKV-WSG mit Wirkung ab 1.4.2007; vgl ab 1.1.2011 § 35b Abs 1 Satz 3 idF durch Art 1 Nr 6 Buchst b DBuchst bb AMNOG)zur zentralen Vorgabe einer Nutzenbewertung durch das IQWiG gemacht worden ist. Gleiches gilt für den "medizinischen Zusatznutzen" bei dem durch das AMNOG eingeführten Verfahren der frühen Nutzenbewertung (§ 35a Abs 1 Satz 4 SGB V, vgl BT-Drucks 17/2413, S 21).

64

Inhaltlich gibt der Gesetzgeber als Maßstab einer therapeutischen Verbesserung eine Verbesserung hinsichtlich der Lebensqualität, zB durch Verringerung von Nebenwirkungen bezüglich Häufigkeit und Schweregrad, sowie Morbidität und Mortalität vor (§ 35 Abs 1 Satz 3 und 5 SGB V, sog patientenrelevante Endpunkte). Nur im Zusammenhang mit einer an der positiven Beeinflussung patientenrelevanter Endpunkte ausgerichteten Therapie kann sich ein höherer Nutzen auch daraus ergeben, dass das Arzneimittel eine überlegene Wirksamkeit gegenüber anderen Arzneimitteln der Wirkstoffgruppe zeigt oder über besondere therapierelevante Leistungsmerkmale verfügt, zB Wechsel des Applikationsortes oder -weges, oder eine andere für die Therapie relevante Galenik aufweist (vgl BT-Drucks 16/194 S 8). Anders als bei der Gruppenbildung anhand von Wirkstoffen nach § 35 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB V kommen im Rahmen dieses Tatbestandsmerkmals daher auch die ganz spezifischen Besonderheiten eines Wirkstoffs in Betracht, soweit diese therapeutisch relevant sind.

65

cc) Methodisch erfolgt der Nachweis einer therapeutischen Verbesserung aufgrund der Fachinformationen und durch Bewertung von klinischen Studien nach methodischen Grundsätzen der evidenzbasierten Medizin, soweit diese Studien allgemein verfügbar sind oder gemacht werden und ihre Methodik internationalen Standards entspricht. Vorrangig sind klinische Studien, insbesondere direkte Vergleichsstudien mit anderen Arzneimitteln dieser Wirkstoffgruppe mit patientenrelevanten Endpunkten, insbesondere Mortalität, Morbidität und Lebensqualität, zu berücksichtigen (§ 35b Abs 1b Satz 4 und 5 SGB V). Maßgeblich ist hierbei der allgemein anerkannte Stand der medizinischen Erkenntnisse (§ 2 Abs 1 Satz 3 SGB V, vgl BT-Drucks 16/194 S 8). Erforderlich ist dabei der Nachweis der erfolgreichen therapeutischen Verbesserung in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen auf der Grundlage wissenschaftlich einwandfrei geführter Statistiken über die Zahl der behandelten Fälle und die Therapierelevanz (stRspr; BSGE 93, 1 = SozR 4-2500 § 31 Nr 1, RdNr 7 mwN - Immucothel; BSGE 95, 132 RdNr 18 = SozR 4-2500 § 31 Nr 3 RdNr 25 mwN - Wobe-Mugos E). Die höchste Beweiskraft haben danach direkte Vergleichsstudien mit anderen Wirkstoffen. Nur soweit derartige Studien nicht existieren, kann im Einzelfall auf andere, hinreichend aussage- und beweiskräftige Studien ausgewichen werden (vgl auch Flint in: Hauck/Noftz, SGB V, Stand Februar 2011, K § 35 RdNr 64). Sie müssen in jedem Fall das Kriterium erfüllen, mit dem Primärziel des Erreichens patientenrelevanter Endpunkte durchgeführt worden zu sein. Studien, die als Primärziel bloße Surrogatparameter formuliert haben, kommen dagegen zum Nachweis einer therapeutischen Verbesserung nicht in Betracht (vgl Schickert, PharmR 2010, 452, 456).

66

dd) Der Beigeladene zu 1. ist nicht ermächtigt, von diesem gesetzlichen Prüfprogramm abzuweichen. Soweit der Regelungsgehalt reicht, verbleibt ihm kein eigener Gestaltungsspielraum. Wie bereits ausgeführt (vgl II.2.c aa), erfolgt insoweit eine volle gerichtliche Überprüfung. Den dargelegten gesetzlichen Anforderungen ist der Beigeladene zu 1. durch seinen Beschluss vom 20.7.2004 gerecht geworden. Er hat nach diesen Maßstäben geprüft, dass für Atorvastatin eine therapeutische Verbesserung im aufgezeigten Sinne nicht nachgewiesen ist. Die Standards, die der Beigeladene zu 1. ausweislich seiner Beschlussbegründung vom 15.9.2004 zur Prüfung des Vorliegens einer therapeutischen Verbesserung verlangt, korrespondieren inhaltlich (sogar zT fast wortgleich formuliert) mit dem gesetzlich festgeschriebenen Prüfmaßstab. Bei dem Nachweis einer therapeutischen Verbesserung hat der Beigeladene zu 1. rechtsfehlerfrei auf den allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse im Sinne der Rechtsprechung des BSG abgestellt und als Unterlagen in erster Linie direkte Vergleichsstudien, für den Fall ihres Fehlens placebokontrollierte Studien in Form von randomisierten, doppelblinden und kontrollierten Studien mit dem Ziel der Beeinflussung klinisch bedeutsamer Endpunkte gefordert.

67

ee) Der Beigeladene zu 1. hat das ermächtigungskonforme Prüfprogramm über den Nachweis einer therapeutischen Verbesserung ausweislich der Beschlussbegründung auch rechtmäßig angewendet. Der Beschluss des Beigeladenen zu 1. vom 20.7.2004 beruht auf einer umfassenden Sichtung der aktuellen relevanten Studienlage zur Wirkstoffgruppe der Statine. Auf die Einbeziehung irgendwelcher Meinungsäußerungen von Fachleuten kommt es jenseits der bereits geprüften Anhörungsrechte (vgl § 35 Abs 2 SGB V)insoweit entgegen der Ansicht der Klägerinnen nicht an.

68

Der Beigeladene zu 1. ist insgesamt nachvollziehbar zu dem Ergebnis gelangt, dass für Atorvastatin gegenüber den anderen Statinen keine Alleinstellungsmerkmale bewiesen sind, die eine therapeutische Verbesserung bedeuten. Er hat anhand des gesetzlich gebotenen Maßstabs die Aussage- und Beweiskraft der einzelnen Studien nachvollziehbar bewertet, nachdem er ihr Design, ihre Ziele und ihre Vergleichbarkeit überprüft und qualifiziert hat. Seine Folgerungen sind schlüssig und lassen keine Widersprüche erkennen. Zu allen von den Klägerinnen als Alleinstellungsmerkmal hervorgehobenen Aspekten, namentlich den besonderen pleiotropen (außerhalb der Hauptwirkung heilend wirkenden) Eigenschaften (dazu <1.>), der größten Wirkstärke (dazu <2.>), dem schnelleren Wirkeintritt (dazu <3.>) und einem überlegenen Sicherheitsprofil von Atorvastatin gegenüber den anderen Statinen (dazu <4.>), begründet der Beschluss nachvollziehbar, dass eine therapeutische Verbesserung nach den gesetzlichen Kriterien nicht festzustellen ist.

69

(1.) So fehlen hinsichtlich der besonderen pleiotropen Eigenschaften von Atorvastatin danach genauere Kenntnisse darüber, in welchem Ausmaß pleiotrope Effekte zur Risikoverbesserung beitragen und ob Unterschiede zwischen den einzelnen Wirkstoffen bestehen. Studien zum Nachweis von Art und Umfang angeblich pleiotroper Effekte liegen nicht vor.

70

(2.) Gegen die von den Klägerinnen ins Feld geführte höhere Wirkstärke Atorvastatins wendet der Beigeladene 1. schlüssig ein, dass sich daraus nicht per se eine klinische Überlegenheit ableiten lässt. Es mangelt nämlich hierzu an den erforderlichen qualitativ hochwertigen Vergleichsstudien mit klinisch relevanten Endpunkten, die hinreichende Schlüsse auf nennenswerte Patientenkollektive erlauben: Die vorliegenden indirekten Vergleichsstudien eignen sich nach der nachvollziehbaren Beurteilung des Beigeladenen zu 1. nicht zum Nachweis relevanter Unterschiede zwischen den einzelnen Wirkstoffen. Die Ausgangsrisiken der untersuchten Populationen weichen so erheblich voneinander ab, dass sie kaum miteinander vergleichbar sind. Ebenso variiert - wohl vor dem Hintergrund des unterschiedlichen Zuschnitts der Vergleichsgruppen - das Ausmaß der LDL-Senkung in den einzelnen Studien in einem Ausmaß, das Vergleichsschlüsse problematisch macht.

71

(3.) Auch hinsichtlich der Frage, ob ein schnellerer Wirkeintritt von Atorvastatin gegenüber anderen Statinen mit Blick auf patientenrelevante Endpunkte nachweisbare Vorteile bietet, gibt es bisher keine direkten Vergleichsstudien. Die vorliegenden indirekten Vergleichsstudien können therapierelevante Vorteile nach der nachvollziehbaren Beurteilung des Beigeladenen zu 1. nicht hinreichend belegen, da sie sich wesentlich in der jeweiligen Größe des Ausgangsrisikos der untersuchten Populationen und Stärke der Interventionen unterscheiden. Diese Parameter sind indes die stärksten Determinanten für die Geschwindigkeit des Eintretens einer statistisch signifikanten Wirkung einer Statintherapie.

72

(4.) Das geltend gemachte besondere Sicherheitsprofil von Atorvastatin ist entsprechend der Beschlussbegründung schließlich ebenfalls nicht evidenzbasiert nachgewiesen. Direkte Vergleichsstudien zwischen den Statinen zu unerwünschten Nebenwirkungen liegen nicht vor. Eine signifikante Unterscheidung der nach der Häufigkeit schwerer unerwünschter Ereignisse wird bei den placebokontrollierten Studien als "overall health impact" in den seltensten Fällen angegeben. Diese Argumentation deckt sich wiederum nachvollziehbar mit der bestehenden Studienlage.

73

ff) Der Beigeladene zu 1. hat für die Zeit bis zum 30.6.2006 auch die ihm als Normgeber obliegende Beobachtungspflicht nicht verletzt. Von einer Verletzung der Beobachtungspflicht wäre nur auszugehen, wenn der Beigeladene zu 1. eine neue Studienlage übergangen hätte, die nach den aufgezeigten gesetzlichen Maßstäben Anlass zur erneuten Überprüfung eines einmal gefassten Gruppenbildungsbeschlusses gegeben hätte. Daran fehlt es.

74

Der Beigeladene zu 1. muss auch nach Erlass einer Richtlinie über die Bildung einer Festbetragsgruppe prüfen, ob neuere wissenschaftliche Erkenntnisse eine Änderung seiner Entscheidung gebieten. Dies folgt auch ohne besondere, ausdrückliche Regelung in § 35 SGB V aus der generellen, dem GBA als Normgeber obliegenden Beobachtungspflicht. Wesentlicher innerer Grund des gesetzlichen Regelungskonzepts des GBA als Normgeber ist es gerade, ihn die sich ständig ändernde Entwicklung des allgemein anerkannten Standes der Medizin und der Pharmakologie beobachten zu lassen, damit er wesentliche Änderungen umgehend in den Richtlinien berücksichtigt (vgl dazu Hauck, NZS 2010, 600, 611 mwN). Im Falle der hier in Frage stehenden Richtlinien ist der GBA zur Beobachtung dessen verpflichtet, ob die bisher festgelegte Zusammenfassung mehrerer Arzneimittel in einer Festbetragsgruppe dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse nicht mehr entspricht (vgl ähnlich BSGE 103, 106 = SozR 4-2500 § 94 Nr 2).

75

Eine solche Beobachtungspflicht setzt der Beigeladene zu 1. auch selbst in Kapitel 3, Abschnitt D der Beschlussbegründung (nunmehr in § 7 Abs 4 seiner VerfO) voraus. Danach muss er Hinweisen dazu nachgehen, dass getroffene Entscheidungen nicht mehr mit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse übereinstimmen. Hinweise darauf, dass für den Wirkstoff Atorvastatin zwischenzeitlich Studien erstellt worden sind, die unter Berücksichtigung der aufgezeigten gesetzlichen Wertungen für eine abweichende Bewertung der therapeutischen Verbesserung sprechen, liegen indes nicht vor. Das belegen für die hier relevante Zeit bis zum 30.6.2006 (zu Folgezeiträumen vgl Senatsurteile vom selben Tage - B 1 KR 10/10 R - zur Veröffentlichung vorgesehen und - B 1 KR 13/10 R) die Untersuchungen des IQWiG vom 15.8.2005 und des Beigeladenen zu 1. vom Februar 2010 unter Einbeziehung aller neueren Studien für die Folgejahre. Keiner der Beteiligten hat denn auch dargelegt, dass abweichend von der Beurteilung des IQWiG und der Recherche des Beigeladenen zu 1. neue endpunktrelevante Studien mit bisher nicht berücksichtigten Ergebnissen zu den Statinen veröffentlicht worden sind.

76

gg) Der erkennende Senat kann sich auf die vorliegenden Ermittlungsergebnisse stützen, ohne dass es weiterer Beweiserhebung bedarf. Zwar geht es beim Nachweis einer therapeutischen Verbesserung durch Arzneimittel um die Feststellung genereller Tatsachen, die auch der Ermittlung des Senats im Revisionsverfahren unterliegen. Weitere Beweiserhebung drängt sich aber nicht auf. Auch hier (vgl bereits oben II.2.b und c cc) ist von Bedeutung, dass sich der Beigeladene zu 1. nicht beliebiger Einzelgutachter bedient, sondern die vom Gesetzgeber hervorgehobene AkdÄ mit der Überprüfung der Voraussetzungen betraut hat. Hinzu kommt, dass er in der Folgezeit im Rahmen eines Generalauftrags das IQWiG mit einer Überprüfung beauftragt hat und schließlich unmittelbar vor der mündlichen Verhandlung bei dem LSG nochmals selbst recherchiert hat. Nur die Darlegung, eine therapeutische Verbesserung sei anhand aussagekräftiger Studien in der gesetzlich gebotenen Qualität nachgewiesen, würde vorliegend zu weiteren Ermittlungen zwingen. Daran fehlt es indes.

77

Das IQWiG hat nämlich die Einschätzung des Beigeladenen zu 1. bestätigt, ohne Anhaltspunkte für neuere abweichende Studienergebnisse in hinreichend qualifizierten Studien zu finden. Vor dem Hintergrund der gesetzlichen Absicherung von Neutralität und Qualität der in Auftrag gegebenen Untersuchung des IQWiG streitet bei Beachtung aller gesetzlicher Vorgaben eine Rechtsvermutung für die Richtigkeit seiner Beurteilung, die in derartigen Fällen wie dem vorliegenden eine weitere Beweiserhebung erübrigt. Das folgt aus Ausstattung (dazu <1.>), Aufgabe (dazu <2.>) und Gesetzeszweck der Einrichtung des IQWiG (dazu <3.>). Mit Blick darauf kommt gesetzeskonformen Bewertungen des IQWiG eine Richtigkeitsgewähr zu.

78

(1.) Das IQWiG stellt ein Expertengremium dar, das in seiner persönlichen und fachlichen Integrität und Qualität durch Transparenz und Unabhängigkeit gesetzlich und institutionell besonders abgesichert ist (vgl Hauck, NZS 2010, 600, 609; Rixen, MedR 2008, 24, 26). Der Beigeladene zu 1. hat gesetzeskonform das IQWiG als fachlich unabhängiges, rechtsfähiges, wissenschaftliches Institut errichtet (§ 139a Abs 1 Satz 1 SGB V idF durch Art 1 Nr 112 GMG). Der Gesetzgeber hat bereits die zulässige Rechtsform des IQWiG eingegrenzt, um dessen Kompetenz und Unabhängigkeit sicherzustellen. Zur Sicherung der fachlichen Unabhängigkeit des IQWiG haben die Beschäftigten vor ihrer Einstellung alle Beziehungen zu Interessenverbänden, Auftragsinstituten, insbesondere der pharmazeutischen Industrie und der Medizinprodukteindustrie, einschließlich Art und Höhe von Zuwendungen offen zu legen (vgl § 139a Abs 6 SGB V). Entsprechendes gilt, soweit das IQWiG wissenschaftliche Forschungsaufträge an externe Sachverständige vergibt (s § 139b Abs 3 SGB V). Die Vergabe von Forschungsaufträgen gewährleistet, dass die Arbeiten des IQWiG höchsten wissenschaftlichen Anforderungen gerecht werden. Hierzu hat es ausgewiesene Experten mit wissenschaftlichen und praktischen Erfahrungen in ihren jeweiligen Arbeitsbereichen einzubeziehen (vgl BT-Drucks 15/1525 S 128 Zu § 139a Abs 4).

79

Das IQWiG arbeitet in einer transparenten Form unter Unterrichtung Betroffener und Interessierter über alle Arbeitsschritte und Arbeitsergebnisse (vgl § 139a Abs 4 SGB V und hierzu BT-Drucks 15/1525 S 128 Zu § 139a Abs 4), insbesondere auch über die Grundlagen für die Entscheidungsfindung. Indem das IQWiG zu gewährleisten hat, dass die Bewertung des medizinischen Nutzens nach den international anerkannten Standards der evidenzbasierten Medizin erfolgt (§ 139a Abs 4 Satz 1 Halbs 1 SGB V idF durch Art 1 Nr 117 Buchst b GKV-WSG),hat der Gesetzgeber klargestellt, dass es seine Arbeitsmethode nach den international üblichen und akzeptierten Standards der evidenzbasierten Medizin auszurichten hat. Das IQWiG geht nach der Gesetzeskonzeption bei seinen Bewertungen in vergleichbarer hoch qualitativer Weise vor wie andere mit entsprechenden Aufgaben betraute Stellen im internationalen Bereich, zB das National Institute for Health and Clinical Excellence (vgl Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD eines GKV-WSG, BT-Drucks 16/3100 S 151 Zu Nummer 117 <§ 139a> Zu Buchst b; Engelmann in: jurisPK-SGB V, § 139a RdNr 30). Zusätzlich bestehen Rechte Sachverständiger, Interessierter und Betroffener, Stellung zu nehmen (vgl § 139a Abs 5 SGB V).

80

(2.) Das IQWiG wird zu Fragen von grundsätzlicher Bedeutung für die Qualität und Wirtschaftlichkeit der im Rahmen der GKV erbrachten Leistungen in gesetzlich vorgegebenem Umfang tätig (vgl § 139a Abs 3 SGB V). Die Arbeit des IQWiG hat zum Ziel, die grundsätzlichen Anforderungen des SGB V bei der Leistungserbringung zu sichern. Hierzu soll es Erkenntnisse über den Wert der Leistungen auch im Verhältnis zu den aufzuwendenden Kosten sowie zu den Auswirkungen auf die Verbesserung der medizinischen Behandlung erarbeiten. Dies soll gewährleisten, dass diagnostische und therapeutische Maßnahmen dem besten verfügbaren wissenschaftlichen Stand entsprechen und auch weiterhin finanzierbar bleiben (vgl BT-Drucks 15/1525 S 127 Zu Nummer 112 Zu § 139a Zu Abs 3).

81

Zu den gesetzlich vorgegebenen Aufgaben gehört auch die Bewertung des Nutzens und der Kosten von Arzneimitteln (vgl § 139a Abs 3 Nr 5 SGB V). Der Beigeladene zu 1. beauftragt das IQWiG mit den gesetzlich umrissenen Arbeiten (vgl § 139b Abs 1 Satz 1 SGB V). Hierzu hat er dem IQWiG ua am 21.12.2004 den Generalauftrag erteilt, durch die Erfassung und Auswertung des relevanten Schrifttums eine kontinuierliche Beobachtung und Bewertung medizinischer Entwicklungen von grundlegender Bedeutung und ihrer Auswirkungen auf die Qualität und Wirtschaftlichkeit der medizinischen Versorgung in Deutschland vorzunehmen und den GBA hierüber regelmäßig zu informieren. Das IQWiG soll aus der eigenverantwortlichen wissenschaftlichen Arbeit heraus dem GBA für dessen gesetzliche Aufgaben notwendige Informationen zur Verfügung stellen und konkrete Vorschläge für Einzelaufträge erarbeiten.

82

(3.) Ziel des Gesetzgebers ist es, durch Einbindung des IQWiG in die Zuarbeit für den GBA den dynamischen Prozess der Fortentwicklung der medizinischen und pflegerischen Leistungen zu sichern und die kontinuierliche Einbeziehung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse in eine qualitativ gesicherte Leistungserbringung zu gewährleisten (BT-Drucks 15/1525, S 127). Das IQWiG leitet deshalb seine Arbeitsergebnisse dem GBA als Empfehlungen zu (vgl § 139b Abs 4 Satz 1 SGB V). Dieser hat die Empfehlungen im Rahmen seiner Aufgabenstellung "zu berücksichtigen", wird also nur mit besonderer Begründung davon abweichen (vgl Hauck, NZS 2007, 461, 464). Insbesondere hat er zu prüfen, ob das IQWiG seine Bewertungen ausgehend von einem zutreffenden Rechtsverständnis der zugrunde gelegten Begriffe auf der Basis einer umfassenden Einbeziehung der relevanten Studien nachvollziehbar und widerspruchsfrei getroffen hat. Für die Umsetzung von Handlungsempfehlungen des IQWiG verbleibt ihm indes sein gesetzgeberisches Ermessen.

83

Dass von AkdÄ und IQWiG nicht berücksichtigte Studien hinreichender Qualität im gesetzlich gebotenen Sinne vorliegen, ist schließlich weder von den Klägerinnen noch von sonstigen Beteiligten des vorliegenden Rechtsstreits oder der beim erkennenden Senat anhängigen Parallelverfahren in Kenntnis der Beurteilungen von AkdÄ und IQWiG behauptet worden. Es ist auch ansonsten nicht ersichtlich.

84

hh) Auch die gebildete Vergleichsgröße und die festgesetzte Festbetragshöhe beschwerten die Klägerinnen nicht. Es gilt hierfür dasselbe wie im vorangegangenen Zeitraum (vgl dazu II. 3. a).

85

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs 2 und 3 und § 162 Abs 3 VwGO, diejenige über den Streitwert aus § 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und 4 sowie § 47 Abs 1 GKG.

(1) Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht.

(2) Versicherte können anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Hierüber haben sie ihre Krankenkasse vor Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis zu setzen. Der Leistungserbringer hat die Versicherten vor Inanspruchnahme der Leistung darüber zu informieren, dass Kosten, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden, von dem Versicherten zu tragen sind. Eine Einschränkung der Wahl auf den Bereich der ärztlichen Versorgung, der zahnärztlichen Versorgung, den stationären Bereich oder auf veranlasste Leistungen ist möglich. Nicht im Vierten Kapitel genannte Leistungserbringer dürfen nur nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse in Anspruch genommen werden. Eine Zustimmung kann erteilt werden, wenn medizinische oder soziale Gründe eine Inanspruchnahme dieser Leistungserbringer rechtfertigen und eine zumindest gleichwertige Versorgung gewährleistet ist. Die Inanspruchnahme von Leistungserbringern nach § 95b Absatz 3 Satz 1 im Wege der Kostenerstattung ist ausgeschlossen. Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie kann dabei Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent in Abzug bringen. Im Falle der Kostenerstattung nach § 129 Absatz 1 Satz 6 sind die der Krankenkasse entgangenen Rabatte nach § 130a Absatz 8 sowie die Mehrkosten im Vergleich zur Abgabe eines Arzneimittels nach § 129 Absatz 1 Satz 3 und 5 zu berücksichtigen; die Abschläge sollen pauschaliert werden. Die Versicherten sind an ihre Wahl der Kostenerstattung mindestens ein Kalendervierteljahr gebunden.

(3) Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem Neunten Buch werden nach § 18 des Neunten Buches erstattet. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen, die durch einen Psychotherapeuten erbracht werden, sind erstattungsfähig, sofern dieser die Voraussetzungen des § 95c erfüllt.

(3a) Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. Wird ein im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenes Gutachterverfahren gemäß § 87 Absatz 1c durchgeführt, hat die Krankenkasse ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden; der Gutachter nimmt innerhalb von vier Wochen Stellung. Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich oder elektronisch mit; für die elektronische Mitteilung gilt § 37 Absatz 2b des Zehnten Buches entsprechend. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet. Die Krankenkasse berichtet dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen jährlich über die Anzahl der Fälle, in denen Fristen nicht eingehalten oder Kostenerstattungen vorgenommen wurden. Für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gelten die §§ 14 bis 24 des Neunten Buches zur Koordinierung der Leistungen und zur Erstattung selbst beschaffter Leistungen.

(4) Versicherte sind berechtigt, auch Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten oder unterliegen auf Grund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung. Es dürfen nur solche Leistungserbringer in Anspruch genommen werden, bei denen die Bedingungen des Zugangs und der Ausübung des Berufes Gegenstand einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft sind oder die im jeweiligen nationalen System der Krankenversicherung des Aufenthaltsstaates zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind. Der Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie hat dabei ausreichende Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent vorzusehen sowie vorgesehene Zuzahlungen in Abzug zu bringen. Ist eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich, kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung auch ganz übernehmen.

(5) Abweichend von Absatz 4 können in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz Krankenhausleistungen nach § 39 nur nach vorheriger Zustimmung durch die Krankenkassen in Anspruch genommen werden. Die Zustimmung darf nur versagt werden, wenn die gleiche oder eine für den Versicherten ebenso wirksame, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit rechtzeitig bei einem Vertragspartner der Krankenkasse im Inland erlangt werden kann.

(6) § 18 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 gilt in den Fällen der Absätze 4 und 5 entsprechend.

(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 überprüft auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Absatz 2 Satz 1, des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen, der Deutschen Krankenhausgesellschaft oder eines Bundesverbandes der Krankenhausträger Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden oder angewandt werden sollen, daraufhin, ob sie für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse erforderlich sind. Ergibt die Überprüfung, dass der Nutzen einer Methode nicht hinreichend belegt ist und sie nicht das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, insbesondere weil sie schädlich oder unwirksam ist, erlässt der Gemeinsame Bundesausschuss eine entsprechende Richtlinie, wonach die Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zulasten der Krankenkassen erbracht werden darf. Ergibt die Überprüfung, dass der Nutzen einer Methode noch nicht hinreichend belegt ist, sie aber das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss eine Richtlinie zur Erprobung nach § 137e. Nach Abschluss der Erprobung erlässt der Gemeinsame Bundesausschuss eine Richtlinie, wonach die Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zulasten der Krankenkassen erbracht werden darf, wenn die Überprüfung unter Hinzuziehung der durch die Erprobung gewonnenen Erkenntnisse ergibt, dass die Methode nicht den Kriterien nach Satz 1 entspricht. Die Beschlussfassung über die Annahme eines Antrags nach Satz 1 muss spätestens drei Monate nach Antragseingang erfolgen. Das sich anschließende Methodenbewertungsverfahren ist in der Regel innerhalb von spätestens drei Jahren abzuschließen, es sei denn, dass auch bei Straffung des Verfahrens im Einzelfall eine längere Verfahrensdauer erforderlich ist.

(2) Wird eine Beanstandung des Bundesministeriums für Gesundheit nach § 94 Abs. 1 Satz 2 nicht innerhalb der von ihm gesetzten Frist behoben, kann das Bundesministerium die Richtlinie erlassen. Ab dem Tag des Inkrafttretens einer Richtlinie nach Absatz 1 Satz 2 oder 4 darf die ausgeschlossene Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden; die Durchführung klinischer Studien bleibt von einem Ausschluss nach Absatz 1 Satz 4 unberührt.

(3) Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der Gemeinsame Bundesausschuss bisher keine Entscheidung nach Absatz 1 getroffen hat, dürfen im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt und von den Versicherten beansprucht werden, wenn sie das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten und ihre Anwendung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt, sie also insbesondere medizinisch indiziert und notwendig ist. Dies gilt sowohl für Methoden, für die noch kein Antrag nach Absatz 1 Satz 1 gestellt wurde, als auch für Methoden, deren Bewertung nach Absatz 1 noch nicht abgeschlossen ist.

(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlossen. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen.

(1a) Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, können auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die Krankenkasse erteilt für Leistungen nach Satz 1 vor Beginn der Behandlung eine Kostenübernahmeerklärung, wenn Versicherte oder behandelnde Leistungserbringer dies beantragen. Mit der Kostenübernahmeerklärung wird die Abrechnungsmöglichkeit der Leistung nach Satz 1 festgestellt.

(2) Die Versicherten erhalten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Neunte Buch nichts Abweichendes vorsehen. Die Leistungen werden auf Antrag durch ein Persönliches Budget erbracht; § 29 des Neunten Buches gilt entsprechend. Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels Verträge mit den Leistungserbringern.

(3) Bei der Auswahl der Leistungserbringer ist ihre Vielfalt zu beachten. Den religiösen Bedürfnissen der Versicherten ist Rechnung zu tragen.

(4) Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherte haben darauf zu achten, daß die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden.

Tenor

1. Der Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 27. August 2012 - L 8 KR 189/12 B ER - verletzt die Beschwerdeführerin in ihren Grundrechten aus Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes. Er wird aufgehoben. Die Sache wird an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

2. ...

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung für so genannte neue Behandlungsmethoden in Fällen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung im Rahmen der ambulanten ärztlichen Versorgung.

I.

2

1. Die 1959 geborene Beschwerdeführerin ist gesetzlich krankenversichert. Im November 2009 erkrankte sie an einem metastasierenden Ovarialkarzinom. Nach Operation und Chemotherapie wurden im Dezember 2011 Metastasen zwischen Magen und Pankreas sowie am Milzhilus festgestellt. Im März 2012 wurde weiter eine Milzmetastase festgestellt. Nicht klar beurteilen ließ sich, ob auch schon die Leber betroffen ist.

3

Am 19. März 2012 stellte die Beschwerdeführerin bei ihrer Krankenkasse den Antrag auf Übernahme der Kosten von 15.000 € monatlich für eine Behandlung mittels einer kombinierten Immuntherapie (Hyperthermie, onkolytische Viren und dendritische Zellen) bei einem Arzt für Allgemeinmedizin und Naturheilverfahren.

4

Die Krankenkasse holte eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) ein. Dieser kam zu dem Ergebnis, es liege eine lebensbedrohliche Erkrankung vor. Die vorgesehene Behandlung stelle eine experimentelle Therapie dar, ein positives Votum des Gemeinsamen Bundesausschusses liege nicht vor. Weder für die einzelnen Elemente noch für die Kombinationsbehandlung stünden ausreichend wissenschaftlich geprüfte und tragfähige Anhaltspunkte zur Verfügung, die eine klinisch relevante Wirksamkeit bei Patientinnen mit metastasierendem Ovarialkarzinom nach vorangegangener Chemotherapie belegten. Es stünden nach dem Versagen der Standardtherapie verschiedene Zweitlinienbehandlungen zur Verfügung. Die Entscheidung über eine Drittlinientherapie könne nur im Einzelfall erfolgen.

5

Mit Bescheid vom 2. April 2012 lehnte die Krankenkasse den Antrag auf Kostenübernahme für die beantragte Kombinationstherapie ab. Einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz lehnte das Sozialgericht mangels Anordnungsanspruch ab. Die streitige Behandlung sei kein Leistungsgegenstand der gesetzlichen Krankenversicherung. Auch bestehe kein Anspruch nach § 2 Abs. 1a Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V).

6

Gegen den ablehnenden Beschluss des Sozialgerichts legte die Beschwerdeführerin Beschwerde ein, die mit Beschluss des Landessozialgerichts vom 27. August 2012 zurückgewiesen wurde. Dieses stellte fest, dass es für die Behandlung der Krebserkrankung der Beschwerdeführerin durchaus Behandlungsmöglichkeiten der sogenannten Zweitlinien- und Drittlinienbehandlung gebe. Die Beschwerdeführerin könne sich nicht darauf berufen, mit der begehrten Kombinationstherapie werde ein kurativer und nicht ein palliativer Behandlungserfolg angestrebt. Denn es sei auf das Vorliegen einer schulmedizinischen Behandlungsmethode abzustellen, unabhängig davon, ob mit dieser eine palliative oder kurative Wirkung erzielt werden könne. Darüber hinaus ließ das Landessozialgericht einerseits offen, ob eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung des Krankheitsbildes der Beschwerdeführerin durch die angestrebte Therapie bestehe, erklärte aber andererseits, der Senat gehe davon aus, dass das begehrte Therapiekonzept keinerlei Aussicht auf Erfolg biete, den behaupteten kurativen Effekt zu erzielen.

7

2. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde wendet sich die Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Landessozialgerichts und rügt eine Verletzung von Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG.

8

3. Die Krankenkasse hält die Verfassungsbeschwerde für unbegründet. Das Hessische Ministerium der Justiz, für Integration und Europa hat von einer Stellungnahme abgesehen.

II.

9

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte der Beschwerdeführerin aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem grundgesetzlichen Sozialstaatsprinzip und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Auch die weiteren Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind durch das Bundesverfassungsgericht bereits geklärt. Die Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet.

10

1. Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden.

11

a) In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist hinreichend geklärt, welche Folgen sich gemäß Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem grundgesetzlichen Sozialstaatsprinzip aus dem in der gesetzlichen Krankenversicherung geltenden Versicherungszwang ergeben, wenn es um die Versorgung mit einer neuen Behandlungsmethode im Fall einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Krankheit geht und für die Behandlung dieser Krankheit eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht (vgl. BVerfGE 115, 25 <49>). Der Gesetzgeber hat die vom Bundesverfassungsgericht formulierten Anforderungen mit Wirkung ab dem 1. Januar 2012 in § 2 Abs. 1a SGB V einfachgesetzlich niedergelegt. Danach können Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht.

12

b) Geklärt ist darüber hinaus, dass Maßstab für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung und seiner fachgerichtlichen Auslegung und Anwendung im Einzelfall auch die Grundrechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG sind. Zwar folgt aus diesen Grundrechten regelmäßig kein verfassungsrechtlicher Anspruch gegen die Krankenkassen auf Bereitstellung bestimmter und insbesondere spezieller Gesundheitsleistungen. Die Gestaltung des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung hat sich jedoch an der objektiv-rechtlichen Pflicht des Staates zu orientieren, sich schützend und fördernd vor die Rechtsgüter des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG zu stellen. Insofern können diese Grundrechte in besonders gelagerten Fällen die Gerichte zu einer grundrechtsorientierten Auslegung der maßgeblichen Vorschriften des Krankenversicherungsrechts verpflichten. Dies gilt insbesondere in Fällen der Behandlung einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung. Denn das Leben stellt einen Höchstwert innerhalb der grundgesetzlichen Ordnung dar. Behördliche und gerichtliche Verfahren müssen dieser Bedeutung und der im Grundrecht auf Leben enthaltenen grundlegenden objektiven Wertentscheidung gerecht werden und sie bei der Auslegung und Anwendung der maßgeblichen Vorschriften des Krankenversicherungsrechts berücksichtigen (vgl. BVerfGE 115, 25 <44 f.> m.w.N.).

13

2. Der Beschluss des Landessozialgerichts beruht auf einer Auslegung von § 2 Abs. 1a SGB V, die mit Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem grundgesetzlichen Sozialstaatsprinzip und mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht vereinbar ist.

14

Vorliegend gehört die von der Beschwerdeführerin begehrte Kombinationstherapie nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung. Zwar gibt es nach den Feststellungen des Landessozialgerichts für die Behandlung der Krebserkrankung der Beschwerdeführerin mehrere allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Zweitlinienbehandlungen. Soweit das Landessozialgericht in dem angegriffenen Beschluss bei der Auslegung des § 2 Abs. 1a SGB V aber meint, es könne offen lassen, ob "eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung" besteht, ist dies mit Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem grundgesetzlichen Sozialstaatsprinzip und mit der Schutzpflicht des Staates für das Leben aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht zu vereinbaren.

15

Es bedarf einer besonderen Rechtfertigung vor Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip, wenn den der Versicherungspflicht unterworfenen Versicherten Leistungen für die Behandlung einer Krankheit und insbesondere einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung durch gesetzliche Bestimmungen oder durch deren fachgerichtliche Auslegung und Anwendung vorenthalten werden (vgl. BVerfGE 115, 25 <44>). Die Argumentation des Landessozialgerichts verkennt, dass die Frage, ob eine alternative Behandlungsmethode von der gesetzlichen Krankenversicherung zu finanzieren ist, nicht losgelöst davon betrachtet werden kann, was die anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung zu leisten vermag und was die alternative Behandlung zu leisten vorgibt. Bei der Frage, ob eine Behandlung mit Mitteln der Schulmedizin in Betracht kommt und inwieweit Behandlungsalternativen zur Verfügung stehen, ist zunächst das konkrete Behandlungsziel zu klären (vgl. BSGE 97, 190 <201>). Bereits aus § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V ergibt sich, dass hinsichtlich der therapeutischen Ziele der Krankenbehandlung zwischen der Heilung einer Krankheit, der Verhütung ihrer Verschlimmerung und der Linderung von Krankheitsbeschwerden differenziert wird. Dabei ist nach Möglichkeit die Heilung der Krankheit als das vorrangige Behandlungsziel anzustreben, während die Verhütung einer Verschlimmerung oder die Linderung von Krankheitsbeschwerden regelmäßig nachrangige Behandlungsziele sind (vgl. bereits BSGE 78, 70 <85>). Bietet die Schulmedizin nur noch palliative Therapien an, weil sie jede Möglichkeit kurativer Behandlung als aussichtslos erachtet, kommt die Alternativbehandlung nur dann in Betracht, wenn die auf Indizien gestützte Aussicht auf einen über die palliative Standardtherapie hinaus reichenden Erfolg besteht. Rein experimentelle Behandlungsmethoden, die nicht durch hinreichende Indizien gestützt sind, reichen hierfür nicht. Mit Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ist es in der extremen Situation einer krankheitsbedingten Lebensgefahr jedoch nicht zu vereinbaren, Versicherte auf eine nurmehr auf die Linderung von Krankheitsbeschwerden zielende Standardtherapie zu verweisen, wenn durch eine Alternativbehandlung eine nicht ganz entfernte Aussicht auf Heilung besteht.

16

3. Die angegriffene Entscheidung beruht auf dem festgestellten Verfassungsverstoß. Sie wird aufgehoben und die Sache an das Landessozialgericht zurückverwiesen (§ 95 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BVerfGG). Dieses wird zu entscheiden haben, ob es bei Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben noch Ermittlungsbedarf sieht. Der Entscheidung ist dies nicht mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen. Zwar führt das Gericht einerseits aus, dass die in Frage stehende Therapie keinerlei Aussicht auf Erfolg biete, den therapeutischen Effekt zu erzielen, jedoch lässt es andererseits offen, ob eine kurative Wirkung erzielt werden kann. Dies steht hinsichtlich des maßgeblichen Gesichtspunkts in Widerspruch zueinander oder bringt zumindest eine Unklarheit in die Entscheidung. Denn die Frage nach der Aussicht auf Heilung darf nach den dargelegten Kriterien gerade nicht offen gelassen werden. Maßstab der Prüfung unter dem Regime von Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip sowie des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ist, ob bei Einsatz der begehrten Kombinationstherapie entgegen der Annahme der Schulmedizin, nur noch palliativ behandeln zu können, eine auf Indizien gestützte, nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung der fortgeschrittenen Krebserkrankung besteht.

III.

17

Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfaßt

1.
Ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung,
2.
zahnärztliche Behandlung,
2a.
Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen,
3.
Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln sowie mit digitalen Gesundheitsanwendungen,
4.
häusliche Krankenpflege, außerklinische Intensivpflege und Haushaltshilfe,
5.
Krankenhausbehandlung,
6.
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und ergänzende Leistungen.
Zur Krankenbehandlung gehört auch die palliative Versorgung der Versicherten. Bei der Krankenbehandlung ist den besonderen Bedürfnissen psychisch Kranker Rechnung zu tragen, insbesondere bei der Versorgung mit Heilmitteln und bei der medizinischen Rehabilitation. Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur Herstellung der Zeugungs- oder Empfängnisfähigkeit, wenn diese Fähigkeit nicht vorhanden war oder durch Krankheit oder wegen einer durch Krankheit erforderlichen Sterilisation verlorengegangen war. Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur vertraulichen Spurensicherung am Körper, einschließlich der erforderlichen Dokumentation sowie Laboruntersuchungen und einer ordnungsgemäßen Aufbewahrung der sichergestellten Befunde, bei Hinweisen auf drittverursachte Gesundheitsschäden, die Folge einer Misshandlung, eines sexuellen Missbrauchs, eines sexuellen Übergriffs, einer sexuellen Nötigung oder einer Vergewaltigung sein können.

(1a) Spender von Organen oder Geweben oder von Blut zur Separation von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen (Spender) haben bei einer nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes erfolgenden Spende von Organen oder Geweben oder im Zusammenhang mit einer im Sinne von § 9 des Transfusionsgesetzes erfolgenden Spende zum Zwecke der Übertragung auf Versicherte (Entnahme bei lebenden Spendern) Anspruch auf Leistungen der Krankenbehandlung. Dazu gehören die ambulante und stationäre Behandlung der Spender, die medizinisch erforderliche Vor- und Nachbetreuung, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie die Erstattung des Ausfalls von Arbeitseinkünften als Krankengeld nach § 44a und erforderlicher Fahrkosten; dies gilt auch für Leistungen, die über die Leistungen nach dem Dritten Kapitel dieses Gesetzes, auf die ein Anspruch besteht, hinausgehen, soweit sie vom Versicherungsschutz des Spenders umfasst sind. Zuzahlungen sind von den Spendern nicht zu leisten. Zuständig für Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 ist die Krankenkasse der Empfänger von Organen, Geweben oder Blutstammzellen sowie anderen Blutbestandteilen (Empfänger). Im Zusammenhang mit der Spende von Knochenmark nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes, von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen nach § 9 des Transfusionsgesetzes können die Erstattung der erforderlichen Fahrkosten des Spenders und die Erstattung der Entgeltfortzahlung an den Arbeitgeber nach § 3a Absatz 2 Satz 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes einschließlich der Befugnis zum Erlass der hierzu erforderlichen Verwaltungsakte auf Dritte übertragen werden. Das Nähere kann der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit den für die nationale und internationale Suche nach nichtverwandten Spendern von Blutstammzellen aus Knochenmark oder peripherem Blut maßgeblichen Organisationen vereinbaren. Für die Behandlung von Folgeerkrankungen der Spender ist die Krankenkasse der Spender zuständig, sofern der Leistungsanspruch nicht nach § 11 Absatz 5 ausgeschlossen ist. Ansprüche nach diesem Absatz haben auch nicht gesetzlich krankenversicherte Personen. Die Krankenkasse der Spender ist befugt, die für die Leistungserbringung nach den Sätzen 1 und 2 erforderlichen personenbezogenen Daten an die Krankenkasse oder das private Krankenversicherungsunternehmen der Empfänger zu übermitteln; dies gilt auch für personenbezogene Daten von nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Krankenversicherungspflichtigen. Die nach Satz 9 übermittelten Daten dürfen nur für die Erbringung von Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 verarbeitet werden. Die Datenverarbeitung nach den Sätzen 9 und 10 darf nur mit schriftlicher Einwilligung der Spender, der eine umfassende Information vorausgegangen ist, erfolgen.

(2) Versicherte, die sich nur vorübergehend im Inland aufhalten, Ausländer, denen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt wurde, sowie

1.
asylsuchende Ausländer, deren Asylverfahren noch nicht unanfechtbar abgeschlossen ist,
2.
Vertriebene im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 und 3 des Bundesvertriebenengesetzes sowie Spätaussiedler im Sinne des § 4 des Bundesvertriebenengesetzes, ihre Ehegatten, Lebenspartner und Abkömmlinge im Sinne des § 7 Abs. 2 des Bundesvertriebenengesetzes haben Anspruch auf Versorgung mit Zahnersatz, wenn sie unmittelbar vor Inanspruchnahme mindestens ein Jahr lang Mitglied einer Krankenkasse (§ 4) oder nach § 10 versichert waren oder wenn die Behandlung aus medizinischen Gründen ausnahmsweise unaufschiebbar ist.

(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlossen. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen.

(1a) Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, können auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die Krankenkasse erteilt für Leistungen nach Satz 1 vor Beginn der Behandlung eine Kostenübernahmeerklärung, wenn Versicherte oder behandelnde Leistungserbringer dies beantragen. Mit der Kostenübernahmeerklärung wird die Abrechnungsmöglichkeit der Leistung nach Satz 1 festgestellt.

(2) Die Versicherten erhalten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Neunte Buch nichts Abweichendes vorsehen. Die Leistungen werden auf Antrag durch ein Persönliches Budget erbracht; § 29 des Neunten Buches gilt entsprechend. Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels Verträge mit den Leistungserbringern.

(3) Bei der Auswahl der Leistungserbringer ist ihre Vielfalt zu beachten. Den religiösen Bedürfnissen der Versicherten ist Rechnung zu tragen.

(4) Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherte haben darauf zu achten, daß die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.