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| Im Streit stehen die für die Jahre 1999 bis 2004 erhobenen Beiträge nebst Säumniszuschlägen zur gesetzlichen Unfallversicherung und dabei insbesondere, ob der zugrunde liegende Veranlagungsbescheid für diesen Zeitraum zugegangen ist. |
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| Die Klägerin, mittlerweile in Liquidation, betreibt in der Rechtsform einer GmbH ein Bauunternehmen. Sie ist Mitglied der Beklagten. |
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| Zuletzt hatte die Beklagte die Gefahrtarife mit Wirkung zum 1. Januar 1993 und 1. Januar 1999 erlassen. Die Beklagte hatte von der Klägerin Beiträge aufgrund der Tarifstelle 01 (Hochbau aller Art) mit der Gefahrklasse 8,5, der Tarifstelle 10 (Büroreinigungspersonal; nur Betriebsangehörige) mit der Gefahrklasse 2,5 und der Tarifstelle 11 (kaufmännisches, technisches Personal) mit der Gefahrklasse 1,0 Beiträge erhoben. Veranlagungsbescheide für die Gefahrtarife ab 1. Januar 1993 und 1. Januar 1999 befinden sich nicht bei den Akten. |
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| Mit Bescheid vom 20.04.1999 erhob die Beklagte den Beitrag für das Jahr 1998 und den Beitragsvorschuss für das Jahr 1999. Aus einem Aktenvermerk über eine am 15.06.1999 durchgeführte Betriebsprüfung geht hervor, dass die Klägerin Lohnsummen für Bauschlosserarbeiten und Güterfernverkehrtätigkeiten nicht gemeldet habe. Deswegen forderte die Beklagte mit Bescheid vom 21.06.1999, zugestellt mit Postzustellungsurkunde (PZU), Beiträge für die Jahre 1994 bis 1997 nach. Die Klägerin erhob Widerspruch und fügte „berichtigte“ Lohnnachweise für die Jahre 1994 bis 1998 bei. Mit Bescheid vom 15.07.1999 (PZU) erließ die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 20.04.1999 einen neuen Beitragsbescheid für das Jahr 1998, verbunden mit einem Beitragsvorschuss für das Jahr 1999. Die Klägerin erhob erneut Widerspruch mit der Begründung, da sich die Unternehmenszweige doch sehr unterschiedlich in der Bedeutung der Gefahrklasse darstellten, frage sich, wer diese Bewertung vornehmen dürfte. Ein Aktenvermerk vom 01.10.1999 notiert nach internen Rücksprachen bei der Beklagten, dass sich "an der Veranlagung der Klägerin für die Vergangenheit" nichts ändere. |
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| Mit zwei Bescheiden vom 10.01.2000 verlangte die Beklagte Säumniszuschläge für die Jahre 1998 und 1999 in Höhe von 26 DM bzw. 11.526 DM. Mit Schreiben vom 12.01.2000 teilte die Beklagte der Klägerin mit, "eine Berichtigung der Veranlagung rückwirkend für den Prüfungszeitraum (Jahre 1994 bis 1998)" sei nicht möglich. Es verbleibe "somit bei den anlässlich der Lohnbuchprüfung vom 15.06.1999 gemachten Feststellungen". Die Klägerin antwortete mit Schreiben vom 24.01.2000, sie erhalte ihre Rechtsbehelfe aufrecht. Zur Begründung schrieb sie u. a. wörtlich: "Der Berufsgenossenschaft ist (...) eine Beratungs- und Offenlegungspflicht erteilt worden (...). Das beinhaltet auch, dass den Zwangsmitgliedern die Gefahrtarife sowie die sämtl. dazu gehörigen Rechts- und Erfassungsmittel offengelegt werden. Aus diesem Grund beziehen wir uns gemäß SGB VII § 160 Abs. 2, dass die Veranlagung zu einer zu hohen Gefahrenklasse vom Unternehmer nicht zu vertreten ist. Daher sind Berichtigungen bzw. Änderungen rückwirkend zu gestatten und Bescheide aufzuheben." Die Klägerin erhob am 08.02.2000 Widerspruch gegen die Säumniszuschlagsbescheide vom 10.01.2000. Mit Schreiben vom 02.03.2000 wandte sich die Klägerin erneut an die Beklagte und monierte unter der Überschrift "Änderung der Veranlagung", dass ihr erst jetzt Gefahrtarife zugegangen seien. Diese seien unrichtig. |
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| Mit Widerspruchsbescheid vom 25.07.2000 wies die Beklagte die Widersprüche gegen die Beitragsbescheide vom 21.06.1999 und 15.07.1999, die Säumniszuschlagsbescheide vom 10.01.2000 und den Ablehnungsbescheid vom 12.01.2000 zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Unfallversicherungsträger veranlage die Unternehmen für die Tarifzeit nach dem Gefahrtarif zu den Gefahrklassen. Träten in den Unternehmen Änderungen ein, hebe der Unfallversicherungsträger den Veranlagungsbescheid mit Beginn des Monats auf, der der Änderungsmitteilung durch die Unternehmer folge. Die Klägerin habe die Beklagte erst im September 1999 davon informiert, dass eine Änderung eingetreten sei. Unbeschadet des Ergebnisses der insoweit noch nicht abgeschlossenen Prüfung könne eine Aufhebung der seit 1. Januar 1993 bestehenden Veranlagung hiernach frühestens zum 1. Oktober 1999 erfolgen. Die angefochtenen Bescheide seien danach nicht zu beanstanden, weil sie die Geschäftsjahre 1994 bis 1998 und damit frühere Zeiten beträfen. Die Forderung der Beklagten umfasste Nachberechnungen für die Jahre 1994 bis 1997 in Höhe von 126.681,31 DM, eine Nachzahlung für 1998 in Höhe von 41.761,71 DM und die Säumniszuschläge von 26 DM und 11.526 DM, insgesamt 179.995,02 DM (= 92.029,99 EUR). |
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| Die Klägerin wandte sich mit Schreiben vom 28.08.2000 unter Bezugnahme auf den Widerspruchsbescheid an die Beklagte und machte Verfahrensfehler der Beklagten bei Erlass der Bescheide geltend. Dieses Schreiben wurde von der Beklagten als Klage gewertet und an das Sozialgericht Heilbronn (SG) gesandt. Am 09.11.2000 teilte die Klägerin dem SG mit, dass sie keine Klage habe erheben wollen, weil sie die Bescheide ohnehin für nichtig halte. Die Klage (Aktenzeichen S 6 U 2384/00) werde zurückgenommen. |
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| Zwischenzeitlich hatte die Beklagte mit Bescheid vom 18.04.2000 den Beitrag für das Jahr 1999 in Höhe von 83.199,38 DM verlangt und den Beitragsvorschuss für das Jahr 2000 in Höhe von 72.820 DM festgesetzt. Die Klägerin erhob Widerspruch und erklärte, "die bereits 1999 beanstandeten Veranlagungen sind (...) erneut nicht berücksichtigt worden bzw. zur Ausführung gelangt". Die Veranlagung für das Jahr 1999 entspreche nicht der von ihr abgegebenen Meldung, der Beitragsbescheid sei daher unrichtig. Mit Bescheid vom 16.01.2001 (nicht in den Verwaltungsakten, vgl. Bl. 6 SG-Akte) verlangte die Beklagte Säumniszuschläge für das Jahr 2000 in Höhe von 26.038 DM. Mit Bescheid vom 20.04.2001 (PZU) erhob die Beklagte den Beitrag für das Jahr 2000 in Höhe von 86.238,59 DM und setzte den Beitragsvorschuss für das Jahr 2001 in Höhe von 75.372 DM fest. Gegen den Bescheid vom 20.04.2001 erhob die Klägerin am 04.05.2001 Widerspruch. Mit Bescheid vom 16.01.2002 erhob die Beklagte einen Säumniszuschlag für das Jahr 2001 in Höhe von 10.584,50 DM. Hiergegen erhob die Klägerin am 15.02.2002 Widerspruch. Mit Bescheid vom 22.04.2002 (nicht in den Verwaltungsakten, vgl. Bl. 11 der SG-Akte) erhob die Beklagte den Beitrag für das Jahr 2001 in Höhe von 45.179,64 EUR und den Beitragsvorschuss für das Jahr 2002 in Höhe von 41.383 EUR. Mit Widerspruchsbescheid vom 12.11.2002 wies die Beklagte die Widersprüche gegen die Bescheide vom 18.04.2000, 16.01.2001, 20.04.2001, 16.01.2002 und 22.04.2002 zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, eine neue Veranlagung der Klägerin sei nicht möglich, da „die Änderungen in den Unternehmen nicht eingetreten“ seien. |
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| Hiergegen erhob die Klägerin am 13.12.2002 Klage zum SG. Sie trug vor, die Beklagte habe unzutreffende Gefahrentarife angesetzt. Weiter würden in unzulässiger Weise Beiträge auf Lohnsummen erhoben, für welche die Beklagte keinen Versicherungsschutz biete und leiste. Die Beklagte habe sie mit den angegriffenen Bescheiden in die höchste Gefahrenklasse eingestuft. Dies sei nicht gerechtfertigt. Sie, die Klägerin, beschäftige viele Mitarbeiter mit Arbeiten, die für ein „normales“ Bauunternehmen atypisch seien, so mit Bodenbelagsarbeiten, in der eigenen Schlosserei, in der Verpackung, Produktfertigung, im Lager, und in der Arbeitsvorbereitung. Hierfür seien die Gefahrklassen von 4,0 und 2,5 (Lager) angemessen, für die Auszubildenden die Gefahrklasse 3,0. |
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| Die Beklagte entgegnete, die Veranlagung des Unternehmens erfolge nach dem seit dem 01.01.1999 gültigen Gefahrtarif. Nachdem die Veranlagung streitig geworden sei, habe sie die Betriebsverhältnisse vor Ort geprüft und festgestellt, dass die gültige Veranlagung den Verhältnissen auch tatsächlich entspreche. Eine zusätzliche Veranlagung zu den Gewerbezweigen „Bodenbelagsarbeiten“, „Verputzerarbeiten“, „Bau von Fertigteilbauwerken“ und „Lager/Arbeitsvorbereitung“ sei nicht möglich, weil es sich dabei lediglich um Hilfstätigkeiten handle. |
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| Mit Bescheid vom 22.04.2003 (dieser und alle weiteren Bescheide befinden sich nicht in den dem Senat vorgelegten Verwaltungsakten, sondern wurden als Kopie im sozialgerichtlichen Verfahren eingereicht) erhob die Beklagte den Beitrag für das Jahr 2002 in Höhe von 48.967,87 EUR und den Beitragsvorschuss für das Jahr 2003 in Höhe von 39.363 EUR. Mit den Bescheiden vom 26.09.2003 berechnete die Beklagte die Säumniszuschläge für die Jahre 2000 und 2001 mit 25.463 DM und 10.566,50 EUR neu. Mit Bescheid vom 21.01.2004 erhob die Beklagte einen Säumniszuschlag für das Jahr 2003 in Höhe von 4.350 EUR. Mit Bescheid vom 21.04.2004 verlangte die Beklagte den Beitrag für das Jahr 2003 in Höhe von 39.971,04 EUR und den Beitragsvorschuss für das Jahr 2004 in Höhe von 34.072 EUR. |
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| Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem SG vom 25.02.2005 wies der Vorsitzende darauf hin, dass sich ein Veranlagungsbescheid weder für den Gefahrtarif ab 1. Januar 1993 noch für den Gefahrtarif ab 1. Januar 1999 in den Akten befinde. Die Beklagtenvertreterin erklärte, sie könne diese Bescheide nachreichen. Die Klägerin teilte schriftsätzlich mit, sie habe zwischenzeitlich ihre Unterlagen noch einmal vollständig überprüft. Ihr seien niemals Veranlagungsbescheide, weder für den Gefahrtarif ab 1. Januar 1993 noch für den Gefahrtarif ab 1. Januar 1999, zugegangen. Wenn sich in der beim SG vorgelegten Akte der Beklagten solche Veranlagungsbescheide nicht befänden, könne es solche auch nicht geben. Außerdem ziehe es sich wie ein roter Faden durch die Akte der Beklagten, dass sie, die Klägerin, sich seit jeher gegen die Einstufung in die Gefahrtarife zur Wehr gesetzt habe und seit Jahren gegen jeden Bescheid Widerspruch einlege, insbesondere mit der Begründung, dass die den Beitragsbescheiden zugrunde liegenden Gefahrklassen falsch seien. Bei dieser Sachlage sei es grotesk anzunehmen, sie habe sich gegen die Ursache der falschen Einstufung, nämlich die Veranlagungsbescheide, nicht zur Wehr gesetzt, wenn sie tatsächlich Veranlagungsbescheide erhalten hätte. |
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| Die Beklagte legte den Veranlagungsbescheid vom 30.12.1992 für den Gefahrtarif ab 1. Januar 1993 vor. Sie fügte eine Liste bei, die überschrieben ist mit „Mitgliedsnummern aller verschickten Bescheide, Anzahl: 22318“ und in welcher die Zahl 3824855 unterstrichen ist. Weiter beigefügt wurde eine mit „Zustellungsnachweis“ überschriebene Erklärung der B. H. Versandservice GmbH vom 23.12.1998, in welcher bestätigt wird, "dass die von der Württ. Bau-Berufsgenossenschaft zum Versand in Auftrag gegebenen Veranlagungsbescheide vom 21.12.1998 vollständig und ordnungsgemäß einkuvertiert und frankiert beim Postamt 71272 Renningen am 23.12.1998 aufgegeben wurden". Die Beklagte führte aus, aus diesen Unterlagen gehe für sie eindeutig hervor, dass der Veranlagungsbescheid vom 21.12.1998 für die ab 1. Januar 1999 beginnende (und bis zum 31. Dezember 2004 reichende) Gefahrtarifperiode an die Klägerin verschickt worden sei. Ein Aktenexemplar habe man nicht ausgedruckt, weil die Beklagte ihre Akten auch elektronisch führe. Eine Reproduktion dieses Bescheides sei leider nicht mehr möglich. Die Veranlagung der Klägerin habe sich aber nicht geändert. Alle Veranlagungsbescheide seit der Aufnahme des Unternehmens in die Unfallversicherung am 1. April 1949 seien inhaltlich identisch. Dies lasse sich zweifellos u.a. anhand von Lohnnachweisen feststellen, da die Lohnnachweise der Veranlagung entsprächen. |
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| Die Klägerin entgegnete, die Behauptung, eine Reproduktion des Bescheides vom 21.12.1998 sei nicht möglich, sei nicht glaubhaft. Außerdem handle es sich bei dem Schreiben der H. Versandservice GmbH nicht um einen Zustellungsnachweis. Die dortigen Angaben seien weder nachprüfbar noch nachvollziehbar. Zudem habe die Beklagte bislang in dem umfangreichen Schriftwechsel über die Einstufung in die Gefahrtarife in keinem einzigen Schreiben auf angebliche Veranlagungsbescheide vom 30. Dezember 1992 und 21. Dezember 1998 verwiesen. Hierauf erwiderte die Beklagte, die Behauptung der Klägerin, die Veranlagungsbescheide vom 30. Dezember 1992 und vom 21. Dezember 1998 seien ihr nie zugegangen, sei nicht glaubhaft. Einer förmlichen Zustellung bedürfe es nicht, alle anderen Postsendungen seien der Klägerin stets zugegangen. Da die Beklagte habe nachweisen können, dass der Veranlagungsbescheid vom 21.12.1998 an die Klägerin versandt worden sei, genüge ein einfaches Bestreiten der Klägerin nicht, um die Vermutung des § 37 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zu widerlegen. Vielmehr sei die substantiierte Darlegung eines atypischen Geschehensablaufs zu fordern. Die Veranlagungsbescheide vom 21.12.1998 habe die Datenverarbeitungsabteilung auf einer Kassette gespeichert. Im März 2003 sei bei ihr ein neues Betriebssystem eingeführt worden, eine Kassettenstation zum Einlesen dieser Daten sei nunmehr nicht mehr vorhanden. Dies habe zur Folge, dass die Aktenexemplare der Veranlagungsbescheide vom 21.12.1998 nicht mehr erstellt werden könnten. Die Klägerin bestritt daraufhin weiter, die Veranlagungsbescheide erhalten zu haben. Sie führte aus, die Zugangsfiktion des § 37 SGB X könne nur dann gelten, wenn die Behörde selbst den schriftlichen Verwaltungsakt der Post übergebe. Es könne und dürfe nicht ausreichen, hiermit eine Privatfirma zu beauftragen. |
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| Mit Urteil vom 31.01.2006 hob das SG die Bescheide vom 18.04.2000, 20.04.2001, 22.04.2002 und die Säumniszuschlagsbescheide vom 16.01.2001und 16.01.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.11.2002 sowie die Änderungsbescheide vom „26.06.2003“ (gemeint ist der 26.09.2003) auf. Es entschied, der Klage sei in vollem Umfang stattzugeben, denn die angefochtenen Beitrags- und Säumnisbescheide seien, soweit Gegenstand des Verfahrens, rechtswidrig. Nicht Gegenstand des Klageverfahrens seien der Beitragsbescheid vom 22.04.2003, der Säumniszuschlagsbescheid vom 21.01.2004 und der Beitragsbescheid vom 21.04.2004, weil die Voraussetzungen des § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) insoweit nicht vorlägen und für eine analoge Anwendung dieser Vorschrift kein Bedürfnis bestehe. Die streitgegenständlichen Bescheide seien rechtswidrig, weil sie nicht auf einer wirksamen Veranlagung der Klägerin für den Gefahrtarif ab 1. Januar 1999 beruhten. Das Bundessozialgericht (BSG) habe in seinem Urteil vom 12. Dezember 1985 (2 RU 45/84) entschieden, dass die durch einen Gefahrtarif geschaffene Konstante für die Beitragsberechnung zwischen der Berufsgenossenschaft und den einzelnen Unternehmen nicht schon infolge der Beschlussfassung in der Vertreterversammlung erfolge, sondern erst infolge der vorgeschriebenen Veranlagung zur Gefahrklasse wirksam werde. Dies bedeute, dass die im Gefahrtarif für die Tarifzeit enthaltene abstrakte Regelung durch den Veranlagungsbescheid, der dem einzelnen Unternehmen erteilt werde, seine konkrete Gestalt erhalte. Unter Beachtung dieser rechtlichen Vorgabe hätte die Beklagte den Einwendungen gegen ihre Beitragsbescheide und die in ihnen vorgenommene Umsetzung der Veranlagung allein mit dem Hinweis auf die Bestandskraft der Veranlagungsbescheide begegnen können und auch müssen. Die streitgegenständlichen Bescheide seien rechtswidrig, wenn die Veranlagung gegenüber der Klägerin nicht wirksam geworden sei. Ungeachtet der Tatsache, dass sich der Veranlagungsbescheid für die Tarifzeit ab 1. Januar 1999 nicht in den Akten der Beklagten befinde und auch nicht habe reproduziert werden können und deshalb sein Inhalt unklar bleibe, sei (seine Existenz unterstellt) eine Bekanntgabe dieses Bescheides nicht nachgewiesen. Bereits die Voraussetzungen für die Zugangsfiktion lägen nicht vor. Der Bescheid befinde sich nicht in den Akten. Ein durch Handzeichen bestätigter Vermerk über den Tag der Aufgabe zur Post fehle ebenso. Nicht ausreichend sei hier die pauschale Bestätigung der mit der Kuvertierung und Frankierung beauftragten Firma und die ohne Bezug zum konkreten Veranlagungsbescheid vorgelegte Liste von Mitgliedsunternehmen. Aus diesen beiden Unterlagen lasse sich bereits mangels Bezug zueinander nicht zweifelsfrei erkennen, dass der für die Klägerin ausgestellte Veranlagungsbescheid tatsächlich an den Versandservice weitergeleitet und von ihm tatsächlich bei der Post aufgegeben worden sei. Selbst wenn man die Aufgabe zur Post unterstelle, sei der Zugang in den Machtbereich der Klägerin nicht zweifelsfrei. Dieser Zugang werde von der Klägerin bestritten. Den Beweis des Zugangs, der bei bestehendem Zweifel erforderlich sei, habe die Beklagte nicht erbracht. Nachdem die Beitragsbescheide in vollem Umfang aufzuheben gewesen seien, hätten die ebenfalls angefochtenen Säumniszuschlagsbescheide keinen Bestand und seien ebenfalls aufzuheben. Den Streitwert setzte das SG auf 56.000,- EUR fest. |
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| Gegen das ihr am 13.02.2006 zugestellte Urteil des SG hat die Beklagte am 06.03.2006 Berufung eingelegt. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vom 30.08.2007 erklärt, sie lege gegen diejenigen Bescheide, die das SG nicht gemäß § 96 SGG einbezogen und über die es deshalb nicht entschieden habe, keine Anschlussberufung ein. |
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| Die Beklagte hat - teilweise wiederholend - vorgetragen, für die Klägerin in der Zeit vom 01.04.1949 bis zum 31.12.2004 zuständig gewesen zu sein und für die jeweils gültige Gefahrtarifperiode Veranlagungen ausgesprochen zu haben. Bei der Betriebsprüfung vom 15.06.1999 sei festgestellt worden, dass die Klägerin die Arbeitsentgelte nicht vollständig nachgewiesen habe. Deswegen habe man für die Jahre 1994 bis 1997 Beiträge nacherhoben und den Beitrag für 1998 neu berechnet. Erst der Bescheid vom 21.06.1999 sei Anlass zu Auseinandersetzungen mit der Klägerin gewesen; nicht richtig sei dagegen, dass sich die Klägerin bereits seit Beginn der 90er Jahre gegen Veranlagungen zur Wehr setze. Die Klägerin habe erst nach dem Hinweis des Vorsitzenden im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem SG am 25.02.2005 geltend gemacht, die Veranlagungsbescheide nicht erhalten zu haben. Vorher habe sie dies nie gerügt. Außerdem habe die Klägerin mit ihrem Antrag auf Änderung der Veranlagung und ihrem Vortrag im Schriftsatz vom 24.01.2000, die Veranlagung zu einer zu hohen Gefahrklasse sei von ihr nicht zu vertreten, deutlich gemacht, dass ihr die Veranlagung bekannt sei. Da die ebenfalls von der Klägerin erwähnte Bestimmung des § 160 Abs. 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) die Aufhebung eines Veranlagungsbescheides regle, lasse sich daraus nur schließen, dass die Klägerin den Veranlagungsbescheid vom 21.12.1998 erhalten habe. Hätte sie den Veranlagungsbescheid für die Gefahrtarifperiode ab 1. Januar 1999 nicht erhalten, so hätte sie dies zu diesem Zeitpunkt bei der Beklagten sicherlich beanstandet. Außerdem habe die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 07.02.2000 ausgeführt, dass die durch die Beklagte vorgenommene Veranlagung falsch angesetzt worden sei. Man müsse fragen, woher der Klägerin die Veranlagung ihres Unternehmens bekannt gewesen sein sollte, wenn sie die Veranlagungsbescheide nicht erhalten habe. Der Klägerin sei bekannt, dass die Beklagte die Unternehmen für die Tarifzeit nach dem Gefahrtarif zu den Gefahrklassen veranlage und dass sie darüber einen Bescheid erteile. Dies sei in der seit 1. Januar 1998 gültigen Satzung der Beklagten geregelt. Die Satzung und die Gefahrtarife ab 1. Januar 1993 und ab 1. Januar 1999 seien der Klägerin am 08.06.2000 verschickt worden. Den Erhalt dieser Unterlagen habe die Klägerin mit ihrem Schreiben vom 02.03.2000 bestätigt. Die Zugangsfiktion des § 37 SGB X verlange nicht, dass die Behörde ihre Verwaltungsakte selbst zur Post aufgebe. Ein durch Handzeichen bestätigter Vermerk über den Tag der Aufgabe zur Post sei nicht erforderlich, da die Beklagte nachgewiesen habe, dass der Veranlagungsbescheid zur Post aufgegeben worden sei. Bemerkenswert sei ferner, dass die Klägerin alle anderen Bescheide erhalten habe. Ihre Behauptung, den Veranlagungsbescheid vom 21.12.1998 nicht erhalten zu haben, sei nicht glaubhaft. Die Beklagte hat u. a. den Gefahrtarif ab 1. Januar 1999, ihre ab 1. Januar 1998 gültige Satzung, ein Musterexemplar für einen Veranlagungsbescheid vorgelegt, sowie den Aktenvermerk über die Besprechung vom 23.09.2003, aus dem sich ergebe, dass der Klägerin die Veranlagung ihres Unternehmens bekannt gewesen sei. Auch die Höhe des vom SG festgesetzten Streitwerts sei zu beanstanden. |
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| das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 31. Januar 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen, |
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| hilfsweise die Revision zuzulassen. |
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| die Berufung der Beklagten zurückzuweisen. |
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| Sie hat ausgeführt, es treffe nicht zu, dass der Beitragsbescheid vom 21.06.1999 der unmittelbare Auslöser der Beanstandung der Veranlagung gewesen sei. Vielmehr sei dies schon zuvor und seit Jahren ständiges Thema bei Gesprächen zwischen der Beklagten und ihr gewesen. Dies könne der bei der Beklagten tätige Mitarbeiter H. bestätigen. Bereits im Jahr 1997 habe man die Unternehmensberatung S. wegen der Probleme mit der Beklagten konsultiert. Die dort tätige Mitarbeiterin R. sei in dem Zeitraum, als der angebliche Veranlagungsbescheid vom 21.12.1998 zugegangen sein solle, bei ihr im Büro tätig gewesen. Sie könne bestätigen, dass ein solcher Veranlagungsbescheid in den Weihnachtsfeiertagen 1998 bis zum Jahresende 1998 weder eingegangen noch ihr vorgelegt worden sei. Richtig sei zwar, dass sie die fehlenden Veranlagungsbescheide vor der mündlichen Verhandlung vom 25.02.2005 nicht gerügt habe. Deren Vorhandensein habe sie bis dahin aber nicht geprüft, weil hierzu keine Veranlassung bestanden habe, nachdem solche Bescheide überhaupt nicht vorgelegen hätten. Aus ihrem Schriftsatz vom 24.01.2000 gehe auch nicht hervor, dass ihr die Veranlagung bekannt gewesen sei. Dieses Schreiben habe die damals bei ihr tätige Mitarbeiterin Richter angefertigt, nachdem sie im Gesetz nachgelesen habe. Deshalb sei § 160 Abs. 2 SGB VII zitiert worden. Frau R. habe sich dabei keine Gedanken darüber gemacht, ob und wann der letzte Veranlagungsbescheid gekommen sei. Als juristischer Laie habe sie nicht gewusst, wann und in welcher Form ein Veranlagungsbescheid bekanntgegeben werde. Ihr schriftsätzlicher Vortrag, die Veranlagung sei falsch angesetzt, habe sich daraus ergeben, dass die Beklagte ihrerseits in ihren Schriftsätzen von einer Veranlagung gesprochen habe. |
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| Auf Anforderung des Senats hat die Beklagte noch den Beitragsbescheid vom 20.04.2005 für das Jahr 2004 und die Säumniszuschlagsbescheide vom 16.01.2003, 13.02.2003, 21.01.2004 und vom 17.01.2005 vorgelegt. |
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| Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten und der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen. |
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