Landgericht Münster Urteil, 13. Mai 2015 - 114 O 42/14
Gericht
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
T a t b e s t a n d
2Der Kläger macht gegen den Beklagten Schadensersatz wegen behaupteter fehlerhafter Beratung hinsichtlich der Zeichnung von zwei Orderschuldverschreibungen der Firma G geltend.
3Der Kläger hat nach Erreichen des Hauptschulabschlusses eine Ausbildung zum Former in einer Glockengießerei absolviert und arbeitet derzeit in einer geschützten Einrichtung. Der Beklagte betreibt in H eine Firma für Finanzdienstleistungen; außerdem war er als sogenannter vertraglich gebundener Vermittler der J Finanzdienstleistungsinstitut (nachfolgend J) tätig.
4Nach Beratung durch den Beklagten erwarb der Kläger insgesamt fünf Orderschuldverschreibungen der Firma G aA. Über das Vermögen der G ist am 01.04.2014 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Streitgegenständlich sind vorliegend nur die beiden zuletzt erworbenen Orderschuldverschreibungen, die der Kläger am 31.01.2013 sowie am 16.05.2013 jeweils in Höhe von 15.000,-- € gezeichnet hat.
5Der Kläger ist der Auffassung, zwischen ihm und dem Beklagten sei ein Anlageberatungsvertrag zustande gekommen. Die durch den Beklagten erfolgte Anlageberatung sei weder anleger- noch anlagegerecht erfolgt. Er, der Kläger, habe eine Alterssicherung gewünscht. Der Beklagte habe ihn dahin beraten, die Orderschuldverschreibungen zu unterzeichnen und habe diese als absolut sicher hingestellt. Über Risiken habe der Beklagte ihn nicht aufgeklärt. Hätte er, der Kläger, gewusst, dass die Orderschuldverschreibungen mit Risiken verbunden gewesen seien, hätte er diese nicht gezeichnet.
6Der Kläger behauptet, der Beklagte habe ihm nicht zu erkennen gegeben, dass er bei der Beratung zum Erwerb der streitgegenständlichen Orderschuldverschreibungen als gebundener Vermittler der Firma J tätig geworden ist. Insoweit bestreitet er, eine entsprechende Visitenkarte von dem Beklagten erhalten zu haben.
7Der Kläger behauptet zudem, er sei schwerbehindert und leicht intellektuell beeinträchtigt. Unstreitig ist der Kläger hörgeschädigt.
8Der Kläger beantragt,
9den Beklagten zu verurteilen,
101.
11an ihn 30.000,-- € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.04.2014 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übertragung der Orderschuldverschreibungen an der G, OSV XXX und OSV XXX,
122.festzustellen, dass sich der Beklagte mit der Annahme der Übertragung der in Ziffer 1. Näher bezeichneten Orderschuldverschreibungen in Verzug befindet,
133.an ihn vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.358,86 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.04.2014 zu zahlen.
14Der Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Der Beklagte bestreitet, im eigenen Namen bei der Beratung aufgetreten zu sein. Insoweit behauptet er, bei der Erstberatung am 29.01.2011 dem Kläger erklärt zu haben, dass er für diese Art von Anlage Vertreter der J sei, weshalb auch, unstreitig, alle Dokumente auf die Firma J laufen würden und die Firma J auch immer als Berater in den Dokumenten stünde. Dies habe der Kläger auch verstanden. Zudem behauptet der Beklagte, dem Kläger anlässlich der Erstberatung eine entsprechende Visitenkarte überreicht zu haben (Anlage B 1). Zudem bestreitet der Beklagte, den Kläger nicht anleger- und anlagegerecht beraten zu haben. Insoweit habe er ihn über die Risiken der gezeichneten Orderschuldverschreibungen aufgeklärt.
17Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrages wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
18Das Gericht hat den Inhaber der Beklagten sowie den Kläger persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf die Sitzungsniederschrift vom 25. Februar 2015, Blatt 101 ff. der Akten, Bezug genommen.
19E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
20Die Klage ist unbegründet.
21Dem Kläger steht gegen den Beklagten kein Anspruch auf Schadensersatz aus § 280 Abs. 1 BGB zu. Denn zwischen den Parteien ist kein Beratungsvertrag zustande gekommen. Vielmehr ist nach den überreichten Unterlagen sowie nach den Grundsätzen zu unternehmensbezogenen Geschäften ein Beratungsvertrag zwischen dem Kläger einerseits und der J andererseits zustande gekommen.
22Nach der Rechtsprechung geht bei unternehmensbezogenen Geschäften der Wille der Beteiligten im Zweifel dahin, dass Vertragspartei der Inhaber des Unternehmens und nicht der für das Unternehmen Handelnde werden soll. Dabei muss der Wille, im Namen des Unternehmens zu handeln, hinreichend zum Ausdruck kommen und für den anderen Teil erkennbar sein.
23Vorliegend ist der Wille des Beklagten, für die J zu handeln, hinreichend zum Ausdruck gekommen und für den Kläger erkennbar gewesen. Dies ergibt sich aus den von den Parteien überreichten Anträgen auf Zeichnung von Orderschuldverschreibungen sowie den Protokollen zur Anlageberatung und weiteren Erhebungsbögen zum Anlageverhalten. Der von dem Kläger eingereichte Antrag auf Zeichnung von Orderschuldverschreibungen vom 16.05.2013 (Bl. 8 d. A.) enthält im oberen Bereich als „Ihr/e Berater/in“ das Logo und die Bezeichnung der J. Zudem befindet sich rechts daneben unter der Überschrift „vermittelt durch“ wiederum das Logo und der Name des Unternehmens J als Finanzdienstleistungsinstitut. Auch die von dem Beklagten überreichten Fotokopien der Protokolle zur Anlageberatung vom 29.01.2011, 15.05.2011, 14.05.2012, 31.01.2013, 16.05.2013 weisen als Berater die J auf. Gleiches gilt für die Erhebungsbögen zum Anlageverhalten vom 29.11.2011, 05.05.2011 sowie 16.05.2013. Auch diese Unterlagen weisen im oberen Bereich jeweils deutlich abgesetzt die J als Berater aus.
24Damit ist vorliegend der Wille des Beklagten, für die J zu handeln, hinreichend zum Ausdruck gekommen und für den Kläger auch erkennbar gewesen. Selbst wenn der Kläger, wie er vorträgt, leicht intellektuell beeinträchtigt sein sollte, konnte er aufgrund der Vielzahl der von ihm unterzeichneten Unterlagen, die allesamt als Berater deutlich die J aufwiesen, nicht davon ausgehen, dass der Beklagte im eigenen Namen handeln wollte. Der Kläger hat im Übrigen anlässlich seiner persönlichen Anhörung in der mündlichen Verhandlung nicht den Eindruck hinterlassen, dass er nicht in der Lage gewesen sein könnte, einfache wirtschaftliche Zusammenhänge verstehen zu können. Er hat sämtliche Fragen verstanden und beantworten können. Dass der Kläger vorliegend schon aufgrund der schriftlichen Unterlagen nicht davon ausgehen konnte, dass der Beklagte persönlich sein Vertragspartner war, gilt auch vor dem Hintergrund, dass er zuvor andere Beteiligungen durch Vermittlung des Beklagten gezeichnet hat, bei der dieser seine Firma, die N als Vermittler angegeben hat. Die insoweit von dem Kläger vorgelegte Beitrittserklärung (Anlage K 4, Bl. 54 d. A.) unterscheidet sich insoweit maßgeblich von den oben genannten Unterlagen betreffend die Vermittlung für die J. Denn ausweislich Blatt 54 der Akten ist hier als Vermittler ausdrücklich die Firma des Beklagten, die Mafel FDL, angegeben, während sämtliche Unterlagen im Zusammenhang mit den Orderschuldverschreibungen, insbesondere die Anlage K 2 (Bl. 8 d. A.) sowie die Anlagen B 2 bis B 9 eindeutig die J als Berater und Vermittlerin bezeichnet.
25Daran ändert auch nichts ein Schreiben des Beklagten unter der Firmenbezeichnung N im Dezember 2013 (Bl. 55 und 56 d. A.). In diesem Schreiben weist der Beklagte ausdrücklich darauf hin, dass anwaltlich gegen die J vorgegangen werden sollte. Dass der Beklagte als Untervermittler geschädigten Anlegern insoweit behilflich sein wollte, besagt nicht, dass dieser selbst Vertragspartner sein wollte und als solcher aufgetreten ist.
26Die Angaben der Parteien dazu, ob der Beklagte über den Inhalt der überreichten Unterlagen hinaus ausreichend deutlich gemacht hat, bei der Vermittlung der streitgegenständlichen Orderschuldverschreibungen für die J aufgetreten zu sein, sind unterschiedlich. Der Kläger hat insoweit angegeben, der Beklagte habe sich nicht dazu geäußert, warum auf den entsprechenden Unterlagen die J als beratende Firma auftauche. Hierüber sei kaum etwas gesagt worden. Demgegenüber hat der Beklagte dazu bekundet, dass er zunächst eine Visitenkarte überreicht habe, die ihn als Wertpapierberater der Firma J ausweise (Anlage B 1). Zudem habe er dem Kläger erklärt, dass er diese Produkte nur über die J vertreiben dürfe. Der Kläger habe sogar noch danach gefragt, warum auf den Unterlagen die J auftauche. Dies habe er ihm erklärt und der Kläger habe dies auch verstanden. Der Kläger hat anlässlich seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung auch nicht den Eindruck vermittelt, als sei er intellektuell dergestalt eingeschränkt, dass er eine solche Erklärung nicht habe verstehen können.
27Der Kläger hat gegen den Beklagten auch keinen Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 3 BGB. Ein solcher Anspruch setzt voraus, dass der nach dieser Vorschrift in Anspruch genommene Vertreter oder Verhandlungsgehilfe wirtschaftlich betrachtet gleichsam in eigener Sache tätig wird (BGH, Urt. v. 13.06.2002, VII ZR 30/01, Juris Rdnr. 11). Ein nur mittelbares wirtschaftliches Interesse, wie z. B. das Provisionsinteresse des Handelnden, erfüllt diese Voraussetzungen nicht (BGH, Urt. v. 27.10.2005, III ZR 71/05, Juris Rdnr. 25). Vorliegend ist der Beklagte jedoch in wirtschaftlicher Hinsicht nicht gleichsam in eigener Sache tätig geworden. Insofern ist ein reines Provisionsinteresse oder auch das Interesse an Folgegeschäften nicht ausreichend.
28Auch kommt vorliegend kein Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 3 BGB durch Inanspruchnahme besonderen Vertrauens in Betracht. Ein solcher Anspruch setzt voraus, dass der Vertreter dem Kunden eine zusätzliche, gerade von ihm persönlich ausgehende Gewähr für die Seriosität und die Erfüllung des Geschäftes oder für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Erklärungen, die für den Willensentschluss des anderen Teils bedeutsam gewesen sind, geboten hat oder wenn der Vertreter dem anderen Teil in zurechenbarer Weise den Eindruck vermittelt hat, er werde persönlich mit seiner Sachkunde die ordnungsgemäße Abwicklung des Geschäftes selbst dann gewährleisten, wenn der andere Teil dem Geschäftsherrn nicht oder nur wenig vertraut oder sein Verhandlungsvertrauen sich als nicht gerechtfertigt erweist (BGH, Urt. v. 13.06.2002, VII ZR 30/01, Juris Rdnr. 9).
29Vorliegend enthält die Klageschrift keine spezifischen Angaben dazu, warum der Beklagte das besondere Vertrauen des Klägers in Anspruch genommen haben könnte. Allein der Umstand, dass der Kläger möglicherweise leicht intellektuell beeinträchtigt sein könnte, reicht für die Annahme der Inanspruchnahme eines besonderen Vertrauens nicht aus. Auch eine entsprechende Nachfrage anlässlich der Anhörung des Klägers im Verhandlungstermin am 25. Februar 2015 hat nicht ergeben, dass der Beklagte besonderes Vertrauen in Anspruch genommen hätte. Ein solches besonderes persönliches Vertrauen nimmt nur derjenige in Anspruch, der über das normale Verhandlungsvertrauen hinaus persönlich die Gewähr für die Seriosität und die Durchführung des angestrebten Vertrages übernommen hat (Palandt Grüneberg, § 311, Rdnr. 63). Vorliegend ist nicht ersichtlich, dass der Beklagte ein über den im Rahmen einer Geldanlage üblichen Vertrauens ein besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch genommen hätte. Auch wenn die Parteien zuvor weitere Anlagegeschäfte getätigt haben, spricht dies nicht dafür, dass ein besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch genommen wurde. Insoweit hat der Kläger auch unwidersprochen die Angaben des Beklagten gelassen, nachdem dieser sich nicht nur von dem Beklagten in Anlagesachen hat beraten lassen, sondern auch von Vertretern der vormals B, jetzt T. Soweit der Kläger ausgeführt hat, mit dem Beklagten befreundet zu sein, hat er auf Nachfrage lediglich bekunden können, dass sie sich schon mal zu runden Geburtstagen eingeladen hätten. Das letzte Mal sei aber 1993, mithin vor über 20 Jahren, aus Anlass seines 30. Geburtstages gewesen. Das Gericht vermag daher auch aus diesem Umstand nicht die Inanspruchnahme besonderen Vertrauens herzuleiten.
30Die Klage war daher abzuweisen.
31Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.
32Unterschrift
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(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.