Der Kläger begehrt Schadensersatz aufgrund des Sturzes auf einer nicht gestreuten Straße im Bereich der beklagten Verwaltungsgemeinschaft.
Am 30. Dezember 2014 gegen 9:45 Uhr fuhr der Kläger von München nach Sch. - einer zur Beklagten gehörenden Gemeinde -, um in der dortigen B2.straße einen Friseurtermin um 11:00 Uhr wahrzunehmen. Jedenfalls in der Nacht zuvor hatte es stark geschneit. Am Fuß der ansteigenden B2.straße bemerkte der Kläger, dass er die Straße trotz aufgezogener Winterreifen aufgrund bestehender Glätte nicht hinauffahren konnte, stellte daher sein Auto ab und ging die Straße zu Fuß hinauf. Die B2.straße verfügt über keine Gehsteige, an den Fahrbahnrändern waren Schneeberge aufgeschoben, der Kläger ging daher in der Mitte der Straße. Die B2.straße war an dem Morgen nicht mit Rollsplit - dem üblichen Streumittel der Beklagten - bestreut worden.
Nach dem Friseurtermin ging der Kläger gegen 11:45 Uhr die B2.straße wieder hinab und stürzte hierbei. Zu diesem Zeitpunkt war die B2.straße von lockerem Schnee bedeckt.
Der Kläger behauptet, er habe feste Winterstiefel getragen, sei aber dennoch auf einer unter dem lockeren Schnee gelegenen Eisfläche ausgerutscht und mit dem Kopf auf der Fahrbahn aufgeschlagen. Auf der Straße habe bereits bei der Anfahrt eine „Schnee- und Eisdecke“ vorgelegen. Bei der Anfahrt gegen 10:40 Uhr, beim Hinaufgehen kurz darauf und beim Hinuntergehen habe die Sonne geschienen. Die Beklagte habe vor dem Sturz keinerlei Räummaßnahmen auf der B2.straße durchgeführt gehabt. Aufgrund der Ansässigkeit von Gewerbetreibenden in der B2.straße sei dort mit einem „erhöhten Verkehrsaufkommen“ zu rechnen.
Er habe bei dem Sturz nebst einer - mit einer Punktion behandelten - Kniekontusion samt Hämatom links und einer HWS-Distorsion eine Gehirnblutung erlitten, die zwar erst nach rezidivierenden Kopfschmerzen am 13. Februar 2015 festgestellt worden sei, aber auf dem Sturz beruhe. Diese Hirnblutung habe zu einem psychovegetativen Erschöpfungssyndrom geführt, insoweit handele es sich um einen Dauerschaden, der zu einem anerkannten Grad der Behinderung von 20 Prozent geführt habe. Zusammen mit einer bleibenden Bewegungseinschränkung im linken Knie sei ihm ein Grad der Behinderung von 30 Prozent attestiert worden.
Für die Behandlung der gesundheitlichen Schäden habe er bei seiner privaten Krankenversicherung einen Selbstbehalt von 2.600 € zahlen müssen. Weiter habe er sich wegen der nunmehr einmal pro Woche von ihm durchzuführenden Blutkontrolle ein Testgerät für 779 € anschaffen müssen (wovon die Krankenkasse die Hälfte übernommen habe) und für 15 Monate Teststreifen zum Preis von 20 € pro Monat.
Der Kläger ist der Auffassung, dass die Beklagte die Räum- und Streupflicht in der B2.straße innegehabt habe, da sich die Übertragung dieser Pflichten an die Anwohner in der Verordnung der Gemeinde Sch. vom 7. Januar 2003 nur auf die „Gehbahnen“ beziehe. Diese Pflicht habe die Beklagte vorliegend verletzt. Insbesondere seien die Fahrbahnen auch im Interesse des Fußgängerverkehrs zu räumen und zu streuen, wenn keine Gehbahnen vorhanden seien.
Der Kläger beantragt,
1) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe ausdrücklich in das Ermessen des erkennenden Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 10.000,00 € zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.07.2015 sowie weitere vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.029,35 € zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen,
2) die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 3.289,50 € zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen,
3) festzustellen, dass die Beklagte dem Kläger sämtlichen weiteren materiellen und immateriellen Schaden zu erstatten hat, der in kausalem Zusammenhang zu dem Sturz vom 30.12.2014 steht, sofern er nicht auf Sozialversicherungsträger oder Dritte übergegangen ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, es könne nicht sein, dass der Kläger auf einer Eisfläche ausgerutscht sei, wenn er außergerichtlich davon gesprochen habe, auf der Straße hätten 30 Zentimeter Schnee gelegen. Die B2.straße sei eine „untergeordnete Nebenstraße“. Eine Streuung von Rollsplit sei sinnlos gewesen, weil auch tagsüber am 30. Dezember 2014 ganztägig Dauerschneefall geherrscht habe.
Die Beklagte vertritt die Meinung, die Räum- und Streupflicht sei in der genannten Verordnung auf die Anlieger übertragen worden; sei eine Gehbahn nicht vorhanden, erstrecke sich die übertragene Pflicht auf eine Breite von einem Meter auf der Fahrbahn. Im Übrigen bestehe aber auch keine Räum- und Streupflicht auf der Fahrbahn zur Sicherung des Fußgängerverkehrs und auch sonst nur an gefährlichen Fahrbahnstellen. Auch bestehe aufgrund der fehlenden Wirkung keine Streupflicht bei Dauerschneefall.
Jedenfalls treffe den Kläger aber eine hälftige Mitschuld, weil er ausweislich seines Sturzes nicht die erforderliche Achtsamkeit angewandt habe, zumal er kurz zuvor beim Hinaufgehen die Verhältnisse in der Straße bereits bemerkt hatte.
Im Übrigen wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Das Gericht hat in den mündlichen Verhandlungen vom 5. September 2017 wie auch nach dem Richterwechsel in der zweiten mündlichen Verhandlung vom 8. Mai 2018 den Kläger persönlich angehört und die von der Beklagten für Räumarbeiten herangezogenen Zeugen K2. und Pr. vernommen. Nach der ersten mündlichen Verhandlung hat das Gericht ein Sachverständigengutachten zu den Wetterverhältnissen am 30. Dezember 2014, nach der zweiten mündlichen Verhandlung ein Sachverständigengutachten betreffend die Wirkung von Rollsplit am Unfalltag eingeholt.
Die zulässige Klage ist unbegründet, weil die Beklagte unter den zugrundezulegenden Wetterverhältnissen keine Streupflicht verletzt hat, hilfsweise weil den Kläger ein so überwiegendes Verschulden trifft, dass eine Haftung der Beklagten ausgeschlossen ist.
I.
Die Beklagte hat vorliegend zwar die Räum- und Streupflicht nicht auf die Anlieger übertragen, sie ist ihren Pflichten aber ausreichend nachgekommen, so dass der Kläger keinen Schadensersatzanspruch hat, insbesondere nicht aus § 823 Abs. 1 BGB. Es fehlt an einer rechtswidrigen Handlung bzw. Unterlassung der Beklagten.
1. Allerdings hatte die Beklagte zumindest zum Unfallzeitpunkt die Räum- und Streupflicht nicht auf die Anlieger der Grundstücke an der B2.straße übertragen.
Die als Anlage K2 vorgelegte Verordnung der Gemeinde Sch. vom 7. Januar 2003 ist in fünf verschiedene Abschnitte unterteilt: Allgemeine Vorschriften, Reinhaltung der öffentlichen Straßen, Reinigung der öffentlichen Straßen, Sicherung der Gehbahnen im Winter und Schlussbestimmungen. In der Verordnung wird - wie die §§ 6, 9 und 11 zeigen - zwischen dem Begriff der Fahrbahn und dem Begriff der Gehbahn unterschieden. Der Abschnitt „Sicherung der Gehbahnen im Winter“ bezieht sich daher nicht nur nach dem Wortlaut der Überschrift, sondern auch ausweislich der Systematik nur auf die Gehbahnen. In den §§ 9 und 11 ist dann genauer festgehalten, auf welchen Bereich sich die „Sicherungspflicht“ der Anlieger bezieht, nämlich laut § 9 auf die in § 11 definierte „Sicherungsfläche“. § 11 lautet: „Sicherungsfläche ist die vor dem Vorderliegergrundstück innerhalb der Reinigungsfläche liegende Gehbahn“. Der Begriff „Reinigungsfläche“ wird in § 6 definiert als der Teil der öffentlichen Straßen, der sich auf Höhe eines Grundstücks von der Grenze zwischen Grundstück und Straße ausgehend in einem Abstand von einem Meter parallel zum Fahrbahnrand befindet.
Wenn nun § 11 die Sicherungsfläche als die „innerhalb der Reinigungsfläche liegende Gehbahn“ definiert, bedeutet dies, dass eine innerhalb dieser Ein-Meter-Fläche liegende Gehbahn von den Anliegern zu räumen und zu streuen ist. Es heißt nicht - wie die Beklagte meint -, dass die Anlieger in Ermangelung einer Gehbahn einen Fahrbahnstreifen von einem Meter Breite zu räumen und zu streuen hätten. Für diese Auslegung gibt die Verordnung angesichts der klaren Unterscheidung zwischen Fahr- und Gehbahn und der Ermangelung jeglicher Regelung für den Fall des fehlenden Vorhandenseins einer Gehbahn nichts her.
2. Unter den zugrundeliegenden Wetterverhältnissen herrschte aber keine Streupflicht für die Beklagte. Es kann daher offen bleiben, ob die B2.straße von ihrer Verkehrsbedeutung her unter normalen Wetterumständen hätte gestreut werden müssen und ob dies in Ermangelung einer Gehbahn auch für den Fußgängerverkehr hätte geschehen müssen.
In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass der Streupflichtige keine Streuung durchführen muss, wenn dies aufgrund der Wetterbedingungen sinnlos ist, das gilt insbesondere auch bei Dauerschneefall (siehe BGH, Urteil vom 30.04.1974, III ZR 166/72, juris Rn 17; OLG Celle, Urteil vom 27.02.2004, 9 U 220/03, juris Rn 6, auch mit weiteren Nachweisen).
Im vorliegenden Fall herrschte ein solcher Dauerschneefall am 30. Dezember 2014, dass eine Streuung mit Rollsplit nach Auffassung des Gerichts sinnlos im Sinne dieser Rechtsprechung gewesen wäre.
a) Laut dem Gutachten des Deutschen Wetterdienstes vom 21. Dezember 2017, das sich für die Niederschlagsmengen auf die Wetterstation „Sch.“ bezieht, die ausweislich des Gutachtens sehr nahe am Unfallort liegt, schneite es am 30. Dezember 2014 ab 6:40 Uhr durchgängig bis 24 Uhr. So kamen zu der bestehenden Schneehöhe von 24 Zentimetern um 06:50 Uhr am Unfalltag (mit einer Neuschneehöhe von 16 Zentimetern) bis zum Morgen des 31. Dezember weitere 30 Zentimeter Neuschnee hinzu. Zwischen 6:40 Uhr und 12 Uhr fielen laut dem Gutachten „sehr wahrscheinlich“ vier bis fünf Zentimeter Neuschnee. Diese Daten befinden sich im Einklang mit den Angaben der Zeugen K2. und Pr., die bei der Gemeinde für die Räumung und Streuung der Gemeindestraßen verantwortlich zeichneten; sowohl der primär für diese Aufgaben zuständige Zeuge K2. als auch der von ihm angesichts des andauernden Schneefalls über Tage hinzugezogene Zeuge P. haben in den Verhandlungen vom 5. September 2017 und 8. Mai 2018 jeweils bekundet, dass es anhaltend geschneit habe, eine Streuung ihrer Meinung nach deshalb keinen Sinn ergeben hätte.
Wenn der Kläger angibt, dass es ab etwa 10:40 Uhr aufgeklart und aufgehört habe zu schneien - und dieser Zustand bis mindestens zum Sturz angedauert habe -, scheint diese Angabe angesichts der räumlichen Nähe der Wetterstation zur B2.straße im Widerspruch zu den Feststellungen des Gutachtens zu stehen. Selbst wenn man aber die Angaben des Klägers zugrunde legte - unter der Annahme, dass die Situation in der B2.straße nicht exakt dieselbe war wie an der Wetterstation Sch. -, ändert dies nach Auffassung des Gerichts nichts an der Einschlägigkeit der oben zitierten Rechtsprechung. Denn die Streupflicht besteht nur im Rahmen des Zumutbaren (siehe BGH, Urteil vom 30.04.1074, aaO; OLG Celle, Urteil vom 27.02.2004, aaO). Es kann der Beklagten aber nicht zugemutet werden, die Wettersituation in jeder Straße des Bereichs der Verwaltungsgemeinschaft stündlich zu beobachten, um dann, wenn der Schneefall in einer bestimmten Straße zu einer bestimmten Uhrzeit aussetzt, umgehend dort zu streuen. Dies gilt umso mehr, wenn - wie hier - unbestritten jedenfalls im weiteren Verlauf des Tages auch an der B2.straße wieder Schneefall einsetzte entsprechend den Feststellungen des Gutachtens des Deutschen Wetterdienstes. Denn dann hätte die Streuung allenfalls für ein kurzes Zeitintervall Wirkung erzeugen können. Vielmehr darf sich die Beklagte, wenn schon eine Wetterstation im Bereich der Gemeinde Sch. steht, auf die dort getroffenen Feststellungen verlassen.
b) Bei Zugrundelegung der Daten des Gutachtens des Deutschen Wetterdienstes kommt der dem Gericht als zuverlässiger Sachverständiger bekannte Dipl.-Ing. L. zu dem für das Gericht plausiblen Ergebnis, dass morgens gestreuter Rollsplit durch die Neuschneedecke vollständig verdeckt worden wäre und infolgedessen keinerlei Verzahnung zwischen der scharfkantigen Oberfläche eines Kieselsteins und der Schuhsohle des Klägers hätte stattfinden können. Eine Streuung wäre folglich sinnlos gewesen.
(1) In dem Zusammenhang ist zunächst anzuführen, dass die Beklagte die Streuung gemäß Art. 51 Abs. 1 S. 2, S. 3 des Bayerischen Straßen- und Wegegesetzes (BayStrWG) auf eine Streuung mit Rollsplit beschränken durfte, da die B2.straße jedenfalls keine Straße ist, die man angesichts der in der zitierten Vorschrift geforderten Beschränkung des Einsatzes von Streusalz „auf das aus Gründen der Verkehrssicherheit notwendige Maß“ mit Salz hätte bestreuen müssen.
(2) Weiter ist festzuhalten, dass das Gericht davon überzeugt ist, dass der Zeuge Pr. in den Morgenstunden des 30. Dezember 2014 die B2.straße geräumt hat. Die Beklagte hat für den 30. Dezember 2014 als Anlage B1 einen „Räum-Streubericht“ vorgelegt. In diesem ist mit einer Unterschrift festgehalten, dass der Zeuge Pr. am Morgen des 30. Dezember 2014 zwischen 3:15 Uhr und 8 Uhr den „Räum-Streubezirk“ Sch. mit dem Fahrzeug mit dem Kennzeichen TÖL-D 665 geräumt habe. Der für den Räumdienst zuständige Zeuge K2. hat in der Verhandlung vom 5. September 2017 nachvollziehbar ausgeführt, dass er immer darauf geachtet habe, dass die B2.straße geräumt werde, weil sie „das einzig steile Stück vom Gemeindegebiet“ sei und damals noch die Allgemeinärztin dort ihre Praxis gehabt habe; der Friseur würde sich auch melden, wenn „es recht arg ist“, dann komme er, wobei er nicht mehr wisse, ob der Friseur am Morgen des 30. Dezember 2014 angerufen habe. Er hätte auch Anrufe vom Bürgermeister und von Anwohnern erhalten, wenn dort am Morgen des 30. Dezember 2014 nicht geräumt worden wäre, so der Zeuge in der Verhandlung vom 8. Mai 2018. Dass der Zeuge ursprünglich sich selbst auch als den die Räumung Durchführenden genannt und dann aber auf Vorlage der Anlage B1 angegeben hat, normalerweise fahre er in der Früh, er könne aber nicht ausschließen, dass der Zeuge Pr. an dem Morgen (auch) in der Früh gefahren sei, erscheint nach dem Ablauf von beinahe drei Jahren zwischen Unfall und Vernehmung ohne Weiteres nachvollziehbar. Im Übrigen hat der Zeuge Pr. bestätigt, dass die Unterschrift unter den Räum-Streubericht betreffend u.a. den Morgen des 30. Dezember 2014 die seinige sei. Er habe an dem Morgen den Räumdienst übernommen gehabt, weil der Zeuge K2. angesichts des andauernden Schneefalls nicht mehr nachgekommen sei. Letztlich sprechen auch die Angaben des Klägers für eine Räumung, wenn er angibt, an der Seite hätten sich Schneehaufen befunden und auf der Fahrbahn lockerer Schnee. Die von der Beklagten zitierte Angabe im außergerichtlichen Schreiben des Klägers vom 23. Juni 2015 (Anlage K7) von einer Schneehöhe von mindestens 30 Zentimetern bezieht sich schon nach dem Kontext des Schreibens, erst recht aber nach der nachvollziehbaren Erläuterung durch den Kläger, auf die Höhe der Schneehaufen am Straßenrand, nicht auf die Fahrbahn.
(3) Die Räumpflicht der Beklagten - und entsprechend die Einschätzung ihrer Mitarbeiter, ob auch gestreut werden muss - realisierte sich in den Morgenstunden, nicht etwa in einem näher am Sturzgeschehen liegenden Zeitpunkt am Vormittag. Der Zeitpunkt für die Ausführung der Räumpflicht richtet sich danach, wann der übliche Verkehr an der betreffenden Stelle einsetzt; im Falle dauernden Schneefalls mag es je nach den Umständen eine Pflicht zur Wiederholung im Laufe des Tages geben (siehe LG Bochum, Urteil vom 15.06.2004, 2 O 102/04, juris; Palandt, BGB, 77. Aufl., § 823 Rn 227). Vorliegend war angesichts dessen, dass es sich bei dem 30. Dezember 2014 um einen Dienstag handelte, eine Räumung vor der Abfahrt von Anliegern zur Arbeit angezeigt. Dem entspricht eine Räumung des Gemeindegebiets zwischen 3:15 Uhr und 8 Uhr. Der Zeuge Pr. konnte - aus Sicht des Gerichts angesichts des Zeitablaufs nachvollziehbar - nicht mehr angeben, um wieviel Uhr er die B2.straße geräumt hatte. Der Beklagten kann aber jedenfalls im hiesigen Kontext eine Räumung der B2.straße nach 7 Uhr nicht entgegenhalten werden (siehe OLG Koblenz, Beschluss vom 20.02.2008, 5 U 101/08, juris; OLG Düsseldorf, Urteil vom 20.06.2000, 24 U 143/99, juris). Bei einer Neuschneemenge von vier bis fünf Zentimetern zwischen einer Räumung um 7 Uhr und dem Zeitpunkt des Sturzes nimmt das Gericht auch keine Pflicht zur Wiederholung einer Räumung und anschließenden Streuung an.
(a) In dem Zusammenhang ist zunächst festzuhalten, dass der Kläger angibt, auf einer unter der Neuschneedecke liegenden Eisfläche ausgerutscht zu sein, nicht auf Schneeglätte. Eine Wiederholung von Räumung und Streuung, die vor Schneeglätte geschützt hätte, hätte ihm nach seinen Angaben folglich nichts gebracht (zum Einsatz von Rollsplit gegen Eisglätte siehe sogleich unter c)).
Darüber hinaus ist aber auch anzumerken, dass die Beklagte keineswegs verpflichtet war, genau vor dem Kläger zu streuen. Hätte sie also beispielsweise um 7 Uhr und um 10 Uhr geräumt und gestreut, wäre ausweislich des Gutachtens des Deutschen Wetterdienstes (siehe dort Abbildung 3 und dazugehörige Erläuterung) nach den dann durch die Räumung abgetragenen etwa drei Zentimetern Neuschnee zwischen 10 Uhr und 11:45 Uhr wiederum Neuschnee in einer Menge von rund zwei Zentimetern auf den Rollsplitt gefallen. Angesichts einer Körnung von Rollsplit zwischen zwei und zehn Millimetern (siehe www...de) hätte dies das Sturzrisiko nach Überzeugung des Gerichts allenfalls minimiert. Wenn man diese Minimierung ausreichen ließe für eine Pflicht der Beklagten zur wiederholten Räumung und Streuung, würde dies dazu führen, dass die Beklagte nach einer ersten Räumung und Streuung um 7 Uhr im Laufe des Tages allein zwischen 10 Uhr und 20 Uhr - denn das Unfallrisiko war nach 11:45 Uhr jedenfalls bis um 20 Uhr genauso hoch wie vor 11:45 Uhr - noch vier Mal hätte räumen und streuen müssen. Das wäre mit dem bereits angeführten Grundsatz der Zumutbarkeit nicht zu vereinbaren.
(b) Wenn man stattdessen auf eine Pflicht zur Wiederholung der Räumung aus dem Grund abstellt, dass der Kläger bei einer geräumten Fahrbahn die von ihm vorgetragene Eisfläche hätte erkennen können, führt auch dies nicht zu einer Pflichtverletzung der Beklagten. Denn die Eisfläche wäre im Laufe des Vormittags auch bei wiederholten Räumungen mehrfach überschneit worden. Erneut ist daher in diesem Zusammenhang auf die Zumutbarkeit hinzuweisen. Danach war die Beklagte nicht verpflichtet, im Laufe des gesamten Tages beispielsweise nach jedem Zentimeter Neuschnee zu räumen, um eine Erkennbarkeit eventueller Eisflächen einigermaßen sicherzustellen. Dann hätte die Beklagte nach dem Gutachten des Deutschen Wetterdienstes alleine zwischen 7 Uhr und 20 Uhr etwa jede Stunde das gesamte Gebiet zumindest der Gemeinde Sch., vermutlich aber auch der Gemeinde Kochel am See, räumen müssen. Das wäre angesichts der beschränkten Ressourcen jeder Kommune nicht zumutbar.
Es reichte daher aus, wenn die Beklagte das Gemeindegebiet am Abend zwischen 18 Uhr und 22:15 Uhr mit zwei Fahrzeugen ein weiteres Mal räumte (siehe Anlage B1; OLG Koblenz, aaO, OLG Düsseldorf, aaO).
c) Der Sachverständige L. hat zwar auch ausgeführt, dass er es für „durchaus plausibel“ halte, dass Rollsplit den Sturz hätte verhindern können, wenn der Kläger auf einer unter dem Neuschnee liegenden Eisfläche ausgerutscht sei, nicht auf Schnee. Denn der Rollsplit hätte nach Meinung des Sachverständigen auf der Eisfläche zu einer Verzahnung mit der Schuhsohle des Klägers führen können. Das Gericht ist aber nicht im erforderlichen Maß davon überzeugt, dass der Kläger auf einer Eisfläche ausgerutscht ist.
Das Gericht geht davon aus, dass aufgrund der morgendlichen Räumung eine ebene Schneedecke auf der B2.straße vorhanden war. Dass es sich - wie der Kläger vortragen ließ - um eine „Schnee- und Eisdecke“ handelte, steht für das Gericht nicht zur Überzeugung fest. In der mündlichen Verhandlung vom 5. September 2017 - entsprechend in der Verhandlung vom 8. Mai 2018 - sprach der Kläger davon, er habe die Straße nicht herauf fahren können, weil sie so glatt gewesen sei; beim Heruntergehen habe er gesehen, dass die Straße in den Fahrspuren der die Straße hinab fahrenden Autos „spiegelglatt“ gewesen sei. Im Übrigen hat der Kläger weder betreffend das Hinaufgehen noch das Hinabgehen von sichtbaren eisigen Stellen gesprochen. Es ist für das Gericht daher unklar, wie er auf den Begriff „Schnee- und Eisdecke“ in der Klageschrift kommt. Vielmehr spricht die Beschreibung des Klägers für das - weithin bekannte - Szenario, dass die Fahrspuren aufgrund der Befahrung durch die Anlieger in den Morgenstunden vereist waren, was leicht dadurch passiert, dass der Schnee in den Fahrspuren durch die Reibungsenergie auftaut und dann wieder gefriert. Weshalb es aber abseits der Fahrspuren eine „Eisdecke“ gegeben haben sollte und woraus der Kläger dies schließt, ergibt sich weder aus seinen Ausführungen noch von selbst.
Auch eine ebene geräumte Schneedecke kann aber ohne Weiteres glatt sein, der Sachverständige spricht hier von einer „etwas glatteren Schneedecke“. Wenn der Sachverständige weiter angibt, „im Regelfall“ verbinde sich der Neuschnee mit dieser Schneedecke, er halte es deshalb für unwahrscheinlich, dass es „sehr glatt“ gewesen sei, ausschließen könne er das aber letztlich nicht, kann sich das Gericht hieraus keine ausreichende Überzeugung bilden, dass der Kläger nicht auf Schneeglätte ausgerutscht sein kann. Hierzu sind nach Auffassung des Gerichts schon zu wenige Informationen zur Schneebeschaffenheit und - wie auch der Sachverständige im Blick auf eine Fotodokumentation bemerkt - zu den örtlichen Verhältnissen zum Unfallzeitpunkt bekannt. Das Gericht hält es aber für nicht möglich, in Ermangelung dieser Informationen die bekannte Konstellation einer Schneeglätte auszuschließen. Dabei erscheint nach Auffassung des Gerichts ein Ausrutschen auf Schneeglätte auf einer abfallenden Fahrbahn - wie hier vorliegend - als noch eher möglich als schon auf einer ebenen Fahrbahn.
d) Selbst wenn man aber von einer unter dem Neuschnee liegenden Eisfläche ausginge, auf welcher der Kläger ausgerutscht ist, ergäbe sich hieraus kein Pflichtenverstoß der Beklagten.
Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass eine Streupflicht nur bei Vorliegen allgemeiner Glätte gegeben ist, nicht bei der Existenz nur einzelner Glättestellen (siehe BGH, Urteil vom 23.07.2015, III ZR 86/15, juris Rn 25). Im vorliegenden Kontext müsste es daher im Gemeindegebiet allgemein glatt im Sinne einer Eisglätte gewesen sein. Dass dem so war, ist aber nicht vorgetragen, vielmehr liegen - wie ausgeführt - schon Zweifel vor, ob die B2.straße allgemein in diesem Sinne glatt war.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.