Landgericht München II Beschluss, 18. Sept. 2017 - 6 T 175/17

published on 18/09/2017 00:00
Landgericht München II Beschluss, 18. Sept. 2017 - 6 T 175/17
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Amtsgericht Miesbach, 1 XVII 504/15 (2), 10/11/2016
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Tenor

Die sofortige Beschwerde der Betreuten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Miesbach vom 10.11.2016, Az. 1 XVII 504/15 (2), wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Betroffene leidet an einem ausgeprägten kombinierten hirnorganischem Psychosyndrom.

Am 02.11.2009 hatte sie ihrem Sohn, Luigi V., eine umfassende Vorsorgevollmacht erteilt.

Am 09.11.2015 regte Herr Luigi V. die Einrichtung einer Betreuung an (Bl. 1), da die Betroffene nicht mehr in der Lage sei, selbst für sich zu sorgen. Nachdem gewisse Unregelmäßigkeiten bezüglich des Kontos der Betroffenen festgestellt wurden, regte die Betreuungsstelle die Anordnung einer Kontrollbetreuung an (Bl. 9); für den Fall des späteren Widerrufs der Vorsorgevollmacht teilte die Betreuungsstelle mit, dass Frau Rotter zur Übernahme einer ehrenamtlichen Betreuung bereit sei. Das Amtsgericht Miesbach ordnete mit Beschluss vom 02.10.2015 eine vorläufige Kontrollbetreuung, zunächst befristet bis 01.06.2016, an, und bestellte Rechtsanwältin K2. zur Kontrollbetreuerin (Bl. 83). Nach Beschwerde des Bevollmächtigten wurde diese Anordnung mit Beschluss der Kammer vom 16.06.2016 bestätigt (Bl. 159). Durch Beschluss vom 05.07.2016 (Bl. 180) ordnete das Amtsgericht Miesbach die endgültige Kontrollbetreuung an für die Aufgabenkreise Geltendmachung von Rechten der Betreuten gegenüber ihrem Bevollmächtigten sowie Widerruf der dem Luigi V. erteilten Vollmacht vom 02.11.2009 an. Die Überprüfungsfrist wurde bis 04.07.2017 gesetzt. Die Betroffene legte gegen diesen Beschluss über ihren Rechtsanwalt Beschwerde ein.

Durch Beschluss des Amtsgerichts Miesbach vom 06.10.2016 (Bl. 221) wurde die Kontrollbetreuung erweitert. Sie umfasste hiernach neben den bisherigen Aufgabenkreisen zudem den Aufgabenkreis Widerruf aller durch Maria V. erteilten Kontovollmachten bzgl. ihrer Konten bei der Hypovereinsbank. Auch gegen diesen Beschluss legte die Betroffene über ihren Rechtsanwalt Beschwerde ein. Am 17.10.2016 hörte die beauftragte Richterin der Kammer die Betroffene deswegen an (Bl. 238). Bei der Anhörung wurde u.a. vereinbart, dass der Rechtsanwalt der Betroffenen die vorliegenden Kontoauszüge und die Kontoauszüge für November und Dezember 2015 der Kontrollbetreuerin zur Verfügung stellt, sowie die Auszüge des Depotkontos.

Mit dem hier angegriffenen Beschluss des Amtsgerichts Miesbach vom 10.11.2016 (Bl. 253) wurde die Kontrollbetreuung eingeschränkt: Sie umfasst nunmehr nur noch den Aufgabenkreis Geltendmachung von Rechten der Betreuten gegenüber ihrem Bevollmächtigten.

Mit Schreiben vom 16.11.2016 (Bl. 262) nahm die Betroffene die Beschwerde gegen den Beschluss vom 06.10.2016 zurück wegen des Wegfalls des Rechtsschutzbedürfnisses durch die mehrfach erlassenen Beschlüsse und beantragte, dem Amtsgericht Miesbach die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Mit Beschluss vom 24.11.2016 (Bl. 264) legte die Kammer die Hälfte der notwendigen Auslagen der Betroffenen der Staatskasse auf, da zwar die Voraussetzungen für die Einrichtung einer Kontrollbetreuung vorlagen, der Rechtspfleger des Amtsgerichts jedoch den Aufgabenkreis des Widerrufs der Vollmacht nicht hätte anordnen dürfen.

Mit Schriftsatz vom 15.12.2016, mutmaßlich per Fax eingegangen beim Amtsgericht am selben Tag (per Post am 16.12.2016), legte die Betroffene über ihren Rechtsanwalt Beschwerde gegen den Beschluss vom 10.11.2016 ein (Bl. 272). Zur Begründung ist ausgeführt, dass die Einsetzung der Kontrollbetreuerin keinen ausreichenden Grund habe, dass die Kosten in keinem Verhältnis zu den angeblichen Unkorrektheiten stehen, dass die Einrichtung der Kontrollbetreuung nicht zum Schutz der Interessen der Betroffenen eingerichtet worden sei, sondern mit dem Ziel, ein regelmäßiges Einkommen für die Betreuerin zu schaffen, dass die eine Betreuerin eingesetzt worden sei, die nicht bereit oder in der Lage sei, die Interessen der Betroffenen zu beachten, und dass die Einrichtung der Kontrollbetreuung nicht den wirtschaftlichen Interessen der Betroffenen, sondern denen der eingesetzten Betreuerin diene. Die vorgeschlagene Betreuerin habe in Kooperation mit dem Landratsamt einen Diebstahl begangen und die gestohlenen Unterlagen bis jetzt nicht wieder zurückgegeben; auch habe die vorgeschlagene Betreuerin ihr Fahrzeug in der Garage der Betroffenen abgestellt. Die Kontrollbetreuerin habe die Vollmacht des Bevollmächtigten der Betroffenen bei der Hypovereinsbank widerrufen und das Konto der Betroffenen ohne vorherige Ankündigung gepfändet.

Das Amtsgericht Miesbach half der Beschwerde mit Beschluss vom 11.01.2017 nicht ab.

Die Betreuungsstelle und die Kontrollbetreuerin nahmen im Beschwerdeverfahren Stellung. Der Anwalt der Betroffenen erbat mit Schreiben vom 25.04.2017 die Übersendung diesbezüglicher Schriftsätze, die am 27.04.2017 erfolgte. Eine ankündigte Stellungnahme ging bis jetzt nicht ein.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere geht die Kammer - nach Vorlage des Telefax-Sendeprotokolls - auch davon aus, dass die Beschwerde fristgerecht eingelegt worden ist.

Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.

Die Voraussetzungen für die Anordnung einer Kontrollbetreuung in dem mit Beschluss vom 10.11.2016 angeordneten Umfang liegen auch zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung noch vor:

Eine (Kontroll) Betreuung ist dann einzurichten, wenn der konkrete, d.h. durch hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte untermauerte Verdacht besteht, dass mit der Vollmacht dem Betreuungsbedarf nicht Genüge getan wird, z.B. wenn gegen die Redlichkeit oder Tauglichkeit des Bevollmächtigten Bedenken bestehen. Ein Missbrauch der Vollmacht oder ein entsprechender Verdacht ist nicht erforderlich. Ausreichend sind vielmehr konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Bevollmächtigte nicht entsprechend der Vereinbarung und dem Interesse des Vollmachtgebers handelt (BGH vom 01.08.2012, XII ZB 438/11).

Dies ist vorliegend zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nach wie vor der Fall.

1. Nach den gutachterlichen Feststellungen des Dr. G2. in dessen Stellungnahme vom 19.5.2016 ist die Betroffene aufgrund eines hirnorganischen Psychosyndroms, möglicherweise darüber hinaus einer beginnenden dementiellen Entwicklung, nicht mehr in der Lage, die Ausübung der Vollmacht zu kontrollieren. An der vorbezeichneten Diagnose hat die Kammer weiterhin keinen Zweifel. Dr. G2. hat bei der Betroffenen ein etwas beschleunigtes, weitschweifiges und sprunghaftes formales Denken festgestellt. Im Antrieb wirke die Betroffene erheblich gesteigert und es fanden sich fragliche paranoide Wahnvorstellungen. Weiter wurden mittelgradige Störungen im Bereich der Merkfähigkeit festgestellt.

Die Fähigkeit zur Bildung eines freien Willens in Bezug auf eine Kontrollbetreuung wird ebenfalls nachvollziehbar als erheblich beeinträchtigt geschildert.

2. Die im Beschluss der Kammer vom 16.06.2016 aufgeführten Verdachtsmomente gegen die Redlichkeit des Bevollmächtigten bestehen fort:

a) Bereits den Beschluss vom 16.06.2016 stützte die Kammer auf folgende Verdachtsmomente gegen den Bevollmächtigten:

Die Betreuerin hat im Schreiben vom 22.2.2016 insgesamt neun Abbuchungen vom Konto der Betroffenen für Tankvorgänge im Zeitraum 01.09.2015 bis 5.10.2015 festgestellt. Auch wenn der Betroffene damit eigene Tankkosten für Besuchszwecke tilgt, kann ein solches Tankvolumen (im September 402,00 €) damit nicht gerechtfertigt werden, sondern steht in einem zweifelsohne näher zu hinterfragendem Zusammenhang mit einer Italienreise. Auch die weiteren Abhebungen im September in Supermärkten und bei Swarovski bedürfen einer Abklärung.

b) Die bei Anordnung der Betreuung festgestellten Unregelmäßigkeiten sind weiterhin nicht aufgeklärt. Nach Angaben der Kontrollbetreuerin besteht beim Bevollmächtigten keine Bereitschaft, mit ihr zusammenzuarbeiten. Insbesondere seien die Konto- und Depotunterlagen der Betroffenen - entgegen der bei der Anhörung am 17.10.2016 erfolgten Zusage - bis jetzt nicht der Kontrollbetreuerin zur Verfügung gestellt worden. Eine durch den Rechtsanwalt der Betroffenen am 25.04.2017 angekündigte Stellungnahme hierzu ist - auch nach Zusendung aller relevanten Schriftstücke am 27.04.2017 - nicht mehr erfolgt.

Der Verdacht des Missbrauchs der Vollmacht durch den Bevollmächtigten steht danach weiterhin im Raum. Der notwendige (vgl. BGH XII ZB 177/15) Versuch, durch den Kontrollbetreuer positiv einzuwirken, ist fehlgeschlagen. Daher war die Fortdauer der Kontrollbetreuung anzuordnen, da andernfalls die Gefahr besteht, dass ein möglicher Missbrauch der Vollmacht nach Beendigung der Kontrollbetreuung fortgesetzt oder wiederaufgenommen wird. Dies könnte für die Betroffene Schäden zur Folge haben, die den Aufwand für die Kontrollbetreuung übersteigen.

c) Die übrigen Einwände der Beschwerde greifen nicht durch: 1) Die für die Kontrollbetreuung anfallenden Kosten hindern die Anordnung der Kontrollbetreuung nicht, selbst wenn die Kosten der im Raum stehenden Unregelmäßigkeiten den Betrag dieser Kosten nicht erreichen. Die Anordnung der Kontrollbetreuung dient auch dem Zweck, eventuellen zukünftigen Schaden für die Betroffene zu vermeiden: Es ist naheliegend, dass es derzeit, bei bestehender Kontrollbetreuung, nicht zu weiteren Unregelmäßigkeiten auf dem Konto der Betroffenen kommt. Zudem kann die Höhe eventueller Unregelmäßigkeiten derzeit nicht nachgeprüft werden, da der Kontrollbetreuerin die Konten- und Depotunterlagen der Betroffenen nicht zur Verfügung gestellt wurden, und der Bevollmächtigte nicht mit ihr zusammenarbeitet.

2) Für den Vorwurf, die Kontrollbetreuerin verfolgte eigene wirtschaftliche Interessen unter Missachtung der Interessen der Betroffenen, gibt es keine Anhaltspunkte. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass der Widerruf der Ermächtigung des Bevollmächtigten bei der Hypovereinsbank nicht im Interesse der Betroffenen erfolgt wäre; jedenfalls ist ein wirtschaftlicher Nutzen der Kontrollbetreuerin hieraus nicht festzustellen. Auch geht der Vorwurf fehl, die Kontrollbetreuerin habe den Widerruf in Kenntnis der Unwirksamkeit ihrer fehlenden Ermächtigung hierzu erklärt: Mit Beschluss vom 05.07.2016 wurde der Aufgabenkreis „Widerruf der dem Luigi V. erteilten Vollmacht“ aufgenommen. Mit Schreiben vom 30.09.2016 kündigte die Kontrollbetreuerin gegenüber dem Amtsgericht ihre Absicht an, die Girokontovollmacht zu widerrufen. Mit Schreiben vom 11.10.2016 gegenüber der Hypovereinsbank widerrief die Kontrollbetreuerin die Vollmacht. Erst bei der Anhörung am 17.10.2016 äußerte die beauftragte Richterin die Ansicht, dass der Rechtspfleger diesen Aufgabenkreis nicht habe zuweisen können.

Ebenso wenig ist es zu beanstanden, wenn die Kontrollbetreuerin von ihren gesetzlichen Möglichkeiten Gebrauch macht und Ihre Entgeltansprüche zwangsweise gegen die Betroffene durchsetzt. Vielmehr belegt es eher die Notwendigkeit der Kontrollbetreuung, wenn der Bevollmächtigte sich nicht darum kümmert, dass die Betroffene fällige Vergütungsansprüche begleicht.

Auch im Übrigen bestehen keine Bedenken gegen die Auswahl der Kontrollbetreuerin.

3) Zwischen den von der Beschwerde erhobenen Vorwürfen gegen die (durch die Betreuungsstelle) vorgeschlagene Betreuerin, Frau Rotter, wegen eines Diebstahls und des Abstellens ihres Fahrzeugs, und der hier zu entscheidenden Anordnung einer Kontrollbetreuung ist kein Zusammenhang ersichtlich.

III.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Voraussetzungen für eine Erstattung außergerichtlicher Kosten sind nicht gegeben.

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published on 14/10/2015 00:00

Tenor Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 1 wird der Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Heilbronn vom 27. März 2015 aufgehoben.
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