Landgericht Mannheim Urteil, 20. Jan. 2006 - 1 S 178/05

published on 20/01/2006 00:00
Landgericht Mannheim Urteil, 20. Jan. 2006 - 1 S 178/05
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Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Mannheim vom 16.09.2005 - 12 C 500/04 - aufgehoben und zur Entscheidung - auch über die Kosten des Berufungsverfahrens - zurückverwiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

 
Die zulässige Berufung ist begründet.
Die Klage ist zulässig. Dem steht insbesondere nicht § 1 Abs. 1 S. 2 a BWSchlG entgegen.
Nach der genannten Vorschrift ist eine Klage in Streitigkeiten über Ansprüche wegen der in § 906 BGB geregelten Einwirkungen erst nach einem Streitschlichtungsverfahren im Sinne des Gesetzes zulässig, wenn es sich nicht um Einwirkungen von einem gewerblichen Betrieb handelt. Die mit der Klage verfolgte Forderung ist keine solche Streitigkeit.
§ 906 BGB regelt die Zulässigkeit von Emissionen, zu denen auch Erschütterungen gehören. Der Begriff der „Ansprüche wegen der in § 906 BGB geregelten Einwirkungen“ ist jedoch dahin zu verstehen, dass damit die in § 906 BGB selbst geregelten Ansprüche auf Geldausgleich oder Abwehransprüche gegen künftige Immissionen gemeint sind. Hierunter fällt der Anspruch auf Ersatz der durch die Erschütterungen am Grundstück des Klägers eingetretenen Schäden nicht.
Mit der Zahlungsklage macht der Kläger einen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch geltend, der in ständiger Rechtsprechung in Analogie zu § 906 Abs. 2 BGB entwickelt wurde und dann gegeben ist, „...wenn von einem Grundstück im Rahmen privatwirtschaftlicher Benutzung rechtswidrige Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen, die der Eigentümer oder Besitzer des betroffenen Grundstücks nicht dulden muß, aus besonderen Gründen jedoch nicht gem. §§ 1004 I, 862 I BGB unterbinden kann, sofern er hierdurch Nachteile erleidet, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung übersteigen...“ (BGH NJW 2003, 2377f. m.w.N.), insbesondere dann, wenn durch die Einwirkungen bereits Schäden entstanden sind. Die Rechtsprechung hat diese verschuldensunabhängige Haftung insbesondere deshalb entwickelt, um einem geschädigten Eigentümer das Risiko der Ermittlung des handelnden Schädigers und des Verschuldensnachweises zu ersparen.
Diese aus Billigkeitserwägungen vorgenommene Analogie zu § 906 Abs. 2 BGB ist im Rahmen des Streitschlichtungsgesetzes für die Zulässigkeit einer Klage nicht heranzuziehen. Weder gibt es ein besonderes Bedürfnis, den Ausgleich eines eingetretenen Schadens zwischen Nachbarn einer obligatorischen Streitschlichtung zuzuführen, noch entstünde ohne eine solche Analogie eine unbillige prozessuale Lage...

Gründe

 
Die zulässige Berufung ist begründet.
Die Klage ist zulässig. Dem steht insbesondere nicht § 1 Abs. 1 S. 2 a BWSchlG entgegen.
Nach der genannten Vorschrift ist eine Klage in Streitigkeiten über Ansprüche wegen der in § 906 BGB geregelten Einwirkungen erst nach einem Streitschlichtungsverfahren im Sinne des Gesetzes zulässig, wenn es sich nicht um Einwirkungen von einem gewerblichen Betrieb handelt. Die mit der Klage verfolgte Forderung ist keine solche Streitigkeit.
§ 906 BGB regelt die Zulässigkeit von Emissionen, zu denen auch Erschütterungen gehören. Der Begriff der „Ansprüche wegen der in § 906 BGB geregelten Einwirkungen“ ist jedoch dahin zu verstehen, dass damit die in § 906 BGB selbst geregelten Ansprüche auf Geldausgleich oder Abwehransprüche gegen künftige Immissionen gemeint sind. Hierunter fällt der Anspruch auf Ersatz der durch die Erschütterungen am Grundstück des Klägers eingetretenen Schäden nicht.
Mit der Zahlungsklage macht der Kläger einen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch geltend, der in ständiger Rechtsprechung in Analogie zu § 906 Abs. 2 BGB entwickelt wurde und dann gegeben ist, „...wenn von einem Grundstück im Rahmen privatwirtschaftlicher Benutzung rechtswidrige Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen, die der Eigentümer oder Besitzer des betroffenen Grundstücks nicht dulden muß, aus besonderen Gründen jedoch nicht gem. §§ 1004 I, 862 I BGB unterbinden kann, sofern er hierdurch Nachteile erleidet, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung übersteigen...“ (BGH NJW 2003, 2377f. m.w.N.), insbesondere dann, wenn durch die Einwirkungen bereits Schäden entstanden sind. Die Rechtsprechung hat diese verschuldensunabhängige Haftung insbesondere deshalb entwickelt, um einem geschädigten Eigentümer das Risiko der Ermittlung des handelnden Schädigers und des Verschuldensnachweises zu ersparen.
Diese aus Billigkeitserwägungen vorgenommene Analogie zu § 906 Abs. 2 BGB ist im Rahmen des Streitschlichtungsgesetzes für die Zulässigkeit einer Klage nicht heranzuziehen. Weder gibt es ein besonderes Bedürfnis, den Ausgleich eines eingetretenen Schadens zwischen Nachbarn einer obligatorischen Streitschlichtung zuzuführen, noch entstünde ohne eine solche Analogie eine unbillige prozessuale Lage...
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(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil1.die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen,2.eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufh

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benu
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(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil1.die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen,2.eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufh

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benu
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published on 09/07/2012 00:00

Diese Entscheidung wird zitiert Tenor I. Die Berufung der Kläger gegen das Teilendurteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 28. November 2011 wird zurückgewiesen. II. Die Kläger haben die Kos
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(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil

1.
die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen,
2.
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
Wird das Urteil in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, verkündet, so können die nach Satz 1 erforderlichen Darlegungen auch in das Protokoll aufgenommen werden.

(2) Die §§ 313a, 313b gelten entsprechend.

(1) Der Eigentümer eines Grundstücks kann die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusch, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen insoweit nicht verbieten, als die Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Eine unwesentliche Beeinträchtigung liegt in der Regel vor, wenn die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte von den nach diesen Vorschriften ermittelten und bewerteten Einwirkungen nicht überschritten werden. Gleiches gilt für Werte in allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die nach § 48 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erlassen worden sind und den Stand der Technik wiedergeben.

(2) Das Gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. Hat der Eigentümer hiernach eine Einwirkung zu dulden, so kann er von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt.

(3) Die Zuführung durch eine besondere Leitung ist unzulässig.