Landgericht Magdeburg Urteil, 28. Okt. 2015 - 7 O 73/15, 7 O 73/15 -006-

ECLI: ECLI:DE:LGMAGDE:2015:1028.7O73.15.00
published on 28/10/2015 00:00
Landgericht Magdeburg Urteil, 28. Okt. 2015 - 7 O 73/15, 7 O 73/15 -006-
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Gericht

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Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft oder von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall von Ordnungshaft bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft hinsichtlich der Beklagten an ihrem jeweiligen Geschäftsführer zu vollziehen ist, zu unterlassen,

in der Bundesrepublik Deutschland folgendes Verfahren anzuwenden:

- Verfahren zur Herstellung von Epichlorhydrin;

- bei dem Verfahren unterwirft man Dichlorpropanol einer Dehydrochlorierungsreaktion;

- das Dichlorpropanol erhält man durch Umsetzung von aus nachwachsenden Rohstoffen erhaltenem Glycerin mit mindestens einem Chlorierungsmittel in einem Reaktor;

- der Reaktor besteht aus oder ist beschichtet mit Werkstoffen, die aus emailliertem Stahl, Polyolefinen, fluorierten Polymeren, Phenolharzen, Tantal und Silber ausgewählt sind.

(Patentanspruch 1 des EP 1 752 435 B1)

2. der Klägerin Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte die zu Ziffer 1. bezeichneten Handlungen seit dem 6. Juni 2012 begangen hat, und zwar unter Angabe

- der Art und des Umfangs der verübten eigenen Verfahrensbenutzungshandlungen entsprechend Ziffer 1;

- unter Einschluss insbesondere der Angabe des erzielten Umsatzes sowie der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Kosten und des erzielten Gewinns;

wobei die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben durch Vorlage von Bank-, Finanz- oder Handelsunterlagen oder einen geeigneten Zugang dazu, hilfsweise durch Übermittlung von Belegen (Rechnungen in Kopie) nachzuweisen ist;

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, allen Schaden zu ersetzen, der der Klägerin sowie deren Rechtsvorgängerin durch die vorstehend zu Ziffer I. 1. bezeichneten, seit dem 6. Juli 2012 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

III. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen; die Kosten der Streitverkündung fallen der Streitverkündeten zur Last.

IV. Das Urteil ist zu I.1. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 200.000,00 €, zu I.2. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.000,00 € und zu II. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Klägerin macht mit ihrer Klage auf der Grundlage patentrechtlicher Vorschriften Unterlassungs- und Auskunftsansprüche geltend und verlangt darüber hinaus die Feststellung einer Schadenspflicht der Beklagten.

2

Die Klägerin ist auf dem Weltmarkt im Bereich der Herstellung chemischer Produkte tätig, wobei eines ihrer Hauptprodukte Epichlorhydrin darstellt. Hierbei handelt es sich um eine Flüssigkeit, die als Komponente zur Herstellung von Epoxidharzen dient. Die Klägerin ist eingetragene und verfügungsberechtigte Inhaberin des deutschen Teils des europäischen Patents EP1 752 435 B1 betreffend ein Verfahren zur Herstellung von Epichlorhydrin in einem Reaktor, der aus bestimmten Werkstoffen besteht oder damit beschichtet ist. Die diesem Patent zugrunde liegende Erfindung wurde am 18. November 2004 unter Inanspruchnahme der insgesamt drei Prioritäten vom 20. November 2003, vom 8. April 2004 und vom 5. April 2004 eingereicht. Die Anmeldung wurde am 14. April 2007 durch das Europäische Patentamt offengelegt, der Hinweis auf die Patenterteilung wurde am 6. Juni 2012 veröffentlicht. Die Erfindung des Klagepatents betrifft ein Verfahren zur Herstellung von Epichlorhydrin aus Glyzerol, das aus erneuerbaren, nachwachsenden Rohstoffen während der Herstellung von Bio-Diesel erhalten wurde. Das Patent löst diese Aufgabe durch ein Verfahren zur Herstellung des in Rede stehenden Stoffes mittels chemischer Umsetzung eines aus nachwachsenden Rohstoffen erhaltenden Glyzerins unter Zuhilfenahme eines Chlorierungsmittels in einem Reaktor, der aus bestimmten, korrosionsbeständigen Werkstoffen besteht oder damit beschichtet ist. Die Beklagte ist eine der führenden Herstellerinnen von Epoxidharzen in Europa.

3

Die Beklagte hat eine Anlage zur Herstellung von Epichlorhydrin aus Glyzerol durch die Nebenintervenientin errichten lassen. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass in der Anlage der Beklagten Epichlorhydrin hergestellt wird, dass des Weiteren bei dem von der Beklagten eingesetzten Verfahren Dichlorpropanol einer Dehydrochlorierungsreaktion unterworfen wird, dass dort Dichlorpropanol durch Umsetzung von aus nachwachsenden Rohstoffen erhaltenem Glyzerol mit mindestens einem Florierungsmittel in einem Reaktor erhalten wird.

4

Die Klägerin behauptet, dass der Reaktor der Beklagten aus emailliertem Stahl, Polyofiden, florierten Polymeren, Phenolharzen, Tantal und Silber bestehe oder damit beschichtet sei. Es treffe nicht zu, dass die Beschichtung des Reaktors der Beklagten aus anderen Materialien als PFA bestehe. Das von der Gegenseite ausgeführte Material GFK finde Verwendung allein in anderen Bauteilen des fraglichen Reaktors. Dieses Material sei nicht Teil der hier allein maßgeblichen Beschichtung. Die von der Beklagten erwähnte Glaskaschierung stelle eine zusätzliche Lage, nämlich ein zu der Beschichtung zusätzliches Element des Reaktors mit zusätzlichen Funktionen dar. Diese Lage befinde sich auf der der Reaktorkammer abgewandten Seite der aus PFA bestehenden Beschichtung und diene der Verbindung der Beschichtung mit den weiteren, aus GFA bestehenden Bauteilen des Reaktors. Eine derartige Beschichtung des Reaktors an der Reaktorkammer abgewandten Seite mit anderen Elementen schließe das Klagepatent nicht aus. Entscheidend komme es im Hinblick auf die Beschichtung darauf an, dass diese Beschichtung nicht an irgendeiner Stelle des Reaktors angebracht werde, sondern auf der die strukturelle Stabilität verleihenden Reaktorwand, also auf der dem Reaktionsraum zugewandten Seite. Dies ergebe sich zwingend bereits daraus, dass die Beschichtung des Reaktors mit anderen Materialien, etwa an dessen Außenhaut, den damit beabsichtigten Korrosionsschutz nicht bewirken könne. Wenn der Sachverständige in seinem Gutachten auf Seite 9 darlege, dass der Reaktor der Beklagten primär aus den Werkstoffen gemäß der Angaben aus GFK/PFA bestehe, so sei dies so zu verstehen, dass der gesamte Reaktor aus diesen Werkstoffen bestehe. Nicht zum Ausdruck habe der Sachverständige damit bringen wollen, mit welchen Stoffen der Reaktor an der entscheidenden Stelle beschichtet sei.

5

Die Klägerin vertritt die Ansicht, dass keine überwiegenden Gründe für die fehlende Rechtsbeständigkeit des Klagepatents sprächen. Dies habe das Europäische Patentamt in einem – was zwischen den Parteien unstreitig ist – amtlichen Zwischenbescheid vom 18. November 2004 zum Ausdruck gebracht, in dem das Klagepatent dort ausdrücklich als neu beurteilt werde. Sie könne daher gemäß Art. 64 EPÜ Unterlassung von der Beklagten verlangen. Ihr Auskunftsanspruch stütze sich auf § 140 b Abs. 1, 3 PatentG in Verbindung mit Art. 64 EPÜ.

6

Die Klägerin beantragt,

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I. die Beklagte zu verurteilen,

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1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft oder von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall von Ordnungshaft bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft hinsichtlich der Beklagten an ihrem jeweiligen Geschäftsführer zu vollziehen ist, zu unterlassen,

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in der Bundesrepublik Deutschland folgendes Verfahren anzuwenden:

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- Verfahren zur Herstellung von Epichlorhydrin;

11

- bei dem Verfahren unterwirft man Dichlorpropanol einer Dehydrochlorierungsreaktion;

12

- das Dichlorpropanol erhält man durch Umsetzung von aus nachwachsenden Rohstoffen erhaltenem Glycerin mit mindestens einem Chlorierungsmittel in einem Reaktor;

13

- der Reaktor besteht aus oder ist beschichtet mit Werkstoffen, die aus emailliertem Stahl, Polyolefinen, fluorierten Polymeren, Phenolharzen, Tantal und Silber ausgewählt sind.

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(Patentanspruch 1 des EP 1 752 435 B1)

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2. der Klägerin Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte die zu Ziffer 1. bezeichneten Handlungen seit dem 6. Juni 2012 begangen hat, und zwar unter Angabe

16

- der Art und des Umfangs der verübten eigenen Verfahrensbenutzungshandlungen entsprechend Ziffer 1;

17

- unter Einschluss insbesondere der Angabe des erzielten Umsatzes sowie der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Kosten und des erzielten Gewinns;

18

wobei die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben durch Vorlage von Bank-, Finanz- oder Handelsunterlagen oder einen geeigneten Zugang dazu, hilfsweise durch Übermittlung von Belegen (Rechnungen in Kopie) nachzuweisen ist;

19

II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, allen Schaden zu ersetzen, der der Klägerin sowie deren Rechts Vorgängerin durch die vorstehend zu Ziffer I. 1. bezeichneten, seit dem 6. Juli 2012 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

20

Hilfsweise beantragt die Klägerin,

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dass der Antrag zu I. dahingehend spezifiziert werde, dass es sich um ein Verfahren gemäß Anspruch 1 des Klagepatents handele mit der Maßgabe, dass die Anlage, in der das Verfahren durchgeführt werde, von der Beklagten und ihrem Betrieb in ...9 L betrieben werde und es Gegenstand des Beweissicherungsverfahrens 7 OH 44/13 war.

22

Die Beklagte und die Streitverkündete beantragen beide,

23

die Klage abzuweisen.

24

Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass sie mit dem bei ihr betriebenen Verfahren das Klagepatent nicht verletze. Auch wenn der Sachverständige im Beweissicherungsverfahren zum Ergebnis gelangt sei, dass sie alle Merkmale des in Rede stehenden Patents benutze, könne von einer Patentverletzung nicht ausgegangen werden. Denn der Sachverständige habe ebenfalls festgestellt, dass der von ihr verwendete Reaktor neben dem Material PFA auch eine Glasfaserkaschierung enthalte. Das streitgegenständliche Patent sehe eine solche Glasfaserkaschierung aber nicht vor, so dass die Lehre des Klagepatents durch sie nicht verwirklicht werde.

25

Sie vertritt die Ansicht, dass das Streitpatent mit hoher Wahrscheinlichkeit in dem anhängigen Einspruchsverfahren vor dem Europäischen Patentamt widerrufen. Dies rechtfertige zumindest die Aussetzung des Rechtsstreits.

26

Für eine Patentverletzung sei es notwendig, dass alle Merkmale des geltend gemachten Patentanspruchs von ihr genutzt würden. Anerkannt sei dabei, dass eine Ausführungsform, bei der auch nur eines der Anspruchsmerkmale fehle, nicht zu einer Patentverletzung führen könne, weil sogenannte Unterkombinationen gerade nicht geschützt seien. Merkmal Nr. 4 des streitgegenständlichen Patents sei aber nicht erfüllt. Die dort genannten Stoffe seien abschließend. Insbesondere wegen der dort verwendeten Formulierungen "Werkstoffen, die aus … ausgewählt sind" ergebe sich, dass diese Aufzählung abschließend gemeint sei. Insbesondere fehle eine relativierende Formulierung wie etwa "beispielsweise". Zudem stehe die Formulierung "besteht aus" für eine abschließende Aufzählung. Die Klägerin habe sich daher auf bestimmte Werkstoffe beschränkt. Hieran müsse sie sich festhalten lassen.

27

Der bei ihr zum Einsatz kommende Reaktor sei nicht lediglich mit PFA beschichtet. Vielmehr handele es sich hierbei um den Verbundwerkstoff glasfaserkaschiertes PFA. Das Gutachten des im Beweissicherungsverfahren tätig gewordenen Sachverständigen sei daher an einem entscheidenden Punkt lückenhaft. Zum Zeitpunkt der Patentanmeldung sei die Klägerin noch nicht im Besitz der Erfindung gewesen und das von ihr geschützte Verfahren sei nicht mehr neu gewesen. Schließlich träfen die Behauptungen der Klägerin nicht zu, dass die beiden zur Beschichtung des Reaktors dienenden Werkstoffe nicht verbunden seien. Vielmehr sei das Typenschild des Reaktors zutreffend als Verbundwerkstoff gekennzeichnet. Die beiden Stoffe seien untrennbar miteinander verschmolzen.

28

Die Nebenklägerin ist der Meinung, die Herstellung von Epichlorhydrin durch die Beklagte verletze das Patent der Klägerin nicht, weil der Sachverständige im Beweissicherungsverfahren festgestellt habe, dass die Beschichtung des von der Beklagten verwendeten Reaktors mit Glasfasern kaschiert sei. Deshalb werde die Lehre des Klagepatents nicht verwirklicht. Notwendig sei es nämlich, dass sämtliche Merkmale des Patentanspruchs verwirklicht seien. Vorliegend sei zumindest das Merkmal Nr. 4 des Klagepatents nicht verwirklicht. Der Reaktor der Beklagten bestehe nicht aus einem der dort genannten Werkstoffe. Die dort genannten Stoffe seien auch abschließend. Dies werde aufgrund der gewählten Formulierung "besteht aus" erkennbar, die bei Patentansprüchen für eine abschließende Aufzählung stünde. Der im Beweissicherungsverfahren herangezogene Sachverständige hat in seinem Gutachten festgestellt, dass die Beklagten einen Reaktor "R1100" verwende und dass dieser Reaktor mit "FK/PFA" beschichtet sei bzw. mit Perfluoralkoxyalkan und einer Glasfaserkaschierung. Diese Stoffe bildeten einen Verbundwerkstoff. Die in der Beschichtung unstreitig vorhandenen Glasfasern gehörten nicht zu den in Merkmal 4 von Anspruch 1 des Klagepatents aufgezählten Werkstoffen. Nicht aufgezählt sei ferner ein Verbundwerkstoff aus GFK/PFA. Weil aber die Aufzählung im Merkmal 4 abschließend sei, komme es auch nicht darauf an, ob der Reaktor auch mit PFA beschichtet sei. Die Kombination aus GFK und PFA fallen nicht unter Merkmal 4, weil GFK ein nicht aufgelisteter Zusatzstoff sei und somit den abschließenden Charakter der Aufzählung sprengen würde. Sofern der Sachverständige dargestellt habe, dass die Merkmale des Patents vollständig erfüllt seien, habe er seine Kompetenzen überschritten, weil es sich hierbei um eine Rechtsmeinung und nicht um die Feststellung von Tatsachen handele. Er unterscheide in seinem Gutachten nicht danach, ob eine Beschichtung aus PFA oder GSK/PFA vorliege. Insofern weise sein Gutachten eine Lücke auf. Das Gericht könne daher an die vom Sachverständigen geäußerte Rechtsmeinung nicht gebunden sein.

29

Schließlich sei zu erwarten, dass das Patent im anhängigen Einspruchsverfahren widerrufen werde, so dass zumindest eine Aussetzung des Verfahrens angezeigt sei. Davon sei deshalb auszugehen, weil das Klagepatent unzulässigerweise eine Lehre unter Schutz stelle, die die Klägerin zum Zeitpunkt der Anmeldung des Klagepatents noch gar nicht besessen habe. Die heute beanspruchte Erfindung sei erst Jahre nach der ursprünglichen Patentanmeldung herausgearbeitet worden. Darüber hinaus sei der Gegenstand des Klagepatents durch den Stand der Technik nahegelegt. Die beanspruchte chemische Synthese sei im Stand der Technik identisch vorbekannt gewesen. Es beruhe demgegenüber nicht auf erfinderischer Tätigkeit, diese Synthese in einem Reaktor durchzuführen, der eine Beschichtung hat, wobei die Eignung der Beschichtung vorbekannt oder zumindest für den Fachmann offensichtlich gewesen sei. Die Auslegungen der Klägerin, dass gemäß der Merkmale 3 und 4 von Anspruch 1 des Klagepatents zwei chemische Reaktionen in ein und demselben Reaktor stattfinden müssten, sei falsch. Tatsächlich erfordere Anspruch 1 des Klagepatents einen Reaktor aus besonderen Materialien, in dem nur Dichlorpropanol aus Glyzerin hergestellt werden müsse. Die anschließende Herstellung von Epichlorhydrin aus Dichlorpropanol könne in einem anderen Reaktor erfolgen. Ein Reaktor zu anschließenden Umsetzung von Dichlorpropanol zu Epichlorhydrin werde in Anspruch 1 des Klagepatents nicht erwähnt. Auf die Beschichtung eines Reaktors für diese zweite Reaktion beziehe sich die Lehre des Klagepatents daher nicht. Beide chemischen Reaktionen könnten nicht "im selben Topf" stattfinden. Insgesamt sei daher festzustellen, dass Anspruch 1 des Klagepatents aufgrund seines Wortlauts sowie aufgrund der jedem Fachmann geläufigen chemischen Gegebenheiten so auszulegen sei, dass in dem Reaktor gemäß Merkmalen 3 und 4 nur Dichlorpropanol aus Glyzerin hergestellt werden müsse; die anschließende Herstellung von Epichlorhydrin aus Dichlorpropanol könne aber in einem anderen Reaktor erfolgen. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin war es auch nicht notwendig, dass nur die innerste Beschichtung des Reaktors die für den Patentanspruch maßgebliche Beschichtung sei. Diese Ansicht finde bereits im Wortlaut des Anspruchs 1 des Klagepatents keine Stütze. Auch die tieferen Schichten hätten eine technische Bedeutung. Lege man also das Klagepatent mit der Klägerin so aus, dass in dem betreffenden Reaktor beide chemischen Reaktionen stattfinden müssten, würden die Merkmale 3 und 4 des in Rede stehenden Patents nicht verwirklicht. Denn aus dem entsprechenden Gutachten ergebe sich, dass die Beklagte in dem von ihr betriebenen Reaktor nur eine der beiden Reaktionen stattfinden lasse. Darüber hinaus wäre auch das Merkmal 4 nicht verwirklicht. Das Glasfasergewebe sei in der FPA-Schicht eingeschmolzen, so dass das Glasfasergewebe in der FPA-Schicht fest verankert sei.

30

Vorausgegangen ist diesem Verfahren ein im Wege des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens durchgeführtes Beweissicherungsverfahren (Az. 7 OH 44/13). Im Rahmen dieses Verfahrens hat die Kammer die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens beschlossen. Hinsichtlich des Ergebnisses dieses Beweissicherungsverfahrens wird auf das Gutachten des Sachverständigen Volkmar Müller vom 29. November 2013 verwiesen. Hinsichtlich des Vorbringens der Parteien im Übrigen wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Alle diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

31

Die Klage hat insgesamt Erfolg.

32

Sie ist zunächst zulässig, insbesondere auch mit dem von der Klägerin gestellten Hauptantrag. Denn der Hauptantrag ist hinreichend bestimmt.

33

Dies ergibt sich daraus, dass der Klageantrag die Patentansprüche des Klagepatents wieder gibt und darauf gerichtet ist, Verletzungen des so angegebenen Gegenstandes des Klagepatents zu unterlassen und, soweit sie eingetreten sind, Schadensersatz oder Entschädigung zu leisten. Einem solchen Antrag mangelt es nicht an der Bestimmtheit. Denn das Klagebegehren ergibt sich darin hinreichend deutlich, und zwar auch dann, wenn Gegenstand des Verletzungsprozesses die Beurteilung der Patentverletzung durch eine bestimmte Ausführungsform in ihrer konkreten Ausgestaltung ist. Ein solcher Antrag bleibt auch in einer möglicherweise zu weiten Form zulässig (siehe BGH, Urteil vom 30. März 2005, Az. X ZR 126/01, zitiert nach Juris).

34

Die Kammer braucht also nicht zu entscheiden, ob zwischen den Parteien (nur) eine bestimmte Ausführungsform des Klagepatents streitig ist. Der von der Klägerin gestellte Hauptantrag bleibt jedenfalls zulässig.

35

Die Klage hat auch bereits mit dem Hauptantrag in der Sache Erfolg.

36

Die Klägerin kann von der Beklagten die begehrte Unterlassung gemäß §§ 139 Abs. 1, 9 Abs. 2 Nr. 2 PatentG i. V. m. Art. 64 EPÜ verlangen.

37

Entgegen dem Vorbringen der Beklagten und der Nebenintervenientin war die Kammer auch nicht dazu verpflichtet, das Verfahren mit Rücksicht auf das beim Europäischen Patentamt anhängige Einspruchsverfahren auszusetzen. Zwar muss im Verletzungsprozess die Frage der Aussetzung nach § 148 ZPO und damit die Frage, ob eine erhobene Nichtigkeitsklage hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, in jeder Instanz erneut geprüft werden, und zwar unter Berücksichtigung des jeweiligen Stands des Patentnichtigkeitsverfahrens. Die Beurteilung dieser Frage bietet aber keine vergleichbare Richtigkeitsgewähr wie die Beurteilung der Rechtslage im Übrigen, weil die Entscheidung über die Nichtigkeitsklage nicht dem Verletzungsrichter, sondern in erster Instanz dem Patentgericht obliegt. Wenn das Klagepatent also mit einer Patentnichtigkeitsklage angegriffen ist, verurteilt das Verletzungsgericht, wenn es eine Verletzung des in Kraft stehenden Patents bejaht, grundsätzlich nur dann wegen Patentverletzung, wenn es eine Nichtigerklärung nicht für (überwiegend) wahrscheinlich hält; andernfalls setzt es die Verhandlungen des Rechtsstreits nach § 148 ZPO aus, bis jedenfalls erstinstanzlich über die Klage auf Nichtigkeit des Patents entschieden ist. Die Aussetzung des Verletzungsrechtsstreits ist daher grundsätzlich geboten, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass das Klagepatent der erhobenen Nichtigkeitsklage nicht standhalten wird (BGH, Beschluss vom 16. September 2014 – X ZR 61/13).

38

So liegt es hier aber gerade nicht, so dass eine Aussetzung des Verfahrens nicht geboten war. Entgegen dem Vorbringen der Beklagten und der Nebenintervenientin ist es für das Verletzungsgericht gerade nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die beim Europäischen Patentamt anhängige Nichtigkeitsklage Erfolg haben wird. Das Gegenteil dessen ergibt sich gegenwärtig vielmehr daraus, dass das Europäische Patentamt in dem genannten Zwischenbescheid entschieden hat, dass "die Patentansprüche in dem erteilten Umfang (werden) als neu angesehen" werden. Auch wenn es sich dabei nur um einen Zwischenbescheid des Europäischen Patentamts handelt und, so die Beklagte und die Nebenintervenientin, danach von ihnen noch weiter vorgetragen wurde, ergibt sich jedenfalls selbst für die zuständige Fachbehörde keine offensichtliche Nichtigkeit des Streitpatents.

39

Aufgrund des im selbständigen Beweisverfahren eingeholten Gutachtens des Sachverständigen V. geht die Kammer schließlich auch davon aus, dass – was zwischen den Parteien allein streitig ist – auch Merkmal Nr. 4 des Streitpatents von der Beklagten verwirklicht wird.

40

Der Sachverständige hat auf Seite 9 seines Gutachtens ausgeführt:

41

"Aus diesen Angaben ergibt sich außerdem eindeutig, dass der Werkstoff mit der Angabe: "PFA" jeweils der Werkstoff ist, welcher die innere Reaktorwand des Reaktionsraumes des Reaktors (R1100) bildet und/oder in der innersten Schicht der Reaktorwand des Reaktionsraumes des Reaktors (R1100) enthalten ist, d. h. mit "PFA" beschichtet ist."

42

Die Kammer hat angesichts dieser klaren und eindeutigen Formulierung des Sachverständigen keinen Zweifel daran, dass die innerste Schicht der Reaktorwand, d. h. die dem Reaktionsraum des Reaktors zugewandte Seite, eben ausschließlich mit PFA beschichtet ist. Dass der Sachverständige in seinem Gutachten an anderen Stellen des Reaktors auch andere Werkstoffe, wie etwa GFK, feststellt, ändert an dieser Beurteilung nichts. Entscheidend kommt es schon aus der Sicht des im selbständigen Beweisverfahren berufenen Sachverständigen auf den inneren Reaktionsraum an, wo sich eben ausschließlich der durch Merkmal Nr. 4 geschützte Werkstoff befindet und gerade kein Verbundwerkstoff.

43

Der Sachverständige ist in seinem Gutachten zudem zu dem Ergebnis gekommen, dass die Merkmale 1 – 3 des Verfahrens nach Anspruch 1 des Europäischen Patents durch die Beklagte verwirklicht werden. Er kommt des Weiteren zu dem Ergebnis, dass aus den ihm vorliegenden Dokumentationen im Hinblick auf Merkmal 4 des Klagepatents eindeutig erkennbar bzw. abzuleiten sei, dass der relevante Reaktor primär aus den Werkstoffen gemäß der Angaben GFK/PFA bestehe.

44

Diesen Annahmen des Sachverständigen ist weder die Beklagte noch die Nebenintervenientin im selbständigen Beweisverfahren entgegen getreten. Sie haben diese Feststellungen des Sachverständigen seinerzeit vielmehr hingenommen.

45

Der Auskunftsanspruch ergibt sich aus §§ 140 b Abs. 1, 3 PatentG i. V. m. Art. 64 EPÜ.

46

Der Feststellungsanspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten ergibt sich schließlich aus § 139 Abs. 2 PatentG i. V. m. Art. 64 EPÜ, § 256 ZPO.

47

Die Kostentscheidung folgt aus §§ 91, 101 ZPO.

48

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.


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(1) Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.

(2) Das Gericht kann ferner, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von Feststellungszielen abhängt, die den Gegenstand eines anhängigen Musterfeststellungsverfahrens bilden, auf Antrag des Klägers, der nicht Verbraucher ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des Musterfeststellungsverfahrens auszusetzen sei.

(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Die durch eine Nebenintervention verursachten Kosten sind dem Gegner der Hauptpartei aufzuerlegen, soweit er nach den Vorschriften der §§ 91 bis 98 die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat; soweit dies nicht der Fall ist, sind sie dem Nebenintervenienten aufzuerlegen.

(2) Gilt der Nebenintervenient als Streitgenosse der Hauptpartei (§ 69), so sind die Vorschriften des § 100 maßgebend.

Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.