Landgericht Köln Urteil, 16. Okt. 2015 - 30 O 330/14
Gericht
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger je zu ein Halb.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Die Kläger sind Kunden der Beklagten und unterhalten seit mehreren Jahren bei ihr ein Girokonto mit der Nummer XXXXXXX2, wobei sie sich auch der Möglichkeit des Online-Bankings bedienen und hierbei das smsTAN-Verfahren nutzen. Die Kläger unterzeichneten eine von der Beklagten gestellte „Rahmenvereinbarung für die Teilnahme am Online-Banking“, die in Ziffer 5 eine Regelung über die Beachtung und Einhaltung der Sicherheitshinweise für die Nutzung des Internetangebots auf den Internetseiten der Beklagten durch die Kunden der Beklagten enthielten und ausweislich derer die Bedingungen der Beklagten für die Nutzung des Online-Banking-Angebots Vertragsbestandteil wurden (Anlage B 8). Die Bedingungen der Beklagten für das Online-Banking enthielten unter Ziffer 7 eine Auflistung von Sorgfaltspflichten des Teilnehmers, wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage B 1 Bezug genommen.
3Im Rahmen des Online-Bankings mittels smsTAN-Verfahren erfolgende Überweisungsaufträge werden in der Weise durchgeführt, dass nach Absendung eines vom Kunden ausgefüllten Überweisungsauftrages der Kunde eine SMS an eine von ihm vorher festgelegte Mobilfunknummer hält. In dieser SMS werden die konkreten Daten des Überweisungsauftrags, d.h. das Empfängerkonto, der zu überweisende Betrag und eine speziell für diese Transaktion generierte TAN mitgeteilt, zudem wird der Kunde aufgefordert, vor der Eingabe der TAN die Auftragsdaten zu kontrollieren und sich bei Abweichungen an den Kundenberater zu wenden, zudem wird auf die Geltung der Bedingungen für den Überweisungsverkehr hingewiesen.
4Am Abend des 27.05.2014 wurde vom Konto der Kläger eine Überweisung in Höhe von 9.659,40 € auf ein Konto der C Bank mit der IBAN XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX2 vorgenommen, als Kontoinhaber wurde ein T4 genannt. Der unter einer Sehschwäche leidende Kläger zu 2) hatte die ihm zuvor per SMS mitgeteilte TAN eingegeben, ohne die weiteren Hinweise der Nachricht gelesen zu haben.
5Nachdem der Kläger zu 2) unmittelbar nach der Überweisung die Abbuchung in Höhe von 9.659,40 € festgestellt hatte, rief er die Hotline der Beklagten an und erklärte einer Mitarbeiterin der Beklagten, dass die vorangegangene Überweisung nicht willentlich von ihm veranlasst worden sei, er forderte die Mitarbeiterin auf, alles erforderliche zu unternehmen, um die Überweisung zu stoppen. Ein von der Beklagten am 29.05.2014 um 9:19 Uhr vorgenommener SEPA-Rückruf wurde von der Empfängerbank nicht ausgeführt.
6Die Kläger erhielten von der Empfängerbank eine Überweisung in Höhe von 118,26 €. Mit Schreiben vom 04.08.2014 und 03.09.2014 forderten die Kläger die Beklagte zur Erstattung der 9.541,14 € auf, die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 13.08.2014 ab.
7Der Zugang eines Unbekannten zu der Transaktionsplattform des Online-Bankings der Beklagten war zu keinem Zeitpunkt gegeben, auf dem Rechner der Kläger war ein sogenannter Trojaner installiert.
8Die Kläger behaupten, der Kläger zu 2) habe am 27.05.2014 lediglich eine Probeüberweisung veranlassen wollen. Der Kläger zu 2) habe an dem besagten Tag zunächst die Absicht gehabt, eine Abfrage seines Kontostands vorzunehmen. Dabei sei aufgrund einer angeblichen Sicherheitsüberprüfung eine Probeüberweisung von ihm verlangt worden. Den ersten Versuch einer solchen Probeüberweisung habe der Kläger zu 2) abgebrochen. Danach habe er von der Beklagten eine SMS erhalten und sich ein zweites Mal beim Online-Banking angemeldet. Er sei erneut auf eine Sicherheitsprüfung hingewiesen worden und es sei eine neue TAN-SMS von der Beklagten eingegangen. Diese zweite TAN habe er dann zum Zwecke der Probeüberweisung eingegeben.
9Die Kläger sind der Ansicht, ihnen falle jedenfalls kein grob fahrlässiges Fehlverhalten zur Last, die Beklagte sei verpflichtet und in der Lage gewesen, den Überweisungsvorgang anzuhalten, alle diesbezüglichen Bemühungen seien verspätet gewesen.
10Die Kläger beantragen,
11die Beklagte zu verurteilen, an sie 9.541,14 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.08.2014 zu zahlen.
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Die Beklagte bestreitet die Behauptungen der Kläger zu den Vorgängen im Rahmen der Veranlassung der Überweisung mit Nichtwissen und behauptet, ein Anhalten des Überweisungsvorganges sei ihr nicht möglich gewesen. Die Beklagte ist der Ansicht, es liege ein autorisierter Überweisungsvorgang vor, das Verhalten des Klägers zu 2) sei jedenfalls grob fahrlässig gewesen und sie – die Beklagte – sei zu einem Eingriff in den Überweisungsvorgang weder befugt noch verpflichtet gewesen.
15Die Beklagte behauptet weiter, der Kläger zu 2) habe eine Vielzahl von Sicherheitshinweisen unbeachtet gelassen, sie ist der Ansicht, ihr stünde daher ein Schadensersatzanspruch gegen die Kläger zu, mit welchem sie aufrechne.
16Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die von ihnen eingereichten Schriftsätze mit allen Anlagen Bezug genommen.
17Entscheidungsgründe:
18Die Klage ist unbegründet.
19Den Klägern steht gegen die Beklagte kein Anspruch aus § 675 u Satz 2 BGB zu, denn es kann nicht davon ausgegangen werden, dass es sich vorliegend um einen nicht autorisierten Zahlungsvorgang gehandelt hat. Dabei kann dahinstehen, ob der Kläger zu 2), wie die Kläger behaupten, irrtümlich davon ausging, lediglich eine Probeüberweisung durchzuführen, mit der Folge, dass ihm dann möglicherweise das Erklärungsbewusstsein gefehlt hätte, denn durch sein Verhalten hat der Kläger zu 2) in zurechenbarer Weise gegenüber der Beklagten jedenfalls den Rechtsschein einer wirksamen Willenserklärung gesetzt. Für die Beklagte war nämlich in keiner Weise erkennbar, dass der ihr zugegangene Überweisungsauftrag seitens des Klägers zu 2) ohne Erklärungsbewusstsein abgegeben worden sein könnte, vielmehr durfte und musste sie davon ausgehen, dass einem mit korrekter TAN versehenem Überweisungsauftrag auch eine wirksame mit Erklärungsbewusstsein abgegebene Willenserklärung des Absenders zugrunde lag.
20Im Ergebnis nichts anderes ergibt sich auch unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Anfechtung dieser Willenserklärung des Klägers zu 2) in entsprechender Anwendung von § 119 Abs. 1 BGB. Dabei kann dahinstehen, ob die telefonische Erklärung des Klägers zu 2) gegenüber einer Mitarbeiterin der Beklagten als Anfechtung angesehen werden kann – worauf die Kläger sich bislang nicht berufen haben -, denn selbst wenn man dies so sähe und die Willenserklärung des Klägers zu 2) gem. § 142 BGB als nichtig anzusehen wäre, stünde einem hierauf gestützten Anspruch der Kläger aus § 657 u Satz 2 BGB jedenfalls die dolo-petit-Einrede der Beklagten entgegen, weil der Beklagten dann entsprechend § 122 Abs. 1 BGB ein Schadensersatzanspruch in gleicher Höhe zustünde, den sie dem Erstattungsverlangen des Klägers entgegenhalten könnte. Dieser Schadensersatzanspruch der Beklagten wäre nicht gem. § 122 Abs. 2 BGB ausgeschlossen, denn dem Kläger zu 2) fällt auch unter Zugrundelegung seines eigenen Vorbringens hinsichtlich der Umstände, die zur Absendung des Überweisungsauftrags geführt hat, jedenfalls Fahrlässigkeit zur Last. Dem Anspruch der Beklagten könnten die Kläger auch nicht den Einwand des Mitverschuldens gem. § 254 Abs. 1 BGB wegen einer unzureichenden oder verspäteten Beachtung der Mitteilung des Klägers zu 2) über seinen Irrtum entgegenhalten, denn der Beklagten ist insoweit ein relevantes Mitverschulden nicht anzulasten. Der Zahlungsauftrag war gem. § 675 p BGB nicht mehr widerrufbar, die Beklagte war aufgrund der vom Gesetzgeber verlangten beschleunigten Abwicklung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs weder berechtigt noch verpflichtet, in dem vom Kläger zu 2) ausgelösten automatisierten Zahlungsvorgang einzugreifen. Traf die Beklagte aber diesbezüglich keine Obliegenheit, so kann eine verbliebene verzögerte Reaktion auf Bitte des Klägers zu 2) über die irrtümliche Vornahme des Überweisungsauftrags auch kein Mitverschulden i.S.v. § 254 Abs. 1 BGB begründen.
21Sonstige Anspruchsgrundlagen, die das Begehren der Kläger stützen könnten, sind nicht ersichtlich. Es ergeben sich weder aus § 675 x Abs. 1 BGB noch aus § 675 y Abs. 1 BGB, da die in diesen beiden Vorschriften aufgeführten Voraussetzungen evidenterweise nicht vorliegen. Schließlich steht den Klägern aus den vorstehend aufgeführten Gründen auch kein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB gegen die Beklagte wegen einer unzureichenden oder verspäteten Reaktion auf die Mitteilung des Klägers zu 2) über seinen dem Überweisungsauftrag zugrunde liegenden Irrtum zu, da der Beklagten, wie vorstehend ausgeführt, insoweit keine Pflichtverletzung zur Last fällt.
22Die Klage unterliegt daher in vollem Umfang der Abweisung.
23Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 100 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
24Streitwert: 9.541,14 Euro.
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(1) Wer bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte, kann die Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde.
(2) Als Irrtum über den Inhalt der Erklärung gilt auch der Irrtum über solche Eigenschaften der Person oder der Sache, die im Verkehr als wesentlich angesehen werden.
(1) Ist eine Willenserklärung nach § 118 nichtig oder auf Grund der §§ 119, 120 angefochten, so hat der Erklärende, wenn die Erklärung einem anderen gegenüber abzugeben war, diesem, andernfalls jedem Dritten den Schaden zu ersetzen, den der andere oder der Dritte dadurch erleidet, dass er auf die Gültigkeit der Erklärung vertraut, jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus, welches der andere oder der Dritte an der Gültigkeit der Erklärung hat.
(2) Die Schadensersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Beschädigte den Grund der Nichtigkeit oder der Anfechtbarkeit kannte oder infolge von Fahrlässigkeit nicht kannte (kennen musste).
(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.
(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.