Landgericht Köln Urteil, 17. Dez. 2014 - 28 O 220/14
Gericht
Tenor
I. Der Beklagten wird es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen an dem Vorstand,
v e r b o t e n,
die folgenden Beiträge online zum Abruf bereitzuhalten, soweit in identifizierbarer Weise durch namentliche Nennung und/oder Bildnisveröffentlichungen über den Kläger berichtet wird:
a) 23.01.2012 (16:32 Uhr) [unter der Rubrik „E“] „Staatsanwaltschaft ermittelt auch gegen T“,
veröffentlicht unter www.ruhrachrichten.de
b) 26.1.2012 (19:54 Uhr) [unter der Rubrik „E“] „Y Star T: Handy beschlagnahmt“,
veröffentlicht auf www.anonym.de
c) 11.2.2001 (15:58 Uhr) [unter der Rubrik „E“] „Erstes Gutachten im Fall T“,
veröffentlicht auf www.anonym.de
d) 27.4.2012 (12:13 Uhr) [unter der Rubrik „E“] „Ermittlungsverfahren gegen T eingestellt“,
veröffentlicht unter www.anonym.de
e) 27.4.2012 (15:42 Uhr) [unter der Rubrik „die Region/NRW in Kürze“] „Ermittlungen gegen T wegen Missbrauchsvorwurf eingestellt“,
veröffentlicht unter www.anonym.de
II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 523,48 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.05.2014 zu zahlen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte
IV. Dieses Urteil ist gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Sicherheitsleistung beträgt für die Vollstreckung aus dem Unterlassungstenor 5.000,00 EUR und im Übrigen 110% des zu vollstreckenden Betrages.
1
Tatbestand
2Die Parteien streiten über die Rechtmäßigkeit der weiteren Bereithaltung einer Berichterstattung über ein gegen den Beklagten eingeleitetes und inzwischen eingestelltes Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft im Online Nachrichtenportal der Beklagten.
3Der ist Kläger ist ein deutschlandweit bekannter Fußballspieler der ersten Bundesliga.
4Die Beklagte betreibt unter der Internetadresse www.anonym.de das Internetportal der entsprechenden Tageszeitung „X“.
5Gegen den Kläger wurde Anfang des Jahres 2012 ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen gemäß § 179 StGB eingeleitet. Hintergrund war die Strafanzeige einer jungen Frau, die behauptete, nach einer Feier im Haus des Klägers von einem oder mehreren anwesenden Männern mit sogenannten K.O.-Tropfen betäubt und anschließend missbraucht worden zu sein.
6Im April 2012 stellte die Staatsanwaltschaft E das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger mangels hinreichenden Tatverdachts gem. § 170 Abs. 2 StPO ein.
7Die Beklagte berichtete auf o.g. Onlineportal wahrheitsgemäß und aktuell sowohl über die Einleitung als auch über die Einstellung des Ermittlungsverfahrens. Im Zeitraum von Januar bis April 2012 veröffentlichte sie die im Antrag näher benannten sechs Artikel. Wegen des konkreten Inhalts der Berichte wird Bezug genommen auf die Anlagen K9 und K3 bis K7 (Bl. 3 ff d.A.)
8Neben der Beklagten berichteten auch weitere bekannte Nachrichtenportale über diesen Sachverhalt.
9Die streitgegenständlichen Artikel sind derzeit noch im Online-Archiv der Beklagten abrufbar und durch eine gezielte Suche zum Ermittlungsverfahren über Suchmaschinen auffindbar.
10Die Artikel sind jeweils mit Datumsangaben gekennzeichnet.
11Nach Einstellung des Verfahrens ergänzte die Beklagte die Artikel vom 23. Januar 2012, vom 26. Januar 2012 und vom 11. Februar 2012 um eine Fußzeile, mit folgendem Inhalt: „Anmerkung der Redaktion: Bei dem Artikel handelt es sich um eine Archivberichterstattung vom […]. Das Ermittlungsverfahren gegen T wurde im April 2012 eingestellt.“
12Mit Schreiben vom 11.05.2012 wandte sich der Kläger zunächst außergerichtlich an die Beklagte und forderte sie auf, alle das Ermittlungsverfahren betreffenden Artikel aus dem Onlineportal zu löschen.
13Hierauf teilte die Beklagte mit Schreiben vom 16.05.2012 mit, die geforderte Löschung ohne Anerkennung einer Rechtspflicht vorzunehmen.
14Eine Löschung erfolgte jedoch nur hinsichtlich des von dem Kläger beispielhaft genannten Artikels vom 21.01.2012, in dem erstmalig über den Sachverhalt berichtet wurde.
15Auf die erneute Aufforderung des Klägers unter Nennung aller konkreten Artikel verweigerte die Beklagte die Löschung mit Schreiben vom 16.10.2012.
16Hierauf forderte der Kläger die Beklagte mit Schreiben vom 18.10.2012 zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf.
17Die Beklagte reagierte hierauf nicht.
18Dem Kläger sind durch die vorgerichtliche Inanspruchnahme Rechtsanwaltskosten i.H.v. 523,50 € entstanden.
19Der Kläger ist der Auffassung, die weitere Bereithaltung der oben genannten Artikel durch die Beklagte sei nach der Einstellung des Ermittlungsverfahrens rechtswidrig.
20Er meint, es bestehe kein überwiegendes öffentliches Interesse an der weiteren Bereithaltung der Artikel, da sich die Vorwürfe als falsch herausgestellt hätten und somit kein zeitgeschichtlich relevantes Geschehen vorliege. Er sei durch die Inhalte der Artikel öffentlich stigmatisiert und werde auf unabsehbar lange Zeit mit dem Vorwurf des sexuellen Missbrauchs bemakelt.
21Der Kläger beantragt,
221. es der Beklagten bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen an ihrer Geschäftsführung, zu untersagen, die folgenden Beiträge online zum Abruf bereitzuhalten, soweit in identifizierbarer Weise durch namentliche Nennung und/oder Bildnisveröffentlichungen über den Kläger berichtet wird:
2323.01.2012 (16:32 Uhr) [unter der Rubrik „E“] „Staatsanwaltschaft ermittelt auch gegen T“,
24veröffentlicht unter www.anonym.de
2526.1.2012 (19:54 Uhr) [unter der Rubrik „E“] „Y Star T: Handy beschlagnahmt“,
26veröffentlicht auf www.anonym.de
2711.2.2001 (15:58 Uhr) [unter der Rubrik „E“] „Erstes Gutachten im Fall T“,
28veröffentlicht auf www.anonym.de
2927.4.2012 (12:13 Uhr) [unter der Rubrik „E“] „Ermittlungsverfahren gegen T eingestellt“,
30veröffentlicht unter www.anonym.de
3127.4.2012 (15:42 Uhr) [unter der Rubrik „die Region/NRW in Kürze“] „Ermittlungen gegen T wegen Missbrauchsvorwurf eingestellt“,
32veröffentlicht unter www.anonym.de
332. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 523,48 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
34Die Beklagte beantragt,
35die Klage abzuweisen.
36Sie ist der Auffassung die weitere Bereitstellung der streitgegenständlichen Artikel sei rechtmäßig, da die Beklagte ausschließlich wahrheitsgemäß und vollständig berichtet habe und zudem für Leser ohne Weiteres erkennbar sei, dass es sich um „Altberichte“ handele.
37Aufgrund der Tatsache, dass auch andere Portale Artikel mit ähnlichem Inhalt bereitstellen, bestehe kein überwiegendes Interesse des Klägers an der Löschung der Artikel auf der Internetpräsenz der Beklagten.
38Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.
39Entscheidungsgründe
40Die zulässige Klage ist begründet.
41Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Unterlassungsanspruch gemäß § 823, 1004 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG zu, da die weitere Bereithaltung der angegriffenen Berichterstattung den Kläger bei fortbestehender Wiederholungsgefahr rechtswidrig in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt.
42Das Bereithalten der angegriffenen Artikel zum Abruf im Internet stellt einen Eingriff in das Persönlichkeitsrechts Klägers dar. Die Berichterstattungen über das Ermittlungsverfahren unter Namensnennung des Beschuldigten beeinträchtigt dessen Recht auf Schutz seiner Persönlichkeit und Achtung seines Privatlebens, da sie den Verdacht einer besonders schweren Verfehlung des Beschuldigten öffentlich macht.
43Auch wenn aus den Äußerungen in der Gesamtbetrachtung erkennbar wird, dass es sich lediglich um einen Verdacht handelte und das Ermittlungsverfahren mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt wurde, haftet dem Betroffenen gleichwohl der Makel an, dass an der Sache etwas „dran“ sein könnte. Insbesondere wenn der Verdacht einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung im Raum steht, droht auch bei Einstellung des Verfahrens eine besondere Stigmatisierung des Beschuldigten.
44Die jederzeitige Abrufbarkeit der Artikel für jeden interessierten Internetnutzer begründet einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers von hohem Gewicht.
45Bei der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts handelt es sich um einen sogenannten offenen Tatbestand, d.h. die Rechtswidrigkeit ist nicht durch die Tatbestandsmäßigkeit indiziert, sondern im Rahmen einer Gesamtabwägung der widerstreitenden Interessen unter sorgfältiger Würdigung aller Umstände des konkreten Einzelfalles und Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit positiv festzustellen (Palandt, BGB, § 823 Rn. 95 m.w.N.). Das allgemeine Persönlichkeitsrecht wird nicht vorbehaltlos gewährleistet sondern durch die verfassungsmäßige Ordnung und Rechte anderer beschränkt. Insoweit stehen sich hier das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 1, 2 GG) und das Recht auf Presse- und Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) gegenüber. Für die gebotene Abwägung haben sich dabei Leitlinien entwickelt, nach denen es für die Zulässigkeit einer Äußerung im Regelfall maßgeblich darauf ankommt, ob es sich um Tatsachenbehauptungen oder Meinungsäußerungen handelt. Während Meinungsäußerungen in der Regel bis zur Grenze der Schmähkritik oder Formalbeleidigung zulässig sind, müssen jedenfalls unwahre Tatsachenbehauptungen in der Regel nicht hingenommen werden. Handelt es sich hingegen um wahre Tatsachen, sind diese grundsätzlich zulässig, auch wenn sie nachteilig sind.
46Allerdings kann auch eine wahre Darstellung das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletzen, wenn sie einen Persönlichkeitsschaden anzurichten droht, der außer Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die Aussagen geeignet sind, eine erhebliche Breitenwirkung zu entfalten und eine besondere Stigmatisierung des Betroffenen nach sich zu ziehen, so dass sie zum Anknüpfungspunkt für eine soziale Ausgrenzung und Isolierung zu werden drohen (vgl. BVerfGE 97, 391, 404 f.; BVerfG AfP 2009, 365 Rn. 17, BGH, Urteil vom 15. Dezember 2009 – VI ZR 227/08 –, BGHZ 183, 353-366)
47Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze überwiegt das Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit und der Achtung seines Privatlebens vorliegend gegenüber dem von der Beklagten verfolgten Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung.
48Im vorliegenden Fall handelt es sich zwar unstreitig um eine wahre Tatsachenberichterstattung.
49Dem Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit kommt jedoch erhöhtes Gewicht zu, da das Ermittlungsverfahren inzwischen mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt wurde und hierdurch belegt ist, dass der Kläger keine Verfehlung begangen hat. Damit sinkt gleichzeitig auch das berechtigte öffentliche Interesse an der Berichterstattung.
50Andererseits tritt letzteres nicht vollständig zurück, da es sich bei dem Kläger um eine in der Öffentlichkeit sehr bekannte Person handelt und die Berichterstattung über den Gang des Ermittlungsverfahrens der Wahrheit entspricht. Die Medien nehmen ihre Aufgabe, in Ausübung der Meinungsfreiheit die Öffentlichkeit zu informieren und an der demokratischen Willensbildung mitzuwirken auch dadurch wahr, dass sie nicht mehr aktuelle Veröffentlichungen für interessierte Mediennutzer bereithalten und damit über abgeschlossene Sachverhalte informieren (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2009 – VI ZR 227/08 –, BGHZ 183, 353-366).
51Nach Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen, ist das weitere Bereithalten der Artikel als unzulässig zu erachten.
52Dabei war zu Gunsten der Beklagten zu berücksichtigen, dass die Berichterstattung ursprünglich nach den Grundsätzen der Verdachtsberichtserstattung zulässig war, die Artikel erkennen lassen, dass es sich um sog. „Altmeldungen“ handelt und dass das Ermittlungsverfahren inzwischen eingestellt wurde und diese nur noch durch eine gezielte Suche auffindbar sind.
53Die Berichterstattung über das Ermittlungsverfahren war ursprünglich nach Grundsätzen der Verdachtsberichterstattung zulässig. Die Artikel gaben wahrheitsgemäß und vollständig den jeweils aktuellen Stand der Ermittlungen wieder und wahrten die gebotene Neutralität. Sie lassen erkennen, dass es sich nicht um einen eigenen, sondern einen fremden Verdacht handelt. Es findet keine Vorverurteilung oder negative „Stimmungsmache“ gegen den Kläger statt, so dass die Unschuldsvermutung beachtet wird.
54So wird z.B. in dem Artikel vom 23.01.2012 der Rechtsanwalt des Klägers wie folgt wiedergegeben: „Es bestehe lediglich ein Anfangsverdacht, aber kein konkreter Tatverdacht.“.
55Des Weiteren wird auf den Hinweis der Staatsanwaltschaft verwiesen, nach dem „eine Bewertung der Verdachtslage erst möglich sei, wenn die am 19. Januar gesicherten Spuren untersucht und die Ergebnisse dieser Untersuchung ausgewertet sind“. Schließlich zitiert der Autor sogar den Apell der Staatsanwaltschaft an die Medien, von Vorverurteilungen in die eine wie in die andere Richtung abzusehen. In dem Artikel vom 26.01.2012, in dem über die Beschlagnahme des Handys des Klägers berichtet wird, heißt es: „Möglicherweise war sie während der Party wehrlos geworden – ob durch Alkoholgenuß oder K.O.-Tropfen, ist unklar. Wie so viel anderes.“. Auch in diesem Artikel wird der Anwalt der Klägers mit den Worten zitiert: „Was meinen Mandanten betrifft, bin ich sehr optimistisch“.
56Hieraus wird deutlich, dass sich der Anfangsverdacht bisher nicht erhärtet hat, sondern dass es sich nach wie vor um Mutmaßungen handelt.
57Darüber hinaus hat die Beklagte auch aktuell über entlastende Umstände für den Kläger berichtet. So behandelt der Artikel vom 11.02.2012 ein von der Staatsanwaltschaft eingeholtes medizinisches Gutachten, das keinen Zusammenhang zu dem Kläger erkennen lässt. Dort heißt es: „Erst gravierende Vorwürfe, nun eine erste Entlastung: Ein medizinisches Gutachten spricht offenbar nicht dafür, dass im Haus von Y-Profi T eine junge Frau mit K.O.-Tropfen betäubt wurde“.
58Schließlich hat die Beklagte am 24.04.2012 zwei Artikel über die Einstellung des Ermittlungsverfahrens veröffentlicht. Dort ist erkennbar, dass das Verfahren mangels hinreichenden Tatverdachts und nicht etwa aus anderen Gründen eingestellt wurde.
59Dort heißt es:
60„Der Verdacht […] hat sich nach Informationen unserer Redaktion nicht bestätigt. Daher wurde das Verfahren eingestellt.“
61und
62„Vor diesem Hintergrund lägen ausreichende Beweise für einen Missbrauch Widerstandsunfähiger nicht vor“.
63Insgesamt wird durch die Berichterstattung stets klargestellt, dass es sich lediglich um einen Verdacht handelt und der Kläger der ihm vorgeworfenen Handlung nicht überführt ist. Es wurde der jeweilige Stand des Ermittlungsverfahrens berücksichtig, wobei über die Einstellung nicht wesentlich unauffälliger als über die Einleitung des Ermittlungsverfahrens berichtet wurde.
64Die Berichterstattung war ursprünglich auch unter Namensnennung des Klägers zulässig. Ein öffentliches Interesse an der Identifizierbarkeit des Beschuldigten kann sich bereits aus der allgemeinen Stellung der Person selbst ergeben. Dies ist hier der Fall, da es sich bei dem Kläger, als öffentlich bekanntem Profi-Fußballspieler, um eine Person der Zeitgeschichte handelt.
65Zudem kommt eine Namensnennung auch dann in Betracht, wenn es sich um eine Straftat handelt, die die Öffentlichkeit besonders berührt (BGH, Urteil vom 17. März 1994 – III ZR 15/93 NJW 1994, 1950, Urteil vom 07. Dezember 1999 – VI ZR 51/99, NJW 2000, 1036, 1038). Bei einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung dürfte dies stets zu bejahen sein.
66Durch die spätere Einstellung des Ermittlungsverfahrens ist die frühere Berichterstattung nicht nachträglich unzulässig geworden (OLG Düsseldorf, Urt. v. 27. Oktober 2010 – I-15 U 79/10, NJW 2011, 788)).
67Die Beklagte hat im weiteren Verlauf erkennbar gemacht, dass es sich bei den Artikeln um sog. „Altmeldungen“ handelt. Es befindet sich jeweils eine „Anmerkung der Redaktion“ unter dem Artikel, in der es heißt: „Bei dem Artikel handelt es sich um eine Archivberichterstattung vom […]. Das Ermittlungsverfahren gegen T wurde eingestellt“. Damit ist für jeden Leser klar, dass die Berichterstattung keinen aktuellen Bezug mehr aufweist und dass es sich um einen abgeschlossenen Sachverhalt handelt. Die Beklagte hat damit die erforderliche Nachsorge betrieben. Die Gefahr, dass beim Leser der Eindruck entsteht, die Berichterstattung weise noch einen aktuellen Bezug auf, besteht nicht.
68Hinzu tritt der Umstand, dass die streitgegenständlichen Artikel nur durch eine gezielte Suche nach dem Ermittlungsverfahren auffindbar sind. Diese sind nicht auf der aktuellen Startseite www.anonym.de zu finden, sondern lediglich im Archiv. Derartige Berichterstattung auf sogenannten „passiven Darstellungsplattformen“ werden typischerweise nur von solchen Nutzern zur Kenntnis genommen, die sich selbst aktiv informieren (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 26. August 2003 – 1 BvR 1003/02, NJW 2003, 2818, 2819). Nutzer, die die Seite aufrufen, um sich über aktuelle Geschehnisse zu informieren, werden mit den Artikeln in der Regel nicht zufällig konfrontiert.
69Bei der Eingabe des bloßen Namens des Beklagten in eine Suchmaschine tauchen die Artikel auf den ersten Seiten der Suchergebnisse nicht auf. Es muss gezielt nach dem Zusatz „Ermittlungsverfahren“ gesucht werden, um zu der betreffenden Berichterstattung zu gelangen. Dementsprechend besteht hier eine nur geringe Breitenwirkung. Im Regelfall werden nur Nutzer, die ohnehin schon Kenntnis von dem Ermittlungsverfahren erlangt haben, die Artikel lesen. Die Gefahr einer unkontrollierten Ausbreitung besteht damit nicht in erhöhtem Maße.
70Obwohl die Beklagte damit im Rahmen der Berichterstattung ihren Sorgfaltspflichten in erforderlichem Umfang nachgekommen ist, ist dem Schutz des Persönlichkeitsrechts der Klägers vor der weiteren Konfrontation mit den sich als nicht haltbar herausgestellten Vorwürfen im konkreten Einzelfall der Vorrang einzuräumen.
71Auch bei geringer Breitenwirkung ist der einmal bestehende Verdacht der Begehung einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung in besonders hohem Maß geeignet, in der Öffentlichkeit eine Prangerwirkung zu erzeugen.
72Solange die Artikel online abrufbar sind, besteht auch weiterhin die Gefahr, dass der Kläger jederzeit mit den damaligen Verdächtigungen konfrontiert wird. Da aber aufgrund der Einstellung mangels hinreichenden Tatverdachts davon auszugehen ist, dass der Kläger hierfür in keiner Weise eigenverantwortlich durch sein Handeln die Ursache gesetzt hat, ist sein Recht mit diesem Sachverhalt „in Ruhe gelassen“ zu werden als besonders schutzwürdig zu bewerten. Der vorliegende Fall in damit nicht mit der Situation der Berichterstattung über einen verurteilten Straftäter zu vergleichen, in dem maßgeblich war, ob die weitere Berichterstattung eine Resozialisierung verhindern könnte. Hier geht es im Ausgangspunkt um die Gefahr eine soziale Ausgrenzung erst herbeizuführen, in dem die Beiträge über einen nicht mehr bestehenden Verdacht weiterhin verbreitet werden.
73Auch wenn den Lesern gleichzeitig mitgeteilt wird, dass die Ermittlungen eingestellt wurden, besteht stets das Risiko, dass in der öffentlichen Meinung ein gewisser Verdacht bestehen bleibt, der bei der hier im Raum stehenden Tat besonders schwerwiegend ist. Dies wird auch nicht dadurch verhindert, dass die Artikel grundsätzlich nur durch gezielte auffindbar sind. Die Möglichkeit, dass die Beiträge zufällig entdeckt oder weiterversendet werden, kann durch die Beklagte nicht ausgeschlossen werden. Zudem entzieht es sich der Kontrolle der Parteien, inwiefern und an welcher Stelle die Artikel in Suchmaschinen wie "Google" aufgelistet werden. Dies hat der Kläger unter Berücksichtigung der sich entgegenstehenden Interessen nicht hinzunehmen.
74Der Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten folgt ebenfalls aus § 823 Abs. 1 BGB.
75Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 BGB.
76Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
77Streitwert: 20.000,00 Euro
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Annotations
(1) Bieten die Ermittlungen genügenden Anlaß zur Erhebung der öffentlichen Klage, so erhebt die Staatsanwaltschaft sie durch Einreichung einer Anklageschrift bei dem zuständigen Gericht.
(2) Andernfalls stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Hiervon setzt sie den Beschuldigten in Kenntnis, wenn er als solcher vernommen worden ist oder ein Haftbefehl gegen ihn erlassen war; dasselbe gilt, wenn er um einen Bescheid gebeten hat oder wenn ein besonderes Interesse an der Bekanntgabe ersichtlich ist.
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.
(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 und des § 289 Satz 1 finden entsprechende Anwendung.
(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.
(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.
(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.
(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.