Landgericht Köln Urteil, 08. Juli 2014 - 27 O 16/14
Gericht
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des beizutreibenden Betrages.
1
Tatbestand:
2Der Kläger ist der Insolvenzverwalter über das Vermögen der L Bau GmbH.
3Mit Bauvertrag vom 15.02.2012 beauftragte die Beklagte die Firma L mit der Ausführung von Rohbauarbeiten bei dem Bauvorhaben der O-Bank in Köln. Die Geltung der VOB/B wurde vereinbart. In § 9 Abs. 2 des Bauvertrages war vereinbart: „Zur Sicherung sämtlicher Mängelansprüche des Auftraggebers wird eine Sicherheit i.H.v. 5 % der geprüften Nettoabrechnungssumme der Schlussrechnung vereinbart. Die Sicherheit wird von der Schlusszahlung einbehalten. Eine Ablösung des Einbehalts durch eine unbefristete, unwiderrufliche und selbstschuldnerische Bürgschaft eines Kreditversicherers oder Kreditinstituts gemäß § 17 Abs. 2 VOB/B, in der der Bürge auf die Einrede der Anfechtung und Vorausklage verzichtet, ist möglich. Im übrigen gelten die Bestimmungen des § 17 VOB/B.“
4Die Firma L führte die Leistungen in der Folgezeit aus; sie wurden von der Beklagten abgenommen. Mit Schlussrechnung vom 25.04.2013 rechnete die Firma L ihre Leistungen ab. Die Schlussrechnung wurde von der Beklagten geprüft. Von dem von ihr ermittelten Nettobetrag in Höhe von 334.975,76 € behielt die Beklagte 5 % = 16.748,79 € als Sicherheit für Mängelansprüche gemäß der Vereinbarung in § 9 Abs. 2 des Vertrages ein.
5Der Kläger meint, der Sicherheitseinbehalt sei zu Unrecht erfolgt, da die Vertragsklausel in § 9 Abs. 2 unwirksam sei, weil sie gegen Grundsätze des Rechts der allgemeinen Geschäftsbedingungen verstoße. Sie sei gemäß § 307 Abs. 2 BGB nichtig. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung seien nämlich die Vereinbarung eines Gewährleistungseinbehalts von 5 % der Auftragssumme in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers eine unangemessene Benachteiligung des Auftragnehmers entgegen den Geboten von Treu und Glauben, sofern dem Auftragnehmer kein angemessener Ausgleich dafür zugestanden werde, dass er den Werklohn nicht sofort ausgezahlt bekomme, das Bonitätsrisiko für die Dauer der Gewährleistungsfrist tragen müsse und ihm die Liquidität sowie die Verzinsung des Werklohns vorenthalten werde. Die vorliegend der Firma L eingeräumte Möglichkeit, den Einbehalt durch Hingabe einer wie oben näher beschriebenen Bürgschaft abzulösen, sei in diesem Sinne kein angemessener Ausgleich. Zu der von der Beklagten erklärten Hilfsaufrechnung behauptet der Kläger, die fraglichen Rechnungen seien teilweise bereits ausgeglichen; auf den diesbezüglichen Vortrag des Klägers in seinem Schriftsatz vom 06.09.2013 wird Bezug genommen. Zur Rechnung vom 28.03.2013 behauptet der Kläger, dass der Minibagger lediglich deshalb in der Baugrube verblieben sei, weil die Beklagte die Firma X, die den Bagger gestellt habe, nicht angewiesen habe, diesen aus der Baugrube abzutransportieren. Der Kläger meint, dass die genannte Rechnung daher unberechtigt sei.
6Der Kläger beantragt,
7die Beklagte zu verurteilen, an ihn 16.748,49 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.05.2013 zu zahlen.
8Die Beklagte beantragt,
9die Klage abzuweisen.
10Die Beklagte meint, zum Sicherheitseinbehalt berechtigt zu sein. Hilfsweise erklärt die Beklagte in Höhe von 9.274,85 € die Aufrechnung mit Gegenforderungen aus drei Rechnungen vom 28.03.2013, 07.02.2013 und 30.01.2013 über Maschinenmieten der Firma L bei der Beklagten. Auf die Darstellung der Gegenforderungen durch die Beklagte (Bl. 52, 128-129 d.A.) wird Bezug genommen. Bezüglich der Rechnung vom 28.03.2013 behauptet die Beklagte, von der Firma L nicht informiert worden zu sein, die Firma X wegen eines vorzeitigen Abtransport des Baggers zu kontaktieren. Eine Weigerung der Firma X zum Abtransport sei der Beklagten nicht bekannt.
11Entscheidungsgründe:
12Die Klage ist derzeit unbegründet.
13Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen fälligen Anspruch auf Auszahlung des einbehaltenen Werklohns nach §§ 631 Abs. 1 BGB, 2 VOB/B.
14Die Entstehung des Werklohnanspruchs der Firma L gegen die Beklagte ist zwischen den Parteien nicht streitig. Es ist lediglich streitig, ob die Beklagte zu einem Sicherheitseinbehalt berechtigt ist.
15Im Ergebnis begegnet der Sicherheitseinbehalt keinen Bedenken.
16Bei der fraglichen Klausel handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung der Beklagten; hiervon gehen auch beide Parteien aus.
17Zutreffend beruft sich der Kläger zunächst auf den in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsatz, wonach die Vereinbarung eines Gewährleistungseinbehalts von 5 % der Auftragssumme in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers eine unangemessene Benachteiligung des Auftragnehmers entgegen den Geboten von Treu und Glauben ist (und somit die Voraussetzungen des § 307 Abs. 2 BGB für die Nichtigkeit einer derartigen Klausel erfüllt), sofern dem Auftragnehmer kein angemessener Ausgleich dafür zugestanden wird, dass er den Werklohn nicht sofort ausgezahlt bekommt, das Bonitätsrisiko für die Dauer der Gewährleistungsfrist tragen muss und ihm die Liquidität sowie die Verzinsung des Werklohns vorenthalten wird (vgl. nur BGHZ 136, 27).
18Soweit der Kläger zahlreiche weitere Entscheidungen für seine Auffassung heranzieht, die Möglichkeit einer Ablösung des Sicherheitseinbehalts durch Hingabe einer unbefristeten, unwiderruflichen und selbstschuldnerischen Bürgschaft unter Verzicht auf die Einreden der Anfechtung und Vorausklage, sei kein angemessener Ausgleich in diesem Sinne, vermag er hiermit indes nicht zu überzeugen.
19Die Ansicht des Klägers findet nämlich in der der Kammer zugänglichen Rechtsprechung keine Stütze.
20Die vom Kläger in Bezug genommenen Entscheidungen lassen sich auf den vorliegenden Fall schon deshalb nicht übertragen, weil sie Bürgschaften anderer Ausgestaltung betreffen.
21Während es hier geht es um den formularmäßigen Verzicht auf die Einrede der Anfechtbarkeit (§ 770 Abs. 1 BGB) und der Vorausklage (§ 771 BGB) geht, ist Gegenstand der zitierten Entscheidungen zumeist der Verzicht auch auf die Einrede der Aufrechenbarkeit (§ 770 Abs. 2 BGB). Dies gilt u.a. für die Entscheidungen BGH NJW 2003, 1521 und OLG Frankfurt a.M. IBR 2013, 26. Weitere Entscheidungen betreffen Bürgschaften auf erstes Anfordern, d.h. solche, bei denen sämtliche Einreden (außer § 242 BGB) ausgeschlossen sind. Dies gilt u.a. für die Entscheidungen BGHZ 136, 27 = BGH NJW 1997, 2598; OLG Karlsruhe BauR 2004, 1165 und OLG Frankfurt a.M. IBR 2013, 617. Die Entscheidung BGH BauR 2009, 1742 = NZBau 2009, 784 betrifft eine Bürgschaft mit Verzicht auf sämtliche Einreden des § 768 BGB. Im Ergebnis beziehen sich alle diese Entscheidungen auf Bürgschaften, bei denen die Rechte des Bürgen weitergehend eingeschränkt waren als im vorliegenden Fall, in dem nämlich insbesondere die Einrede der Aufrechenbarkeit nicht ausgeschlossen ist.
22Eine Juris-Recherche der Kammer mit den Stichworten „Sicherheitseinbehalt“, „Anfechtbarkeit“ und „Vorausklage“ ergab, dass sich sämtliche hierzu nachgewiesenen Entscheidungen zu Bürgschaften verhalten, in denen – anders als hier – zumindest auch die Aufrechenbarkeit ausgeschlossen war. Diese Entscheidungen sind daher auf den vorliegenden Fall ebenfalls nicht übertragbar.
23Soweit sich der Kläger auch auf die Entscheidung OLG Hamm IBR 2013, 200 bezogen hat, wonach bereits der Umstand, das dem Auftragnehmer lediglich eine Ablösung des Sicherheitseinbehalts durch Hingabe einer (wie auch immer gearteten) Bürgschaft unangemessen benachteiligend sei, ist diese Entscheidung – soweit ersichtlich – vereinzelt geblieben; zudem lässt sich der vom OLG Hamm gezogene Schluss gerade nicht auf die dort zitierten Entscheidungen BGH BauR 2009, 1742 = NZBau 2009, 784 und BGHZ 136, 27 = BGH NJW 1997, 2598 stützen; die genannten Entscheidungen betrafen nämlich – wie bereits ausgeführt – Bürgschaften auf erstes Anfordern bzw. Bürgschaften mit einem Verzicht auf sämtliche Einreden des § 768 BGB.
24Der Kläger hat auch keine Argumente dafür vorgebracht, wieso der hier vorliegende Fall – im Wege der Rechtsfortentwicklung – ebenso behandelt werden soll wie diejenigen Fälle, die den eingangs zitierten Entscheidungen zugrunde lagen. Ein sachlicher Grund für eine solche Gleichbehandlung ist auch nicht ersichtlich. Dem Beklagten bleiben ausreichende Einredemöglichkeiten erhalten. Insbesondere die in der Praxis wichtige Einrede der Aufrechenbarkeit wird ihm nicht genommen.
25Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.
26Der Streitwert wird auf 16.748,49 EUR festgesetzt.
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(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
- 1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder - 2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.
(1) Durch den Werkvertrag wird der Unternehmer zur Herstellung des versprochenen Werkes, der Besteller zur Entrichtung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.
(2) Gegenstand des Werkvertrags kann sowohl die Herstellung oder Veränderung einer Sache als auch ein anderer durch Arbeit oder Dienstleistung herbeizuführender Erfolg sein.
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
- 1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder - 2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.
(1) Der Bürge kann die Befriedigung des Gläubigers verweigern, solange dem Hauptschuldner das Recht zusteht, das seiner Verbindlichkeit zugrunde liegende Rechtsgeschäft anzufechten.
(2) Die gleiche Befugnis hat der Bürge, solange sich der Gläubiger durch Aufrechnung gegen eine fällige Forderung des Hauptschuldners befriedigen kann.
Der Bürge kann die Befriedigung des Gläubigers verweigern, solange nicht der Gläubiger eine Zwangsvollstreckung gegen den Hauptschuldner ohne Erfolg versucht hat (Einrede der Vorausklage). Erhebt der Bürge die Einrede der Vorausklage, ist die Verjährung des Anspruchs des Gläubigers gegen den Bürgen gehemmt, bis der Gläubiger eine Zwangsvollstreckung gegen den Hauptschuldner ohne Erfolg versucht hat.
(1) Der Bürge kann die Befriedigung des Gläubigers verweigern, solange dem Hauptschuldner das Recht zusteht, das seiner Verbindlichkeit zugrunde liegende Rechtsgeschäft anzufechten.
(2) Die gleiche Befugnis hat der Bürge, solange sich der Gläubiger durch Aufrechnung gegen eine fällige Forderung des Hauptschuldners befriedigen kann.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
(1) Der Bürge kann die dem Hauptschuldner zustehenden Einreden geltend machen. Stirbt der Hauptschuldner, so kann sich der Bürge nicht darauf berufen, dass der Erbe für die Verbindlichkeit nur beschränkt haftet.
(2) Der Bürge verliert eine Einrede nicht dadurch, dass der Hauptschuldner auf sie verzichtet.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.