Landgericht Köln Urteil, 16. Sept. 2015 - 26 O 187/14
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin wird verurteilt, der Beklagten einen Buchauszug in Form einer geordneten Zusammenstellung über alle Versicherungsverträge zu erteilen, die die Beklagte in dem Zeitraum vom 1.1.2011 bis 20.6.2014 an die Klägerin vermittelt hat. Der Buchauszug muss dabei folgende Angaben erhalten:
h. Mögliche Vertragsänderungen
aa. Datum der Vertragsänderung
bb. Art der Vertragsänderung
cc. Grund der Vertragsänderung
i. im Kündigungsfall
aa. Datum der Stornierung/Kündigung
cc. Art der ergriffenen Vertragserhaltungsmaßnahme einschließlich des Nachweises von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen
dd. Stornierungsgrund
ee. Höhe und Fälligkeit der offenen Prämien/Beitragszahlungen
j. Stornoreserve
aa. Höhe der Stornoreserve
bb. Haftungszeit jedes Vertrages, für den Stornoreserve einbehalten wurde.
Zu den Widerklageanträge zu a) bis f) ist die Widerklage erledigt.
Im übrigen wird die Widerklage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, hinsichtlich das Anspruchs auf Erteilung des Buchauszuges gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2.000,- €, im übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
1
T A T B E S T A N D :
2Die Klägerin, ein Allfinanzdienstleistungsunternehmen, das seinen Kunden als Maklerin Versicherungsverträge und sonstige Finanzprodukte vermittelt, verlangt von der Beklagten, die als Handelsvertreterin für sie tätig war, Rückzahlung vorschüssig ausgezahlter Vermittlungsprovisionen und weiterer Vorschüsse.
3Die Parteien schlossen mit Wirkung ab 1.7.2011 einen eine vorhergehende Vereinbarung ersetzenden „Vertriebspartnervertrag“ (Anlage S&P 01, im Anlagenordner), in dessen § 5 die Vergütung geregelt ist, die der Vertreter in Form von Courtagen für vermittelte und bestandskräftige Verträge erhält und über die einmal monatlich von der Klägerin eine Courtageabrechnung erstellt wird. In Absatz (4) heißt es dort insoweit:
4„Die Courtageabrechnung wird einmal monatlich jeweils bis zum fünften Arbeitstag des Folgemonats vorgenommen und enthält sämtliche fälligen Gutschriften und Belastungen. Ausgewiesene Guthaben werden dem Vertriebspartner auf ein von ihm zu benennendes Konto überwiesen. Ein Sollsaldo ist vom Vertriebspartner auf erste Anforderung innerhalb von 10 Tagen zum Ausgleich zu bringen. Einwendungen gegen die Courtageabrechnung müssen innerhalb eines Monats nach Empfang der Abrechnung geltend gemacht werden, anderenfalls gilt die Berechnung vom Vertriebspartner als anerkannt. D wird auf diese Folge in der jeweiligen Abrechnung gesondert hinweisen. Während dieser Zeit hat der Vertriebspartner das Recht, auf seine Kosten bei D Einsicht in die von der Rüge betroffene Abrechnung mit den Kooperationspartnern zu nehmen. Der Vertriebspartner erklärt sich einverstanden, dass ihm die Abrechnung in elektronischer Form im D-Vertriebsportal zur Verfügung gestellt wird. Er verzichtete ausdrücklich auf eine postalische Zusendung der Abrechnung.“
5Gegenstand des Vertragsverhältnisses ist ferner die Courtageordnung (Bl. 122 d.A.), in der es unter Ziffer 3 (3) u.a. heißt:
6„Übersteigt der monatliche Courtageanspruch die Höhe des monatlichen Courtagevorschusses, so wird der übersteigende Anteil zur Rückführung des bereits gezahlten Courtagevorschusses einbehalten. Bei Beendigung des Vertriebspartnervertrages wird der noch nicht verdiente Courtagevorschuss sofort zur Rückzahlung fällig.“
7Die Klägerin erstellte regelmäßige Abrechnungen des Provisionskontos (Anlage S&P 02, im Anlagenordner), das seit der Abrechnung September 2011 einen Negativsaldo aufwies.
8Mit Datum vom 19./20.3.2012 schlossen die Parteien eine Vereinbarung (Anlage S&P 03, im Anlagenordner), in der es unter Ziffer 2 heißt:
9„Der Vertriebspartner erkennt den per 29.2.2012 bestehenden Sollsaldo auf seinem Courtagekonto in Höhe von 24.000,00 € dem Grunde und der Höhe nach ausdrücklich an. Er erkennt damit an, der D den vorgenannten Betrag zu schulden.“
10Am 28.11.2012 erklärte die Beklagte die Kündigung des Vertragsverhältnisses, die die Klägerin mit Schreiben vom 28.11.2012 (Bl. 34 d.A.) – spätestens – zum 28.2.2013 bestätigte und zugleich Zahlung eines offenen Sollsaldos des Courtagekontos von 28.532,41 € bis zum 10.12.2012 forderte.
11Mit Anwaltsschreiben vom 10.12.2012 (Bl. 35 ff d.A.) ließ die Beklagte einen Nachweis der Höhe der Forderung und die Übersendung eines qualifizierten Buchauszuges verlangen.
12Die Klägerin erklärte mit Schreiben vom 11.12.2012 (Bl. 38 d.A.) mangels Reaktion auf ihr Schreiben vom 28.11.2012 und im Hinblick auf eine offensichtliche Einstellung der Vermittlerleistung eine Abmahnung und drohte für den Fall der Nichtzahlung und der Wiederaufnahme der Vermittlertätigkeit bis zum 17.12.2012 die fristlose Kündigung an.
13Die Beklagte widersprach mit Anwaltsschreiben vom 13.12.2012 (Bl. 39 f d.A.) der Abmahnung und wies sie mit weiterem Anwaltsschreiben vom 14.12.2012 (Bl. 41 d.A.) mangels Vorlage einer Originalvollmacht zurück.
14Am 27.12.2012 (Bl. 347 d.A.) sprach die Klägerin die fristlose Kündigung des Vertragsverhältnisses nebst sämtlicher Zusatzvereinbarungen und wies unter Beifügung eines Infoblattes darauf hin, dass für die Beklagte weiterhin die Möglichkeit bestehe, über einen gesonderten Zugang auf das D-Portal zuzugreifen.
15Mit Schreiben vom 10.1.2013 (Bl. 64 d.A.) teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass der angeforderte Buchauszug in ihren Büroräumen in Wiesbaden zur Abholung bereit liege, und bat um eine Terminvereinbarung zu dessen Abholung.
16Mit Schreiben vom 25.6.2013 (Anlage S&P 04, im Anlagenordner) forderte die Klägerin die Beklagte zu Zahlung eines sich aus dem Courtagekonto ergebenden Sollsaldos in Höhe von 27.046,70 € auf.
17Die Abrechnung vom 1.4.2014 weist einen Sollsaldo von 34.821,62 € aus, die Abrechnung vom 18.3.2015 einen solchen von 39.624,47 €.
18Die Klägerin ist der Ansicht, bei einer vorliegenden Klage aus einem Kontokorrentverhältnis sei die Bezugnahme auf die letzte Abrechnung mit dem dort ausgewiesenen Betrag ausreichend. Ihr Anspruch ergebe sich auch aus abstraktem Schuldanerkenntnis, da die Beklagte den Abrechnungen nicht innerhalb der vereinbarten einmonatigen Frist widersprochen habe.
19In dem Antrag der Klägerin auf Erlass eines Mahnbescheides über 34.492,79 € nebst Kosten und Zinsen hat sie als Abgabegericht das Landgericht Köln bezeichnet. Gegen den ihr am 3.3.2014 zugestellten Mahnbescheid hat die Beklagte fristgerecht Widerspruch eingelegt.
20Mit Schriftsatz vom 21.7.2015 beantragt die Klägerin, den Rechtsstreit im Hinblick auf eine Gerichtsstandsvereinbarung in § 12 Ziffer 5 des Vertriebspartnervertrages an das Landgericht Augsburg zu verweisen
21Die Klägerin hat zunächst beantragt die Beklagte zu verurteilen,
22an sie 34.821,62 € nebst Zinsen in Höhe von 8% für das Jahr aus 27.046,70 € seit dem 9.7.2013 und im übrigen seit Rechtshängigkeit (28.5.2014) zu zahlen.
23Mit Schriftsatz vom 8.6.2015 beantragt sie die Beklagte zu verurteilen,
24an sie 39.24,47 € € nebst Zinsen in Höhe von 8% für das Jahr aus 27.046,70 € seit dem 9.7.2013 und im übrigen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
25Die Beklagte beantragt,
26die Klage abzuweisen
27Die Beklagte ist der Ansicht, es handele sich nicht um ein Kontokorrentverhältnis, da nur ein Verrechnungskonto geführt werde. In dem Unterlassen von Widersprüchen gegen die Kontoabrechnungen sei kein abstraktes Schuldanerkenntnis zu sehen. Die Regelung zur Rückzahlung bei Vertragsbeendigung sei nichtig. Da die von der Klägerin ausgesprochene Kündigung mangels eines belegten Sollsaldos oder einer Untätigkeit unwirksam sei, bestehe ein Anspruch auf Bestandspflegeprovisionen. Sie behauptet, auf das Portal der Klägerin jedenfalls nicht uneingeschränkt Zugriff gehabt zu haben.
28Sie ist der Ansicht, eine Regelung wie die vorliegende, nach der sie ein monatliches Fixum erhalten habe und bei Beendigung des Handelsvertretervertrages nicht von den tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnissen gedeckten Vorschüsse zurückzuzahlen habe, sei wegen Verstoßes gegen den Rechtsgedanken der §§ 89 Abs. 3, 89 Abs. 1 HGB gemäß § 134 BGB nichtig (OLG Hamburg, 14 U 77/99, Urteil vom 17.3.2000), weil ihre Entscheidungsfreiheit, das Handelsvertreterverhältnis durch Kündigung zu beenden, faktisch beschränkt sei.
29Hilfsweise erklärt die Beklagte die Aufrechnung mit einem Vergütungsanspruch nach § 615 BGB, weil die Klägerin durch die unberechtigte Kündigung eine Pflichtverletzung begangen habe.
30Da die Klägerin wegen der Unwirksamkeit der von ihr erklärten fristlosen Kündigung die Bestandspflegeprovisionen weiter zu zahlen habe, stehe ihr ein Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges zu.
31Im Wege der Widerklage hat die Beklagte daher zunächst beantragt
32die Klägerin zu verurteilen, ihr einen Buchauszug in Form einer geordneten Zusammenstellung über alle Versicherungsverträge zu erteilen, die die Beklagte in dem Zeitraum vom 1.1.2011 bis 20.6.2014 an die Klägerin vermittelt hat. Der Buchauszug muss dabei folgende Angaben enthalten:
33- 34
a. Name und Anschrift des Versicherungsnehmers
- 35
b. Datum des Antrags
- 36
c. Datum der Vertragsannahme
- 37
d. Mitteilung der Versicherungsscheinnummer
- 38
e. Mitteilung der Bewertungssumme des vermittelten Vertrages
- 39
f. Inhalt des Versicherungsvertrages
aa. der dem jeweiligen Vertrag zugrundeliegende Tarif
41bb. Beginn und Laufzeit des Vertrages
42cc. Höhe der Prämie/Beiträge
43dd. Fälligkeit der Prämie/des Beitrages
44ee. Zahlungsweise der Prämie/des Beitrages
45ff. Provisionspflichtige Sondervereinbarungen
46- 47
g. Datum des Eingangs der Provision bei der Klägerin
- 48
h. Mögliche Vertragsänderungen
aa. Datum der Vertragsänderung
50bb. Art der Vertragsänderung
51cc. Grund der Vertragsänderung
52- 53
i. im Kündigungsfall
aa. Datum der Stornierung/Kündigung
55bb. Datum der Stornogefahrmitteilung
56cc. Art der ergriffenen Vertragserhaltungsmaßnahme einschließlich des Nachweises von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen
57dd. Stornierungsgrund
58ee. Höhe und Fälligkeit der offenen Prämien/Beitrags-zahlungen
59ff. sonstige Korrespondenz mit dem Versicherungsnehmer und dem Versicherer betreffend die jeweilige Vertragsstornierung
60- 61
j. Stornoreserve
aa. Höhe der Stornoreserve
63bb. Haftungszeit jedes Vertrages, für den Stornoreserve einbehalten wurde.
64Mit Schriftsatz vom 18.3.2015 erklärt die Beklagte die Widerklage bezüglich der Anträge a. bis f. für erledigt.
65Die Klägerin schließt sich der Teilerledigungserklärung nicht an und beantragt,
66die Widerklage abzuweisen.
67Sie ist der Ansicht, der Beklagten, der die Abholung des Buchauszuges anheimgestellt worden sei, stehe kein Anspruch auf Buchauszug zu, jedenfalls sei dieser (durch die Vorlage im Schriftsatz vom29.8.2014) erfüllt. Bestandspflegeprovisionen seien aufgrund der fristlosen Kündigung zu Recht eingestellt worden; seit Anfang Oktober 2012 habe die Beklagte keinerlei Vermittlungstätigkeit mehr unternommen.
68Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
69E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
70I.
71Dem Verweisungsantrag der Klägerin ist nicht stattzugeben, da die örtliche Zuständigkeit des von ihr angerufenen Landgerichts Köln besteht. Die Klägerin hat schon nicht konkret dargelegt, dass die Beklagte – prorogationsfähiger - Kaufmann i.S.d. § 38 Abs. 1 ZPO ist. Im übrigen hat sie – nach ursprünglicher Bezeichnung des Landgerichts Köln als Abgabegericht – hier rügelos verhandelt (§ 39 ZPO).
72II.
73Die Klage ist unbegründet. Die Widerklage ist – soweit nicht von der Beklagten für erledigt erklärt – gänzlich überwiegend begründet, im übrigen ist der Feststellungsantrag bezüglich der Erledigung begründet.
74(1)
75Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rückzahlung gezahlter Provisionsvorschüsse.
76Vertragliche Rückzahlungsansprüche aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertriebspartnervertrag vom 14.6./28.6.2011 in Verbindung mit der Courtageordnung scheiden wegen Nichtigkeit gem. §§ 134 BGB, 89 Abs. 3, 89 Abs. 1 HBG aus.
77Nach § 89a Abs. 1 HGB kann ein Handelsvertretervertrag von jedem Teil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden. Dieses Recht darf gem. § 89a Abs. 1 S. 2 HGB weder ausgeschlossen noch beschränkt werden und ist mithin unabdingbar; die zwingende gesetzliche Regelung stellt eine Schutzvorschrift zugunsten des im Allgemeinen wirtschaftlich schwächeren Handelsvertreters dar, die eine einseitige Beschränkung seiner Entschließungsfreiheit verhindern soll. Eine solche Beschränkung der Kündigungsfreiheit kann auch mit mittelbaren Erschwernissen in Form von finanziellen oder sonstigen Nachteilen vorliegen, z.B. wenn an die Kündigung des Handelsvertreters wesentliche die Vertragsbeendigung erschwerende Nachteile geknüpft werden. Neben der Verpflichtung zur Zahlung einer Vertragsstrafe oder dem Verfall von Ansprüchen können dies auch Vertragsklauseln sein, die eine sofortige Rückzahlung langfristiger Vorschusszahlungen bei einer Kündigung durch den Handelsvertreter vorsehen (OLG Karlsruhe, 1 U 113/09, Urteil vom 18.2.2010). In Nr. 3 der Courtageordnung ist die sofortige Rückzahlungsverpflichtung an die Beendigung des Vertrags gekoppelt. Die an die Vertragsbeendigung geknüpften finanziellen Nachteile sind auch von einem solchen Gewicht, dass sie zu einer unwirksamen Kündigungserschwernis für die Beklagte führen. Nach den vorliegenden Unterlagen (Courtrageabrechnungen: „Eckdaten lt. Vereinbarung“, von der Klägerin vorgelegter „Saldenverlauf“) und dem Vortrag der Beklagten erhielt die Beklagte hier (seit Dezember 2008) über Jahre hinweg einen unveränderten monatlichen Provisionsvorschuss in Höhe von 4.000,- €; ausweislich der Abrechnung vom 2.9.2011 für den Zeitraum vom 31.7. bis 31.8.2011 bestand zugleich ein Negativsaldo von 22.624,90 € bezüglich des Courtagekontos, dessen Ausgleich von der Klägerin zuvor auch nicht verlangt worden war. Soweit die Klägerin mit Schriftsatz vom 27.1.2015 vorträgt, die Beklagte habe kein Provisionsfixum erhalten, sondern Vorschüsse, die sich am Umsatz orientierten, ist dies nicht näher belegt; der hierzu im Schriftsatz vom 26.8.2015 (dort Seite 14) erfolgte neue Sachvortrag, der über den eingeräumten Schriftsatznachlass zum gegnerischen Schriftsatz vom 29.7.2015 hinausgeht, ist verspätet und nicht mehr zu berücksichtigen (§ 296a ZPO; vgl. Zöller-Greger § 283 Rn 5 mwN); eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gebietet dieses erkennbar verspätete Vorbringen nicht. Demzufolge sind der Beklagten Vorschüsse ausgezahlt worden, die durch ihre tatsächlichen Provisionsansprüche ersichtlich nicht gedeckt waren, so dass eine erhebliche Diskrepanz zwischen ausgezahlten Vorschüssen und tatsächlichem Verdienst bestand.
78Die Beklagte hat die monatlichen Salden auch nicht anerkannt i.S.v. § 780, 781 BGB. Die entsprechende Vertragsklausel in § 5 Abs. IV ist wegen Verstoßes gegen § 87c HGB unwirskam (BGH, VIII ZR 100/05, Urteil vom 20.9.2006).
79Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg auf das „Schuldanerkenntnis“ der Beklagten vom 20.3.2012 berufen. Es handelt sich hierbei nicht um ein abstraktes, sondern lediglich um ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis, da damit nur eine bestehende Schuld anerkannt bzw. eine Beweisurkunde geschaffen worden ist, nicht aber ein selbständiges Schuldversprechen im Sinne der Schaffung einer völlig neuen, Einwendungsdurchgriffen entzogenen Verbindlichkeit. Das deklaratorische Schuldanerkenntnis teilt das Schicksal der Hauptverbindlichkeit und ist daher ebenfalls nichtig.
80(2)
81Die nach Teilerledigung verbliebene Widerklagte ist gänzlich überwiegend begründet.
82Dabei kann dahinstehen, ob die fristlose Kündigung der Klägerin gem. § 89a HGB wirksam ist, weil die Rechte des Handelsvertreters gem. § 87c HGB grundsätzlich auch nach Vertragsende und selbst nach fristloser Kündigung wegen groben Fehlverhaltens des Handelsvertreters unentziehbar sind.
83Die Beklagte hat in dem tenorierten Umfang einen Anspruch auf Erteilung bzw. Ergänzung eines Buchauszuges zu Ziffern h. bis j., nachdem die Klägerin im übrigen während des Verfahrens hinreichend Auskunft erteilt hat. Nur ein vollständiger Buchauszug kann den Handelsvertreter in die Lage versetzen, in nachvollziehbarer Weise die genaue Höhe etwaiger Provisionsansprüche selbst zu berechnen. Die vorgelegten Provisionsabrechnungen können einen vollständigen Buchauszug nicht ersetzen, der Verweis auf einen Portalzugang genügt ebenfalls nicht. Allerdings besteht ein Anspruch auf Mitteilung der Stornogefahrmitteilung (i.bb) nicht (BGH NJW 2001, 2333 ff), ebensowenig auf Mitteilung von Daten, die allein das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien betrifft (g. und i.ff; BGH aaO).
84Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, der Beklagten bereits vorprozessual einen Buchauszug zur Abholung bereitgestellt zu haben, da diese – nach dem unwidersprochen gebliebenen Beklagtenvortrag – von der Vorlage weiterer Vollmachten abhängig gemacht wurde.
85Soweit die Beklagte den Rechtsstreit einseitig teilweise für erledigt erklärt hat, ist der durch Auslegung zu gewinnende Feststellungsantrag zulässig und begründet gewesen, bis die Klägerin erst während des Rechtsstreits insoweit den geschuldeten Buchauszug erteilt hat.
86III.
87Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 2, 709 ZPO.
88Streitwert:
89Klage: 39.624,47 €
90Widerklage: 1.000,00 € (geschätzte Kosten für Erteilung des Auszugs)
91gesamt: 40.624,47 €
Urteilsbesprechung zu Landgericht Köln Urteil, 16. Sept. 2015 - 26 O 187/14
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Landgericht Köln Urteil, 16. Sept. 2015 - 26 O 187/14 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).
(1) Ist das Vertragsverhältnis auf unbestimmte Zeit eingegangen, so kann es im ersten Jahr der Vertragsdauer mit einer Frist von einem Monat, im zweiten Jahr mit einer Frist von zwei Monaten und im dritten bis fünften Jahr mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden. Nach einer Vertragsdauer von fünf Jahren kann das Vertragsverhältnis mit einer Frist von sechs Monaten gekündigt werden. Die Kündigung ist nur für den Schluß eines Kalendermonats zulässig, sofern keine abweichende Vereinbarung getroffen ist.
(2) Die Kündigungsfristen nach Absatz 1 Satz 1 und 2 können durch Vereinbarung verlängert werden; die Frist darf für den Unternehmer nicht kürzer sein als für den Handelsvertreter. Bei Vereinbarung einer kürzeren Frist für den Unternehmer gilt die für den Handelsvertreter vereinbarte Frist.
(3) Ein für eine bestimmte Zeit eingegangenes Vertragsverhältnis, das nach Ablauf der vereinbarten Laufzeit von beiden Teilen fortgesetzt wird, gilt als auf unbestimmte Zeit verlängert. Für die Bestimmung der Kündigungsfristen nach Absatz 1 Satz 1 und 2 ist die Gesamtdauer des Vertragsverhältnisses maßgeblich.
Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.
Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Verpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Er muss sich jedoch den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend in den Fällen, in denen der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trägt.
(1) Ein an sich unzuständiges Gericht des ersten Rechtszuges wird durch ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung der Parteien zuständig, wenn die Vertragsparteien Kaufleute, juristische Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtliche Sondervermögen sind.
(2) Die Zuständigkeit eines Gerichts des ersten Rechtszuges kann ferner vereinbart werden, wenn mindestens eine der Vertragsparteien keinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat. Die Vereinbarung muss schriftlich abgeschlossen oder, falls sie mündlich getroffen wird, schriftlich bestätigt werden. Hat eine der Parteien einen inländischen allgemeinen Gerichtsstand, so kann für das Inland nur ein Gericht gewählt werden, bei dem diese Partei ihren allgemeinen Gerichtsstand hat oder ein besonderer Gerichtsstand begründet ist.
(3) Im Übrigen ist eine Gerichtsstandsvereinbarung nur zulässig, wenn sie ausdrücklich und schriftlich
- 1.
nach dem Entstehen der Streitigkeit oder - 2.
für den Fall geschlossen wird, dass die im Klageweg in Anspruch zu nehmende Partei nach Vertragsschluss ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort aus dem Geltungsbereich dieses Gesetzes verlegt oder ihr Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht bekannt ist.
Die Zuständigkeit eines Gerichts des ersten Rechtszuges wird ferner dadurch begründet, dass der Beklagte, ohne die Unzuständigkeit geltend zu machen, zur Hauptsache mündlich verhandelt. Dies gilt nicht, wenn die Belehrung nach § 504 unterblieben ist.
Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.
(1) Das Vertragsverhältnis kann von jedem Teil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden. Dieses Recht kann nicht ausgeschlossen oder beschränkt werden.
(2) Wird die Kündigung durch ein Verhalten veranlaßt, das der andere Teil zu vertreten hat, so ist dieser zum Ersatz des durch die Aufhebung des Vertragsverhältnisses entstehenden Schadens verpflichtet.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 09.10.2009 verkündete Urteil der Einzelrichterin der Zivilkammer 3 des Landgerichts Stendal wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Beschwer der Klägerin übersteigt 20.000,00 EUR nicht.
Gründe
I.
- 1
Von der Wiedergabe der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
II.
- 2
Die Berufung ist zulässig. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
- 3
Das angefochtene Urteil des Landgerichts würdigt den Sachverhalt richtig und erscheint hinsichtlich der gebildeten Haftungsquote gut vertretbar.
- 4
Im Ergebnis hat die Klägerin wegen des von ihr verursachten Verkehrsunfalls vom 04.02.2008 keinen Anspruch gegen die Beklagten nach §§ 7 Abs. 1, 17, 18, 11 StVG i. V. m. § 3 PflVG a. F.
- 5
1. Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass es den Beklagten zwar nicht gelungen ist, den Unabwendbarkeitsnachweis gemäß § 17 Abs. 3 S. 2 StVG zu führen. Denn hierzu hätten sie nachweisen müssen, dass der Beklagte zu 1), der die Zugmaschine gelenkt hat, die ihm obliegende doppelte Rückschaupflicht eingehalten hat. Da die Klägerin dies bestritten hat und es hierfür keine Zeugen gibt, bleibt es grundsätzlich bei der Haftung nach § 7 StVG. Die gleichen Folgen treten ein für die Exkulpation des Beklagten zu 1) selbst, dessen Verschulden als Fahrzeugführer gemäß § 18 Abs. 1 S. 2 StVG vermutet wird.
- 6
2. Die Klägerin selbst aber haftet gemäß § 7 Abs. 1 StVG nicht nur auf Grund der Betriebsgefahr ihres Fahrzeugs, sondern vor allem wegen ihres verbotswidrigen Überholmanövers, das sie selbst einräumt.
- 7
3. Da sowohl die Klägerin als auch die Beklagten nach dem Straßenverkehrsgesetz haften, muss zwischen ihnen ein Schadensausgleich gem. § 17 Abs. 1 und 2, § 18 Abs. 3 StVG erfolgen. Hierzu hat das Gericht die jeweiligen Verursachungsbeiträge gegeneinander abzuwägen und dann bezüglich der Haftung eine Quote zu bilden. Dabei trägt derjenige den größeren Verantwortungs- und Haftungsanteil, dessen Verhalten den Eintritt des Schadens in höherem Maße wahrscheinlich gemacht hat (Jagow/Burmann/Heß, Straßenverkehrsrecht, 20. Auflage 2008, § 17 StVG Rn. 17). Wiegt die Verursachung eines Beteiligten so schwer, dass der Verursachungsbeitrag oder die Betriebsgefahr des anderen Teils davon überlagert wird, so ist auch eine 100 %ige Haftung denkbar. Denn nach einhelliger Rechtsprechung kann bei einem schwerwiegenden Verkehrsverstoß die Betriebsgefahr des anderen Fahrzeugs ganz zurücktreten (vgl. BGH VersR 1969, 738; 1995, 357; NZV 96, 272).
- 8
4. Einen solchen Fall hat das Landgericht hier zu Recht angenommen.
- 9
a) Bei der zuvor beschriebenen Abwägung dürfen nur feststehende, d. h. unstreitige, zugestandene oder erwiesene Umstände, die sich nachweislich auf den Unfall ausgewirkt haben, bei der Ermittlung der Verursachungsbeiträge berücksichtigt werden (vgl. BGH, NJW 2005, 1940; Jagow/Burmann/Heß, Straßenverkehrsrecht, a.a.O. Rn. 12; Hentschel/ König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40. Auflage 2009, § 17 StVG Rn. 31).
- 10
Wo eine Haftung als solche und eine Ausgleichspflicht grundsätzlich in Betracht kommen, hat im Rahmen des § 17 StVG der jeweils andere Teil dem Halter einen als Verschulden anzurechnenden Umstand oder andere dessen Betriebsgefahr erhöhende Tatsachen zu beweisen (vgl. BGH NZV 1996, 231; VersR 1967, 132).
- 11
Das bedeutet, dass im vorliegenden Fall die Klägerin für alle die von ihr behaupteten Umstände beweisbelastet ist, die zu Lasten der Beklagten berücksichtigt werden sollen.
- 12
b) Solche Umstände, die zu Lasten der Beklagten zu berücksichtigen wären, lassen sich im vorliegenden Fall nicht feststellen.
- 13
aa) Die Klägerin meint, der Beklagte zu 1) habe gegen die Verbote nach Zeichen 295 StVO verstoßen. Dieses Fahrbahnzeichen gebietet, dass nur rechts von ihm gefahren und die durchgezogene Linie nicht überfahren werden darf. Unstreitig endete das Zeichen jedoch auf Höhe des Beginns der Einmündung, das Abbiegen ist hier also erlaubt. Denn nach ihrem Ende beschränkt die durchgezogene Linie die Fahrtrichtung in keiner Weise (Jagow/Burmann/Heß, Straßenverkehrsrecht, 20.Auflage 2008, § 9 StV0 Rn 50).
- 14
Ob der Beklagte zu 1) beim Abbiegen tatsächlich mit den Traktorrädern oder einem Teil des Anhängers die durchgezogene Linie überfahren hat, konnte der Sachverständige nicht feststellen. Dazu hat er ausgeführt, dass die tatsächliche Fahrlinie nicht durch objektive Spuren belegt sei, sodass in Abhängigkeit vom Lenkwinkel theoretisch unendlich viele Fahrlinien darstellbar seien. Zwar ging der Sachverständige in seinem Gutachten davon aus, dass das Beklagtenfahrzeug beim Abbiegevorgang die Sperrlinie unmittelbar vor deren Ende überfahren haben dürfte, im Rahmen seiner mündlichen Erläuterungen und Ergänzung führte er aber aus, dass es durchaus möglich sei, mit der Zugmaschine abzubiegen, ohne die Sperrlinie zu überfahren. Lediglich mit dem Anhänger fahre man zwangsläufig über die Linie.
- 15
Überfährt beim erlaubten Abbiegen lediglich ein Teil eines Gespanns die durchgezogene Linie, so ist darin kein Verstoß gegen Zeichen 295 zu sehen, denn ein nur geringfügiges, verkehrstechnisch bedingtes Berühren oder Überqueren der Fahrstreifenbegrenzung stellt noch keinen Verstoß dar (so auch Cramer, Straßenverkehrsrecht I, 2. Auflage 1977, § 41 StVO, S. 545). Lediglich von einem solchen geringfügigen, verkehrstechnisch bedingten Überfahren kann hier jedoch allenfalls ausgegangen werden. Durch das Überfahren einer Sperrlinie durch den Anhänger wird der nachfolgende Verkehr jedoch nicht gefährdet, wenn es der Zugmaschine aufgrund der Verkehrszeichen bereits gestattet ist, abzubiegen. Vorliegend hat sich auch keine Gefahr durch den Anhänger realisiert, da der Zusammenstoß sich an dem Vorderrad des Beklagtenfahrzeugs ereignete und gerade nicht im Bereich des Anhängers.
- 16
bb) Weiterhin ist die Klägerin nach wie vor der Ansicht, der Beklagte zu 1) sei den Sorgfaltsanforderungen, die § 9 Abs. 5 StVO an ihn stellt, insbesondere der doppelten Rückschaupflicht, nicht nachgekommen.
- 17
Den Abbiegenden trifft – wie vom Landgericht zutreffend angenommen – eine Ankündigungs- und Einordnungspflicht und die Pflicht zur doppelten Rückschau. Für einen Abbiegenden in ein Grundstück gelten dieselben Regeln wie für einen normalen Abbieger (OLG Schleswig, VersR 1979, 1036 f.), also § 9 Abs. 1 StVO. Zusätzlich hat er die äußerste Sorgfalt zu beachten. Dabei kann allerdings die Tatsache des Unfalls nicht zum Beweis dafür herangezogen werden, dass diese Pflicht missachtet wurde (vgl. Hentschel/König/ Dauer, Straßenverkehrrecht, 40. Auflage 2009, Einleitung Rn. 150), weil auch trotz doppelter Rückschau nicht jeder Unfall vermieden werden kann. Dies gilt erst Recht, wenn der Unfallgegner sich überraschend verkehrswidrig verhält.
- 18
(1) Aus dem Sachverständigengutachten ergibt sich, dass ein Einordnen des Beklagten wegen der Fahrzeug- und der Fahrbahnbreite sowie wegen des Verschwenkens der Fahrbahn möglicherweise nicht als ein solchen zu erkennen gewesen ist. Damit ist der Klägerin jedoch nicht der Beweis gelungen, dass der Beklagte zu 1) sich tatsächlich nicht eingeordnet hat.
- 19
(2) Ebenso unbewiesen ist die Behauptung der Klägerin, der Beklagte zu 1) habe entgegen seiner Darstellung nicht bzw. nicht rechtzeitig den Blinker gesetzt.
- 20
(3) Zu der doppelten Rückschaupflicht gibt es nach dem Sachverständigengutachten verschiedene Varianten des möglichen Geschehensablaufs. Welche tatsächlich stattgefunden hat, lässt sich nachträglich nicht nachweisen. Zwar wird in der Rechtsprechung die Ansicht vertreten, es spreche grundsätzlich der Beweis des ersten Anscheins für eine Sorgfaltspflichtverletzung des Abbiegenden, wenn es im unmittelbaren örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Linksabbiegen zu einer Kollision mit einem links überholenden Fahrzeug kommt (vgl. KG, DAR 2002, 557; OLG Naumburg, MDR 2009, 863, 864). Aber selbst wenn man davon ausginge, wäre der Anschein im vorliegenden Fall schon dadurch erschüttert, dass ein atypischer Geschehensablauf, nämlich das verbotswidrige Überholen der Klägerin unstreitig ist.
- 21
Außerdem ist eine vom Sachverständigen als möglich beschriebene Variante, dass das Klägerfahrzeug für den Beklagten zu 1) auch bei Einhaltung seiner doppelten Rückschaupflicht nicht zu erkennen gewesen ist. Dies ergibt sich daraus, dass die Einsehbarkeit des hinter ihm liegenden Fahrbahnbereichs aufgrund einer Verschwenkung erschwert war. Ferner daraus, dass es nach dem Gutachten durchaus möglich ist, dass die Klägerin sich noch in solcher Entfernung befand, dass der Beklagte zu 1) sie nicht sehen konnte, als er zum Abbiegevorgang ansetzte. Es ist also keinesfalls so, dass in diesem hier vorliegenden atypischen Fall aus dem Unfall der Schluss auf eine Verletzung der doppelten Rückschaupflicht durch den Beklagten zu 1) gezogen werden kann. Die Klägerin trägt daher die Beweislast auch für den behaupteten Verstoß gegen die doppelte Rückschaupflicht.
- 22
Dieser Beweis ist ihr nicht möglich. Daran ändert auch ihr Vortrag nichts, sie habe doch beim Überholen mindestens 20 m lang sichtbar neben dem Beklagtenfahrzeug herfahren müssen. Denn zu diesem Zeitpunkt kann der Zug schon abgebogen sein. Dafür spricht auch die Anstoßstelle am Vorderrad der Zugmaschine. Die Klägerin lässt bei ihrer Argumentation unberücksichtigt, in welcher Zeit sie diese Strecke von 20 m bei der Geschwindigkeit von 55 – 60 km/h zurückgelegt hat. Die Berechnung des Sachverständigen zugrunde gelegt, wonach die Klägerin bei dieser Geschwindigkeit in 2,7 Sekunden 50 – 60 Meter weit fuhr, hat sie für die Strecke von 20 Metern nur etwa eine Sekunde gebraucht. Die Reaktionszeit eines Menschen beträgt bereits 0,8 – 1,0 Sekunden. D. h. selbst wenn der Beklagte zu 1) nach dem Abbiegen die Klägerin während der Strecke von 20 m noch gesehen hätte, benötigte er dennoch bis zu einer Sekunde, bis er reagieren und den Abbiegevorgang hätte unterbrechen können.
- 23
cc) Im Rahmen seiner äußersten Sorgfaltspflicht musste der Beklagte zu 1) auch nicht damit rechnen, dass er während des andauernden Überholverbotes überholt werden würde. Insofern dürfen die Anforderungen an die gesteigerte Sorgfaltspflicht nicht überspannt werden. Unvorhersehbare Regelwidrigkeiten anderer Verkehrsteilnehmer muss der Wendende, für den gem. § 9 V StVO dieselben Anforderungen gelten wie für den Abbiegenden auf ein Grundstück, nicht in seine Überlegungen mit einbeziehen. Dies bedeutet zwar nicht, dass der Abbiegende von seiner Pflicht zur doppelten Rückschau befreit ist. Kommt er dieser jedoch nach oder ist ein Verstoß gegen sie jedenfalls nicht kausal geworden für den Unfall, so muss er zumindest nicht mit „plötzlich auftauchenden“ Fahrzeugen, die sich regelwidrig verhalten, rechnen. Der Abbiegende darf sich darauf verlassen, dass sich ein nachfolgender Verkehrsteilnehmer verkehrsordnungsgemäß verhält, also nicht überholt (LG Karlsruhe, Urt. v. 12.10.2007, Az.: 3 O 97/07, m.N. – zitiert nach juris).
- 24
c) Im Rahmen der Abwägung nach §§ 17 Abs. 1 und 2, 18 Abs. 3 StVG ist damit nur die Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs zu berücksichtigen. Da es sich bei dem Gespann um ein massereiches und breites Fahrzeug handelt, ist grundsätzlich von einer höheren Betriebsgefahr auszugehen (OLG Naumburg, NJW-RR 2004, 1545). Auch die Tatsache, dass er Linksabbieger war, erhöht grundsätzlich seine Betriebsgefahr (OLG Frankfurt, NZV 1989, 155).
- 25
d) Auch eine solche höhere Betriebsgefahr kann aber letztlich vollständig hinter den Ver-ursachungs- und Verschuldensbeitrag des Unfallgegners zurücktreten, wenn diesem ein grobes Verschulden vorzuwerfen ist. Denn Sinn der Gefährdungshaftung ist es nicht, dem Verkehrsteilnehmer, der sich selbst grob verkehrswidrig verhalten hat, Schadensersatzansprüche gegen einen zu verschaffen, der lediglich den Unabwendbarkeits- bzw. Nichtverschuldensbeweis nicht zu führen vermag (Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 3. Auflage 1997, § 9 StVG Rn. 107; vgl. auch OLG Frankfurt, NZV 1989, 155; OLG Düsseldorf, NZV 1998, 72). Unter grober Verkehrswidrigkeit ist ein Verhalten zu verstehen, dass sich objektiv als ein besonders schwerer Verstoß gegen eine Verkehrsvorschrift und die Sicherheit des Straßenverkehrs darstellt (LK-König 11. Auflage 2005, § 315 c StGB, Rn. 133).
- 26
Diese Beschreibung trifft auf das Verhalten der Klägerin zu. Hier bestand auf Grund des Verkehrsschildes Zeichen 276 ein Überholverbot. Das Verkehrszeichen hat die Klägerin nicht etwa nur fahrlässig übersehen. Sie hat vielmehr dieses Verbot unstreitig erkannt und nach ihrer eigenen Darstellung vorsätzlich verletzt. Denn schon als das Zeichen für das Ende des Überholverbots in Sicht kam, entschloss sie sich, den vor ihr fahrenden Traktor mit Anhänger zu überholen. Sie hat sich also bewusst über das Überholverbot hinweggesetzt. Zudem war es ihr aufgrund des Zeichens 295 untersagt, die durchgezogene Mittellinie zu überfahren. Auch dieses Verbot hat die Klägerin bewusst missachtet. Dieses Verhalten wertet der Senat als grob verkehrswidrig. Bedenkt man, dass der Überholvorgang an sich bereits immer ein gefahrerhöhender Umstand ist (OLG Frankfurt, NZV 1989, 155), so wiegt es umso schwerer, wenn ein Verkehrsteilnehmer das Verbot vorsätzlich verletzt und sich so bewusst über die Verkehrsordnung hinwegsetzt und sich und andere gefährdet.
- 27
e) Die Quote von 100 % zu Lasten der Klägerin, von der das Landgericht ausgegangen ist, ist daher nicht zu beanstanden. Wer bewusst und vorsätzlich gegen ein angeordnetes Überholverbot verstößt und dadurch einen Verkehrsunfall verursacht, kann von dem Unfallgegner, den kein nachweisbares Verschulden trifft, keinen Schadensersatz verlangen. Gegenüber derart groben Verkehrsverstößen muss auch die erhöhte Betriebsgefahr landwirtschaftlicher Zugmaschinen mit Anhänger zurücktreten. Die Klägerin trägt daher ihren Schaden selbst.
III.
- 28
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die weiteren Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 sowie 543, 544 Abs. 1 ZPO.
- 29
Die Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
- 30
Die Festsetzung des Gebührenstreitwertes (Kostenwertes) beruht auf §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO.
- 31
Beschluss
- 32
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 5.000,00 € festgesetzt.
Nach Schluss der mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, können Angriffs- und Verteidigungsmittel nicht mehr vorgebracht werden. § 139 Abs. 5, §§ 156, 283 bleiben unberührt.
Zur Gültigkeit eines Vertrags, durch den eine Leistung in der Weise versprochen wird, dass das Versprechen die Verpflichtung selbständig begründen soll (Schuldversprechen), ist, soweit nicht eine andere Form vorgeschrieben ist, schriftliche Erteilung des Versprechens erforderlich. Die Erteilung des Versprechens in elektronischer Form ist ausgeschlossen.
Zur Gültigkeit eines Vertrags, durch den das Bestehen eines Schuldverhältnisses anerkannt wird (Schuldanerkenntnis), ist schriftliche Erteilung der Anerkennungserklärung erforderlich. Die Erteilung der Anerkennungserklärung in elektronischer Form ist ausgeschlossen. Ist für die Begründung des Schuldverhältnisses, dessen Bestehen anerkannt wird, eine andere Form vorgeschrieben, so bedarf der Anerkennungsvertrag dieser Form.
(1) Der Unternehmer hat über die Provision, auf die der Handelsvertreter Anspruch hat, monatlich abzurechnen; der Abrechnungszeitraum kann auf höchstens drei Monate erstreckt werden. Die Abrechnung hat unverzüglich, spätestens bis zum Ende des nächsten Monats, zu erfolgen.
(2) Der Handelsvertreter kann bei der Abrechnung einen Buchauszug über alle Geschäfte verlangen, für die ihm nach § 87 Provision gebührt.
(3) Der Handelsvertreter kann außerdem Mitteilung über alle Umstände verlangen, die für den Provisionsanspruch, seine Fälligkeit und seine Berechnung wesentlich sind.
(4) Wird der Buchauszug verweigert oder bestehen begründete Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Abrechnung oder des Buchauszuges, so kann der Handelsvertreter verlangen, daß nach Wahl des Unternehmers entweder ihm oder einem von ihm zu bestimmenden Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchsachverständigen Einsicht in die Geschäftsbücher oder die sonstigen Urkunden so weit gewährt wird, wie dies zur Feststellung der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Abrechnung oder des Buchauszugs erforderlich ist.
(5) Diese Rechte des Handelsvertreters können nicht ausgeschlossen oder beschränkt werden.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger verlangt von dem beklagten Versicherungsunternehmen im Wege einer Stufenklage die Erteilung eines Buchauszugs, Abgabe der eidesstattlichen Versicherung über die Richtigkeit und Zahlung einer danach zu berechnenden Provision.
- 2
- Er war für die Beklagte seit 1985 als selbständiger Versicherungsvertreter tätig, zuletzt aufgrund eines schriftlichen Vertretungsvertrages vom 3. September 1993/27. Oktober 1993. Die Beklagte erklärte unter dem 23. März 2003 die fristlose Kündigung, hilfsweise die ordentliche Kündigung des Vertragsverhältnisses.
- 3
- In Ziffer 5.2. des Vertretungsvertrages ist bezüglich der Provisionsabrechnung folgendes vereinbart: "5.2. Provisions-Abrechnung/Kontensalden-Abstimmung Die gemäß den in Ziffer 5.1. erwähnten Provisionsbestimmungen gutgeschriebenen Provisionen werden monatlich an den Vertreter ausgezahlt bzw. überwiesen, soweit keine andere Vereinbarung getroffen wurde. Zum Nachweis der Gutschriften bzw. Belastungen erhält der Vertreter Kontoauszüge sowie Provisions- und Inkasso-Listen. (Sie dienen auch gegenüber dem Finanzamt als Einkommensnachweis.
)
Die auf den dem Vertreter übermittelten Kontoauszügen ausgewiesenen Belastungen und die dort ausgewiesenen Salden gelten als vom Vertreter ausdrücklich anerkannt, falls er nicht innerhalb von 4 Wochen ab Erhalt des Kontoauszuges hiergegen Widerspruch erhebt. Der Vertreter ist verpflichtet, sich um den Erhalt eines Kontoauszuges selbst zu bemühen, falls er feststellen muss, dass ihm ein bestimmter Kontoauszug nicht zugegangen ist. Der Vertreter ist darüber hinaus verpflichtet, am Ende eines Kalenderhalbjahres ein ausdrückliches Saldo-Anerkenntnis dadurch abzugeben, dass er den letzten Kontoauszug und den darin ausgewiesenen Saldo durch namentliche Unterschrift ausdrücklich gegenzeichnet. Unterlässt er dies ohne Angabe von Gründen, so gilt der Saldo als stillschweigend anerkannt."- 4
- Die Beklagte stellte dem Kläger zur Abrechnung der Provisionsansprüche 14-tägig Kontoauszüge zur Verfügung, denen die Provisionsbewegungen zu entnehmen waren, ferner alle drei Wochen Mahnlisten mit einer Auflistung sämtlicher von Prämienrückständen betroffenen Verträge. Außerdem hatte der Kläger während der Vertragslaufzeit von der EDV-Anlage seiner Agentur aus Zugang zum EDV-Agenturinformationssystem der Beklagten.
- 5
- Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert, die Beklagte zur Erteilung eines Buchauszugs für die Zeit vom 1. Januar 2000 bis zum 25. März 2003 verurteilt und den Rechtsstreit hinsichtlich der weitergehenden Anträge an das Landgericht zurückverwiesen.
- 6
- Mit der vom Senat zugelassenen Revision wendet sich die Beklagte gegen ihre Verurteilung zur Erteilung eines Buchauszugs.
Entscheidungsgründe:
- 7
- Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg.
I.
- 8
- Das Berufungsgericht hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
- 9
- Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs für den ausgeurteilten Zeitraum aufgrund §§ 87c Abs. 2, 92 Abs. 2 HGB zu.
- 10
- Eine Erfüllung dieses Anspruchs sei weder durch die Übersendung von Kontoauszügen und Mahnlisten noch dadurch eingetreten, dass dem Kläger während der Vertragslaufzeit der Zugang zu dem Agenturinformationssystem ("C. -System") der Beklagten gewährt worden sei.
- 11
- Die dem Kläger schriftlich übersandten Unterlagen würden dem Erfordernis einer geordneten, klaren und übersichtlichen Darstellung nicht gerecht. Überdies könne auch nicht festgestellt werden, dass die übersandten Informationen vollständig seien, insbesondere was Angaben zu Stornogründen und zur jeweiligen Art der ergriffenen Erhaltungsmaßnahmen sowie schwebende Geschäfte betreffe.
- 12
- Der Zugriff auf das C. -System sei einem herkömmlichen Buchauszug schon deshalb nicht vergleichbar, weil er - jedenfalls für die Zeit bis September 2002 - es allenfalls ermöglicht habe, sich die jeweiligen Daten aus diversen Dateien "zusammenzusuchen", statt eine übersichtliche Darstellung zu verschaffen. Zudem habe der Kläger nach dem Ende des Vertragsverhältnisses auf das System keinen Zugriff mehr, während ihm ein herkömmlicher Buchauszug auch nach Vertragsende zur Überprüfung seiner Provisionsansprüche verbliebe.
- 13
- Ein Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs sei auch nicht dadurch entfallen, dass der Kläger über viele Jahre keine Einwendungen gegen die Provisionsabrechnungen erhoben habe. Mangels eindeutigen Erklärungsinhaltes sei hierin weder ein stillschweigendes Einverständnis mit den Abrechnungen noch ein Verzicht auf etwaige weitere Provisionen zu sehen. Ebenso wenig könne sich die Beklagte auf die in Ziffer 5.2. des Vertretungsvertrages enthaltene Anerkennungsklausel berufen. Diese Vertragsbestimmung sei wegen Verstoßes gegen §§ 87c Abs. 5, 92 HGB unwirksam.
- 14
- Schließlich greife der von der Beklagten erhobene Einwand rechtsmissbräuchlichen Verhaltens nicht durch. Dafür, dass der Kläger nur eine "formale Rechtsposition" einsetze, um von der Beklagten möglichst hohe Ausgleichsansprüche zu "erpressen", bestünden keine hinreichenden Anhaltspunkte. Ebenso wenig könne die Beklagte dem Begehren des Klägers auf Erteilung eines Buchauszugs entgegenhalten, dass dessen Erstellung für sie einen unverhältnismäßig hohen Aufwand verursache. Die Beklagte hätte sich bei der Organisation ihrer Buchführung vielmehr von vornherein darauf einstellen müssen, dass ein Buchauszug mit möglichst geringem eigenen Aufwand erstellt werden könne. Soweit durch organisatorische Versäumnisse in dieser Hinsicht ein erheblicher Arbeitsaufwand entstehen sollte, gehe das zu Lasten der Beklagten.
II.
- 15
- Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand; die Revision ist daher zurückzuweisen.
- 16
- 1. Zu Recht hat das Berufungsgericht einen Anspruch des Klägers aus § 87c Abs. 2 HGB bejaht. Diesen Anspruch hat die Beklagte entgegen der Auffassung der Revision nicht bereits dadurch erfüllt, dass sie dem Kläger regelmäßig Abrechnungen und Kontoauszüge übersandt und ihm während der Vertragsdauer Zugang zu ihrem elektronischen Agenturinformationssystem (C. -System) gewährt hat.
- 17
- Der Buchauszug dient dem Zweck, dem Handelsvertreter die Möglichkeit zu verschaffen, Klarheit über seine Provisionansprüche zu gewinnen und die vom Unternehmer erteilte Abrechnung zu überprüfen. Aus diesem Grund muss der Buchauszug eine vollständige, geordnete und übersichtliche Darstellung aller Angaben enthalten, die für die Provision von Bedeutung sind, die der Handelsvertreter mithin zur Überprüfung der Provisionsansprüche benötigt (Senat, Urteil vom 21. März 2001 - VIII ZR 149/99, NJW 2001, 2333 unter II). Diesen Anforderungen werden, wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat, die von der Beklagten dem Kläger zur Verfügung gestellten Informationen in mehrfacher Hinsicht nicht gerecht.
- 18
- Die Beklagte hat schon nicht dargetan, dass sie in den dem Kläger übersandten Schriftstücken alle Angaben gemacht hat, die ein Buchauszug zu enthalten hat. Dazu gehören nach der Rechtsprechung des Senats unter anderem vollständige Angaben zu etwaigen Stornierungsgründen und zur Art der ergriffenen Erhaltungsmaßnahmen sowie die Aufnahme schwebender Geschäfte oder solcher, aus denen sich möglicherweise ein Provisionsanspruch ergeben kann (Urteil vom 21. März 2001 aaO unter II 2 c). Dass die Kontoauszüge und Mahnlisten, die dem Kläger regelmäßig übersandt worden sein sollen, und die im Einzelfall hinzukommenden Stornogefahrmitteilungen dazu alle erforderlichen Angaben enthielten, hat das Berufungsgericht anhand der von der Beklagten exemplarisch zu den Akten gereichten Schriftstücke nicht festzustellen vermocht. Diese tatrichterliche Beurteilung wird von der Revision nicht angegriffen und ist daher der revisionsrechtlichen Nachprüfung zugrunde zu legen.
- 19
- Dem Berufungsgericht ist ferner darin beizupflichten, dass die dem Kläger fortlaufend übersandten Unterlagen nicht geeignet sind, ihm eine einem ordnungsgemäßen Buchauszug vergleichbare geordnete und übersichtliche Darstellung aller provisionsrelevanten Daten zu verschaffen, und dass der Handelsvertreter sich nicht darauf verweisen lassen muss, die ihm übersandten Unterlagen selbst chronologisch zu ordnen und aufzubewahren, um sich daraus die für die Nachprüfung der Provisionsabrechnungen erforderlichen Informationen zusammenzusuchen.
- 20
- Vergeblich wendet sich die Revision gegen die Auffassung des Berufungsgerichts , die Beklagte sei ihrer Verpflichtung, dem Kläger eine geordnete und übersichtliche Darstellung aller provisionsrelevanten Daten zu überlassen, auch nicht dadurch nachgekommen, dass sie dem Kläger während der Vertragslaufzeit den Zugriff auf ihr elektronisches Agenturinformationssystem C. ermöglicht habe. Dies folgt schon daraus, dass das C. -System der Beklagten nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts nur den jeweils aktuellen Stand der fraglichen Daten wiedergibt. Ein Gesamtüberblick über den Zeitraum bis einschließlich August 2002 hätte sich daraus, wie auch die Revision nicht verkennt, allenfalls dadurch gewinnen lassen, dass der Kläger die nur vorübergehend zugänglichen Daten jeweils "fixiert" und gesammelt hätte. Darauf muss sich der Handelsvertreter indessen ebenso wenig verweisen lassen wie auf eine geordnete Aufbewahrung ihm übermittelter schriftlicher Unterlagen. Soweit die Beklagte vorgetragen hat, für die Zeit seit September 2002 sei es mit Hilfe des C. -Systems möglich, einen Buchauszug "auf Knopfdruck" zu erstellen, steht dies dem Anspruch des Klägers auf Erteilung eines Buchauszugs durch die Beklagte jedenfalls deswegen nicht entgegen, weil der Kläger nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts seit seinem Ausscheiden aus der Vertriebsorganisation der Beklagten keinen Zugriff mehr auf das System hat.
- 21
- 2. Frei von Rechtsfehlern ist auch die Auffassung des Berufungsgerichts, die Beklagte könne dem Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs nicht entgegenhalten , der Kläger habe die Provisionsabrechnungen - stillschweigend - anerkannt.
- 22
- Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann der Handelsvertreter zwar den Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs aus § 87c Abs. 2 HGB als Grundlage für weitere Provisionsansprüche nicht mehr geltend machen , wenn er sich mit dem Unternehmer über die Abrechnung der Provisionen geeinigt hat (Senat, Urteil vom 29. November 1995 - VIII ZR 293/94, WM 1996, 309 = NJW 1996, 588 unter II 1 m.w.Nachw.). Ein Einverständnis mit den Provisionsabrechnungen und damit das Anerkenntnis, keine weiteren Ansprüche zu haben, kann jedoch im Allgemeinen nicht aus einem untätigen Verhalten des Handelsvertreters gefolgert werden; für eine Einigung über die Abrechnung zwischen Unternehmer und Handelsvertreter bedarf es vielmehr in der Regel einer eindeutigen Willenserklärung des Handelsvertreters (Senat aaO m.w.Nachw.). Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesge- richtshofs, dass an die Annahme eines konkludent erklärten Verzichts grundsätzlich strenge Anforderungen zu stellen sind (z.B. Urteil vom 16. November 1993 - XI ZR 70/93 = WM 1994, 13 unter II 2 b; Urteil vom 22. Juni 1995 - VII ZR 118/94 = WM 1995, 1677 unter II 2 b bb). Deswegen ist allein in dem Umstand, dass der Kläger über mehrere Jahre hinweg die Abrechnungen der Beklagten widerspruchslos hingenommen hat, weder ein stillschweigend erklärtes Einverständnis mit den Abrechnungen noch ein Verzicht auf weitere Provision für nicht durchgeführte Geschäfte zu sehen (vgl. Senat aaO).
- 23
- Die jahrelange widerspruchslose Hinnahme der Provisionsabrechnungen der Beklagten durch den Kläger ist auch nicht deswegen als Anerkenntnis der Provisionsabrechnungen zu werten, weil dies in Ziffer 5.2. des Versicherungsvertretervertrages so vorgesehen ist. Denn diese Bestimmung ist wegen Verstoßes gegen die zwingende Vorschrift des § 87c HGB unwirksam. Der Annahme eines sich ständig wiederholenden negativen Schuldanerkenntnisses des Handelsvertreters durch Schweigen auf die Provisionsabrechnungen des Unternehmers stehen die dem Schutz des meist wirtschaftlich schwächeren Handelsvertreters dienenden §§ 87a Abs. 5, 87c Abs. 5 HGB entgegen (Senat aaO unter II 2). Denn diese Annahme führt ebenfalls zu einer gegen die genannten Bestimmungen verstoßenden Beschränkung der Ansprüche des Handelsvertreters auf Erteilung eines Buchauszugs und Zahlung von Provision für die Zukunft. Sie nötigt ihn, Abrechnungen des Unternehmers künftig zu widersprechen , um insoweit ein (sich ständig wiederholendes) negatives Schuldanerkenntnis zu vermeiden. Wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat und auch die Revision nicht verkennt, hat der Bundesgerichtshof deshalb eine Vereinbarung zwischen Handelsvertreter und Unternehmer, nach der dessen Abrechnung mangels Widerspruchs des Handelsvertreters innerhalb einer bestimmten Frist als genehmigt gelten soll, wegen Verstoßes gegen § 87c Abs. 5 HGB als unwirksam angesehen (Urteil vom 20. Februar 1964 - VII ZR 147/62, LM Nr. 4a zu § 87c HGB unter I 3 b bb; vgl. auch Urteil vom 19. November 1982 - I ZR 125/80 = LM Nr. 11 zu § 87a HGB unter I 2 c; Senatsurteil vom 29. November 1995 aaO unter II 2 b; ebenso OLG München VersR 2004, 470, 471; OLG Koblenz VersR 1980, 623; OLG Karlsruhe BB 1980, 226; OLG Hamm BB 1979, 442). An dieser Rechtsprechung, die auch im Schrifttum überwiegend Zustimmung gefunden hat (Ebenroth/Boujong/Joost/Löwisch, HGB, § 87c Rdnr. 50, MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene, § 87c Rdnr. 83, Heymann /Sonnenschein/Weitemeyer, HGB, 2. Aufl., § 87c Rdnr. 20; Hopt, Handelsvertreterrecht , 3. Aufl., § 87c Rdnr. 29), hält der Senat ungeachtet abweichender Auffassungen in Rechtsprechung (OLG Saarbrücken, DB 1985, 2399, OLG Naumburg VersR 1999, 578; LG Frankfurt/Oder VersR 1998, 1238) und Literatur (Müller-Stein, VersR 2001, 830, 831; Segger, VersR 2004, 781, 782; Scherer, BB 1996, 2205, 2209) fest.
- 24
- 3. Ohne Erfolg rügt die Revision, das Berufungsgericht hätte das Verlangen des Klägers nach Erteilung eines Buchauszugs jedenfalls deswegen als rechtsmissbräuchlich beurteilen müssen, weil der Kläger, ohne konkrete Zweifel an der Abrechnung der Beklagten geltend machen zu können, nur eine formale Rechtsposition für sachfremde Zwecke ausnützen und einen Anspruch durchsetzen wolle, der bei der Beklagten außergewöhnlich hohe Kosten auslöse, die in einem offensichtlichen Missverhältnis zu dem realistischerweise allenfalls verbleibenden Provisionsanspruch des Klägers stünden. Das Berufungsgericht hat für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers keine hinreichenden Anhaltspunkte feststellen können. Vom Berufungsgericht übersehene Gesichtspunkte zeigt auch die Revision nicht auf. Die Belastung mit außergewöhnlich hohen Kosten, die mit der Erstellung des Buchauszugs verbunden sind, kann der Unternehmer, wie auch die Revision nicht verkennt, dem Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs nach der Rechtsprechung des Senats nicht mit Er- folg entgegenhalten (Urteil vom 21. März 2001 aaO unter II 5). Auch daran hält der Senat fest.
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 01.04.2004 - 2 O 287/03 -
OLG Köln, Entscheidung vom 23.03.2005 - 19 U 71/04 -
(1) Das Vertragsverhältnis kann von jedem Teil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden. Dieses Recht kann nicht ausgeschlossen oder beschränkt werden.
(2) Wird die Kündigung durch ein Verhalten veranlaßt, das der andere Teil zu vertreten hat, so ist dieser zum Ersatz des durch die Aufhebung des Vertragsverhältnisses entstehenden Schadens verpflichtet.
(1) Der Unternehmer hat über die Provision, auf die der Handelsvertreter Anspruch hat, monatlich abzurechnen; der Abrechnungszeitraum kann auf höchstens drei Monate erstreckt werden. Die Abrechnung hat unverzüglich, spätestens bis zum Ende des nächsten Monats, zu erfolgen.
(2) Der Handelsvertreter kann bei der Abrechnung einen Buchauszug über alle Geschäfte verlangen, für die ihm nach § 87 Provision gebührt.
(3) Der Handelsvertreter kann außerdem Mitteilung über alle Umstände verlangen, die für den Provisionsanspruch, seine Fälligkeit und seine Berechnung wesentlich sind.
(4) Wird der Buchauszug verweigert oder bestehen begründete Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Abrechnung oder des Buchauszuges, so kann der Handelsvertreter verlangen, daß nach Wahl des Unternehmers entweder ihm oder einem von ihm zu bestimmenden Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchsachverständigen Einsicht in die Geschäftsbücher oder die sonstigen Urkunden so weit gewährt wird, wie dies zur Feststellung der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Abrechnung oder des Buchauszugs erforderlich ist.
(5) Diese Rechte des Handelsvertreters können nicht ausgeschlossen oder beschränkt werden.
(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.
(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn
- 1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder - 2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.