Landgericht Hof Endurteil, 17. Sept. 2015 - 24 S 36/15

published on 17/09/2015 00:00
Landgericht Hof Endurteil, 17. Sept. 2015 - 24 S 36/15
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Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Amtsgerichts Hof vom 18.05.2015 (Az.: 17 C 156/15) aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Hinsichtlich der Tatsachenfeststellung wird zunächst Bezug genommen auf das angefochtene Endurteil des Amtsgerichts Hof vom 18.05.2015 (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Das Erstgericht hat der Klage stattgegeben. Dagegen wenden sich die Beklagten mit ihrer eingelegten Berufung und beantragen:

Das Endurteil des Amtsgerichts Hof vom 18.05.2015, Aktenzeichen 17 C 156/15, wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf die Niederschrift der öffentlichen Sitzung vom 27.08.2015 Bezug genommen.

Gründe

I.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet; unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung des Amtsgerichts Hof war die Klage abzuweisen.

Der Klagepartei steht der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung eines um 335,45 € erhöhten Erbbauzinses ab 01.01.2015 gegenüber den Beklagten nicht zu, weil weder nach den zwischen den Parteien notariell getroffenen Vereinbarungen noch auch sonstigen Gründen die Voraussetzungen für eine entsprechende Erhöhung gegeben sind.

Entgegen der Rechtsansicht des Erstgerichts kann ein derartiger Erhöhungsanspruch nicht auf die Klausel im Notarvertrag vom 05.03.1970 gestützt werden, da die dort maßgebliche Regelung nach Wortlaut und Zweck hinsichtlich der Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erbbauzinserhöhung einen eindeutigen, d.h. zweifelsfreien Inhalt hat und deshalb hier für eine Auslegung kein Raum ist (vgl. insoweit Parlandt, 74. Auflage BGB, § 133 Anm. 6, m.w.N.).

Bei schuldrechtlichen Anpassungsverpflichtungen, die in Verbindung mit Erbbauzinsvereinbarungen getroffen werden, ist zunächst methodisch stets zwischen den Voraussetzungen, die den Anspruch auf Anpassung auslösen und dem Maßstab/Umfang der Anpassung zu unterscheiden (BGH, Urteil v. 26.02.1988m V ZR 155/86; OLG Karlsruhe, Urteil vom 15.07.2010, 12 U 63/10 m.w.N.).

Mit der gegenständlichen Anpassungvereinbarung vom 05.03.1970, wonach der Erbbauzins alle fünf Jahre, beginnend mit der erstmaligen Zahlung des Erbbauzinses, für die folgenden fünf Jahre neu festgesetzt wird, „wenn sich der Lebenshaltungskostenindex für alle privaten Haushalte in der Bundesrepublik gegenüber dem Stand vor jeweils fünf Jahren um mehr als 10 Punkte nach oben oder nach unten geändert hat“ haben die Parteien für beide Seiten gleichermaßen zunächst die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Durchsetzung ihres beiderseitigen Interesses, im Falle einer nachhaltigen Veränderung der wirtschaftlichen Lage den bisher festgesetzten Erbbauzins nach oben oder nach unten anzupassen, zweifelsfrei eindeutig geregelt. Voraussetzung ist demnach für das Entstehen des Anpassungsanspruchs, dass zum gleichfalls geregelten Bestimmungszeitpunkt sich der Lebenshaltungskostenindex innerhalb der letzten fünf Jahre um mehr als 10 Punkte verändert hat, und das Risiko, dass dies unter Umständen für einen längeren Zeitraum nicht der Fall ist, ist von beiden Seiten zu tragen.

Dieser Feststellung kann auch nicht - wie vom Berufungsbeklagten geltend gemacht - der Inhalt weiterer zwischen den Parteien im Notarvertrag vom 13.01.1995 (Anlage K9) und dem Notarvertrag vom 23.01.1995 (Anlage K3) gertroffenen Vereinbarungen entgegen gehalten werden. Denn diese enthalten keine von der am 05.03.1970 getroffenen Vereinbarung abweichende Regelung der Voraussetzungen des Anpassungsanspruchs. Sie haben u.a. nur den Maßstab bzw. Umfang der Anpassung des Erbbauzinses und diesen auch in Übereinstimmung mit der am 05.03.1970 getroffenen Vereinbarung zum Gegenstand. So bestimmt § 2 des Vertrages vom 13.01.1995 „In Anwendung der vereinbarten Anpassungsmöglichkeit ...“ die dort berechnete Erhöhung und knüpft „für die Berechnung“, d.h. nur hinsichtlich des Erhöhungsmaßstabes - auch in Übereinstimmung mit der am 05.03.1970 getroffenen Regelung - an den Index „sechs Monate vor letztmaliger Anpassung“ an. Denn da sich der Lebenshaltungskostenindex von 1989 bis 1994 um 27,3 Punkte geändert hatte, wurde insoweit - wie in § 2 Satz 1 (s.o.) zuvor festgestellt - die ab 01.01.1995 angepasste Erhöhung um 294,78 DM vollzogen.

Die klägerseits genannten späteren Notarverträge sind daher für eine über den Wortlaut hinausgehende und diesen auch inhaltlich abändernde Auslegung der Regelung der Anspruchsvoraussetzungen vom 05.03.1970 nicht geeignet.

Das Erfordernis einer über den eindeutigen Wortlaut der notariellen Vereinbarung vom 05.03.1970 hinausgehenden Auslegung kann auch nicht auf weiteres Verhalten der Parteien nach Vertragsschluss gestützt werden. Hier ist zum einen die Tatsache zu berücksichtigen, dass der Kläger in der Vergangenheit bis zur gegenständlichen Geltendmachung im Herbst 2014 keine Erbbauzinserhöhung unter Berufung auf die nunmehr von ihm in Anspruch genommenen Auslegung verlangt hat, obwohl deren Voraussetzungen, wenn man seiner Ansicht folgte, bereits zu den grundsätzlich möglichen Erhöhungszeitpunkten zum 01.01.2005 sowie zum 01.01.2010 gegeben waren. Zum anderen hat der Kläger selbst im Herbst 2014 den Beklagten eine Vereinbarung angetragen, wonach unter Ziffer III. die bisherigen notariellen Vereinbarungen aufgehoben und inhaltlich neu vereinbart werden sollten, was jedoch von den Beklagten abgelehnt wurde.

Soweit der Kläger meint, dass eine wortlautgetreue „Auslegung“ darauf hinauslaufen würde, dass ihm in keinem der vergangenen fünf Jahreszeiträume ein Erhöhungsverlangen möglich gewesen und ihm auch nach 20 Jahren keine Erhöhung möglich sei und dies nicht dem Grundgedanken der Erhöhungsklausel entspreche, kann dies hier einen Erhöhungsanspruch gleichfalls nicht begründen. Denn Grundgedanke dieser Erhöhungsklausel vom 05.03.1970 ist lediglich, den Erbbauzins an die Entwicklung der Kaufkraft des Geldes bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen nach oben oder nach unten anzupassen. Dass nach dem eindeutigen Wortlaut der Erklärung diese Voraussetzungen zugunsten des Klägers derzeit seit 15 Jahren (seit 2000) nicht gegeben sind und sich damit eine mögliche Erwartung des Klägers (oder die seines Rechtsvorgängers) bei Vertragsschluss, der Lebenshaltungskostenindex werde sich regelmäßig innerhalb von fünf Jahren stets um mindestens 10 Prozent erhöhen, nicht erfüllt hat, vermag allein eine Auslegungsbedürftkeit dieser eindeutigen Vereinbarung nicht zu begründen.

Für eine ergänzende Vertragsauslegung ist daher vorliegend kein Raum, sodass der klägerische Einwand, die Rechtsansicht des Berufungsführers entspreche nicht dem Grundgedanken der Erhöhungsklausel, weil deren Zweck nicht mehr erfüllt werde, nur nach den Regeln des Wegfalls der Geschäftsgrundlage zu einer entsprechenden Anpassung führen könnte, deren Voraussetzungen hier aber gleichfalls nicht gegeben sind (vgl. BGH Urteil v. 18.11.2011, V ZR 31/11 und Urteil v. 03.02.2012, V ZR 23/11 m.w.N.) Denn nach dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung liegt eine insoweit zu beachtende Äquivalenzstörung, mit der die Grenze des für den Kläger Tragbaren überschritten worden wäre, erst dann vor, wenn die Lebenshaltungskosten seit dem maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt (hier 1995) um mehr als 150 % gestiegen wären, was hier unstreitig nicht der Fall ist.

Eine Anpassung des Erbbauzinses kann daher weder im Wege einer ergänzenden Vertragauslegung noch nach den Regeln des Wegfallls der Geschäftsgrundlage erfolgen, sodass dem Kläger derzeit kein Anspruch auf Erhöhung des Erbbauzinses zusteht.

Entsprechend war auf die Berufung der Beklagten das angefochtene Endurteil des Amtsgerichts Hof vom 18.05.2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

II.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

III.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

IV.

Die Revision war zuzulassen, da die Voraussetzungen nach § 543 ZPO hier gegeben sind. Die Berufungskammer geht im Gegensatz zum Erstgericht davon aus, dass die gegenständliche Anpassungsklausel nach Wortlaut und Zweck einen eindeutigen Inhalt hat und deshalb nicht auslegungsbedürftig ist. Ob Eindeutigkeit vorliegt, ist jedoch eine revisible Frage (vgl. BGHZ 32, 63).

Verkündet am 17.09.2015

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Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat
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Annotations

(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil

1.
die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen,
2.
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
Wird das Urteil in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, verkündet, so können die nach Satz 1 erforderlichen Darlegungen auch in das Protokoll aufgenommen werden.

(2) Die §§ 313a, 313b gelten entsprechend.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.