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| Die Klage ist zulässig und begründet. |
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| 1. Es besteht ein Feststellungsinteresse. Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann auf Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Ein derartiges rechtliches Interesse liegt vor. |
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| a) Ein Feststellungsinteresse ist grundsätzlich zu bejahen, wenn dem Recht oder der Rechtslage des Klägers eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit dadurch droht, dass der Beklagte sich eines Rechtes gegen den Kläger berühmt und wenn das erstrebte Urteil infolge seiner Rechtskraft geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen. Bei einer behauptenden Feststellungsklage liegt eine solche Gefährdung in der Regel schon darin, dass der Beklagte das Recht des Klägers ernstlich bestreitet (BGH, NJW 1986, S. 2507). Ein solches „Bestreiten“ ist hier dadurch eingetreten, dass die Beklagte dem Widerruf mit Schreiben vom 10.10.2014 entgegengetreten ist (vgl. KG, Beschluss vom 09.08.2005 - 4 W 37/05). |
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| Der ursprüngliche Klageantrag auf Feststellung der Unwirksamkeit der Widerrufsbelehrung war unzulässig. Er betraf eine abstrakte Vorfrage. Die Kläger haben ihren Antrag aber in der mündlichen Verhandlung umgestellt. |
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| b) Auch hinsichtlich der Berechtigung, ein Vorfälligkeitsentgelt zu verlangen, besteht ein berechtigtes Interesse. Denn die Beklagte hat sich des Rechts berühmt, eine Vorfälligkeitsentschädigung verlangen zu dürfen. Dies ergibt sich aus ihrer E-Mail vom 19.02.2014 (AS 17). Darin hat sie ein Vorfälligkeitsentgelt beziffert. Zwar hatten die Kläger zu diesem Zeitpunkt den Widerruf noch nicht erklärt. Das von der Beklagten beanspruchte Vorfälligkeitsentgelt bezog sich auf den Fall der vorzeitigen Ablösung. In ihrer Klageerwiderung gibt die Beklagte aber zu verstehen, dass sie nach wie vor der Meinung ist, ihr stehe ein Vorfälligkeitsentgelt zu. Denn als die Klageerwiderung einging, hatten die Kläger den Widerruf bereits erklärt. Die Beklagte hält ihn aber für unwirksam. |
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| 2. Die Klage ist auch begründet. Der Darlehensvertrag zwischen den Parteien besteht nicht mehr. Er wurde durch den Widerruf beendet. |
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| Nach § 495 Abs. 1 BGB a.F. stand einem Darlehensnehmer bei einem Verbraucherdarlehensvertrag ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB zu. § 355 BGB in der maßgeblichen Fassung vom 01.12.2004 lautete: |
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| 1) Wird einem Verbraucher durch Gesetz ein Widerrufsrecht nach dieser Vorschrift eingeräumt, so ist er an seine auf den Abschluss des Vertrags gerichtete Willenserklärung nicht mehr gebunden, wenn er sie fristgerecht widerrufen hat. Der Widerruf muss keine Begründung enthalten und ist in Textform oder durch Rücksendung der Sache innerhalb von zwei Wochen gegenüber dem Unternehmer zu erklären; zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung. |
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| (2) Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, zu dem dem Verbraucher eine deutlich gestaltete Belehrung über sein Widerrufsrecht, die ihm entsprechend den Erfordernissen des eingesetzten Kommunikationsmittels seine Rechte deutlich macht, in Textform mitgeteilt worden ist, die auch Namen und Anschrift desjenigen, gegenüber dem der Widerruf zu erklären ist, und einen Hinweis auf den Fristbeginn und die Regelung des Absatzes 1 Satz 2 enthält. Wird die Belehrung nach Vertragsschluss mitgeteilt, beträgt die Frist abweichend von Absatz 1 Satz 2 einen Monat. Ist der Vertrag schriftlich abzuschließen, so beginnt die Frist nicht zu laufen, bevor dem Verbraucher auch eine Vertragsurkunde, der schriftliche Antrag des Verbrauchers oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Antrags zur Verfügung gestellt werden. [...] |
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| (3) Das Widerrufsrecht erlischt spätestens sechs Monate nach Vertragsschluss. [...] Abweichend von Satz 1 erlischt das Widerrufsrecht nicht, wenn der Verbraucher nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist [...]. |
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| a) Der Widerruf erfolgte fristgemäß. |
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| aa) Die Widerrufsfrist hatte noch nicht zu laufen begonnen, als die Kläger den Widerruf erklärt haben. Denn sie wurden nicht ordnungsgemäß über ihr Widerrufsrecht belehrt. Auszugehen ist zunächst davon, dass die in der streitgegenständlichen Widerrufsbelehrung verwendete Formulierung, die Frist beginne „frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“, nach der gefestigten Rechtsprechung des BGH unzureichend ist und dem in § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. enthaltenen Deutlichkeitsgebot nicht genügt (XI ZR 349/10 - bei juris; VIII ZR 378/11 - bei juris). Die Verwendung des Wortes „frühestens“ ermöglicht es dem Verbraucher nicht, den Fristbeginn ohne Weiteres zu erkennen. Er vermag ihr lediglich zu nehmen, dass die Widerrufsfrist gegebenenfalls noch von weiteren Voraussetzungen abhängen soll. Der Verbraucher wird jedoch darüber im Unklaren gelassen, welche - etwaigen - weiteren Umstände dies sind (BGH, Urteil vom 09. Dezember 2009 - VIII ZR 219/08, zitiert nach juris Rn. 15). |
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| bb) Die Beklagte kann sich nicht auf § 14 Abs.1 und 3 BGB-InfoV und das Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV in der bis zum 31.03.2008 geltenden Fassung berufen, weil sie gegenüber den Klägern für die Widerrufsbelehrung kein Formular verwendet hat, das dem Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV in der damaligen Fassung in jeder Hinsicht entspricht. |
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| Bei vollständiger Verwendung kann sich der Verwender auf die in § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV geregelten Gesetzlichkeitsfiktion auch dann berufen, wenn das Muster fehlerhaft ist und den gesetzlichen Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB a.F. an eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung nicht genügt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs greift die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV grundsätzlich nur dann ein, wenn der Verwender ein Formular verwendet hat, das dem Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV in der jeweils maßgeblichen Fassung sowohl inhaltlich als auch in der äußeren Gestaltung vollständig entspricht (BGH, Urteil vom 18.03.2014, II ZR 109/13, zitiert nach Juris Rn. 15 m.w.N.). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es unerheblich, ob die Abweichungen von der Musterbelehrung nur in der Aufnahme von insoweit zutreffenden Zusatzinformationen zugunsten des Belehrungsempfängers bestehen (BGH, Urteil vom 18.03.2014, II ZR 109/13, zitiert nach Juris Rn. 16 und 17). Dabei ist zu bedenken, dass sich schon mit Rücksicht auf die Vielgestaltigkeit möglicher individueller Veränderungen des Musters keine verallgemeinerungsfähige bestimmte Grenze ziehen lässt, bei deren Einhaltung eine Schutzwirkung gilt und ab deren Überschreitung sie bereits entfällt (BGH, Urteil vom 28.06.2011 - XI ZR 349/10, juris Rn. 39). |
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| cc) Die von der Beklagten verwendete Widerrufsbelehrung entspricht dem Muster nicht vollständig. Es kann hier offen bleiben, ob jede Änderung des Mustertextes eine inhaltliche Bearbeitung darstellt (so Schirmbacher, BB 2011, 2451, 2452) oder ob eine geringfügige sprachliche Änderung (“Widerrufsfrist“ statt „Frist“ und „Darlehensgeber“ statt „Wir“) unschädlich ist (so OLG Frankfurt, Urteil vom 07.07.2014 - 23 U 172/13, juris Rn. 48). Im vorliegenden Fall liegt eine inhaltliche Bearbeitung durch die Beklagte vor. Bereits die Überschrift „Widerrufsbelehrung“ enthält einen Zusatz (“zu Darlehensvertrag vom 04.07.2007“). Ferner enthält die von der Beklagten verwendete Belehrung in Satz 1 des mit „Widerrufsrecht“ überschriebenen Abschnitts einen in der Musterbelehrung nicht vorhandenen Fußnotenverweis, der zudem, wenngleich es hierauf nicht ankommt, verwirrend ist (“Bitte Frist im Einzelfall prüfen“). Dieser Fußnotenverweis vermag beim Verbraucher Missverständnisse hervorzurufen. Es ist gerade nicht offensichtlich erkennbar, dass sich die Hochziffer 2 an den Mitarbeiter der Beklagten richtet. Es bleibt unklar, ob die Kläger von sich aus prüfen müssen, ab wann die Widerrufsfrist zu laufen beginnt. Von einer marginalen Änderung kann hierbei nicht gesprochen werden. Vielmehr liegt eine inhaltliche Bearbeitung vor (so auch Brandenburgisches Oberlandesgericht; Urteil vom 17.10.2012 - 4 U 194/11; OLG München; Urteil vom 21.10.2013, 19 U 1208/13, zitiert nach juris Rn. 37; a.A. LG Hagen (Westfalen), Urteil vom 30.10.2014 - 9 O 73/14, juris Rn. 41; LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 27.10.2014 - 10 O 3952/14, Anlage B 3). |
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| Es ist unerheblich, ob sich einem verständigen Verbraucher bei sorgfältiger Exegese möglicherweise erschließt, dass sich der Zusatz „Bitte Frist im Einzelfall prüfen“ an den Sachbearbeiter der Bank richtet. Maßgeblich ist allein, ob die Beklagte die Musterbelehrung inhaltlich bearbeitet hat. Das ist der Fall. Die Fußnoten sind in der Musterbelehrung nicht vorgesehen. Es handelt sich um eine Zusatzinformation. |
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| 3. Das Widerrufsrecht ist nicht verwirkt. |
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| Ein Recht ist verwirkt, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (Umstandsmoment). Letzteres ist der Fall, wenn der Verpflichtete bei objektiver Betrachtung aus dem Verhalten des Berechtigten entnehmen durfte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen werde. Ferner muss sich der Verpflichtete im Vertrauen auf das Verhalten des Berechtigten in seinen Maßnahmen so eingerichtet haben, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstünde (st. Rspr., BGH, Urteile vom 07.05.2014 - IV ZR 76/11; vom 30.07.2014 - IV ZR 85/12, juris Rn. 17 und vom 03.09.2014 - IV ZR 145/12, juris Rn. 17). Hier fehlt es am Umstandsmoment. Ein schutzwürdiges Vertrauen kann die Beklagte schon deshalb nicht in Anspruch nehmen, weil sie die Situation selbst herbeigeführt hat. Die Beklagte hat den Klägern nämlich keine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung erteilt (BGH, Urt. v. 07.05.2014 - IV ZR 76/11, zitiert nach Juris, Rn. 39). Die Beklagte ist selbst für den Umstand verantwortlich, dass die Kläger noch widerrufen konnten. Es stand ihr frei, die Fußnoten in der Ausfertigung für den Verbraucher zu entfernen (vgl. OLG München, Urteil vom 21. Oktober 2013 - 19 U 1208/13, juris Rn. 37). Außerdem hatte sie die Möglichkeit, die Kläger nachträglich über ihr Widerrufsrecht zu belehren (Palandt/Grüneberg, BGB, 74. Auflage 2015, § 242 Rn. 107). Dem ist sie nicht nachgekommen. |
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| Darüber hinaus fehlt es an konkretem Vortrag, dass und aus welchen Gründen sich die Beklagte, die spätestens auf Grund der Entscheidung des BGH vom 29.04.2010 (I ZR 66/08 Rn. 21) ohne Weiteres hätte erkennen können, dass die von ihr verwendete Widerrufsbelehrung fehlerhaft war, berechtigter Weise darauf eingerichtet haben will, dass Anleger Verträge nicht auch noch Jahre nach deren Abschluss und gegebenenfalls auch dann noch widerrufen, wenn das Darlehen bereits zurückbezahlt worden ist. Dies gilt erst recht, wenn man berücksichtigt, dass die Beklagte ohne weiteres in der Lage gewesen wäre, die Kläger in wirksamer Form nachzubelehren. Im Übrigen verkennt die Beklagte, dass es eine gesetzgeberische Entscheidung war, eine damalige Sechsmonatsfrist, innerhalb der das Widerrufsrecht auch bei Fehlen einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung erlöschen sollte, nicht in das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz zu übertragen. Diese gesetzgeberische Wertung kann nicht dadurch unterlaufen werden, dass man Banken das Recht zubilligt, sich der Haftung durch die Berufung auf § 242 BGB zu entziehen (OLG Hamm, Beschluss vom 25.08.2014, 31 U 74/14, zitiert nach Juris, Rn. 14). |
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| 4. Der Widerruf ist nicht rechtsmissbräuchlich. |
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| Der Verbraucher darf sein Widerrufsrecht auch und gerade aus wirtschaftlichen Gründen ausüben (Habersack/Schürnbrand, ZIP 2014, S. 749, 756). Warum der Verbraucher sein Widerrufsrecht eventuell erst Jahre später wahrnimmt, ist unerheblich. Der Widerruf ist nicht an einen bestimmten Widerrufsgrund gebunden. Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 355 BGB a.F.; dort heißt es, dass der Widerruf keine Begründung enthalten muss. |
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| Grundsätzlich soll das Widerrufsrecht zwar vor einer übereilten Entscheidung schützen (BGH, Urteil vom 28.05.2013 - XI ZR 6/12, juris Rn. 24). Wenn aber der Verbraucher falsch belehrt wird, geht er möglicherweise davon aus, er könne nicht mehr widerrufen. Das kann dazu führen, dass er das Rechtsgeschäft trotz einer übereilten Entscheidung zunächst nicht widerruft. Das ist dem Unternehmer anzulasten. Er kann seine Pflichtverletzung nicht auf den Verbraucher abwälzen. Denn der Verbraucher kann sein Recht nur eigenverantwortlich wahrnehmen, wenn er eine rechtskonforme Widerrufsbelehrung erhalten hat. Ist die Belehrung fehlerhaft, bleibt der Verbraucher schutzwürdig (vgl. BGH, Urteil vom 16.10.2013 - IV ZR 52/12, juris Rn. 24). |
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| 5. Der Beklagten steht auch kein Vorfälligkeitsentgelt zu. |
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| Der Antrag der Kläger hinsichtlich des Vorfälligkeitsentgelts ist auszulegen. Die Kläger wollen festgestellt haben, dass sie der Beklagten im Rahmen der Rückabwicklung kein Vorfälligkeitsentgelt schulden. Denn aus ihren Ausführungen ergibt sich, dass sie den Vertrag rückabwickeln wollen. Demgegenüber wollen sie nicht am Darlehensvertrag festhalten und das Darlehen vorzeitig ablösen. So verstanden ist ihr Feststellungsantrag begründet. |
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| Ein vertraglicher Anspruch kommt nicht in Betracht. Ist ein Vertrag aufgrund Widerrufs rückabzuwickeln, kann der Unternehmer keine Vorfälligkeitsentschädigung verlangen (Borowski, BKR 2014, 361, 365). Denn der Darlehensvertrag ist rückabzuwickeln. Der Anspruch auf eine Vorfälligkeitsentschädigung beruht aber auf einer vorzeitigen Abwicklung, nicht auf einer Rückabwicklung. |
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| Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. |
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| Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 709 ZPO. |
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