Landgericht Hamburg Beschluss, 28. Mai 2018 - 330 T 10/18
Gericht
Tenor
I. Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Hamburg (67g IN 555/14) vom 04.01.2018 abgeändert:
Der Restschuldbefreiungsversagungsantrag des Gläubigers vom 29.11.2017 wird als unbegründet zurückgewiesen.
I. Die Kosten des Verfahrens trägt der Gläubiger.
Gründe
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Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
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Die Voraussetzungen für die Annahme einer Erwerbsobliegenheitsverletzung gemäß §§ 287b, 290 Abs. 1 Nr. 7 InsO lagen nicht vor. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts im angefochtenen Beschluss war die Schuldnerin unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des vorliegenden Einzelfalles für den Zeitraum ab 22.05.2016 nicht gehalten, einer Vollzeittätigkeit nachzugehen:
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Nach der Rechtssprechung des Bundesgerichtshofes (Beschluss vom 03.12.2009 - IX ZB 139/07) entfällt eine Erwerbsobliegenheit des Schuldners, wenn ihm die Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit auf Grund der Umstände des Einzelfalles nicht zugemutet werden kann. Die Frage, ob und in welchem Umfang ein Schuldner neben einer von ihm übernommenen Kinderbetreuung erwerbstätig sein muss, richtet sich in erster Linie nach den spezielleren familienrechtlichen Verpflichtungen. Als Grundlage der Beurteilung sind hierbei die zu § 1570 BGB entwickelten familienrechtlichen Maßstäbe heranzuziehen (BGH a.a.O.). Hierbei ist zu beachten, dass dann, wenn aus einer zumutbaren Tätigkeit kein pfändbares Einkommen erzielbar gewesen wäre, es an der für § 295 Abs. 1 InsO maßgeblichen konkreten Beeinträchtigung der Gläubiger fehlt. Denn eine Obliegenheitsverletzung rechtfertigt eine Versagung der Restschuldbefreiung nur dann, wenn dadurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt wird. Deren Schlechter-Stellung muss konkret messbar sein; eine bloße Gefährdung der Befriedigungsaussichten der Insolvenzgläubiger reicht nicht aus (vgl. BGH a.a.O., Rd. 10 m.w.N.). Aus diesem Grunde könnte im vorliegenden Falle die Versagung der Restschuldbefreiung nur dann angenommen werden, wenn die Schuldnerin zu einer Vollzeittätigkeit verpflichtet gewesen wäre, wodurch sie pfändbare Einkünfte in Höhe von monatlich etwa € 1.758,38 hätte erzielen können, nicht jedoch auch bei Annahme einer Obliegenheit zur Aufnahme einer Halbzeittätigkeit, bei welcher sie lediglich Einkünfte hätte erzielen können, die unter der Pfändungsgrenze gelegen hätten.
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Unter Berücksichtigung der heranzuziehenden familienrechtlichen Vorschriften ist davon auszugehen, dass nach Vollendung des dritten Lebensjahres eines Kindes grundsätzlich eine Erwerbsobliegenheit des betreuenden Elternteils einsetzt. Mit der Neuregelung des Betreuungsunterhaltes durch das Gesetz zur Änderung des Unterhaltsrechts vom 21.12.2007 hat der Gesetzgeber einen auf drei Jahre befristeten Basisunterhalt eingeführt, der aus Gründen der Billigkeit verlängert werden kann. Im Rahmen dieser Billigkeitsentscheidung sind nach dem Willen des Gesetzgebers kind- und elternbezogene Verlängerungsgründe zu berücksichtigen. Allerdings verlangt die gesetzliche Neuregelung nach der Rechtssprechung des Bundesgerichtshofes keinen abrupten Wechsel von der elterlichen Betreuung zu einer Vollzeiterwerbstätigkeit. Denn nach Maßgabe der im Gesetz genannten kindbezogenen (§ 1570 Abs. 1, S. 3 BGB) Gründe ist auch nach dem neuen Unterhaltsrecht ein gestufter Übergang bis hin zu einer Vollzeiterwerbstätigkeit möglich (vgl. BGH, Urteil vom 01.06.2011, XII ZR 45/09 Rd. 16, 18). In diesem Zusammenhang hat der Bundesgerichtshof auch festgestellt, dass als kindbezogene Verlängerungsgründe gerade auch eine besondere seelische Belastung eines Kindes zu berücksichtigen ist, vorausgesetzt, diese kann im Einzelfall konkret festgestellt werden (vgl. BGH a.a.O. Rd. 25).
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Im vorliegenden Fall geht die Kammer im Hinblick auf das vorgelegte ärztliche Attest des Herrn Prof. Dr. med. D. N. vom 17.01.2018 (Anlage B2/Blatt 47 der Akte) davon aus, dass das am 21.05.2013 geborene Kind der Schuldnerin, L. A. W., im Zeitraum von September 2016 bis Mai 2017 unter massiven Angstzuständen und Verlustängsten gelitten hat. Diese Ängste des Kindes bahnten sich schon kurz nach der Arbeitsaufnahme am 06.06.2016 an (vgl. Anlage B3, B4 und B5). Aus diesen Gründen war die Schuldnerin nach Auffassung der Kammer für den hier in Rede stehenden Zeitraum nicht gehalten, eine Vollzeittätigkeit aufzunehmen, durch welche sie noch längere Zeit von ihrem Kind getrennt gewesen wäre. Soweit das Amtsgericht im angefochtenen Beschluss argumentiert hat, der Ehegatte der Schuldnerin sei aus § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB als Beistandsschuldner im Rahmen seiner Möglichkeiten verpflichtet gewesen, der Schuldnerin zu helfen; es sei nicht ersichtlich, warum es dem selbstständig tätigen Ehemann der Schuldnerin nicht möglich gewesen sei, die Tochter zumindest einige Tage in der Woche zur Kita zu bringen, greift diese Erwägung für den in Rede stehenden Sachverhalt nicht. Denn aufgrund der eidesstattlichen Versicherung gemäß Anlage B6 ist davon auszugehen, dass der Ehemann der Schuldnerin seine selbstständige Tätigkeit nur nebenberuflich ausgeführt hat, er darüberhinaus jedoch eine Vollzeitbeschäftigung ausübt, bei welcher er täglich um 6.20 Uhr aus dem Hause geht und erst zwischen 16.30 Uhr und 17.30 Uhr wieder im Hause ist.
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Nach alledem war der angefochtene Beschluss abzuändern und der Restschuldbefreiungsversagungsantrag als unbegründet zurückzuweisen.
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Die Kostenentscheidung hat ihre Grundlage in § 91 Abs. 1, S. 1 ZPO.
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Ab Beginn der Abtretungsfrist bis zur Beendigung des Insolvenzverfahrens obliegt es dem Schuldner, eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben und, wenn er ohne Beschäftigung ist, sich um eine solche zu bemühen und keine zumutbare Tätigkeit abzulehnen.
(1) Die Restschuldbefreiung ist durch Beschluss zu versagen, wenn dies von einem Insolvenzgläubiger, der seine Forderung angemeldet hat, beantragt worden ist und wenn
- 1.
der Schuldner in den letzten fünf Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag wegen einer Straftat nach den §§ 283 bis 283c des Strafgesetzbuchs rechtskräftig zu einer Geldstrafe von mehr als 90 Tagessätzen oder einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten verurteilt worden ist, - 2.
der Schuldner in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorsätzlich oder grob fahrlässig schriftlich unrichtige oder unvollständige Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht hat, um einen Kredit zu erhalten, Leistungen aus öffentlichen Mitteln zu beziehen oder Leistungen an öffentliche Kassen zu vermeiden, - 3.
(weggefallen) - 4.
der Schuldner in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorsätzlich oder grob fahrlässig die Befriedigung der Insolvenzgläubiger dadurch beeinträchtigt hat, daß er unangemessene Verbindlichkeiten begründet oder Vermögen verschwendet oder ohne Aussicht auf eine Besserung seiner wirtschaftlichen Lage die Eröffnung des Insolvenzverfahrens verzögert hat, - 5.
der Schuldner Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten nach diesem Gesetz vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt hat, - 6.
der Schuldner in der nach § 287 Absatz 1 Satz 3 vorzulegenden Erklärung und in den nach § 305 Absatz 1 Nummer 3 vorzulegenden Verzeichnissen seines Vermögens und seines Einkommens, seiner Gläubiger und der gegen ihn gerichteten Forderungen vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht hat, - 7.
der Schuldner seine Erwerbsobliegenheit nach § 287b verletzt und dadurch die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt; dies gilt nicht, wenn den Schuldner kein Verschulden trifft; § 296 Absatz 2 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.
(2) Der Antrag des Gläubigers kann bis zum Schlusstermin oder bis zur Entscheidung nach § 211 Absatz 1 schriftlich gestellt werden; er ist nur zulässig, wenn ein Versagungsgrund glaubhaft gemacht wird. Die Entscheidung über den Versagungsantrag erfolgt nach dem gemäß Satz 1 maßgeblichen Zeitpunkt.
(3) Gegen den Beschluss steht dem Schuldner und jedem Insolvenzgläubiger, der die Versagung der Restschuldbefreiung beantragt hat, die sofortige Beschwerde zu. Der Beschluss ist öffentlich bekannt zu machen.
(1) Ein geschiedener Ehegatte kann von dem anderen wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes für mindestens drei Jahre nach der Geburt Unterhalt verlangen. Die Dauer des Unterhaltsanspruchs verlängert sich, solange und soweit dies der Billigkeit entspricht. Dabei sind die Belange des Kindes und die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen.
(2) Die Dauer des Unterhaltsanspruchs verlängert sich darüber hinaus, wenn dies unter Berücksichtigung der Gestaltung von Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit in der Ehe sowie der Dauer der Ehe der Billigkeit entspricht.
Dem Schuldner obliegt es, in dem Zeitraum zwischen Beendigung des Insolvenzverfahrens und dem Ende der Abtretungsfrist
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eine angemessene Erwerbstätigkeit auszuüben und, wenn er ohne Beschäftigung ist, sich um eine solche zu bemühen und keine zumutbare Tätigkeit abzulehnen; - 2.
Vermögen, das er von Todes wegen oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht oder durch Schenkung erwirbt, zur Hälfte des Wertes sowie Vermögen, das er als Gewinn in einer Lotterie, Ausspielung oder in einem anderen Spiel mit Gewinnmöglichkeit erwirbt, zum vollen Wert an den Treuhänder herauszugeben; von der Herausgabepflicht sind gebräuchliche Gelegenheitsgeschenke und Gewinne von geringem Wert ausgenommen; - 3.
jeden Wechsel des Wohnsitzes oder der Beschäftigungsstelle unverzüglich dem Insolvenzgericht und dem Treuhänder anzuzeigen, keine von der Abtretungserklärung erfaßten Bezüge und kein von Nummer 2 erfaßtes Vermögen zu verheimlichen und dem Gericht und dem Treuhänder auf Verlangen Auskunft über seine Erwerbstätigkeit oder seine Bemühungen um eine solche sowie über seine Bezüge und sein Vermögen zu erteilen; - 4.
Zahlungen zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger nur an den Treuhänder zu leisten und keinem Insolvenzgläubiger einen Sondervorteil zu verschaffen; - 5.
keine unangemessenen Verbindlichkeiten im Sinne des § 290 Absatz 1 Nummer 4 zu begründen.
(1) Ein geschiedener Ehegatte kann von dem anderen wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes für mindestens drei Jahre nach der Geburt Unterhalt verlangen. Die Dauer des Unterhaltsanspruchs verlängert sich, solange und soweit dies der Billigkeit entspricht. Dabei sind die Belange des Kindes und die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen.
(2) Die Dauer des Unterhaltsanspruchs verlängert sich darüber hinaus, wenn dies unter Berücksichtigung der Gestaltung von Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit in der Ehe sowie der Dauer der Ehe der Billigkeit entspricht.
(1) Die Ehe wird von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen. Die Ehegatten sind einander zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet; sie tragen füreinander Verantwortung.
(2) Ein Ehegatte ist nicht verpflichtet, dem Verlangen des anderen Ehegatten nach Herstellung der Gemeinschaft Folge zu leisten, wenn sich das Verlangen als Missbrauch seines Rechts darstellt oder wenn die Ehe gescheitert ist.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.