Landgericht Hamburg Urteil, 17. Apr. 2015 - 330 O 449/13
Gericht
Tenor
1. Die Beklagte zu 1 wird verurteilt, an den Kläger 14.283,56 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.11.2013 zu zahlen, Zug um Zug gegen Abgabe eines Angebots des Klägers gegenüber der Beklagten zu 1 auf Übertragung der vom Kläger am 19.10.2004 gezeichneten Beteiligungen an der der MS „M.“ Schifffahrtsgesellschaft mbh & Co. KG und der MS „F.“ Schifffahrtsgesellschaft mbh & Co. KG im Nennwert von 20.000 US$ sowie Abtretung aller Rechte aus dieser Beteiligung an die Beklagte zu 1.
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte zu 1 mit der Annahme des Angebots auf Übertragung der vom Kläger am 19.10.2004 gezeichneten Beteiligungen an der MS „M.“ Schifffahrtsgesellschaft mbh & Co. KG und der MS „F.“ Schifffahrtsgesellschaft mbh & Co. KG im Nennwert von 20.000 US$ sowie der Annahme der Abtretung der Rechte aus dieser Beteiligung in Verzug befindet.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 1 verpflichtet ist, den Kläger von allen steuerlichen und wirtschaftlichen Nachteilen freizustellen, die mittelbar oder unmittelbar aus den vom Kläger am 19.10.2004 gezeichneten Beteiligungen an der MS „M.“ Schifffahrtsgesellschaft mbh & Co. KG und der MS „F.“ Schifffahrtsgesellschaft mbh & Co. KG im Nennwert von insgesamt 20.000 US$ resultieren und die ohne die Zeichnung dieser Fondsanteile nicht eingetreten wären.
4. Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 197,24 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.11.2013 zu zahlen.
5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
6. Die Gerichtskosten tragen der Kläger zu 62 % und die Beklagte zu 1 zu 38 %.
Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1 zu 38 % und der Beklagten zu 2 zu 100%.
Die Beklagte zu 1 trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 38 %.
Darüber hinaus findet keine Kostenerstattung statt.
7. Das Urteil ist für den Kläger und die Beklagte zu 2 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Für die Beklagte zu 1 ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung der Beklagten zu 1 durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn die Beklagte zu 1 nicht vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
- 1
Der Kläger war bei Zeichnung der streitgegenständlichen Beteiligung 66 Jahre alt. Bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2003 war er Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Universität M. und hatte bis zum Jahre 2002 verschiedene Aufsichtsrats- und Beiratsmandate inne, u. a. bei der R. AG, der D. AG und in den Gremien des R.-Konzerns.
- 2
Der Kläger ist seit Jahren Kunde der Beklagten zu 1, zunächst bei der Filiale in M., inzwischen bei der Filiale in C.. Er investiert seit den 1990er Jahren in geschlossene Beteiligungen. Dabei zeichnete er neben dem streitgegenständlichen Schiffsfond drei geschlossene Immobilienfonds und den Lebensversicherungsfond „P. 2 B. L.“ über die Beklagte zu 1. Der Kläger verfügt außerdem über ein bei der Beklagten zu 1 geführtes Wertpapierdepot, das im November 2013 ein Volumen von ca. 340.000,- EUR aufwies.
- 3
Im Oktober 2004 führte der Kläger in der Bankfiliale in M. mit der Mitarbeiterin der Beklagten zu 1 S. C. (geb. L.) ein Gespräch über die Beteiligung an dem im Streit stehenden Schiffsfonds, dessen Inhalt streitig ist.
- 4
Unter dem 19.10.2004 zeichnete der Kläger eine Beteiligung an dem LF Flottenfonds IV, durch die er über einen Treuhänder Gesellschafter der Einschiffgesellschaften MS „M.“ Schifffahrtsgesellschaft mbh & Co. KG und MS „F.“ Schifffahrtsgesellschaft mbh & Co. KG wurde. Die Einlage des Klägers betrug 20.000 US$ zuzüglich eines Agio in Höhe von 5 %, was einem Betrag von 16.204,95 EUR entsprach.
- 5
Die Beklagte zu 1 erhielt für die Vermittlung der Beteiligung eine über das Agio hinausgehende Provision, die unter 15 % der Beteiligungssumme lag. Der Kläger und die Zeugin C. sprachen darüber, dass die Bank das Agio vereinnahmt, auch insoweit sind allerdings die Details des Gesprächs streitig.
- 6
Die Beklagte zu 2 ist Gründungsgesellschafterin des Fonds und Herausgeberin des Prospekts.
- 7
Der Kläger erhielt bis zum 22.12.2008 Ausschüttungen in Höhe von 3.057,75 EUR; im Dezember 2012 zahlte er 1.136,36 EUR an die Fondsverwaltung zurück.
- 8
Der Kläger behauptet, zwischen ihm und der Beklagten zu 1 sei im Zusammenhang mit der Vermittlung der Beteiligung an dem LV Flottenfonds IV konkludent ein Beratungsvertrag geschlossen worden. Die Mitarbeiterin der Beklagten zu 1 C. sei an ihn herangetreten, um ihn über diese Kapitalanlage zu beraten, sie habe ihm nahegelegt, sich an dem LF Flottenfonds IV zu beteiligen, da es aus wirtschaftlichen Gründen eine nahezu notwendige Investition sei. Auf Grund seiner Unerfahrenheit habe er auch Beratungsbedarf gehabt.
- 9
Die Empfehlung, in den geschlossenen Schiffsfonds zu investieren, habe jedoch nicht zu seinen Anlageinteressen gepasst. Er sei damals insbesondere nicht bereit gewesen, Verlustrisiken einzugehen, und habe ausschließlich sichere und wertbeständige Anlagen gesucht, die auch zur Altersvorsorge geeignet seien. Auf die Erzielung von Steuervorteilen sei es ihm nicht angekommen, nachdem er sich bereits im Ruhestand befunden habe. Frau C. habe die Beteiligung als Altersvorsorge mit hoher Rendite bezeichnet. Für seine Altersvorsorge sei der Fonds aber schon angesichts seines Alters nicht geeignet gewesen.
- 10
Der Kläger behauptet, er habe den zu dem Fonds aufgelegten und als Anlage K 1 vorgelegten Prospekt vor der Unterzeichnung des Zeichnungsscheins nicht gesehen und gelesen. Es könne sein, dass ihm etwas zugeschickt worden sei, er gehe aber davon aus, dass er den Prospekt nicht vor der Zeichnung erhalten habe.
- 11
Er hätte sich aber auch dann für die Zeichnung entschieden, wenn er den Prospekt zuvor gelesen hätte, denn Frau C. habe ihm die Beteiligung so erklärt, dass es keine Risiken, aber nachhaltige Zahlungen gebe. Der Kläger behauptet, er habe ausdrücklich nach Risiken gefragt und die Mitarbeiterin der Beklagten habe ihm erklärt, dass es u. U. zu Währungsschwankungen oder zu einer abweichenden steuerlichen Beurteilung kommen könne. Weitere Risikohinweise habe sie ihm nicht erteilt.
- 12
Er sei insbesondere nicht auf das Totalverlustrisiko, auf die haftungsrechtlichen Gesichtspunkte im Zusammenhang mit dem Erwerb von Anteilen an einer Kommanditgesellschaft und mögliche Nachschusspflichten, auf eine unklare Vertragsstrukturen bzw. das Schlüsselpersonenrisiko, eine mögliche fehlende Werthaltigkeit z.B. aufgrund hoher Weichkosten oder einer veränderten Marktlage, auf die eingeschränkte Fungibilität, auf das Ablieferungsrisiko, auf das Währungs- und das Charterrisiko sowie auf das Veräußerungsrisiko und Kriegs- und Terrorrisiken hingewiesen worden.
- 13
Der Kläger behauptet, er habe die Mitarbeiterin der Beklagten explizit gefragt, was die Bank an dem Geschäft verdiene, woraufhin Frau C. ihm erklärt habe, dass mit dem Agio von 5 % alle an die Beklagte zu 1 fließenden Provisionen abgedeckt seien; die Bank erhalte ausschließlich das Agio.
- 14
Der Kläger behauptet, er hätte die Beteiligung an dem LF Flottenfonds IV nicht gezeichnet, wenn er ordnungsgemäß über die Risiken und vor allem über die von der Beklagten zu 1 bezogene Rückvergütung aufgeklärt worden wäre.
- 15
Der Kläger vertritt die Auffassung, er wäre auch durch den Fondsprospekt bei dessen rechtzeitiger Übergabe nicht ausreichend über die Beteiligung aufgeklärt worden, denn der Prospekt verharmlose die Risiken der Investition.
- 16
Die Beklagte zu 1 habe den Prospekt nicht auf Plausibilität geprüft und hafte deshalb auch für dessen offensichtlich beschönigende Angaben. Die Investition sei unter Renditegesichtspunkten fragwürdig gewesen.
- 17
Der Kläger meint, die Beklagten zu 2 haftete als Gründungskommanditistin aus den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinne sowie nach § 278 BGB für Beratungsfehler der Beklagten zu 1.
- 18
Der Kläger behauptet, er habe in verjährter Zeit keine Kenntnis von den Risiken des Fonds und darüber gehabt, dass Frau C. ihn falsch über die von der Bank bezogene Provision aufgeklärt habe.
- 19
Neben der Rückzahlung des noch in den Fonds investierten Kapitals verlangt der Kläger Zahlung eines entgangenen Gewinns in Höhe von 4 % des angelegten Geldes. Der Kläger behauptet, er hätte alternativ auf ein Tagesgeldkonto angelegt.Außerdem begehrt er die Erstattung einer 2,1-fachen Geschäftsgebühr abzgl. einer 0,75-fachen Gebühr für die vorgerichtliche Tätigkeit seiner Rechtsanwälte.
- 20
Der Kläger beantragt,
- 21
1. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilten, an ihn 14.283,56 EUR nebst Zinsen in Höhe von 4 % seit dem 01.04.2005 bis Rechtshängigkeit und weiteren Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
- 22
2. die Verurteilung in Ziffer 1 erfolgt Zug-um-Zug gegen Abgabe eines Angebots des Klägers gegenüber den Beklagten auf Übertragung der vom Kläger am 19.10.2004 gezeichneten Beteiligungen an der MS „M.“ Schifffahrtsgesellschaft mbh & Co. KG und der der MS „F.“ Schifffahrtsgesellschaft mbh & Co. KG im Nennwert von insgesamt 20.000 US$ sowie Abtretung aller Rechte aus dieser Beteiligung an die Beklagten,
- 23
hilfsweise
- 24
die Verurteilung in Ziffer 1 Zug-um-Zug gegen Übertragung der vom Kläger am 19.10.2004 gezeichneten Beteiligungen an der MS „M.“ Schifffahrtsgesellschaft mbh & Co. KG“ und der MS „F.“ Schifffahrtsgesellschaft mbh & Co. KG im Nennwert von insgesamt 20.000 US$ an die Beklagten erfolgen zu lassen;
- 25
3. festzustellen, dass sich die Beklagten mit der Annahme des Angebots auf Übertragung der vom Kläger am 19.10.2004 gezeichneten Beteiligungen an der MS „M.“ Schifffahrtsgesellschaft mbh & Co. KG“ und der MS „F.“ Schifffahrtsgesellschaft mbh & Co. KG im Nennwert von insgesamt 20.000 US$ sowie der Annahme der Abtretung der Rechte aus dieser Beteiligung in Verzug befinden,
- 26
hilfsweise
- 27
festzustellen, dass sich die Beklagten mit der Annahme der Übertragung der vom Kläger am 19.10.2004 gezeichneten Beteiligungen an der MS „M.“ Schifffahrtsgesellschaft mbh & Co. KG“ und der MS „F.“ Schifffahrtsgesellschaft mbh & Co. KG im Nennwert von insgesamt 20.000 US$ in Verzug befinden;
- 28
4. festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, den Kläger von allen steuerlichen und wirtschaftlichen Nachteilen freizustellen, die mittelbar oder unmittelbar aus den vom Kläger am 19.10.2004 gezeichneten Beteiligungen an der MS „M.“ Schifffahrtsgesellschaft mbh & Co. KG“ und der MS „F.“ Schifffahrtsgesellschaft mbh & Co. KG im Nennwert von insgesamt 20.000 US$ resultieren und die ohne die Zeichnung dieser Fondsanteile nicht eingetreten wären;
- 29
5. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an ihn außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.061,60 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
- 30
Die Beklagten beantragen,
- 31
die Klage abzuweisen.
- 32
Während die Beklagte zu 2 Beratungsfehler der Beklagten zu 1 mit Nichtwissen bestreitet und auf die Übergabe und Richtigkeit des Fondsprospektes verweist, behauptet die Beklagte zu 1, ihre Mitarbeiterin C. habe den Kläger im Zusammenhang mit der Zeichnung der Beteiligung an dem LF Flottenfonds IV nicht beraten, sondern ihm lediglich eine ihm der Art nach bereits bekannte Anlagemöglichkeit vorgestellt. Das persönliche Gespräch habe lediglich eine Auskunft über die wesentlichen Aspekte und Einzelheiten der Beteiligung enthalten.
- 33
Es handele sich bei dem Kläger um einen erfahrenen und versierten Anleger, dem es auf die Erzielung hoher, möglichst steuerfreier Rendite angekommen sei. Der im Streit stehende Fonds sei nicht zur Altersvorsorge empfohlen worden, die bei dem Kläger im Übrigen bereits durch Immobilienvermögen und andere Anlagen gesichert gewesen sei.
- 34
Der Emissionsprospekt sei dem Kläger rechtzeitig vor der Zeichnung ausgehändigt worden. Zumindest werde bestritten, dass dies nicht erfolgt sei, die Zeugin C. habe an die Prospektübergabe keine konkrete Erinnerung.
- 35
Frau C. habe den Kläger darüber hinaus auf die Risiken der streitgegenständlichen Beteiligung hingewiesen, die sich aber auch aus dem vollständigen und richtigen Fondsprospekt ergäben. Dem Kläger sei das Konzept der Kommanditbeteiligung aber ohnehin bekannt gewesen und er habe um die Risiken einer Schiffsbeteiligung gewusst.
- 36
Die Beklagte zu 1 behauptet, ihre Mitarbeiterin habe dem Kläger nicht gesagt, dass nur das Agio als Vergütung an die Bank gezahlt werde; davon sei der Kläger auch nicht ausgegangen.
- 37
Die Beklagten behaupten, der Kläger hätte die Beteiligung in jedem Fall und vor allem auch dann gezeichnet, wenn er von den von der Bank bezogenen Rückvergütung gewusst hätte.
- 38
Die Beklagten erheben die Einrede der Verjährung.
- 39
Sie behaupteten, der Kläger habe zumindest durch Schreiben der Treuhänderin im Jahre 2008 erfahren, dass die Auszahlungen nicht wie im Prospekt prognostiziert erfolgen würden; durch ein Schreiben vom 08.05.2009 sei er auf die negativen Auswirkungen der Wirtschaftskrise sowie mögliche Liquiditätsengpässe hingewiesen worden. Darüber hinaus sei dem Kläger seit dem Jahr 2009 aus den Medien bekannt gewesen, dass Schifffonds in der Krise seien und Fonds vermittelnde Banken eine Vergütung erhalten hätten. Zumindest sei dem Kläger insoweit eine grob fahrlässige Unkenntnis hinsichtlich der von der Bank bezogenen Rückvergütung vorzuwerfen.
- 40
Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf gewechselten Schriftsätze sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 02.09.2014 und 03.03.2015 Bezug genommen.
- 41
Das Gericht hat den Kläger persönlich angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin S. C.. Wegen des Ergebnisses der Anhörung und der Beweisaufnahme wird auf die genannten Protokolle verwiesen.
Entscheidungsgründe
- 42
Die zulässige Klage ist hinsichtlich der Beklagten zu 1 im tenorierten Umfang begründet (dazu unter I.).
- 43
Die Klage gegen die Beklagte zu 2 ist unbegründet (dazu unter II.).
I.
- 44
Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 1 einen Schadenersatzanspruch aus §§ 280 Abs. 1, 249 BGB.
- 45
Die Beklagte zu 1 hat mit dem Kläger in Bezug auf dessen Beteiligung an dem LF Flottenfonds IV einen Beratungsvertrag geschlossen (dazu unter 1.) und die sich daraus ergebende Pflicht zur Aufklärung über die von ihr bezogene Rückvergütung verletzt (dazu unter 2.), was für die Anlageentscheidung des Klägers kausal war (dazu unter 3.). Die Einrede der Verjährung greift nicht (dazu unter 4.). Der Kläger kann darum von der Beklagten zu 1 Schadenersatz im tenorierten Umfang verlangen (dazu unter 5.).
1.
- 46
Zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1, vertreten durch ihre Mitarbeiterin C., ist im Zusammenhang mit der im Streit stehenden Geldanlage ein Beratungsvertrag zustande gekommen.
- 47
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind Stellung und Aufgabe des Anlageberaters von der eines Anlagevermittlers zu unterscheiden; der jeweilige Pflichtenumfang kann nur anhand der Besonderheiten des Einzelfalls bestimmt werden (vgl. BGH Urteil vom 13.05.1993, Az. III ZR 25/92 m. w. N., juris), wobei allerdings eine Bank regelmäßig Anlageberaterin und nicht lediglich reine Anlagevermittlerin ist (vgl. BGH, Beschluss vom 09.03.2011, Az. XI ZR 191/10 m. w. N., juris).
- 48
Tritt ein Anlageinteressent an eine Bank oder der Anlageberater einer Bank an einen Kunden heran, um über die Anlage eines Geldbetrages beraten zu werden bzw. zu beraten, so wird das darin liegenden Angebot zum Abschluss eines Beratungsvertrages stillschweigend durch die Aufnahme des Beratungsgespräch angenommen. (vgl. BGH, Urteil vom 06.07.1993, Az. XI ZR 12/93, m. w. N., juris).
- 49
Einen Anlageberater wird der Kapitalanleger im Allgemeinen hinzuziehen, wenn er selbst keine ausreichenden wirtschaftlichen Kenntnisse und keinen genügenden Überblick über wirtschaftliche Zusammenhänge hat. Er erwartet dann nicht nur die Mitteilung von Tatsachen, sondern insbesondere deren fachkundige Bewertung und Beurteilung. Häufig wünscht er eine auf seine persönlichen Verhältnisse zugeschnittene Beratung.
- 50
Dem Anlagevermittler, der für eine bestimmte Kapitalanlage im Interesse des Kapitalsuchenden und auch mit Rücksicht auf die ihm von diesem versprochene Provision den Vertrieb übernommen hat, tritt der Anlageinteressent dagegen selbständiger gegenüber. An ihn wendet er sich in der Regel in dem Bewusstsein, dass der werbende und anpreisende Charakter der Aussagen im Vordergrund steht. Der zwischen dem Anlageinteressenten und einem solchen Anlagevermittler zustande gekommene Vertrag zielt lediglich auf Auskunftserteilung ab (vgl. BGH Urteil vom 13.05.1993, Az. III ZR 25/92 m. w. N., juris).
- 51
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist festzustellen, dass die Beklagte zu 1 den Kläger in Bezug auf die Beteiligung an dem LF Flottenfonds IV beraten hat.
- 52
Dafür spricht bereits, dass der Kläger unstreitig seit Jahren in Bezug auf Kapitalanlagen im Geschäftskontakt mit der Beklagten stand und bei dieser auch einen festen Ansprechpartner bzw. eine feste Ansprechpartnerin hatte.
- 53
Darüber hinaus hat der Kläger schlüssig davon berichtet, die Mitarbeiter der Beklagten zu 1 hätten aufgrund der langen Geschäftsbeziehung gewusst, welche Anlagen für ihn interessant seien und hätten ihm Anlagen als für ihn passend vorgestellt. Mit der Zeugin C. habe er über eine Stunde über den im Streit stehenden Flottenfonds gesprochen und sei auch schon zuvor von Mitarbeitern der Beklagten zu 1 im Hinblick auf seinen Übergang in den Ruhestand auf Anlagemöglichkeiten angesprochen worden.
- 54
Diese Angaben des Klägers sind durch die Zeugin C. zumindest insoweit bestätigt worden, als diese zwar ausgesagt hat, sie könne sich an den Kontakt mit dem Kläger nicht mehr konkret erinnern, sie habe es aber grundsätzlich so gemacht, dass sie dem Kunden immer zwei oder drei Anlagemöglichkeiten angeboten habe, wobei sie darauf geachtet habe, dass diese Anlagemöglichkeiten – ihrer Meinung nach - auch zu dem Kunden passten.
- 55
Eine solche an den individuellen Bedürfnissen des Kunden orientierte Ausrichtung der Anlageempfehlung erfüllt aber den Tatbestand einer Beratung.
2.
- 56
Die Beklagte zu 1 ist – letztlich unstreitig – ihrer Pflicht, den Kläger über die von ihr im Zusammenhang mit der Vermittlung es LF Flottenfonds IV bezogene Vergütung aufzuklären, nicht in vollem Umfang nachgekommen.
- 57
Als Bank war die Beklagte zu 1 nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Aufklärung über Rückvergütungen (vgl. BGH, Urteil vom 19.12.2000, Az. XI ZR 349/99, BGHZ 146, 235 = NJW 2001, 962; Urteil vom 19.12.2006, Az. XI ZR 56/05, BGHZ 170, 226 = NJW 2007, 1876; Beschluss vom 20.01.2009, Az. XI ZR 510/07, NJW 2009, 1416; Beschlüsse vom 09.03.2011, 19.07.2011 und 24.08.2011, Az. XI ZR 191/10; Urteil vom 08.05.2012, Az. XI ZR 262/10, Urteil vom 26.02.2013, Az. XI ZR 445/10; Beschluss vom 01.04.2014, Az. XI ZR 171/12, juris) aus dem Anlageberatungsvertrag verpflichtet, ihre Kunden über die von ihr vereinnahmte Rückvergütung aus offen ausgewiesenen Vertriebsprovisionen ungefragt aufzuklären. Zu einer ordnungsgemäßen Aufklärung gehört auch die Mitteilung der Höhe der Vergütung (vgl. BGH, Urteil vom 08.04.2014, Az. XI ZR 341712, juris).
- 58
Die Beklagte zu 1 hat eingeräumt, eine Provision erhalten zu haben, deren Höhe über dem vereinnahmten Agio, wenn auch unter 15 % des investierten Kapitals lag.
- 59
Dass sie den Kläger über den das Agio von 5 % übersteigenden Provisionsanteil aufgeklärt hat, hat die Beklagte zu 1 selbst nicht behauptet.
3.
- 60
Die unterlassene Aufklärung über die Rückvergütung war für die Entscheidung des Klägers, den LF Flottenfonds IV zu zeichnen, kausal.
- 61
Zumindest hat die Beklagte zu 1 nicht bewiesen, dass der Kläger sich auch bei Kenntnis von der vollen Höhe der von ihr bezogenen Provision für die Zeichnung des Fonds entschieden hätte.
- 62
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 23.09.2014, Az. XI ZR 215/13; Beschluss vom 12.03.2013, Az. XI ZR 331/11; Urteil vom 08.05.2012, Az. XI ZR 262/10, juris) ist derjenige, der vertragliche oder vorvertragliche Aufklärungspflichten verletzt hat, beweispflichtig dafür, dass der Schaden auch eingetreten wäre, wenn er sich pflichtgemäß verhalten, der Geschädigte den Rat oder Hinweis also unbeachtet gelassen hätte. Diese „Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens“ gilt für alle Aufklärungs- und Beratungsfehler eines Anlageberaters, insbesondere auch dann, wenn Rückvergütungen pflichtwidrig nicht offen gelegt wurden. Hierbei handelt es sich nicht lediglich um eine Beweiserleichterung im Sinne eines Anscheinsbeweises, sondern um eine zur Beweislastumkehr führende widerlegliche Vermutung
- 63
Die Beklagte zu 1 hat sich nicht von der Kausalitätsvermutung entlastet.
- 64
Dabei hätte es ihr oblegen, auch die von dem Kläger aufgestellte Behauptung, er habe konkret zur Höhe der von der Beklagten zu 1 bezogenen Provision nachgefragt und die Antwort erhalten, mit dem Agio von 5 % seien alle an die Beklagte zu 1 fließenden Provisionen abgedeckt, zu widerlegen. Denn eine solche Nachfrage ist im vorliegenden Fall ein entscheidendes Indiz im Rahmen der Kausalitätsprüfung.
- 65
Der Kläger hat in seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung vom 02.09.2014 erklärt, dass er sich bestimmt gegen eine Zeichnung des LF Flottenfonds IV entschieden hätte, wenn ihm mitgeteilt worden wäre, dass die Bank über das Agio hinaus eine Provision erhalte. Sinngemäß hat der Kläger erklärt, es sei ja üblich, dass das Agio an die Bank gehe, aber man frage sich – wenn man um die Höhe der Provision wisse – ja doch, warum einem eine solche Anlage so dringlich empfohlen werde. Er habe auch bei anderen Anlagen Sonderkonditionen gehabt und seine Entscheidung betreffe „ja dann auch den konkreten Gegenstand“.
- 66
Ergänzend hat der Kläger angegeben, Frau C. habe ihm, nachdem er sie auf eine Reduzierung des Agios angesprochen habe, gesagt, „die Bank verzichtet da nicht. Das ist mit dem Agio erledigt“. Auf seine Nachfrage habe sie ihm erklärt, dass mit dem Agio alles abgegolten sei. Auf eine Nachfrage der Klägervertreterin hat der Kläger ergänzend ausgesagt, seine Frage sei gewesen, ob es das mit dem Agio gewesen sei oder ob es noch etwas gebe, von dem die Bank ihm etwas ablassen können, wie dies auch bei anderen Anlagen der Fall sei. Dazu habe die Mitarbeiterin der Beklagten gesagt, es gebe keine Möglichkeit, die Bank habe keinen Spielraum.
- 67
Diese für sich betrachtet plausible Erklärung des Klägers wird durch die Aussage der Zeugin C. nicht widerlegt.
- 68
Diese hat zwar ausgesagt, sei habe auf Fragen der Kunden nach den Kosten immer geantwortet, „Das kostet Sie 5 % Ausgabeaufschlag.“ Sie wisse, dass nie weitergehend gefragt worden sei, denn daran würde sie sich erinnern. Nachfragen seien nicht einmal in Bezug auf Aktienfonds gekommen, bei denen der Anfall eines Agios und der Verwaltungsgebühren ja auf dem Flyer vermerkt sei. Das Thema, dass auch ungefragt über Verwaltungsvergütungen aufzuklären sei, die über das Agio hinausgehen, sei erst später während ihrer Elternzeit aufgekommen; vorher habe sie das nie mit einem Kunden besprochen. Wenn tatsächlich ein Kunde danach gefragt hätte, könnte sie das heute noch erinnern, da es keine Standardfrage gewesen wäre. Ihr wäre eine solche Frage komisch vorgekommen, sie hätte wohl prompt zurückgefragt, „Wie? Was die Bank daran verdient?“. Sie hätte sich dann entweder durch Einsicht in den Prospekt oder einen Anruf bei der Wertpapierhotline kundig gemacht.
- 69
Diese Aussage der Zeugin ist jedoch nicht glaubhafter als es die Angaben des Klägers sind.
- 70
Die Belastbarkeit der Angaben der Zeugin C. wird vielmehr dadurch in Frage gestellt, dass es wenig plausibel ist, dass diese sich zwar nicht mehr an den Kontakt mit dem Kläger erinnern kann, trotzdem aber behauptet, sicher zu sein, im Jahr 2004 von keinem Kunden konkrete zur Höhe der von der Bank bezogenen Vergütung befragt worden zu sei. Denn die konkrete Frage eines Bankkunden zum wirtschaftlichen Eigeninteresse einer eine Anlage vermittelnden Bank erscheint auch für das Jahr 2004 nicht so fernliegend, wie es die Zeugin dargestellt hat.
- 71
Hinzukommt, dass die Zeugin auf die Frage, ob sie selbst damals gewusst habe, was die Bank an der Vermittlung der LF Flottenfonds IV verdiene, ohne nachvollziehbaren Grund ausweichend reagiert und darauf verwiesen hat, dass es sein könne, dass sie dies dann, wenn es nicht auf den Flyer gestanden habe, nicht gewusst habe. Ist diese Erklärung der Zeugin so zu verstehen, dass sie selbst nicht wusste, dass die Beklagte zu 1 eine über das Agio hinausgehende Provision bezieht, wäre es nicht unwahrscheinlich, dass sie gegenüber dem Kläger erklärt hat, dass mit dem Agio „alles abgegolten ist“.
- 72
Andere Indizien, die gegen eine Kausalität der unterlassenen Aufklärung über die Höhe der Rückvergütung für die Anlageentscheidung des Klägers sprechen, hat die Beklagte zu 1 nicht schlüssig dargetan.
- 73
Dabei wird nicht übersehen, dass sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, BGH, Urteil vom 24.09.2013, Az. XI ZR 204/12; BGH, Urteil vom 28.05.2013, Az. XI ZR 184/11; Urteil vom 08.05.2012, Az. XI ZR 262/10, juris) relevante Indizien für eine fehlende Kausalität auch sowohl aus dem vorangegangenen als auch aus dem nachfolgenden Anlageverhalten eines Anlegers ergeben können. Insbesondere die Kenntnis des Anlegers von Provisionen oder Rückvergütungen, die die beratende Bank bei vergleichbaren früheren – oder nachfolgenden - Anlagegeschäften erhalten hat, kann ein Indiz dafür sein, dass der Anleger die empfohlene Kapitalanlage auch in Kenntnis der Rückvergütung erworben hätte.
- 74
Die Beklagte zu 1 hat aber nicht schlüssig dazu vorgetragen, dass der Kläger im Zusammenhang mit der Zeichnung anderer geschlossener Fonds davon Kenntnis hatte, das die ihm die Beteiligungen vermittelnde Bank eine deutlich über das Agio hinausgehende Provision verdient.
- 75
Ihre Behauptung, dem Kläger sei es bei der Investition in den im Streit stehenden Schifffonds allein auf Steuerersparnisse und hohe Renditen angekommen, haben die Beklagten nicht schlüssig untermauert. Hinzukommt, dass selbst dann, wenn diese Behauptung zutreffen sollte, das Argument des Klägers, für ihn sei die Höhe der Vergütung auch angesichts alternativer Investitionsmöglichkeiten von Interesse gewesen, nicht widerlegt wäre.
4.
- 76
Der Schadenersatzanspruch des Klägers ist nicht verjährt.
- 77
Nach §§ 195, 199 Abs. 1 BGB verjährt ein auf eine Beratungspflichtverletzung gestützter Schadenersatzanspruch binnen 3 Jahren, nachdem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger – hier also der Kläger – von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen.
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Der Schadenersatzanspruch wegen Verletzung der Beratungspflicht über Rückvergütungen entsteht bereits mit Zeichnung der Fondsbeteiligungen; der Anleger gilt als bereits durch den Erwerb der Beteiligungen geschädigt, weil der ohne die erforderliche Aufklärung gefasste Anlageentschluss von den Mängeln der fehlerhaften Aufklärung beeinflusst ist (BGH, Urteil vom 08.03.2005, Az. XI ZR 170/04; Urteil vom 08.07.2010, Az. III ZR 249/09; Urteil vom 26.02.2013, Az. XI ZR 498/11, jeweils m. w. N., juris).
- 79
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urteil vom 26.02.2013, Az. XI ZR 498/11; Urteil vom 04.02.2014, Az. XI ZR 398/12; Urteil vom 08.04.2014, Az. XI ZR 341/12, jeweils m. w. N., juris) liegt die erforderliche Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen im Allgemeinen vor, wenn dem Geschädigten die Erhebung einer Schadenersatzklage, sei es auch nur in Form der Feststellungsklage, Erfolg versprechend, wenn auch nicht risikolos, möglich ist. Weder ist notwendig, dass der Geschädigte alle Einzelumstände kennt, die für die Beurteilung möglicherweise Bedeutung haben, noch muss er bereits hinreichend sichere Beweismittel in der Hand haben, um einen Rechtsstreit im Wesentlichen risikolos führen zu können. Auch kommt es grundsätzlich nicht auf eine zutreffende rechtliche Würdigung an. Vielmehr genügt aus Gründen der Rechtssicherheit und Billigkeit im Grundsatz die Kenntnis der den Ersatzanspruch begründenden tatsächlichen Umstände. Es kommt auch nicht darauf an, dass der Geschädigte die Rechtswidrigkeit des Geschehens, das Verschulden des Schädigers und den in Betracht kommenden Kausalverlauf richtig einschätzt. In Fällen des Schadenersatzes wegen unzureichender Aufklärung muss der Geschädigte insbesondere nicht die Rechtspflicht des Schädigers zur Aufklärung kennen. Auch insoweit genügt vielmehr die Kenntnis derjenigen tatsächlichen Umstände, aus denen sich die Aufklärungspflicht ergibt. Der Verjährungsbeginn des Schadenersatzanspruches wegen verschwiegener Rückvergütung erfordert auch nicht die Kenntnis des Anlegers von deren konkreter Höhe. Die beratende Bank muss den Anleger zwar über Grund und Höhe einer Rückvergütung ungefragt aufklären, so dass die unterlassene Mitteilung über die Höhe der Rückvergütung ein anspruchsbegründender Umstand ist. Von diesem Umstand hat ein Anleger aber denknotwendig bereits dann positive Kenntnis, wenn er weiß, dass die ihn beratende Bank Provisionen für das von ihm getätigte Anlagegeschäft erhält, deren Höhe ihm die Bank nicht mitteilt.
- 80
Die fehlende Kenntnis des Anlegers von der Höhe der Rückvergütung steht allenfalls in solchen Fällen dem Verjährungsbeginn entgegen, in denen die beratende Bank konkrete, jedoch fehlerhafte Angaben zur Höhe der Rückvergütung macht. Denn in diesen Fällen meint der Anleger, über die Höhe der Rückvergütung pflichtgemäß aufgeklärt worden zu sein, weshalb es an der Kenntnis der tatsächlichen Umstände fehlt, aus denen sich die Verletzung der Aufklärungspflicht durch die beratende Bank ergibt (vgl. BGH, Urteil vom 26.02.2013, Az. XI ZR 498/11, juris)
- 81
Im vorliegenden Fall ist es zwar unstreitig, dass der Kläger wusste, dass die Beklagte das Agio als Vergütung für die Vermittlungstätigkeit erhält.
- 82
Die Beklagte hat aber aus den unter Ziffer I. 3 dargestellten Gründen nicht bewiesen, dass gegenüber dem Kläger nicht in der von ihm schlüssig behaupteten Weise fehlerhafte Angaben zur Höhe der Rückvergütung („mit dem Agio ist alles abgegolten“) gemacht worden sind.
- 83
Ein solcher Nachweis hätte der Beklagten zu 1 nach den allgemeinen Beweislastregel oblegen, denn sie hat als Schuldnerin Beginn und Ablauf der Verjährungsfrist und damit auch die positive Kenntnis des Gläubigers zu beweisen (vgl. Palandt-Ellenberger, 74. Aufl. 2015, Überbl v. § 194 Rdn. 24, § 199 Rdn. 50 m.w.N.), was im vorliegenden Fall auch das Fehlen eines der Kenntnis widersprechenden Umstandes erfasst.
- 84
Ihre Behauptung, der Kläger habe in verjährter Zeit aus den Medien Kenntnis davon erhalten, dass sie eine Provision bezogen habe, rechtfertigt weder den Schluss, dass der Kläger aus Presseberichterstattungen positiv davon erfahren hat, dass er über die Höhe der für die Vermittlung es LF Flottenfonds IV falsch informiert wurde, noch ist dadurch der Vorwurf der grobfahrlässigen Unkenntnis begründet.
5.
- 85
Der Kläger kann von der Beklagten zu 1 Schadenersatz in Höhe des von ihm in den Fonds investierten Kapitals abzüglich der Ausschüttungen verlangen (dazu unter a), steuerliche Vorteile sind dabei nicht zu berücksichtigen (dazu unter b). Ein Anspruch auf Zahlung eines entgangenen Gewinns steht dem Kläger nicht zu (dazu unter c) außerdem ist die Forderung ab Rechtshängigkeit zu verzinsen (dazu unter d). Die Beklagte zu 1 hat den Kläger von weiteren im Zusammenhang mit der im Streit stehenden Beteiligung anfallenden wirtschaftlichen Nachteile freizustellen (dazu unter e). Als Zug um Zug zu erbringende Gegenleistung hat der Kläger der Beklagten zu 1 die Übertragung der Beteiligungen anzubieten; die Beklagte zu 1 befindet sich insoweit schon jetzt im Annahmeverzug (dazu unter f). Einen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten hat der Kläger gegenüber der Beklagten zu 1 nur in Höhe von 197,24 EUR (dazu unter g).
a)
- 86
Der Kläger kann von der Beklagten zu 1 die Erstattung des noch in den LF Flottenfonds IV investierten Kapitals verlangen, dass nach Einlage von 16.204,95 EUR, Ausschüttung von 3.057,75 EUR und Rückzahlung von 1.136,36 EUR noch 14.283,56 EUR beträgt.
b)
- 87
Bei der Schadensberechnung sind dem Kläger angefallene steuerliche Vorteile nicht zu berücksichtigen.
- 88
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs scheidet aufgrund typisierender Betrachtungsweise (§ 287 ZPO) eine Vorteilsanrechnung bezogen auf die steuerlichen Vorteile, die der Anleger aus seiner Beteiligung an einem geschlossenen Fonds erlangt hat, im Rahmen des nach §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB geltend gemachten Schadenersatzes grundsätzlich aus, wenn die entsprechende Schadenersatzleistung ihrerseits der Besteuerung unterworfen ist (vgl. BGH, Urteil vom 18.12.2012, Az. II ZR 259/11; Urteil vom 23.04.2012, Az. II ZR 75/10; Urteil vom 15.07.2010, Az. III ZR 336/08, jeweils m. w. N., juris).
- 89
Soweit die Schadenersatzleistung - als Rückfluss der zuvor angefallenen Betriebsausgaben oder Werbungskosten - vom Anleger zu versteuern ist, ohne dass es bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise darauf ankommt, ob der Anleger die Schadenersatzleistung tatsächlich versteuert, sind die erzielten Steuervorteile nur dann anzurechnen, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Anleger derart außergewöhnliche Steuervorteile erzielt hat, dass es unbillig wäre, ihm diese zu belassen (BGH, Urteil vom 18.12.2012, Az. II ZR 259/11 m. w. N., juris).
- 90
Im vorliegenden Fall sind weder Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass die dem Kläger zugesprochene Schadenersatzleistung nicht zu versteuern ist noch dass dem Kläger außergewöhnlich hohe steuerliche Vorteile entstanden sein könnten.
c)
- 91
Soweit der Kläger neben der Hauptforderung auch einen entgangenen Gewinn in Höhe von 4 % des angelegten Kapitals geltend macht, ist die Klage unbegründet.
- 92
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist einem Kapitalanleger, der durch unrichtige Angaben dazu bewogen worden ist, einer Publikumsgesellschaft beizutreten, zwar grundsätzlich nicht nur seine Einlage in diese Gesellschaft, sondern auch der Schaden zu ersetzen, der sich typischerweise daraus ergibt, dass das Eigenkapital des Anlegers in dieser Höhe erfahrungsgemäß nicht ungenutzt geblieben, sondern zu einem allgemein üblichen Zinssatz angelegt worden wäre (vgl. BGH, Urteil vom 24.04.2012, Az. XI ZR 360/11 m. w. N., juris).
- 93
Dafür, dass und in welcher Höhe ihm durch das schädigende Ereignis ein solcher Gewinn entgangen ist, ist aber der Geschädigte darlegungs- und beweispflichtig (BGH, Urteil vom 24.04.2012, Az. XI ZR 360/11, juris).
- 94
Dem Kläger ist insoweit kein schlüssiger Vortrag gelungen.
- 95
Es wird nicht übersehen, dass sich der Kläger dabei grundsätzlich auf die Behauptung und den Nachweis der Anknüpfungstatsachen beschränken kann, bei deren Vorliegen die in § 252 BGB geregelte Vermutung eingreift. Um die Wahrscheinlichkeit und den Umfang einer Gewinnerzielung im Sinne von § 252 BGB aufgrund einer zeitnahen alternativen Investitionsentscheidung feststellen zu können, muss jedoch schlüssiger Tatsachenvortrag dazu gehalten und ggf. bewiesen werden, für welche konkrete Form der Kapitalanlage sich der Anleger ohne das schädigende Ereignis entschieden hätte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es nicht dem gewöhnlichen Lauf der Dinge entspricht, dass eine Geldanlage überhaupt Gewinn abwirft; erst recht gilt das für eine Verzinsung von 4 % p.a. (BGH, Urteil vom 24.04.2012, Az. XI ZR 360/11 m. w. N., juris).
- 96
Im vorliegenden Fall hat der Kläger lediglich darauf verwiesen, er hätte die Bareinlage nebst Agio anderweitig gewinnbringend angelegt und zumindest die Rendite von 4% p.a. erzielt. Dieser Vortrag ist hinsichtlich der Anlagealternative nicht ausreichend substantiiert.
d)
- 97
Die Beklagte zu 1 hat die dem Kläger geschuldete Schadenersatzleistung nach §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB ab Rechtshängigkeit und damit ab dem 06.11.2013 zu verzinsen. Zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1 ist es zwar nicht streitig, dass vorgerichtlich eine anwaltliche Tätigkeit zur Verfolgung des Anspruchs auch gegen diese Beklagte erfolgt ist. Konkreten Vortrag zum Eintritt des Verzugs hat der Kläger jedoch nicht gehalten.
e)
- 98
Der Kläger hat einen Anspruch darauf, von der Beklagten von weiteren wirtschaftlichen Nachteilen freigestellt zu werden.
- 99
Angesichts des Umstandes, dass nach den Fondskonzepten eine Rückforderung des ausgeschütteten Kapitals durch die Fondsgesellschaft nicht ausgeschlossen ist, steht das Feststellungsinteresse nicht in Frage.
f)
- 100
Als Zug um Zug zu erbringende Gegenleistung hat der Kläger der Beklagten zu 1 die Übertragung der streitgegenständlichen Beteiligung anzubieten. Die Beklagte zu 1 befindet sich spätestens seit Klageerhebung im Annahmeverzug.
g)
- 101
Einen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten hat der Kläger gegenüber der Beklagten zu 1 nur in Höhe von 197,24 EUR und damit einer 1,3-fache Geschäftsgebühr aus dem Gegenstandswert von 16.204,95 EUR unter Anrechnung einer 0,75-fachen Gebühr nach Vorb. 3 Abs. 4 VV RVG.
II.
- 102
Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 2 keinen Schadenersatzanspruch unter dem Gesichtspunkt der Prospekthaftung im weiteren Sinne (dazu unter 1.) bzw. wegen der Zurechnung eines Beratungsverschuldens der Beklagten zu 1 (dazu unter 2.).
1.
- 103
Die Prospekthaftung im weiteren Sinne knüpft als Anspruch aus Verschulden bei Vertragsschluss nach § 280Abs. 1, § 311 Abs. 2 BGB an die(vor-)vertraglichen Beziehungen zum Anleger an. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH 23.04.2012, Az. II ZR 211/09 m. w. N., juris), dass bei einem Beitritt zu einer Gesellschaft, der sich durch Vertragsschluss mit den übrigen Gesellschaftern vollzieht, solche (vor-)vertraglichen Beziehungen zwischen Gründungsgesellschaftern und dem über einen Treuhänder beitretenden Kommanditisten jedenfalls dann bestehen, wenn der Treugeber nach dem Gesellschaftsvertrag wie ein unmittelbar beigetretener Kommanditist behandelt werden soll.
- 104
Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger sich in diesem Sinne wie ein Kommanditist als Treugeber an den Einschiffgesellschaften des LF Flottenfonds IV beteiligt hat.
- 105
Denn Prospektfehler, die eine Haftung der Beklagten zu 2 begründen könnten, sind nicht schlüssig vorgetragen. Insbesondere verharmlost der Prospekt nicht die Risiken der Anlage.
- 106
Der Prospekt weist sowohl auf der Innenseite des Deckblatts als auch auf den Seiten 8 und 9 auf die Risiken der Beteiligung hin, wobei auch das Totalverlustrisiko und die eingeschränkte Fungibilität genannt sind. Auf Seite 9 wird das Risiken des Wiederauflebens der Haftung genannt und auf Seite 41 zutreffend erläutert. Auf personelle Verflechtungen wird im Prospekt auf den Seiten 58 und 59 hingewiesen. Die „Ablieferungs- und Übernahmerisiken“ werden auf Seite 53 des Prospekts thematisiert. Auf das Währungsrisiko wird auf Seiten 9 und 51 hingewiesen und das Charter- und Off-Hire Risiko auf Seite 52 angesprochen, wo auch das Veräußerungsrisiko dargestellt ist. Steuerliche Risiken werden auf den Seiten 53 und 54 zutreffend problematisiert.
2.
- 107
Ein der Beklagten zu 2 als Gründungsgesellschafterin des Fonds zuzurechnendes Beratungsverschulden der Beklagten zu 1 ist nicht festzustellen.
- 108
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 14.05.2012, Az. II ZR 69/12, juris) haftet allerdings ein Gründungsgesellschafter, der sich zu den vertraglichen Verhandlungen über einen Beitritt eines Vertriebs bedient und diesem oder von diesem eingeschalteten Untervermittlern die geschuldete Aufklärung der Beitrittsinteressenten überlässt, über § 278 BGB für deren unrichtige oder unzureichende Angaben. Er muss sich das Fehlverhalten von Personen, die er mit den Verhandlungen zum Abschluss des Beitrittsvertrages ermächtigt hat, zurechnen lassen.
- 109
Ein in diesem Sinne der Beklagten zu 2 zurechenbares Fehlerverhalten der Beklagten zu 1 hat der Kläger jedoch nicht bewiesen.
- 110
Insbesondere hat die Beklagte zu 2 nicht für die unter Ziff. I. dargestellte Pflichtverletzung der Beklagten zu 1 im Zusammenhang mit der unzureichenden Aufklärung über die Höhe der von der Bank bezogenen Rückvergütung einzustehen.
- 111
Da weder festzustellen ist, dass der Kläger den Prospekt zu dem LF Flottenfonds IV vor der Zeichnung nicht zur Kenntnis nehmen konnte (dazu unter a), noch dass die Zeugin C. das Risiko der Beteiligung bagatellisiert hat (dazu unter b), ist davon auszugehen, dass der Kläger über den – wie dargestellt wurde – fehlerfreien Prospekt ordnungsgemäß über die Beteiligungsmöglichkeit informiert wurde.
a)
- 112
Dem Kläger ist es nicht gelungen, den Beweis dafür zu führen, dass er den Prospekt nicht rechtzeitig vor der Zeichnung erhalten hat.
- 113
Insoweit ist zunächst von Bedeutung, dass keine der Parteien konkrete Angaben dazu gemacht hat, wann das Gespräch zwischen dem Kläger und der Zeugin C. über den LF Flottenfonds IV stattgefunden hat und ob dies insbesondere vor oder unmittelbar am Zeichnungstag war. Der Kläger hat zwar davon berichtet, dass die Mitarbeiterin der Beklagten ihm zu verstehen gegeben habe, dass er möglichst sofort unterzeichnen solle. Dass dies tatsächlich geschehen ist, hat der Kläger aber nicht behauptet. Nachdem die Klägervertreter zunächst vorgetragen haben, dass das Beratungsgespräch bereits im Frühjahr 2004 stattgefunden habe (vgl. S. 5 der Klageschrift = Bl. 7 d. A.) hat der Kläger angegeben er sei immer wieder angesprochen worden und könne heute nicht mehr zuordnen, um was es im März 2004 und im Oktober 2004 gegangen sei.
- 114
Bei seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung vom 02.09.2014 hat der Kläger zwar weiterhin erklärt, er habe bei dem persönlichen Gespräch mit der Zeugin den Prospekt nicht erhalten, hat aber auch eingeräumt, dass es seien könne, dass ihm etwas zugeschickt worden sei; er habe damals sehr viele Unterlagen zugeschickt bekommen. Allerdings gehe er davon aus, dass Frau C. in dem Gespräch mit ihm darauf Bezug genommen hätte, was nicht der nicht der Fall gewesen sei. Er gehe deshalb davon aus, dass sie ihm den Prospekt vorher nicht zugeschickt habe.
- 115
Auch wenn die Zeugin C. erklärt hat, dass sie Kunden, die im Beratungsgespräch eine geschlossene Beteiligung zeichnen, den Langprospekt mitgegeben habe – was so zu verstehen ist, dass dies durchaus vorgekommen ist –, kann aufgrund der Unsicherheiten in der eigenen Sachverhaltsdarstellung des Klägers nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass dieser erstmals am Zeichnungstag oder gar erst nach der Zeichnung mit dem Prospekt zum LF Flottenfonds IV in Kontakt gekommen ist. Es ist vernünftigerweise auch vorstellbar, dass der Kläger den Prospekt im persönlichen Kontakt mit der Zeugin bekommen hat bzw. er ihm vorher oder nachher per Post überlassen wurde und die Zeichnung erst danach erfolgt ist.
3.
- 116
Nach der Anhörung des Klägers ist weiterhin nicht anzunehmen, dass die Zeugin C. Risiken der geschlossenen Beteiligung bagatellisierend dargestellt hat.
- 117
Denn allein die Behauptung des Klägers, der Fonds sei ihm von der Zeugin als Möglichkeit zur Altersvorsorge angeboten worden, stellt – bei der zu unterstellenden Risikoaufklärung durch die Übergabe des Prospektes – keine unzulässige Verharmlosung der Risiken der Anlage dar. Denn die Beteiligung an einem geschlossenen Fonds kann durchaus eine Möglichkeit zur ergänzenden Altersvorsorge sein (vgl. zum geschlossenen Immobilienfonds: BGH, Urteil vom 11.12.2014, Az. III ZR 365/13, juris).
- 118
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.
- 119
Dabei ist unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Kläger zwei Beklagte in Anspruch nimmt, sowie einen entgangenen Gewinn in Höhe von rund 4.350,- EUR und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.061,60 EUR verlangt, von einem fiktiven Streitwert in Höhe von 2 x 21.616,55 EUR (= 43.233,10 EUR) auszugehen. Der Kläger obsiegt mit einem Betrag in Höhe von 16.402,19 EUR (16.204,95 EUR + 197,24 EUR) was 38 % der insgesamt geltend gemachten Forderung und 76 % des gegenüber der Beklagten zu 1 geltend gemachten Anspruchs sind.
- 120
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
- 121
Beschluss
- 122
Der Streitwert des Verfahrens beträgt 16.204,95 EUR.
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Annotations
Der Schuldner hat ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. Die Vorschrift des § 276 Abs. 3 findet keine Anwendung.
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre.
(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem
- 1.
der Anspruch entstanden ist und - 2.
der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.
(2) Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, verjähren ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
(3) Sonstige Schadensersatzansprüche verjähren
- 1.
ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an und - 2.
ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
(3a) Ansprüche, die auf einem Erbfall beruhen oder deren Geltendmachung die Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen voraussetzt, verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Entstehung des Anspruchs an.
(4) Andere Ansprüche als die nach den Absätzen 2 bis 3a verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an.
(5) Geht der Anspruch auf ein Unterlassen, so tritt an die Stelle der Entstehung die Zuwiderhandlung.
(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.
(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
Der zu ersetzende Schaden umfasst auch den entgangenen Gewinn. Als entgangen gilt der Gewinn, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte.
Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 und des § 289 Satz 1 finden entsprechende Anwendung.
(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.
(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.
(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.
(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.
(1) Zur Begründung eines Schuldverhältnisses durch Rechtsgeschäft sowie zur Änderung des Inhalts eines Schuldverhältnisses ist ein Vertrag zwischen den Beteiligten erforderlich, soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt.
(2) Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 entsteht auch durch
- 1.
die Aufnahme von Vertragsverhandlungen, - 2.
die Anbahnung eines Vertrags, bei welcher der eine Teil im Hinblick auf eine etwaige rechtsgeschäftliche Beziehung dem anderen Teil die Möglichkeit zur Einwirkung auf seine Rechte, Rechtsgüter und Interessen gewährt oder ihm diese anvertraut, oder - 3.
ähnliche geschäftliche Kontakte.
(3) Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 kann auch zu Personen entstehen, die nicht selbst Vertragspartei werden sollen. Ein solches Schuldverhältnis entsteht insbesondere, wenn der Dritte in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch nimmt und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst.
Der Schuldner hat ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. Die Vorschrift des § 276 Abs. 3 findet keine Anwendung.
(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.
(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn
- 1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder - 2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.