Landgericht Hamburg Beschluss, 28. Juni 2017 - 318 T 46/16
Gericht
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Kläger wird der im Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Barmbek vom 19.02.2016, Az. 880 C 15/15, enthaltene Streitwertbeschluss abgeändert:
Der Streitwert wird auf € 19.613,50 festgesetzt.
2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Auslagen werden nicht erstattet.
Gründe
I.
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Die Kläger wenden sich mit ihrer am 25.10.2016 bei Gericht eingegangenen Beschwerde gegen den im Urteil des Amtsgerichts vom 19.02.2016, den Prozessbevollmächtigten der Kläger zugestellt am 25.04.2016, enthaltenen Streitwertbeschluss, soweit das Amtsgericht den Wert hinsichtlich der Anfechtung des auf der Eigentümerversammlung vom 22.06.2015 zu TOP 4 gefassten Beschlusses über die „Genehmigung der Gesamt- und Einzelabrechnung 2014“ auf € 37.227,00 festgesetzt hat. Sie begehren die Herabsetzung dieses Wertes auf € 2.950,65. Die Beklagten sind dem entgegen getreten.
II.
- 2
Die Beschwerde ist gem. §§ 68 Abs. 1, 63 Abs. 3 Satz 2 GKG zulässig und hat in der Sache teilweise Erfolg.
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Da den Kläger-Vertretern das Urteil des Amtsgerichts, in dem die angefochtene Streitwertfestsetzung enthalten ist, am 25.04.2016 zugestellt worden ist, ist die Beschwerde vom 25.10.2016 noch innerhalb der Frist von 6 Monaten gem. §§ 68 Abs. 1 Satz 3, 63 Abs. 3 Satz 2 GKG eingegangen.
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Der Streitwert für die Anfechtung des auf der Eigentümerversammlung vom 22.06.2015 zu TOP 4 gefassten Beschlusses beträgt gemäß § 49a Abs. 1 GKG € 18.613,50.
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Nach § 49a Abs. 1 GKG ist der Streitwert grundsätzlich auf 50 % des Interesses der Parteien und aller Beigeladenen an der Entscheidung festzusetzen (Gesamtinteresse).
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Das Gesamtinteresse hängt bei der Anfechtung eines Beschlusses über die Jahresabrechnung zunächst davon ab, ob sich der klagende Eigentümer nur gegen den Ansatz einzelner Kostenpositionen wendet oder gegen die gesamte Abrechnung. Das Interesse der Parteien bestimmt sich bei einer einschränkungslosen Anfechtung der Jahresabrechnung nach dem vollen Nennbetrag. (BGH, Beschluss vom 09.02.2017, Az. V ZR 188/16, Rn. 8 f. - zitiert nach juris). Die Kammer hält insoweit an ihrer bisherigen ständigen Rechtsprechung, dass die sog. Hamburger Formel zur Bestimmung des Gesamtinteresses im Rahmen des § 49a Abs. 1 GKG bei der Anfechtung von Beschlüssen über die Genehmigung von Jahresabrechnungen weiterhin anzuwenden ist (zuletzt Kammer, Beschluss vom 18.10.2016, 318 T 39/16, ZMR 2017, 184; Urteil vom 17.02.2016, 318 S 74/15, ZMR 2016, 391 m.w.N.), nicht länger fest. Danach berechnete sich das Gesamtinteresse der Parteien aus dem Eigeninteresse des Anfechtungsklägers zuzüglich eines Bruchteils von 25% des - abzüglich des Einzelinteresses des Klägers - verbleibenden Gesamtanteils.
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Vorliegend haben die Kläger (erstinstanzlich) die Jahresabrechnung 2014 einschränkungslosen angefochten, so dass das Gesamtinteresse dem vollen Nennbetrag i.H.v. 127.468,70 € entspricht. 50% von 127.468,70 € sind 63.734,35 €.
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Der in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht am 20.01.2016 gestellte Klageantrag zu 1. a) aus dem Schriftsatz der Kläger vom 24.08.2015 enthält keine Einschränkung der Anfechtung auf einzelne Kostenpositionen der Jahresabrechnung. Zwar ist den Klägern beizupflichten, dass bei einer Auslegung eines Klageantrags nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks gehaftet werden darf, sondern der wirklichen Willen der Partei zu erforschen ist. Dabei ist der Grundsatz zu beachten, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht. Nur wenn sich das Rechtsschutzziel des Klägers auch durch die gebotene Auslegung nicht eindeutig ermitteln lässt, gehen die verbleibenden Unklarheiten zu seinen Lasten (BGH, Urteil vom 03.06.2016, V ZR 166/15, Rn. 9, zitiert nach Juris). Daran gemessen könnte man unter Berücksichtigung des Schreibens der Kläger vom 17.07.2015 zu dem Ergebnis gelangen, dass die Genehmigung der Jahresabrechnung allein bezogen auf die Position „Be- und Entwässerung“ angegriffen werden soll. Die Kläger führen dort aus, dass die „Eigentümergemeinschaft auf Grundlage fehlerhaft ermittelter Werte für Wasser- und Heizungsverbrauch falsche Einzel- und Gesamtabrechnungen erstellt“ habe. Vorliegend ist jedoch zu berücksichtigen, dass nach unbestrittenen Vortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 30.09.2016 der Klageantrag trotz gerichtlichen Hinweises in der mündlichen Verhandlung, dass eine einschränkungslose Anfechtung der Jahresabrechnung vorliege, nicht präzisiert/eingeschränkt worden sei. Jedenfalls vor diesem Hintergrund verbietet sich eine Auslegung dahingehend, dass entgegen des Wortlautes des gestellten Klageantrages tatsächlich nur eine Anfechtung der Position „Be- und Entwässerung“ der Jahresabrechnung 2014 gewollt war.
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Das hälftige Gesamtinteresse i.H.v. 63.734,35 € übersteigt jedoch das fünffache Einzelinteresse der Kläger i.H.v. 18.613,50 € (Eigenanteil an der Jahresabrechnung i.H.v. 3.722,70 € x 5; § 49a Abs. 1 Satz 2 GKG). Der Streitwert der Anfechtung der Jahresabrechnung ist im Ergebnis daher auf eben diesen Betrag festzusetzen. Dem Umstand, dass sich die Kläger innerhalb der Jahresabrechnung sowohl gegen ihre Einzelabrechnung, als auch gegen die Gesamtabrechnung wenden, kommt - entgegen der Auffassung des Amtsgerichtes - kein eigenständiges wirtschaftliches Interesse zu.
- 10
Hinzu kommt noch der Gegenstandswert hinsichtlich der Anfechtung des Entlastungsbeschlusses i.H.v. 1.000,00 €. Der Streitwert ist daher aus insgesamt € 19.613,50 festzusetzen.
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Die Nebenentscheidungen folgen aus § 68 Abs. 3 GKG.
Annotations
(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb der in § 63 Absatz 3 Satz 2 bestimmten Frist eingelegt wird; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht. § 66 Absatz 3, 4, 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden. Die weitere Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts einzulegen.
(2) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. § 66 Absatz 3 Satz 1 bis 3, Absatz 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden.
(3) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.