Landgericht Hamburg Urteil, 21. Sept. 2016 - 318 S 51/16

published on 21/09/2016 00:00
Landgericht Hamburg Urteil, 21. Sept. 2016 - 318 S 51/16
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Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Hamburg-St. Georg vom 29.04.2016, Az. 980b C 62/15 WEG, wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagten haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die angefochtene Entscheidung ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf € 1.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz um die Gültigkeit des auf der Eigentümerversammlung vom 11.11.2015 zu TOP 2 gefassten Beschlusses Nr. 94 über die Neuwahl des Verwaltungsbeirats (Auszug aus der Beschlusssammlung: Anl. K 4).

2

Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird auf den Tatbestand des amtsgerichtlichen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 ZPO).

3

Das Amtsgericht hat den auf der Eigentümerversammlung vom 11.11.2015 zu TOP 2 (Beschluss Nr. 94) gefassten Beschluss betreffend die Neuwahl des Verwaltungsbeirats mit Urteil vom 29.04.2016 für ungültig erklärt. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, dass dem Kläger für die Klage nicht das Rechtsschutzbedürfnis fehle, da er selbst zum Beirat gewählt worden sei und diese Wahl auch angestrebt habe. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger den von ihm gerügten Verfahrensmangel schon anlässlich der Abstimmung gekannt habe. Der Beschluss widerspreche den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung. Die Versammlung sei nicht beschlussfähig im Sinne von § 25 Abs. 3 WEG i.V.m. § 15 Abs. 4, Abs. 1 Satz 2 TE gewesen. Entgegen § 15 Abs. 1 Satz 2 TE hätten sich sieben Eigentümer vom Verwalter vertreten lassen. Das Stimmrecht eines Wohnungseigentümers ausüben dürften aber nur Ehegatten, Familienangehörige oder andere Wohnungseigentümer. Wortlaut und Sinn der Regelung sprächen nicht zwingend dafür, dass auch die Verwalter zum Kreis der Vertreter zählen solle. Anhaltspunkte dafür, dass es den Beklagten unzumutbar gewesen wäre, eine in der Teilungserklärung benannte Person zu ihrem Vertreter zu bestellen, bestünden nicht. Soweit sich die Beklagten auf den Standpunkt stellten, dass der Verwalter ohnehin an der Versammlung teilnehme, weshalb dessen Bevollmächtigung von § 15 Abs. 2 Satz 1 TE gedeckt sei, würden sie verkennen, dass der Wortlaut eine solche Übertragung des Stimmrechts nicht hergebe und eine Bevollmächtigung nur ausnahmsweise in Betracht komme.

4

Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 04.05.2016 zugestellte Urteil haben die Beklagten mit einem am 13.05.2016 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt, die sie mit einem am 04.07.2016 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz begründet haben.

5

Die Beklagten tragen vor, dass das Interesse, gemeinschaftsfremde Einwirkungen fernzuhalten, nicht verletzt sein könne, wenn eine Person, die zwar nach dem reinen Wortlaut der Vertreterklausel nicht vertreten dürfe, schon deswegen an der Versammlung teilnehmen werde und dürfe, weil sie eine eigenes Teilnahmerecht habe. Hiervon gänzlich zu unterscheiden seien die Fälle, bei welchen aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) z.B. ein externer Rechtsbeistand den Wohnungseigentümer vertreten oder begleiten dürfe. Die vom Amtsgericht für das Bestehen des Rechtsschutzbedürfnisses zitierte Entscheidung des BGH passe nicht, da es um die Frage gehe, ob der anfechtende Wohnungseigentümer durch den angefochtenen Beschluss persönlich betroffen sein müsse.

6

Die Beklagten beantragen,

7

unter Abänderung des am 29.04.2016 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Hamburg-St. Georg, Az. 980b C 62/15, die Klage abzuweisen.

8

Der Kläger beantragt,

9

die Berufung zurückzuweisen,

10

hilfsweise die Revision zuzulassen.

11

Der Kläger verteidigt das Urteil des Amtsgerichts und trägt vor, dass der Verwalter nur dann ein eigenes Teilnahmerecht an der Versammlung habe, wenn er zugleich Wohnungseigentümer sei, was hier nicht der Fall sei. Die Eigentümer könnten einen anderen Versammlungsleiter wählen und somit dem Verwalter das Teilnahmerecht aus § 24 Abs. 5 WEG entziehen. Auch aus § 27 WEG könne kein eigenes Teilnahmerecht des Verwalters hergeleitet werden. Für eine teleologische Reduktion der Teilungserklärung sei kein Platz, weil die Regelung eindeutig sei. Die Eigentümer hätten aufgrund der in § 18 der Teilungserklärung enthaltenen Öffnungsklausel schon längst eine Änderung der Vertreterklausel in die Wege leiten können. Der Kläger, der erst seit 2012 Eigentümer sei, habe bei Erwerb seiner Wohnung davon ausgehen können und dürfen, dass § 15 der Teilungserklärung wörtlich praktiziert werde und eine Majorisierung der Versammlung durch den Verwalter somit nicht erfolgen könne.

12

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird ergänzend auf die im Berufungsverfahren zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

13

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg. Zu Recht und mit überwiegend zutreffender Begründung hat das Amtsgericht den auf der außerordentlichen Eigentümerversammlung vom 11.11.2015 zu TOP 2 gefassten Beschluss Nr. 94 über die Neuwahl des Verwaltungsbeirats für ungültig erklärt.

1.

14

Zutreffend ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass der Kläger über das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis für die von ihm erhobene Beschlussanfechtungsklage verfügt.

15

Ein Rechtsschutzbedürfnis im Beschlussanfechtungsverfahren ist im Regelfall nicht zu prüfen, weil das Anfechtungsrecht dem Interesse der Gemeinschaft an einer ordnungsgemäßen Verwaltung dient (BGH, Urteil vom 13.05.2011 – V ZR 202/10, NZM 551, 552, Rn. 16, zitiert nach juris; Beschluss vom 17.07.2003 – V ZB 11/03, BGHZ 156, 19, 22; Urteil vom 15.01.2010 – V ZR 114/09, BGHZ 184, 88, Rn. 13, zitiert nach juris). Der Einwand der Beklagten, dass die erstgenannte Entscheidung des BGH zu einem anderen Sachverhalt (Rechtsschutzbedürfnis für die Beschlussanfechtungsklage nach dem Vollzug des Beschlusses) ergangen sei, ist unerheblich, da der BGH in dieser Entscheidung allgemeine Ausführungen zum Rechtsschutzbedürfnis für Beschlussanfechtungsklagen gemacht hat.

16

Da das Anfechtungsrecht nicht allein dem persönlichen Interesse des anfechtenden Wohnungseigentümers oder dem Minderheitenschutz dient, hat der Kläger sein Anfechtungsbefugnis auch nicht dadurch verloren, dass er dem Beschlussantrag, der unter anderem seine Bestellung zum Verwaltungsbeirat beinhaltete, auf der Eigentümerversammlung zugestimmt hat. Das Rechtsschutzbedürfnis besteht grundsätzlich auch für den Eigentümer, der dem angefochtenen Beschluss zugestimmt hat (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.12.2002 – 11 Wx 6/02, ZMR 2003, 290, Rn. 10, zitiert nach juris; BayObLG, ZMR 1994, 279, 280 und NJW-RR 1997, 715, 717; OLG Hamm NJW-RR 1997, 970). In der Zustimmung zu dem Beschlussantrag auf der Eigentümerversammlung liegt kein Verzicht auf das Anfechtungsrecht (Jennißen/Suilmann, WEG, 4. Auflage, § 46 Rdnr. 23).

17

Eine Anfechtungsbefugnis des Wohnungseigentümers besteht allerdings nicht, wenn die Gültigkeit des Beschlusses nur wegen eines Verfahrensmangels in Frage gestellt wird und der Antragsteller dem Beschluss zugestimmt hatte, obwohl ihm der Verfahrensmangel schon in der Versammlung bekannt war. Ficht der Wohnungseigentümer in einem solchen Fall den Beschluss an, setzt er sich mit seinem früheren Verhalten in Widerspruch. Die Geltendmachung des Anfechtungsrechts ist dann als rechtsmissbräuchlich und damit als unzulässig anzusehen (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.12.2002 – 11 Wx 6/02, Rn. 11, zitiert nach juris). Zutreffend hat das Amtsgericht dazu ausgeführt, dass nicht ersichtlich ist, dass die Frage der Beschlussfähigkeit bzw. der Wirksamkeit der Bevollmächtigung des WEG-Verwalters durch sieben Miteigentümer bereits Gegenstand der Erörterungen auf der Eigentümerversammlung war und der Kläger trotz des ihm bekannten Verfahrensmangels mit ja gestimmt hat. Die Beklagten machen dies auch nicht in der Berufungsinstanz geltend.

2.

18

Das Amtsgericht hat den angefochtenen Beschluss zu Recht für ungültig erklärt, weil die Eigentümerversammlung vom 11.11.2015 nicht beschlussfähig war.

19

a) Gemäß § 15 Abs. 4 der Teilungserklärung (Anl. K 2) ist die Wohnungseigentümerversammlung in Abweichung zu § 25 Abs. 3 WEG beschlussfähig, wenn mindestens die Hälfte der Stimmrechte vertreten sind. Das Stimmrecht bestimmt sich nach § 15 Abs. 1 Satz 2 der Teilungserklärung nach dem WEG, d.h. jeder Wohnungseigentümer hat eine Stimme ohne Rücksicht auf die Anzahl seiner Eigentumswohnungen.

20

Dies zugrunde gelegt existieren 36 Stimmrechte. Zwar verfügt die Wohnungseigentumsanlage über insgesamt 40 Einheiten. Vier der Eigentümer verfügen aber über jeweils zwei Einheiten. Auf der Eigentümerversammlung vom 11.11.2015 waren 14 Eigentümer anwesend – was allein nicht zur Beschlussfähigkeit der Versammlung ausgereicht hätte – und weitere sieben Eigentümer ließen sich durch den Verwalter vertreten. Die Vertretung von sieben Wohnungseigentümern durch den Verwalter war unwirksam.

21

Nach der in § 15 Abs. 1 Satz 4 der Teilungserklärung enthaltenen Vertreterklausel kann sich ein Wohnungseigentümer nur durch seinen Ehegatten, einen Familienangehörigen oder durch einen anderen Wohnungseigentümer vertreten lassen, nicht hingegen (auch) durch den Verwalter. An der Wirksamkeit einer derartigen in der Teilungserklärung enthaltenen Vertreterklausel bestehen keine Bedenken. Grundsätzlich können die Wohnungseigentümer die Befugnis, sich durch einen Bevollmächtigten auf der Eigentümerversammlung vertreten zu lassen, durch Vereinbarung wirksam beschränken (BGH, Beschluss vom 11.11.1986 – V ZB 1/86, BGHZ 99, 97, Rn. 13 ff., zitiert nach juris; Beschluss vom 29.01.1993 – V ZB 24/92, BGHZ 121, 236, Rn. 10, zitiert nach juris). In einem solchen Fall ist ein Bevollmächtigter, der nicht zu dem bezeichneten Personenkreis gehört, grundsätzlich weder teilnahme- noch stimmberechtigt (BGH, Beschluss vom 29.01.1993 – V ZB 24/92, BGHZ 121, 236, Rn. 10, zitiert nach juris; Kümmel in: Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 11. Auflage, § 24 Rdnr. 44).

22

b) Die Zulässigkeit der Vertretung von Wohnungseigentümern auf der Eigentümerversammlung ergibt sich nicht allein daraus, dass Sinn und Zweck der Vertreterklausel nicht beeinträchtigt wird, wenn auch der Verwalter bevollmächtigt werden kann. Der Sinn einer Vertretungsbeschränkung liegt regelmäßig darin, fremde Einflüsse von der Gemeinschaft fernzuhalten und zu verhindern, dass interne Gemeinschaftsangelegenheiten nach außen getragen werden (BGH, Beschluss vom 29.01.1993 – V ZB 24/92, BGHZ 121, 236, Rn. 13, zitiert nach juris; Kümmel in: Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, a.a.O.). Zwar neigt die Kammer dazu, dass gegen Sinn und Zweck der Vertreterklausel nicht verstoßen wird, wenn ein Wohnungseigentümer eine Person bevollmächtigt, die ihn nach dem reinen Wortlaut der Vertreterklausel zwar nicht vertreten dürfte, die aber bereits an der Versammlung teilnehmen darf und teilnehmen wird, weil sie entweder eine eigenes Teilnahmerecht hat oder einen anderen Wohnungseigentümer zulässigerweise vertreten darf. In diesen Fällen liegt kein Verstoß gegen den Nichtöffentlichkeitsgrundsatz vor (so Bärmann/Merle, WEG, 12. Auflage, § 25 Rdnr. 89; Kümmel in: Niedenführ/Kümmel/ Vandenhouten, a.a.O., § 24 Rdnr. 47).

23

Gleichwohl ist nach Auffassung der Kammer in jedem Einzelfall anhand der konkreten Regelungen in der Teilungserklärung zu prüfen, ob diese teleologisch oder ergänzend dahingehend ausgelegt werden kann, dass auch der Verwalter zur Vertretung von Wohnungseigentümern auf der Eigentümerversammlung bevollmächtigt werden kann, wenn die in der Teilungserklärung enthaltene Vertreterklausel dies nicht vorsieht.

24

aa) Eine teleologische Auslegung ist hier nicht möglich. Zutreffend hat das Amtsgericht insoweit darauf hingewiesen, dass die Vertreterklausel in § 15 Abs. 1 Satz 2 der Teilungserklärung aufgrund ihres klaren Wortlauts nicht dahingehend auslegungsfähig ist, dass sich die Wohnungseigentümer auch durch den Verwalter vertreten lassen können. Grundsätzlich lassen sich Vertreterklauseln in Teilungserklärungen zwar teleologisch auslegen. Diese Auslegung findet ihre Grenze aber im Wortlaut der Regelung (vgl. BayObLG, Beschluss vom 12.12.1996 – 2Z BR 124/96, NJW-RR 1997, 463, Rn. 8, zitiert nach juris; Wenzel, NZM 2005, 402, 405). Die Kammer hält die Grenze des möglichen Wortsinns aber für überschritten, wenn unter die Begriffe „Ehegatte“, „Familienangehöriger“ und „anderer Wohnungseigentümer“ im Wege der teleologischen Auslegung auch der WEG-Verwalter subsumiert werden soll. So lässt sich etwa erwägen, ob der Begriff „Ehegatte“ auch den Partner einer nicht ehelichen Lebensgemeinschaft mit einschließt. Der WEG-Verwalter verfügt typischerweise nicht über ein mit einem Ehegatten oder Familienangehörigen vergleichbares persönliches Näheverhältnis. Auch der Begriff des „anderen Wohnungseigentümers“ kann nicht über den Wortlaut hinaus auf den externen Verwalter ausgedehnt werden, der nicht selbst Wohnungseigentümer ist.

25

bb) Die Vertretungsklausel in § 15 Abs. 1 Satz 2 der Teilungserklärung kann auch nicht ergänzend dahingehend ausgelegt werden, dass auch der Verwalter zur Vertretung von Wohnungseigentümern in der Eigentümerversammlung befugt ist.

26

Die Teilungserklärung ist wie der Grundbuchinhalt auszulegen nach Wortlaut und Sinn des Eingetragenen, wie er sich für den unbefangenen Betrachter als nächstliegender Sinn der Bedeutung ergibt; Umstände außerhalb der Eintragung dürfen nur herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann erkennbar sind (BGH, Beschluss vom 10.09.1998 – V ZB 11/98, BGHZ 139, 288 = NJW 1998, 3713, Rn. 16, zitiert nach juris; Urteil vom 18.01.2013 – V ZR 88/12, WuM 2013, 247, Rn. 7, zitiert nach juris). Diese Grundsätze hindern nicht schlechthin daran, Regelungslücken einer Gemeinschaftsordnung durch Heranziehung der Regeln der ergänzenden (Vertrags-)Auslegung zu schließen (BGH, Beschluss vom 07.10.2004 – V ZB 22/04, BGHZ 160, 354, Rn. 23, zitiert nach juris).

27

Die ergänzende Auslegung der Teilungserklärung setzt eine planwidrige Regelungslücke voraus (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 08.12.2003 – 16 Wx 200/03, NZM 2004, 656, Rn. 5, zitiert nach juris). Ob eine Lücke vorliegt, ist nicht danach zu beurteilen, ob eine Regelung hätte getroffen werden können, sondern allein danach, ob vom Teilungsplan des die Teilungserklärung errichtenden Eigentümers her eine planwidrige Unvollständigkeit vorliegt (Bärmann/Klein, a.a.O., § 10 Rdnr. 131). Eine solche ist aber auch dann gegeben, wenn der teilende Eigentümer einen Punkt zwar hätte regeln können, ihn aber deswegen nicht geregelt hat, weil er ihn übersehen hat. Die ergänzende Auslegung greift daher auch bei einer nach dem Regelungsplan von Anfang an bestehenden Unvollständigkeit des Regelungstextes. Dabei geht es nicht um die Aufklärung des tatsächlichen Willens des teilenden Eigentümers, sondern um eine an objektiven Maßstäben orientierte Bewertung des Inhalts der Teilungserklärung und der daraus abzuleitenden Rechtsfolge, also darum, was der teilende Eigentümer im Falle des Erkennens der Regelungslücke bei einer angemessenen Abwägung der Interessen nach Treu und Glauben redlicherweise geregelt hätte. Die ergänzende Auslegung ermöglicht insoweit nicht eine nachträgliche Korrektur des anfänglichen Regelungskonzepts, wohl aber die Nachzeichnung des in der Gemeinschaftsordnung zum Ausdruck gekommenen Regelungsgehalts und die Beseitigung systemwidriger Regelungsunterschiede (Wenzel, NZM 2005, 402, 405).

28

Hat also der teilende Eigentümer bei Errichtung der Teilungserklärung die Regelung einer Vertretungsbefugnis der Wohnungseigentümer (auch) durch den Verwalter übersehen, obwohl das Problem bereits bekannt war, so geht es rückschauend nicht darum, wie er das Problem seinerzeit hätte regeln wollen, sondern nur darum, was er im Falle des Erkennens der Lücke bei einer angemessenen Abwägung nach Treu und Glauben redlicherweise geregelt hätte. Maßstab ist eine objektivierte, am Maßstab der Redlichkeit orientierte Nachzeichnung des Regelungskonzepts (Wenzel, a.a.O.).

29

Dies zugrunde gelegt, bestehen bereits Zweifel am Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke in der zwischen den Parteien geltenden Teilungserklärung. Die hier in Rede stehende Teilungserklärung stammt aus dem Jahre 1961. Auch in Teilungserklärungen, die aus dieser Zeit stammen, ist es nicht unüblich, in Vertreterklauseln auch eine Vertretung durch den Verwalter vorzusehen. Dies spricht indiziell dagegen, dass der der aufteilende Eigentümer die Möglichkeit, eine Vertretung der Wohnungseigentümer auf der Eigentümerversammlung auch durch den Verwalter vorzusehen, übersehen hat. Andernfalls wären aufteilende Eigentümer gezwungen, in Vertreterregelungen den ausdrücklichen Zusatz aufzunehmen, dass eine Vertretung durch bestimmte nicht in der Klausel genannte Personen nicht gewollt sei.

30

Selbst wenn man aber von einer planwidrigen Regelungslücke ausginge, würde eine objektivierte, am Maßstab der Redlichkeit orientierte Nachzeichnung des Regelungskonzepts nicht dazu führen, auch den Verwalter als zugelassenen Vertreter anzusehen. Lassen sich hinreichende Anhaltspunkte für den hypothetischen Willen des oder der Erklärenden nicht finden, etwa weil mehrere gleichwertige Auslegungsmöglichkeiten in Betracht kommen, scheidet eine ergänzende Auslegung aus (BGH, Beschluss vom 07.10.2004 – V ZB 22/04, BGHZ 160, 354, Rn. 23, zitiert nach juris; BeckOK WEG/Dötsch, 27. Edition, Stand: 01.06.2016, § 10 Rdnr. 339). Dies ist hier der Fall. Die Vertretungsklausel sieht eine ausreichende Anzahl von Möglichkeiten für Wohnungseigentümer vor, wie sie für ihre wirksame Vertretung auf der Eigentümerversammlung sorgen können, wenn sie an dieser nicht persönlich teilnehmen können oder möchten. Neben einem anderen Wohnungseigentümer und dem eigenen Ehegatten können auch Familienangehörige wirksam bevollmächtigt werden, den betreffenden Wohnungseigentümer in der Eigentümerversammlung zu vertreten. Auch wenn die Einbeziehung des Verwalters in Vertreterklauseln gerichtsbekannt üblich ist und insbesondere Praktikabilitätsgründe dafür sprechen mögen, bestehen andererseits ebenso gute Gründe dafür, den Verwalter nicht als Vertreter von Wohnungseigentümern zuzulassen, um dessen strikte Neutralität zu wahren, seine Rolle in der Eigentümerversammlung auf die des Versammlungsleiters zu beschränken und mögliche Vorwürfen gar nicht erst aufkommen zu lassen, der Verwalter habe im eigenen Interesse Vollmachten von Wohnungseigentümern „eingesammelt“, um für die Annahme bestimmter Beschlussanträge zu sorgen oder die Annahme anderer Beschlussanträge zu verhindern. Daher scheidet die Zulassung des Verwalters als Vertreter im Wege der ergänzenden Auslegung der Teilungserklärung im vorliegenden Fall aus.

31

c) Ob im Einzelfall Ausnahmen von der Vertreterklausel wegen Unzumutbarkeit nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) geboten sein können (vgl. BGH, Beschluss vom 11.11.1986 – V ZB 1/86, BGHZ 99, 90, Rn. 21, zitiert nach juris; Beschluss vom 29.01.1993 – V ZB 24/92, BGHZ 121, 236, Rn. 14, zitiert nach juris; Hanseatisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 24.01.2007 – 2 Wx 93/06, zitiert nach juris; Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, a.a.O., § 24 Rdnr. 48), bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung, weil die Beklagten nicht geltend machen, dass und warum es den Wohnungseigentümern nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt gewesen sein soll, sich gegenüber den sieben Wohnungseigentümern, die sich auf der außerordentlichen Eigentümerversammlung vom 11.11.2015 durch den Verwalter haben vertreten lassen, auf die Vertretungsbeschränkung in § 15 Abs. 1 Satz 1 der Teilungserklärung zu berufen.

32

d) Sollte in der von den Parteien gebildeten Wohnungseigentümergemeinschaft ein Bedarf bestehen, die Vertreterklausel um den Verwalter zu erweitern, steht den Parteien aufgrund der in § 18 der Teilungserklärung enthaltenen Öffnungsklausel die Möglichkeit offen, die Teilungserklärung mit der dort vorgesehenen Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmrechte oder nach § 23 Abs. 3 WEG zu ergänzen oder zu ändern.

3.

33

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

34

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist § 708 Ziff. 10, 711, 713 ZPO zu entnehmen.

35

Die Revision gegen dieses Urteil ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Sache hat keine grundsätzlich Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung durch das Revisionsgericht. Gegenstand der vorliegenden Entscheidung ist die Auslegung einer Vertreterklausel in der Teilungserklärung im Einzelfall. Dass Vertreterklauseln, die die Vertretung begrenzen, aber nicht auch den Verwalter als möglichen Vertreter zulassen, in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen existieren, ist für die Kammer ebenfalls nicht ersichtlich.

36

Die Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren ist gem. § 49a Abs. 1 GKG erfolgt.

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(1) Bei der Beschlussfassung entscheidet die Mehrheit der abgegebenen Stimmen.

(2) Jeder Wohnungseigentümer hat eine Stimme. Steht ein Wohnungseigentum mehreren gemeinschaftlich zu, so können sie das Stimmrecht nur einheitlich ausüben.

(3) Vollmachten bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Textform.

(4) Ein Wohnungseigentümer ist nicht stimmberechtigt, wenn die Beschlussfassung die Vornahme eines auf die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums bezüglichen Rechtsgeschäfts mit ihm oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits gegen ihn betrifft oder wenn er nach § 17 rechtskräftig verurteilt ist.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Die Versammlung der Wohnungseigentümer wird von dem Verwalter mindestens einmal im Jahr einberufen.

(2) Die Versammlung der Wohnungseigentümer muss von dem Verwalter in den durch Vereinbarung der Wohnungseigentümer bestimmten Fällen, im Übrigen dann einberufen werden, wenn dies in Textform unter Angabe des Zwecks und der Gründe von mehr als einem Viertel der Wohnungseigentümer verlangt wird.

(3) Fehlt ein Verwalter oder weigert er sich pflichtwidrig, die Versammlung der Wohnungseigentümer einzuberufen, so kann die Versammlung auch durch den Vorsitzenden des Verwaltungsbeirats, dessen Vertreter oder einen durch Beschluss ermächtigten Wohnungseigentümer einberufen werden.

(4) Die Einberufung erfolgt in Textform. Die Frist der Einberufung soll, sofern nicht ein Fall besonderer Dringlichkeit vorliegt, mindestens drei Wochen betragen.

(5) Den Vorsitz in der Wohnungseigentümerversammlung führt, sofern diese nichts anderes beschließt, der Verwalter.

(6) Über die in der Versammlung gefassten Beschlüsse ist unverzüglich eine Niederschrift aufzunehmen. Die Niederschrift ist von dem Vorsitzenden und einem Wohnungseigentümer und, falls ein Verwaltungsbeirat bestellt ist, auch von dessen Vorsitzenden oder seinem Vertreter zu unterschreiben.

(7) Es ist eine Beschluss-Sammlung zu führen. Die Beschluss-Sammlung enthält nur den Wortlaut

1.
der in der Versammlung der Wohnungseigentümer verkündeten Beschlüsse mit Angabe von Ort und Datum der Versammlung,
2.
der schriftlichen Beschlüsse mit Angabe von Ort und Datum der Verkündung und
3.
der Urteilsformeln der gerichtlichen Entscheidungen in einem Rechtsstreit gemäß § 43 mit Angabe ihres Datums, des Gerichts und der Parteien,
soweit diese Beschlüsse und gerichtlichen Entscheidungen nach dem 1. Juli 2007 ergangen sind. Die Beschlüsse und gerichtlichen Entscheidungen sind fortlaufend einzutragen und zu nummerieren. Sind sie angefochten oder aufgehoben worden, so ist dies anzumerken. Im Fall einer Aufhebung kann von einer Anmerkung abgesehen und die Eintragung gelöscht werden. Eine Eintragung kann auch gelöscht werden, wenn sie aus einem anderen Grund für die Wohnungseigentümer keine Bedeutung mehr hat. Die Eintragungen, Vermerke und Löschungen gemäß den Sätzen 3 bis 6 sind unverzüglich zu erledigen und mit Datum zu versehen. Einem Wohnungseigentümer oder einem Dritten, den ein Wohnungseigentümer ermächtigt hat, ist auf sein Verlangen Einsicht in die Beschluss-Sammlung zu geben.

(8) Die Beschluss-Sammlung ist von dem Verwalter zu führen. Fehlt ein Verwalter, so ist der Vorsitzende der Wohnungseigentümerversammlung verpflichtet, die Beschluss-Sammlung zu führen, sofern die Wohnungseigentümer durch Stimmenmehrheit keinen anderen für diese Aufgabe bestellt haben.

(1) Der Verwalter ist gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer berechtigt und verpflichtet, die Maßnahmen ordnungsmäßiger Verwaltung zu treffen, die

1.
untergeordnete Bedeutung haben und nicht zu erheblichen Verpflichtungen führen oder
2.
zur Wahrung einer Frist oder zur Abwendung eines Nachteils erforderlich sind.

(2) Die Wohnungseigentümer können die Rechte und Pflichten nach Absatz 1 durch Beschluss einschränken oder erweitern.

(1) Bei der Beschlussfassung entscheidet die Mehrheit der abgegebenen Stimmen.

(2) Jeder Wohnungseigentümer hat eine Stimme. Steht ein Wohnungseigentum mehreren gemeinschaftlich zu, so können sie das Stimmrecht nur einheitlich ausüben.

(3) Vollmachten bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Textform.

(4) Ein Wohnungseigentümer ist nicht stimmberechtigt, wenn die Beschlussfassung die Vornahme eines auf die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums bezüglichen Rechtsgeschäfts mit ihm oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits gegen ihn betrifft oder wenn er nach § 17 rechtskräftig verurteilt ist.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Angelegenheiten, über die nach diesem Gesetz oder nach einer Vereinbarung der Wohnungseigentümer die Wohnungseigentümer durch Beschluss entscheiden können, werden durch Beschlussfassung in einer Versammlung der Wohnungseigentümer geordnet. Die Wohnungseigentümer können beschließen, dass Wohnungseigentümer an der Versammlung auch ohne Anwesenheit an deren Ort teilnehmen und sämtliche oder einzelne ihrer Rechte ganz oder teilweise im Wege elektronischer Kommunikation ausüben können.

(2) Zur Gültigkeit eines Beschlusses ist erforderlich, dass der Gegenstand bei der Einberufung bezeichnet ist.

(3) Auch ohne Versammlung ist ein Beschluss gültig, wenn alle Wohnungseigentümer ihre Zustimmung zu diesem Beschluss in Textform erklären. Die Wohnungseigentümer können beschließen, dass für einen einzelnen Gegenstand die Mehrheit der abgegebenen Stimmen genügt.

(4) Ein Beschluss, der gegen eine Rechtsvorschrift verstößt, auf deren Einhaltung rechtswirksam nicht verzichtet werden kann, ist nichtig. Im Übrigen ist ein Beschluss gültig, solange er nicht durch rechtskräftiges Urteil für ungültig erklärt ist.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.