Landgericht Hamburg Urteil, 20. Dez. 2017 - 318 S 15/17

bei uns veröffentlicht am20.12.2017

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 04.01.2017, Az. 12 C 260/15, wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 27.820,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch um die Gültigkeit bzw. Wirksamkeit des auf der Eigentümerversammlung vom 12.08.2014 zu TOP 11 gefassten Beschlusses über die Genehmigung und die Fortgeltung des Wirtschaftsplans 2015 bis zur Beschlussfassung eines neuen Wirtschaftsplans.

2

Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird auf den Tatbestand des Urteils des Amtsgerichts Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 ZPO).

3

Das Amtsgericht hat mit Urteil vom 04.01.2017 die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des vorgenannten Beschlusses abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass entgegen der Ansicht des Klägers den Wohnungseigentümern nicht die Kompetenz zur Beschlussfassung fehle, die allein zur Nichtigkeit des Beschlusses führen würde. Nach zutreffender Ansicht könne eine generelle Regelung, wonach jeder beschlossene Wirtschaftsplan bis zum Beschluss über einen neuen Wirtschaftsplan fortgelten solle, nur durch Vereinbarung der Wohnungseigentümer erfolgen. Mit dem streitgegenständlichen Beschluss werde jedoch lediglich die Fortgeltung im Einzelfall bestimmt. Im Wege der Auslegung ergebe sich, dass der für das Jahr 2015 beschlossene Wirtschaftsplan über den Ablauf des (Wirtschafts-)Jahres 2015 hinaus gelten solle und zwar bedingt für den Fall, dass noch kein neuer Wirtschaftsplan beschlossen worden sei und zeitlich beschränkt bis dieser in Kraft gesetzt sei. Der Beschluss hebe die sich sowohl aus dem Gesetz als auch aus der Teilungserklärung ergebende Pflicht zur alljährlichen Aufstellung von Wirtschaftsplänen nicht auf, sondern sichere für die Zeit zwischen Ablauf eines Wirtschaftsjahres und Beschlussfassung des Folgeplanes die Möglichkeit, von den Wohnungseigentümern Vorschüsse auf die laufenden Kosten der Verwaltung abzufordern.

4

Gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 12.01.2017 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am 10.02.2017 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und sein Rechtsmittel mit einem am 10.03.2017 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

5

Der Kläger trägt vor, das Amtsgericht habe die erforderliche Beschlusskompetenz zu Unrecht angenommen. Wann und bei welcher Gelegenheit die Beschlussfassung über einen neuen Wirtschaftsplan vorgesehen sei und erfolgen werde, lasse der Beschluss offen. Dies führe dazu, dass die Beschlussfassung eine zeitlich uneingeschränkte Fortgeltung des Wirtschaftsplans 2015 beinhalte. Eine uneingeschränkte Fortgeltung des Wirtschaftsplans stehe im Widerspruch zu § 28 Abs. 1 WEG und der Regelung in § 16 der Teilungserklärung. Den Eigentümern fehle die Kompetenz, von diesen Regelungen abzuweichen. Auch sei der Wortlaut hinsichtlich der Fortgeltung des Wirtschaftsplans nicht eindeutig. Der Beschluss sei mithin inhaltlich unklar und widerspreche daher jedenfalls ordnungsgemäßer Verwaltung.

6

Der Kläger beantragt,

7

unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Hamburg vom 04.01.2017 (Az.: 12 C 260/15) festzustellen, dass der in der Wohnungseigentümerversammlung vom 12.08.2014 zu TOP 11 gefasste Beschluss über den Gesamtwirtschaftsplan 2015 nichtig ist, hilfsweise insoweit nichtig ist, als er solange Gültigkeit haben soll, bis über einen neuen Wirtschaftsplan beschlossen worden ist;

8

hilfsweise,

9

den in der Wohnungseigentümerversammlung vom 12.08.2014 zu TOP 11 gefassten Beschluss über den Gesamtwirtschaftsplan 2015 für ungültig zu erklären, hilfsweise insoweit für ungültig zu erklären, als er solange Gültigkeit haben soll, bis über einen neuen Wirtschaftsplan beschlossen worden ist.

10

Die Beklagten beantragen,

11

die Berufung zurückzuweisen.

12

Sie verteidigen die Entscheidung des Amtsgerichts. Der Beschluss sei wegen bestehender Beschlusskompetenz nicht nichtig.

13

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die zwischen den Parteien im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

14

Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.

1.

15

Die Berufung ist zulässig. Sie wurde form- und fristgerecht eingelegt und begründet.

2.

16

Die Berufung ist jedoch unbegründet.

2.1

17

Zu Recht hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen, soweit der Kläger beantragt hat, festzustellen, dass der auf der Eigentümerversammlung vom 12.08.2014 zu TOP 11 gefasste Beschluss über die Genehmigung und Fortgeltung des Wirtschaftsplans 2015 nichtig ist.

18

Der Beschluss ist nicht nichtig. Entgegen der Auffassung des Klägers verfügt die Eigentümerversammlung über die erforderliche Kompetenz, die Fortgeltung eines konkreten Wirtschaftsplans zu beschließen, bis über einen neuen Wirtschaftsplan beschlossen wird.

19

Generell gilt, dass ein Beschluss, der unabhängig von einem konkreten Wirtschaftsplan generell die Fortgeltung eines jeden Wirtschaftsplans - bis zur „Verabschiedung“ eines neuen - zum Gegenstand hat, mangels Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer nichtig ist. Wirksam ist hingegen ein Beschluss über die Fortgeltung eines konkreten Wirtschaftsplans bis zur Beschlussfassung über den nächsten Wirtschaftsplan (Kümmel/Vandenhouten in Niedenführ/Vandenhouten, WEG, 12. Auflage, § 23 Rn. 24).

20

Der zu TOP 11 gefasste Beschluss bezieht sich nur auf die Fortgeltung des konkreten Wirtschaftsplans 2015 und beinhaltet nicht die generelle Fortgeltung aller zukünftig beschlossenen Wirtschaftspläne. Die Wohnungseigentümer sind auch nicht gehindert, zu beschließen, dass die Fortgeltung des konkreten Wirtschaftsplans gelten soll, bis ein neuer Wirtschaftsplan beschlossen wird. Da es zur Vermeidung von Liquiditätslücken geboten ist, dass stets ein gültiger Wirtschaftsplan vorhanden ist, entspricht es grundsätzlich auch ordnungsgemäßer Verwaltung, einen Wirtschaftsplan mit dem Zusatz zu beschließen, dass er bis zur Beschlussfassung über den nächsten Plan gilt, sog. Fortgeltungsklausel (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 02.06.2003 - I-3 Wx 75/03, NZM 2003, 854, Rn. 20, zitiert nach juris; KG Berlin, Beschlüsse vom 27.02.2002 - 24 W 16/02, NJW 2002, 3482, Rn. 13, zitiert nach juris und vom 07.01.2004 - 24 W 326/01, ZMR 2005, 221, Rn. 11, zitiert nach juris; AG München, Urteil vom 27.05.2014 - 484 C 29336/13 WEG, ZMR 2015, 163, Rn. 41, zitiert nach juris; Niedenführ in Niedenführ/Vandenhouten, a.a.O., § 28 Rn. 13 f.; Staudinger/Häublein, WEG, Neubearbeitung 2018, § 28 Rn. 159).

21

Die Kammer teilt insoweit nicht die in der Rechtsprechung und Literatur teilweise vertretene Auffassung, wonach ein Beschluss über die Fortgeltung des Wirtschaftsplans immer nur bis zur nächsten ordentlichen Eigentümerversammlung gelten könne und ein Beschluss über eine Fortgeltung eines konkreten Wirtschaftsplans bis zur Beschlussfassung über einen neuen Wirtschaftsplan mangels Beschlusskompetenz nichtig sei (LG Itzehoe, Urteil vom 17.09.2013 - 11 S 93/12, ZMR 2014, 144; AG Hamburg-Blankenese, Urteil vom 01.04.2015 - 539 V 26/14, ZMR 2017, 98; BeckOK WEG/Bartholome, 32. Edition, Stand: 01.10.2017, § 28 Rn. 21; Jennißen/Jennißen, WEG, 5. Auflage, § 28 Rn. 47 und 63a).

22

Aus § 28 Abs. 5 WEG folgt die Kompetenz der Eigentümerversammlung, auch die Fortgeltung des konkreten Wirtschaftsplans bis zur Beschlussfassung über einen neuen Wirtschaftsplan zu beschließen. Durch einen solchen Beschluss werden die Eigentümer nicht grundsätzlich von der jährlichen Beschlussfassung über den Wirtschaftsplan gemäß § 28 Abs. 1 WEG entbunden. Ein unbefristeter Fortgeltungsbeschluss wirkt sich nicht auf eine entsprechende, aus den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung abgeleitete Pflicht aus. Er sorgt lediglich für den Fall vor, dass sich die Eigentümer nicht über einen neuen Plan einigen können oder dieser angefochten wird, besagt aber nichts darüber, ob es geboten ist, einen neuen Plan aufzustellen (Staudinger/Häublein, a.a.O.).

23

Aus den vorgenannten Gründen ist der Beschluss auch nicht deshalb nichtig, weil er den Regelungsinhalt in § 16 Satz 1 der Teilungserklärung, wonach der Wirtschaftsplan jeweils für ein Geschäftsjahr im Voraus vom Verwalter aufgestellt werden soll, dauerhaft abändert. Der Beschluss entbindet die Verwaltung nicht von der jährlichen Aufstellung eines Wirtschaftsplans. Der einzelne Wohnungseigentümer ist auch nicht rechtlos gestellt. Er kann vom Verwalter die Ausstellung des Wirtschaftsplanes verlangen und im Verfahren nach § 43 Nr. 3 WEG gerichtlich durchsetzten (Niedenführ in Niedenführ/Vandenhouten, a.a.O., § 28 Rn. 9).

2.2

24

Da die Berufung des Klägers mit dem Hauptantrag keinen Erfolg hat, ist über dessen - erstmals in der Berufungsinstanz gestellten - Hilfsantrag zu entscheiden, den auf der Eigentümerversammlung vom 12.08.2014 zu TOP 11 gefassten Beschluss über den Wirtschaftsplan 2015 für ungültig zu erklären.

25

Ob die insoweit erfolgte Erweiterung der Klage in der Berufungsinstanz nach § 533 ZPO überhaupt zulässig ist, kann offen bleiben. Der Hilfsantrag ist jedenfalls mangels rechtzeitig erhobener (Anfechtungs-)Klage unbegründet. Nach § 46 Abs. 1 S. 2 WEG ist die Klage auf Erklärung der Ungültigkeit eines Beschlusses innerhalb eines Monats nach der Beschlussfassung zu erheben. Dies ist vorliegend nicht geschehen.

3.

26

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 91 Abs. 1 ZPO.

27

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist §§ 708 Ziff. 10, 711 ZPO zu entnehmen.

28

Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO vorliegen. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts erfordert eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Das Auftreten der Frage, ob die Eigentümerversammlung über die erforderliche Kompetenz verfügt, die Fortgeltung eines konkret beschlossenen Einzelwirtschaftsplans bis zur Beschlussfassung über einen neuen Wirtschaftsplan zu beschließen, ist in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen zu erwarten, weshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einheitlicher Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt ist (vgl. BGH, Beschluss vom 04.07.2002 - V ZB 16/02, BGHZ 151, 221 = NJW 2002, 3029). Auch erfordert die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Eine höchstrichterliche Entscheidung ist zur Fortbildung des Rechts dann erforderlich, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen (BGH, Beschluss vom 04.07.2002 - V ZB 16/02, BGHZ 151, 221, Rn. 6, zitiert nach juris). Für die Aufstellung höchstrichterlicher Leitsätze besteht nur dann Anlass, wenn es für die rechtliche Beurteilung typischer oder verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte an einer richtungweisenden Orientierungshilfe ganz oder teilweise fehlt (BGH, a.a.O.). Dies ist hier der Fall.

29

Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 49a Abs. 1 GKG und richtet sich nach den vom Bundesgerichtshof für die Anfechtung eines Beschlusses über die Genehmigung der Jahresabrechnung aufgestellten Grundsätzen (vgl. BGH, Beschluss vom 09.02.2017 - V ZR 188/16, ZMR 2017, 572). Die angesetzten Gesamtausgaben und damit das Gesamtinteresse hinsichtlich der begehrten Nichtigkeitsfeststellung des zu TOP 11 gefassten Beschlusses über die Genehmigung und Fortgeltung des Wirtschaftsplans 2015 beträgt € 55.640,00. 50 % davon sind € 27.820,00. Dieser Betrag übersteigt nicht das fünffache Einzelinteresse des Klägers, das sich nach dessen Angaben auf € 55.640,00 (5 x € 11.128,00) beläuft, und unterschreitet auch nicht sein Einzelinteresse.

Urteilsbesprechung zu Landgericht Hamburg Urteil, 20. Dez. 2017 - 318 S 15/17

Urteilsbesprechungen zu Landgericht Hamburg Urteil, 20. Dez. 2017 - 318 S 15/17

Referenzen - Gesetze

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat
Landgericht Hamburg Urteil, 20. Dez. 2017 - 318 S 15/17 zitiert 9 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Zivilprozessordnung - ZPO | § 533 Klageänderung; Aufrechnungserklärung; Widerklage


Klageänderung, Aufrechnungserklärung und Widerklage sind nur zulässig, wenn1.der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und2.diese auf Tatsachen gestützt werden können, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidu

Wohnungseigentumsgesetz - WoEigG | § 43 Zuständigkeit


(1) Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer hat ihren allgemeinen Gerichtsstand bei dem Gericht, in dessen Bezirk das Grundstück liegt. Bei diesem Gericht kann auch die Klage gegen Wohnungseigentümer im Fall des § 9a Absatz 4 Satz 1 erhoben werden.

Wohnungseigentumsgesetz - WoEigG | § 46 Veräußerung ohne erforderliche Zustimmung


Fehlt eine nach § 12 erforderliche Zustimmung, so sind die Veräußerung und das zugrundeliegende Verpflichtungsgeschäft unbeschadet der sonstigen Voraussetzungen wirksam, wenn die Eintragung der Veräußerung oder einer Auflassungsvormerkung in das Grun

Wohnungseigentumsgesetz - WoEigG | § 28 Wirtschaftsplan, Jahresabrechnung, Vermögensbericht


(1) Die Wohnungseigentümer beschließen über die Vorschüsse zur Kostentragung und zu den nach § 19 Absatz 2 Nummer 4 oder durch Beschluss vorgesehenen Rücklagen. Zu diesem Zweck hat der Verwalter jeweils für ein Kalenderjahr einen Wirtschaftsplan aufz

Referenzen - Urteile

Landgericht Hamburg Urteil, 20. Dez. 2017 - 318 S 15/17 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Landgericht Hamburg Urteil, 20. Dez. 2017 - 318 S 15/17 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Juli 2002 - V ZB 16/02

bei uns veröffentlicht am 04.07.2002

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZB 16/02 vom 4. Juli 2002 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja ZPO (2002) §§ 574 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2, 233 Fc a) Eine Sache, die eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige u

Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Feb. 2017 - V ZR 188/16

bei uns veröffentlicht am 09.02.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZR 188/16 vom 9. Februar 2017 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja EGZPO § 26 Nr. 8 Das für die Rechtsmittelbeschwer maßgebliche wirtschaftliche Interesse der Anfechtungsbeklagt

Referenzen

(1) Die Wohnungseigentümer beschließen über die Vorschüsse zur Kostentragung und zu den nach § 19 Absatz 2 Nummer 4 oder durch Beschluss vorgesehenen Rücklagen. Zu diesem Zweck hat der Verwalter jeweils für ein Kalenderjahr einen Wirtschaftsplan aufzustellen, der darüber hinaus die voraussichtlichen Einnahmen und Ausgaben enthält.

(2) Nach Ablauf des Kalenderjahres beschließen die Wohnungseigentümer über die Einforderung von Nachschüssen oder die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse. Zu diesem Zweck hat der Verwalter eine Abrechnung über den Wirtschaftsplan (Jahresabrechnung) aufzustellen, die darüber hinaus die Einnahmen und Ausgaben enthält.

(3) Die Wohnungseigentümer können beschließen, wann Forderungen fällig werden und wie sie zu erfüllen sind.

(4) Der Verwalter hat nach Ablauf eines Kalenderjahres einen Vermögensbericht zu erstellen, der den Stand der in Absatz 1 Satz 1 bezeichneten Rücklagen und eine Aufstellung des wesentlichen Gemeinschaftsvermögens enthält. Der Vermögensbericht ist jedem Wohnungseigentümer zur Verfügung zu stellen.

(1) Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer hat ihren allgemeinen Gerichtsstand bei dem Gericht, in dessen Bezirk das Grundstück liegt. Bei diesem Gericht kann auch die Klage gegen Wohnungseigentümer im Fall des § 9a Absatz 4 Satz 1 erhoben werden.

(2) Das Gericht, in dessen Bezirk das Grundstück liegt, ist ausschließlich zuständig für

1.
Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer untereinander,
2.
Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten zwischen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und Wohnungseigentümern,
3.
Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten des Verwalters einschließlich solcher über Ansprüche eines Wohnungseigentümers gegen den Verwalter sowie
4.
Beschlussklagen gemäß § 44.

Klageänderung, Aufrechnungserklärung und Widerklage sind nur zulässig, wenn

1.
der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält und
2.
diese auf Tatsachen gestützt werden können, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 zugrunde zu legen hat.

Fehlt eine nach § 12 erforderliche Zustimmung, so sind die Veräußerung und das zugrundeliegende Verpflichtungsgeschäft unbeschadet der sonstigen Voraussetzungen wirksam, wenn die Eintragung der Veräußerung oder einer Auflassungsvormerkung in das Grundbuch vor dem 15. Januar 1994 erfolgt ist und es sich um die erstmalige Veräußerung dieses Wohnungseigentums nach seiner Begründung handelt, es sei denn, dass eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung entgegensteht. Das Fehlen der Zustimmung steht in diesen Fällen dem Eintritt der Rechtsfolgen des § 878desBürgerlichen Gesetzbuchs nicht entgegen. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend in den Fällen der §§ 30 und 35 des Wohnungseigentumsgesetzes.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 16/02
vom
4. Juli 2002
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
ZPO (2002) §§ 574 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2, 233 Fc

a) Eine Sache, die eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige
Rechtsfrage aufwirft, welche sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen
stellen kann, hat grundsätzliche Bedeutung.

b) Die Beurteilung der Frage, ob ein Rechtsanwalt seine Sorgfaltspflicht verletzt,
wenn er einer zuverlässigen Angestellten auch an den Tagen, an denen sie als
einzige von insgesamt drei Vollzeit- bzw. Teilzeitkräften im Büro anwesend ist, die
Fristenkontrolle ohne zusätzliche eigene Nachprüfung
überläßt, ist eine Frage des Einzelfalls und als solche einer Verallgemeinerung
nicht zugänglich.

c) Die Fortbildung des Rechts erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts
nur dann, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung
von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen
oder Gesetzeslücken auszufüllen. Hierzu besteht nur dann Anlaß, wenn es
für die rechtliche Beurteilung typischer oder verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte
an einer richtungweisenden Orientierungshilfe ganz oder teilweise
fehlt.

d) Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung
des Rechtsbeschwerdegerichts nur dann, wenn bei der Auslegung
oder Anwendung revisiblen Rechts Fehler über die Einzelfallentscheidung hinaus
die Interessen der Allgemeinheit nachhaltig berühren. Dies ist in der Regel dann
der Fall, wenn nach den Darlegungen des Beschwerdeführers ein Verstoû gegen
Verfahrensgrundrechte im Einzelfall klar zutage tritt, also offenkundig ist und die
angefochtene Entscheidung hierauf beruht.
BGH, Beschl. v. 4. Juli 2002 - V ZB 16/02 - KG in Berlin
LG Berlin
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am4. Juli 2002 durch den Vizepräsidenten
des Bundesgerichtshofes Dr. Wenzel und die Richter Tropf,
Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein und Dr. Lemke

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluû des 25. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 8. Februar 2002 wird auf Kosten der Beklagten als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt 8.835,12 ?.

Gründe:

I.


Das Landgericht Berlin hat die Beklagte zur Herausgabe eines Grundstücks an die im Grundbuch eingetragene Eigentümerin verurteilt. Gegen dieses ihrem Prozeûbevollmächtigten am 24. August 2001 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am 25. September 2001 beim Kammergericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist um einen Tag beantragt. Zur Rechtfertigung ihres Wiedereinsetzungsgesuchs hat sie vorgetragen und glaubhaft gemacht: Eine im Büro des Beklagtenvertreters seit 1990 stets sehr zuverlässig und fehlerlos arbeitende Gehilfin habe die Akte am Freitag, dem 21. September 2001 (weisungsgemäû notierte dreitägige Vorfrist), im Büro
nicht auffinden können. Zu diesem Zeitpunkt sei sie infolge Urlaubs einer weiteren Vollzeitmitarbeiterin und Abwesenheit einer nur an drei Tagen in der Woche tätigen Teilkraft die einzig verfügbare Angestellte gewesen. Wegen des von ihr zu bewältigenden auûerordentlichen Arbeitsanfalles habe sie die Aktensuche auf Montag, den 24. September 2001 (Ablauf der notierten Berufungsfrist ), verschoben. An diesem Tag habe die Gehilfin die im Fristenbuch eingetragenen Verfahrensakten herausgesucht, jedoch in der unzutreffenden, nicht überprüften Annahme, die den vorliegenden Fall betreffende Akte läge dem Beklagtenvertreter bereits mit einem Extrazettel "Fristablauf" vor, die rot notierte Berufungsfrist gestrichen und später im Fristenbuch neben der dort bereits durchgestrichenen Rotfrist einen Erledigungsvermerk mit ihrem Kürzel angebracht. Auch an diesem Tag sei sie als wiederum allein im Büro anwesende Angestellte einem auûerordentlichen Arbeitsdruck ausgesetzt gewesen. Allerdings habe der Beklagtenvertreter sie dadurch entlastet, daû er die am Wochenende und Montag eingegangene umfangreiche Post selbst bearbeitet, insbesondere die Notierung der jeweiligen Fristen und Termine verfügt habe. Diese Maûnahme habe sich in der Vergangenheit immer als ausreichend erwiesen , zumal der Beklagtenvertreter in Urlaubs- und Krankheitszeiten durch regelmäûige Stichproben überprüft habe, ob die im Kalender eingetragenen Fristen ordnungsgemäû gestrichen würden.
Das Kammergericht hat mit Beschluû vom 8. Februar 2002 den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Gegen diesen am 5. März 2002 zugestellten Beschluû richtet sich die am 22. März 2002 eingegangene Rechtsbeschwerde der Beklagten, mit der sie ihr Wiedereinsetzungsgesuch weiterverfolgt und die Aufhebung der vom Kammergericht ausgesprochenen Verwerfung der Berufung erstrebt.

II.


Die Rechtsbeschwerde ist zwar nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 ZPO statthaft (vgl. Senat, Beschl. v. 29. Mai 2002, V ZB 11/02 - zur Veröffentl. in BGHZ vorgesehen; Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl., § 522 Rdn. 20; Zöller/Greger, aaO, § 238 Rdn. 7). Sie ist jedoch nicht zulässig, da es an den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO fehlt.
1. Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt der Sache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zu. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Sache, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann (vgl. BT-Drucks. 14/4722, S. 67, 104; Baumbach/Lauterbach/Albers, ZPO, 60. Aufl., § 543 Rdn. 4; Musielak /Ball, ZPO, 3. Aufl., § 543 Rdn. 5; Zöller/Gummer, aaO, § 543 Rdn. 11). So liegen die Dinge hier nicht. Die Beurteilung der Frage, ob ein Rechtsanwalt seine Sorgfaltspflicht verletzt, wenn er einer zuverlässigen Angestellten auch an den Tagen, an denen sie als einzige von insgesamt drei Vollzeit- bzw. Teilzeitkräften im Büro anwesend ist, die Fristenkontrolle ohne zusätzliche eigene Nachprüfung überläût, hängt von den besonderen Umständen des jeweiligen Einzelfalles ab und ist einer Verallgemeinerung nicht zugänglich. Denn dabei ist nicht allein entscheidend, in welchem Umfang der Personalbestand reduziert ist, sondern es kommt vor allem darauf an, ob infolge einer angespannten Personallage eine erkennbare und durch zumutbare Maûnahmen behebbare Überlastung der mit der Fristenkontrolle betrauten, verfügbaren Mitarbeiter
eingetreten ist. Dementsprechend hat die höchstrichterliche Rechtsprechung je nach Fallgestaltung eine Erhöhung der grundsätzlichen Organisationspflichten eines Anwalts im Falle einer erheblichen Mehrbelastung des verfügbaren Personals manchmal bejaht (vgl. BGH, Beschl. v. 1. April 1965, II ZB 11/64, VersR 1965, 596, 597: Ausfall zweier von drei Bürokräften; Beschl. v. 1. Juli 1999, III ZB 47/98, NJW-RR 1999, 1664: Ausfall zweier von drei Mitarbeiterinnen während eines Arbeitstages; Beschl. v. 26. August 1999, VII ZB 12/99, NJW 1999, 3783 f: Reduzierung der Belegschaft auf fast die Hälfte für mehr als einen Monat; Beschl. v. 28. Juni 2001, III ZB 24/01, NJW 2001, 2975, 2976: Verzicht auf Eintragung des Fristablaufes bei Erkrankung einer Mitarbeiterin zum Fristende und unzureichender Wiedervorlagezeit wegen eines Wochenendes), teilweise aber auch verneint (BGH, Beschl. v. 17. November 1975, II ZB 8/75, VersR 1976, 343: Abwesenheit zweier von drei Kräften; Beschl. v. 29. Juni 2000, Vll ZB 5/00, NJW 2000, 3006: Ausscheiden eines Anwalts und Eheprobleme einer Anwaltssekretärin; Beschl. v. 27. März 2001, VI ZB 7/01, NJW-RR 2001, 1072, 1073: Doppeltes Fehlverhalten einer Bürokraft in einer Sache). Vorliegend erschöpft sich die Beurteilung der Sorgfaltspflichten des Beklagtenvertreters ebenfalls in einer Würdigung der konkreten Einzelfallumstände und ist damit nicht auf eine unbestimmte Anzahl von Fällen übertragbar.
Ob einer Sache grundsätzliche Bedeutung auch dann zukommt, wenn nur die tatsächlichen oder wirtschaftlichen Auswirkungen der Entscheidung für die Allgemeinheit von Bedeutung sind, kann hier offen bleiben, weil dieser Tatbetand hier ebenfalls nicht vorliegt.
2. Aus denselben Gründen ist eine Entscheidung auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Rechtsfortbildung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 ZPO) geboten.
Eine höchstrichterliche Entscheidung ist zur Fortbildung des Rechts nur dann erforderlich, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen (vgl. BT-Drucks. 14/4722 S. 104; BGHSt 24, 15, 21 f; Hannich in: Hannich/Meyer/Seitz, ZPO-Reform 2002, § 543 Rdn. 22; Musielak/Ball, aaO, § 543 Rdn. 7; Zöller/Greger, aaO, § 543 Rdn. 12). Die Beklagte zeigt aber nicht auf, daû über die angeführte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Verschärfung der Organisationspflichten eines Anwalts in Fällen angespannter Personallage (vgl. vor allem Beschl. vom 1. Juli 1999, III ZB 47/98 aaO; Beschl. v. 26. August 1999, VII ZB 12/99 aaO; Beschl. v. 29. Juni 2000, VII ZB 5/00, aaO), zur fehlenden Zurechenbarkeit organisationsunabhängigen Fehlverhaltens von Angestellten (vgl. Beschl. v. 23. März 2001, VI ZB 7/01, aaO) oder zum Überwachungs- und Organisationsverschulden bei Häufung von Mängeln (vgl. Beschl. v. 18. Dezember 1997, III ZB 41/97, BGHR ZPO § 233 Büropersonal 11) hinaus eine Notwendigkeit für weitere sachverhaltsbezogene Leitlinien besteht. Für die Aufstellung höchstrichterlicher Leitsätze besteht nur dann Anlaû, wenn es für die rechtliche Beurteilung typischer oder verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte an einer richtungweisenden Orientierungshilfe ganz oder teilweise fehlt. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
3. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) erforderlich.

a) Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zunächst in den Fällen einer Divergenz
geboten (vgl. BT-Drucks. 14/4722, S. 67, 104; Senat, Beschl. v. 29. Mai 2002, V ZB 11/02, Umdruck S. 5 - zur Veröffentl. in BGHZ vorgesehen; Musielak/Ball, aaO, § 543 Rdn. 8, § 574 Rdn. 6; Baumbach/Lauterbach/Albers, aaO, § 543 Rdn. 6, 574 Rdn. 2). Die Beklagte hat aber nicht dargelegt, daû die angefochtene Entscheidung ein und dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet als die von ihr angeführte höchstrichterliche Rechtsprechung, also einen Rechtssatz aufstellt, der von einem die Vergleichsentscheidungen tragenden Rechtssatz abweicht (vgl. BGHZ 89, 149, 151; Senat, Beschl. v. 29. Mai 2002, V ZB 11/02, aaO).

b) Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung schlieûlich auch dann erforderlich, wenn bei der Auslegung oder Anwendung revisiblen Rechts Fehler über die Einzelfallentscheidung hinaus die Interessen der Allgemeinheit nachhaltig berühren (BT-Drucks. 14/4722, S. 104, 116; Senat, Beschl. v. 29. Mai 2002, V ZB 11/02, Umdruck S. 6; Hannich, in: Hannich/Meyer-Seitz, aaO, § 543 Rdn. 23, § 574 Rdn. 12).
aa) Dies ist vor allem dann anzunehmen, wenn das Beschwerdegericht Verfahrensgrundrechte verletzt hat (vgl. BT-Drucks. 14/4722, S. 104, 116; Lipp, NJW 2002, 1700, 1701; Baumbach/Lauterbach/Albers, ZPO, aaO, § 543 Rdn. 8; Hannich, in: Hannich/Meyer-Seitz, aaO; Zöller/Vollkommer, aaO, Einl. Rdn. 103), namentlich die Grundrechte auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG), auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) und auf objektiv willkürfreies Verfahren (Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip). Aus dem Beschluû des IX. Zivilsenats vom 7. März 2002, IX ZB 11/02, NJW 2002, 1577 - zur Veröffentl. in BGHZ
vorgesehen) ergibt sich nichts anderes. Dieser verweist ledigIich darauf, daû zur Korrektur von Verfahrensgrundrechtsverletzungen (§ 544 ZPO) eine "auûerordentliche Rechtsbeschwerde" nicht statthaft ist. Zu der - hiervon zu unterscheidenden - Frage, unter welchen Voraussetzungen eine "statthafte" Rechtsbeschwerde (§ 574 Abs. 1 ZPO) zulässig ist, hat der IX. Zivilsenat dagegen nicht Stellung genommen. Ist die Rechtsbeschwerde - wie hier - gemäû § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft, dann hat das Rechtsbeschwerdegericht - im Rahmen seiner Möglichkeiten - die verfassungsrechtlichen Vorgaben zu beachten und einen Grundrechtsverstoû der Vorinstanz zu beseitigen (vgl. BVerfGE 49, 252, 257 ff; 73, 322, 327; vgl. ferner BVerfG, Vorlagebeschl., ZVI 2002; 122), sofern diese nicht - etwa im Wege der Gegenvorstellung - die Grundrechtsverletzung selbst geheilt hat (vgl. BVerfGE 63, 77, 79; 73, 322, 327; BGHZ 130, 97, 99 ff; BGH, Beschl. v. 25. November 1999, IX ZB 95/99, JZ 2000, 526 f; Beschl. v. 26. April 2001, IX ZB 25/01, NJW 2001, 2262; vgl. ferner BT-Drucks. 14/4722, S. 63). Da andererseits für die Frage, ob die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung erfordert, Art und Gewicht eines Rechtsfehlers nach dem Willen des Gesetzgebers nur dann Bedeutung erlangen sollen, wenn sie geeignet sind, das Vertrauen in die Rechtsprechung im ganzen zu beschädigen (BT-Drucks. 14/4722 S. 104; Senat, Beschl. v. 29. Mai 2002, V ZB 11/02, Umdruck S. 6, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt), wird eine auf § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO gestützte Rechtsbeschwerde in der Regel nur dann zulässig sein, wenn nach den Darlegungen des Beschwerdeführers ein Verstoû gegen Verfahrensgrundrechte im Einzelfall klar zu Tage tritt, also offenkundig ist (vgl. auch BVerfGE 47, 182, 187; 69, 233, 246; 73, 322, 329; 86, 133, 145 f; BVerfG, NJW-RR 2002, 68, 69), und die angefochtene Entscheidung hierauf beruht.
bb) Die Beklagte zeigt jedoch keine (hinreichenden) Anhaltspunkte für eine offenkundige Verletzung von Verfahrensgrundrechten auf.
(1) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dient das Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in besonderer Weise dazu, die Rechtsschutzgarantie und das rechtliche Gehör zu gewährleisten. Daher gebieten es die Verfahrensgrundrechte auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG), den Zugang zu den Gerichten und den in den Verfahrensordnungen eingeräumten Instanzen nicht in unzumutbarer , aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (BVerfGE 41, 323, 326 ff; 41, 332, 334 ff; 44, 302, 305 ff; 69, 381, 385; BVerfG, NJW 1993, 720; 1995, 249; 1999, 3701, 3702; 2001, 2161, 2162). Demgemäû dürfen bei der Auslegung der Vorschriften über die Wiedereinsetzung die Anforderungen daran, was der Betroffene veranlaût haben muû, um Wiedereinsetzung zu erlangen, insbesondere beim "ersten Zugang" zum Gericht (vgl. BVerfGE 25, 158, 166; 38, 35, 38; 40, 88, 91; 67, 208, 212 ff), aber auch beim Zugang zu einer weiteren Instanz (vgl. BVerfGE 44, 302, 305 ff; 62, 334, 336; 69, 381, 385; BVerfG, NJW 1995, 249; 1996, 2857; 1999, 3701, 3702; 2001, 2161, 2162) nicht überspannt werden. Entsprechendes gilt für die Anforderungen, die nach Fristversäumung an den Vortrag und die Glaubhaftmachung der Versäumungsgründe gestellt werden dürfen (vgl. BVerfGE 26, 315, 319, 320; 37, 100, 103; 40, 42, 44; 40, 88, 91; BVerfG, NJW 1997, 1770, 1771).
(2) Gegen diese Grundsätze hat das Beschwerdegericht nicht verstoûen. Insbesondere hat es die an die Sorgfaltspflicht eines Rechtsanwalts und
die Kausalität einer Pflichtverletzung zu stellenden Anforderungen nicht in verfassungsrechtlich zu beanstandender Weise überspannt.
Das Beschwerdegericht geht davon aus, daû die von der Beklagten vorgetragenen und glaubhaft gemachten organisatorischen Maûnahmen grundsätzlich den von höchstrichterlicher Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen an eine hinreichende Fristenkontrolle genügen (vgl. BGH, Beschl. v. 26. Februar 1996, II ZB 7/95, NJW 1996, 1540, 1541; Beschl. v. 14. März 1996, III ZB 13/96, VersR 1996, 1298; Beschl. v. 27. November 1996, XII ZB 177/96, NJW 1997, 1312, 1313). Es ist jedoch zu der Überzeugung gelangt, daû im Büro des Beklagtenvertreters sowohl im Zeitpunkt der auf den 21. September 2001 notierten Vorfrist als auch bei Ablauf der Berufungsfrist (24. September 2001) infolge des Ausfalls von zwei Bürokräften und der hierdurch bedingten erheblichen Mehrbelastung der allein verbliebenen Mitarbeiterin eine Sondersituation gegeben war, die den Beklagtenvertreter ausnahmsweise zu einer eigenen Fristenkontrolle verpflichtete. Diese auf den Einzelfall bezogene rechtliche Würdigung hält sich im Rahmen der verfassungsrechtlichen Vorgaben. Zwar hätte das Beschwerdegericht nicht ohne weitere Aufklärung unterstellen dürfen, daû die allein verbliebene Bürokraft des Beklagtenvertreters auch deswegen einer erheblichen Arbeitsbelastung ausgesetzt war, weil sie nicht nur für diesen, sondern auch für einen mit diesem in Bürogemeinschaft verbundenen weiteren Rechtsanwalt tätig gewesen sei. Hierin liegt jedoch kein Verstoû gegen die Grundrechte auf rechtliches Gehör und Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes. Denn eine Beeinträchtigung dieser Verfahrensgrundrechte läge nur dann vor, wenn die Entscheidung des Beschwerdegerichts hierauf beruhte (vgl. BVerfGE 86, 133, 147; 89, 381, 392 f). Dies ist jedoch nicht der Fall, da bereits allein der im Büro des Beklagtenvertreters
selbst aufgetretene auûergewöhnliche Arbeitsanfall Anlaû zu einer eigenen Fristenkontrolle des Anwalts gab. Aus dem glaubhaft gemachten Vorbringen der Beklagten ergibt sich nämlich, daû das dort am 21. und 24. September anstehende Arbeitspensum von der verbliebenen Kanzleikraft allein nicht hinreichend bewältigt werden konnte.
(3) Auch für eine offenkundige Verletzung des Grundrechts auf ein objektiv willkürfreies Verfahren (Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Ein Verstoû hiergegen kommt nur in Betracht , wenn die angefochtene Entscheidung unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist und daher auf sachfremden Erwägungen beruht (vgl. BVerfGE 87, 273, 278 ff; BVerfG, NJW 1996, 1336; BGH, Beschl. v. 25. November 1999, IX ZB 95/99 aaO) oder wenn durch zu strenge Anforderungen an die Erfolgsaussicht eines Vorbringens (Prozeûkostenhilfe) eine sachwidrige Ungleichbehandlung erfolgt (vgl. BGH, Beschl. v. 9. September 1997, IX ZB 92/97, NJW 1998, 82). Dies ist jedoch nicht der Fall.

III.


Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Wenzel Tropf Krüger Klein Lemke

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZR 188/16
vom
9. Februar 2017
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
EGZPO § 26 Nr. 8
Das für die Rechtsmittelbeschwer maßgebliche wirtschaftliche Interesse der
Anfechtungsbeklagten, die einen für ungültig erklärten Beschluss der Wohnungseigentümer
über die Genehmigung der Jahresabrechnung mit dem Ziel
der Aufrechterhaltung verteidigen, bemisst sich nach dem Nennbetrag der Jahresabrechnung
ohne den auf den Anfechtungskläger entfallenden Anteil.
GKG § 49a
Stützt der klagende Wohnungseigentümer die Anfechtungsklage gegen den
Beschluss der Wohnungseigentümer über die Genehmigung der Jahresabrechnung
auf Einwendungen gegen die Jahresabrechnung insgesamt, bemisst sich
der Streitwert gemäß § 49a Abs. 1 Satz 1 GKG nach dem hälftigen Nennbetrag
der Jahresabrechnung; daneben sind die Grenzen des § 49a Abs. 1 Satz 2 und
3 GKG und des § 49a Abs. 2 GKG zu beachten.
BGH, Beschluss vom 9. Februar 2017 - V ZR 188/16 - LG Dortmund
AG Schwerte
ECLI:DE:BGH:2017:090217BVZR188.16.0

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Februar 2017 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterinnen Prof. Dr. SchmidtRäntsch und Dr. Brückner, den Richter Dr. Göbel und die Richterin Haberkamp

beschlossen:
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil der 17. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund vom 24. Juni 2016 wird zurückgewiesen. Die Beklagten tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 97 Abs. 1 ZPO). Der Gegenstandwert des Beschwerdeverfahrens beträgt 23.462,33 €.

Gründe:

I.

1
Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. In der Eigentümerversammlung vom 5. August 2014 beschlossen die Wohnungseigentümer u.a. die Jahresabrechnungen 2009 bis 2011. Dagegen haben die Kläger Anfechtungsklage erhoben. Sie beanstanden, dass die Darstellung der Gesamtausgaben und -einnahmen, der Instandhaltungsrücklage und der Kontenentwicklung in den Jahresabrechnungen nicht nachvollziehbar sei. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat das Landge- richt das Urteil geändert und die Beschlüsse über die Jahresabrechnungen für ungültig erklärt. Dagegen wenden sich die Beklagten mit der Nichtzulassungsbeschwerde , deren Zurückweisung die Kläger beantragen.

II.

2
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig. Insbesondere übersteigt der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer den gemäß § 26 Nr. 8 EGZPO erforderlichen Betrag von 20.000 €.
3
a) Der Wert der Beschwer bemisst sich nach dem Interesse des Rechtsmittelführers an der Abänderung der angefochtenen Entscheidung. Dieses Interesse ist auch in wohnungseigentumsrechtlichen Verfahren nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu bewerten und erhöht oder ermäßigt sich nicht dadurch, dass bei der Bemessung des Streitwerts auch eine Reihe von anderen Kriterien Berücksichtigung findet; infolgedesen entspricht der gemäß § 49a GKG bestimmte Streitwert in der Regel nicht der für die Zulässigkeit eines Rechsmittels maßgeblichen Beschwer (vgl. Senat, Beschluss vom 17. November 2016 - V ZR 86/16, WuM 2017, 62 Rn. 2; Beschluss vom 9.Februar 2012 - V ZB 211/11, ZWE 2012, 224 Rn. 4).
4
b) Das für die Rechtsmittelbeschwer maßgebliche wirtschaftliche Interesse der Anfechtungsbeklagten, die einen für ungültig erklärten Beschluss der Wohnungseigentümer über die Genehmigung der Jahresabrechnung mit dem Ziel der Aufrechterhaltung verteidigen, bemisst sich nach dem Nennbetrag der Jahresabrechnung ohne den auf den Anfechtungskläger entfallenden Anteil. Das entspricht der Bemessung der Beschwer des klagenden Wohnungseigentümers im umgekehrten Fall, wenn also die Anfechtungsklage gegen den Beschluss der Wohnungseigentümer über die Genehmigung der Jahresabrechnung abgewiesen wird. Sie bestimmt sich bei einer einschränkungslosen An- fechtung des Beschlusses nach dem Anteil des Anfechtungsklägers an dem Gesamtergebnis der Abrechnung, und zwar auch dann, wenn dieser formale Fehler der Abrechnung bemängelt (vgl. Senat, Beschluss vom 15. Mai 2012 - V ZB 282/11, ZWE 2012, 336 Rn. 7 f.; vgl. zum Wirtschaftsplan Senat, Beschluss vom 18. September 2014 - V ZR 290/13, NZM 2014, 912 Rn. 10; zur Beschwer bei einer auf einzelne Abrechnungspositonen beschränkten Anfechtungsklage : Senat, Beschluss vom 9. Juli 2015 - V ZB 198/14, ZWE 2015, 466 Rn. 11).
5
c) Daran gemessen sind die Beklagten durch die Entscheidung des Berufungsgerichts mit mehr als 20.000 € beschwert. Die Jahresabrechnungen 2009 bis 2011 sind darin insgesamt für ungültig erklärt worden. Ausgehend von den Nennbeträgen von zusammen 46.924,65 € ergibt sich nach Abzug der auf die Kläger entfallenden Anteile von zusammen 7.307,45 € ein darüber liegender Betrag.
6
2. Das Rechtsmittel ist aber unbegründet. Die Rechtssache wirft keine entscheidungserheblichen Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf. Eine Entscheidung ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 543 Abs. 2 ZPO). Von einer näheren Begründung wird insoweit gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 ZPO abgesehen.

III.

7
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
8
2. Der Streitwert ist gemäß § 49a Abs. 1 Satz 1 GKG auf 50 % des Interesses der Parteien und aller Beigeladenen festzusetzen. Dieses hängt bei der Anfechtung eines Beschlusses über die Jahresabrechnung zunächst davon ab, ob sich der klagende Eigentümer nur gegen den Ansatz einzelner Kostenpositionen wendet (zur Streitwertfestsetzung in diesem Fall: Senat, Beschluss vom 9. Juli 2015 - V ZB 198/14, ZWE 2015, 466 Rn. 17) oder gegen die gesamte Abrechnung. Stützt der klagende Wohnungseigentümer - wie hier - die Anfechtungsklage gegen den Beschluss der Wohnungseigentümer über die Genehmigung der Jahresabrechnung auf Einwendungen gegen die Jahresabrechnung insgesamt, bemisst sich der Streitwert gemäß § 49a Abs. 1 Satz 1 GKG nach dem hälftigen Nennbetrag der Jahresabrechnung; daneben sind die Grenzen des § 49a Abs. 1 Satz 2 und 3 GKG und des § 49a Abs. 2 GKG zu beachten.
9
a) Allerdings hat der Senat den Geschäftswert einer Anfechtungsklage, die sich gegen die Genehmigung der Jahresrechnung richtete, in der Vergangenheit auf 30 % des Nennbetrages der Abrechnung festgesetzt (Beschluss vom 27. September 2007 - V ZB 83/07, NJW 2007, 3492 Rn. 16). Maßgeblich war damals allerdings nicht § 49a GKG, sondern § 48 WEG idF vom 24. Juni 1994. Danach war der Geschäftswert grundsätzlich nach dem Interesse der Beteiligten an der Entscheidung festzusetzen; er war jedoch zu reduzieren, wenn die auf dieser Grundlage berechneten Kosten des Verfahrens zu dem Interesse eines Beteiligten nicht in einem angemessenen Verhältnis standen (§ 48 Abs. 3 Satz 2 WEG aF).
10
b) Die überwiegende Ansicht in Rechtsprechung und Literatur hält es auch nach der Einführung des § 49a Abs. 1 GKG durch das Gesetz zur Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes und anderer Gesetze vom 26. März 2007 (BGBl. I, Seite 370) für geboten, das Interesse der Parteien an der Entscheidung über die Anfechtung des Beschlusses der Wohnungseigentümer über die Genehmigung der Jahresabrechnung mit einem Bruchteil des Nennbetrags der Abrechnung zu bemessen. Dessen Höhe bestimme sich nach den Umständen des Einzelfalles. Richte sich die Beschlussanfechtungsklage gegen die Jahresabrechnung insgesamt, sei das Gesamtinteresse regelmäßig mit 20 % bis 25 % des Nennbetrags zu bewerten (OLG Frankfurt, ZWE 2014, 467; OLG Stuttgart, ZMR 2012, 457; ZMR 2012, 457; OLG Koblenz, ZMR 2001, 56; OLG Zweibrücken, ZMR 1999, 663; Suilmann in Jennißen, WEG, 5. Aufl., § 49a GKG Rn. 16). Nach anderer Auffassung ist das Interesse der Parteien im Sinne des § 49 Abs. 1 Satz 1 GKG nach dem Eigeninteresse des Klägers zuzüglich eines Bruchteils von 25 % des verbleibenden Gesamtvolumens zu ermitteln (sog. Hamburger Formel; vgl. OLG Hamburg, ZMR 2010, 873).
11
c) Richtigerweise ist das Interesse der Parteien, wenn sich die Beschlussanfechtungsklage gegen die Jahresabrechnung insgesamt richtet, nach deren vollem Nennbetrag zu bestimmen (so auch KG, ZMR 2014, 230 mwN; OLG Bamberg, ZMR 2011, 887; Hügel/Elzer, WEG, Vor §§ 43 ff., Rn. 91). Der Schutz der Parteien vor einem zu hohen, außer Verhältnis zu ihren subjektiven Interessen stehenden Streitwert erfordert nach geltender Rechtslage nicht mehr eine prozentuale Reduzierung des Nennbetrages der Jahresabrechnung. Der Gesetzgeber hat diesen Aspekt und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dazu (BVerfGE 85, 337) gesehen und ihm dadurch Rechnung getragen, dass er den Streitwert auf 50 % des Gesamtinteresses (§ 49a Abs. 1 Satz 1 GKG) und auf das Fünffache des Eigeninteresses (§ 49a Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 GKG) sowie auf den Verkehrswert des Wohnungseigentums (§ 49a Abs. 1 Satz 3 GKG) begrenzt hat (vgl. BT-Drucks. 16/887 S. 41 f.). Eine weitere Begrenzung seitens der Rechtsprechung ist daher weder geboten noch erforderlich. Sie liefe auch dem Anliegen des Gesetzgebers zuwider, das Kostenrisiko für die Beteiligten durch klare Vorgaben für die Streitwertfestsetzung kalkulierbar zu machen (vgl. BT-Drucks. 16/887, S. 40).
12
d) Das Gesamtinteresse der Parteien ist hier mit 46.924,65 € (Nennbetrag der Jahresabrechnungen) zu bemessen. Der Streitwert beträgt 50 % hier- von, also 23.462,33 €. Dieser Betrag unterschreitet weder das Interesse der Kläger an der Entscheidung noch übersteigt er das Fünffache des Wertes ihres Interesses (§ 49a Abs. 1 Satz 2 und Satz 3, § 49a Abs. 2 GKG). Stresemann Schmidt-Räntsch Brückner Göbel Haberkamp
Vorinstanzen:
AG Schwerte, Entscheidung vom 19.11.2015 - 6 C 8/14 -
LG Dortmund, Entscheidung vom 24.06.2016 - 17 S 303/15 -