Landgericht Freiburg Beschluss, 17. Aug. 2012 - 3 Qs 44/12

published on 17/08/2012 00:00
Landgericht Freiburg Beschluss, 17. Aug. 2012 - 3 Qs 44/12
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Tenor

1. Auf die Beschwerde der Angeklagten wird der Beschluss des Amtsgerichts ... vom 29. März 2012 aufgehoben.

Der Antrag des C. auf Zulassung als Nebenkläger in vorliegendem Verfahren wird abgelehnt.

2. Die Gerichtskosten und notwendigen Auslagen der Angeklagten im Beschwerdeverfahren fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe

 
Mit Strafbefehlen vom jeweils 16.12.2012 hat das Amtsgericht ... gegen die Angeklagte A. wegen des Vorwurfs der Verleumdung eine Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu je 30.- EUR und gegen den Angeklagten B. eine Gesamtgeldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 30.- EUR wegen des Vorwurfs der versuchten Nötigung und der Verleumdung in zwei Fällen – jeweils begangen zum Nachteil des Anzeigeerstatters C. – festgesetzt. Hiergegen haben die Angeklagten über ihre Verteidiger fristgerecht Einspruch eingelegt. Der Hauptverhandlungstermin ist noch nicht bestimmt.
Auf die über seinen Verfahrensbevollmächtigten abgegebene Anschlusserklärung hin hat das Amtsgericht ... den Anzeigeerstatter mit Beschluss vom 29.03.2012 als Nebenkläger zugelassen. Hiergegen haben die beiden Verteidiger Beschwerde eingelegt. Die Staatsanwaltschaft ist dem Rechtsmittel mit Verfügung vom 23.04.2012 entgegengetreten. Der Verfahrensbevollmächtigte des Anzeigeerstatters hat im Beschwerdeverfahren keine Erklärung abgegeben.
Die Beschwerden sind gemäß § 304 StPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. § 305 Satz 1 StPO steht dem nicht entgegen (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 396, Rdnr. 19). Die Angeklagten sind durch die Zulassungsentscheidung auch beschwert. Denn der Nebenkläger tritt aus ihrer Sicht als weiterer, nach § 397 Abs. 1 StPO mit weit reichenden Befugnissen ausgestatteter „Gegner“ neben die Staatsanwaltschaft. Im Falle einer Verurteilung träfe die Angeklagten zudem eine zusätzliche Kostenlast (vgl. KG StraFo 2010, 294 f.).
Die Rechtsmittel sind auch begründet.
Die dem Angeklagten B. vorgeworfene versuchte Nötigung gemäß § 240 Abs. 1 bis 3 StGB stellt von vornherein kein nebenklagefähiges Delikt dar und wird insbesondere nicht von § 395 Abs. 1 Nr. 4 StPO erfasst. Gemäß § 395 Abs. 3 StPO wäre die Zulassung als möglicher Verletzter eines Beleidigungsdeliktes gemäß den §§ 185 ff. StGB nur dann möglich, wenn dies aus besonderen Gründen, insbesondere wegen der schweren Folgen der Tat, zur Wahrnehmung seiner Interessen geboten erscheint. Dies bedeutet im Gegensatz zur alten Fassung vor dem Inkrafttreten des 2. OpferRRG zum 01.10.2009 für nach den §§ 185 ff. StGB mutmaßlich Verletzte, dass auch bei ihnen zusätzliche besondere Gründe für ihre Zulassung vorliegen müssen. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum 2. OpferRRG war es umstritten, ob die Beleidigungsdelikte überhaupt weiterhin zur Nebenklage berechtigen sollen. Die gefundene Regelung ist als Kompromissregelung der Befürworter und Gegner einer Beibehaltung anzusehen (vgl. zum Ganzen Weiner in Beck'scher Online-Kommentar StPO, Stand 01.06.2012, § 395 Rdnr. 17). Der als Korrektiv zur ansonsten uferlosen Weite des § 395 Abs. 3 StPO geschaffene materielle Anschlussgrund erfordert mithin, dass besondere Gründe den Anschluss zur Wahrnehmung der Interessen des Verletzten gebieten (vgl. BGH Beschluss vom 09.05.2012 – 5 StR 523/11 -, zitiert nach juris Rdnr. 6).
Hintergrund der vorliegenden Verleumdungsvorwürfe ist eine zivilrechtliche Auseinandersetzung, in der es um ein lebenslanges Nutzungs- und Zufahrtsrecht des Anzeigeerstatters mit aus seiner Sicht bestehenden Beschränkungen und Störungen der Zufahrt zu seinem Gewerbebetrieb durch die Angeklagten geht, während die Angeklagte A. als Eigentümerin des Geländes und der Angeklagte B. als ihr Lebensgefährte sich wiederum durch den Lieferverkehr des Anzeigeerstatters beeinträchtigt fühlen und zudem das vom Anzeigeerstatter einbehaltene Nutzungsentgelt einfordern. Beiden Seiten geht es somit primär um die Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen. Dies allein begründet jedoch nicht die für eine Nebenklagezulassung im Sinne des § 395 Abs. 3 StPO erforderliche Schutzbedürftigkeit; vielmehr bietet hier der Zivilprozess hinreichende Möglichkeiten zur Durchsetzung dieser Ansprüche (vgl. BGH a.a.O., juris Rdnr. 9). Dass der Anzeigeerstatter – wie er in seiner schriftlichen Erklärung vom 14.05.2011 vorgetragen hat – durch die Behinderung seiner Zufahrtsrechte durch die Angeklagten in der Fortführung seines Gewerbes derart beschränkt worden sei, dass er das Gewerbe zur Vermeidung der Insolvenz zum Ende des dritten Quartals 2011 habe abmelden müssen, wäre ebenfalls nicht Folge der in Rede stehenden Delikte gemäß § 187 StGB, sondern Konsequenz der etwaigen Besitzstörung. Dass sich dagegen die streitigen, hier möglicherweise gegenüber dem anliefernden Lkw-Fahrer D. erfolgten Bezeichnungen des Anzeigeerstatters durch die Beschuldigten als „Zechpreller, Betrüger und Mietnomade“ bei der gebotenen konkreten Betrachtungsweise in schwerwiegender Form auf den Gewerbebetrieb des Anzeigeerstatters ausgewirkt hätten, ist in keiner Form ersichtlich. Besondere Gründe, die es vorliegend geböten, den Anzeigeerstatter als Nebenkläger zuzulassen, liegen daher nach Auffassung der Kammer im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung im Ergebnis nicht vor.
Im Hinblick auf den Erfolg der Beschwerde hat die Staatskasse die Gerichtskosten und notwendigen Auslagen der Angeklagten im Rechtsmittelverfahren zu tragen (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., § 473 Rdnr. 2).
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(1) Die Beschwerde ist gegen alle von den Gerichten im ersten Rechtszug oder im Berufungsverfahren erlassenen Beschlüsse und gegen die Verfügungen des Vorsitzenden, des Richters im Vorverfahren und eines beauftragten oder ersuchten Richters zulässig,

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Rechtswidrig ist die
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(1) Die Beschwerde ist gegen alle von den Gerichten im ersten Rechtszug oder im Berufungsverfahren erlassenen Beschlüsse und gegen die Verfügungen des Vorsitzenden, des Richters im Vorverfahren und eines beauftragten oder ersuchten Richters zulässig,

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Rechtswidrig ist die
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published on 09/05/2012 00:00

Nachschlagewerk: ja BGHSt : nein Veröffentlichung : ja StPO § 396 Abs. 2 Satz 2 StPO § 395 Abs. 3 Das Revisionsgericht bindende Nebenklagezulassung gemäß § 396 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 395 Abs. 3 StPO. BGH, Beschluss vom 9. Mai 2012 – 5
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Annotations

(1) Die Beschwerde ist gegen alle von den Gerichten im ersten Rechtszug oder im Berufungsverfahren erlassenen Beschlüsse und gegen die Verfügungen des Vorsitzenden, des Richters im Vorverfahren und eines beauftragten oder ersuchten Richters zulässig, soweit das Gesetz sie nicht ausdrücklich einer Anfechtung entzieht.

(2) Auch Zeugen, Sachverständige und andere Personen können gegen Beschlüsse und Verfügungen, durch die sie betroffen werden, Beschwerde erheben.

(3) Gegen Entscheidungen über Kosten oder notwendige Auslagen ist die Beschwerde nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt.

(4) Gegen Beschlüsse und Verfügungen des Bundesgerichtshofes ist keine Beschwerde zulässig. Dasselbe gilt für Beschlüsse und Verfügungen der Oberlandesgerichte; in Sachen, in denen die Oberlandesgerichte im ersten Rechtszug zuständig sind, ist jedoch die Beschwerde zulässig gegen Beschlüsse und Verfügungen, welche

1.
die Verhaftung, einstweilige Unterbringung, Unterbringung zur Beobachtung, Bestellung eines Pflichtverteidigers oder deren Aufhebung, Beschlagnahme, Durchsuchung oder die in § 101 Abs. 1 oder § 101a Absatz 1 bezeichneten Maßnahmen betreffen,
2.
die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnen oder das Verfahren wegen eines Verfahrenshindernisses einstellen,
3.
die Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten (§ 231a) anordnen oder die Verweisung an ein Gericht niederer Ordnung aussprechen,
4.
die Akteneinsicht betreffen oder
5.
den Widerruf der Strafaussetzung, den Widerruf des Straferlasses und die Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe (§ 453 Abs. 2 Satz 3), die Anordnung vorläufiger Maßnahmen zur Sicherung des Widerrufs (§ 453c), die Aussetzung des Strafrestes und deren Widerruf (§ 454 Abs. 3 und 4), die Wiederaufnahme des Verfahrens (§ 372 Satz 1) oder die Einziehung oder die Unbrauchbarmachung nach den §§ 435, 436 Absatz 2 in Verbindung mit § 434 Absatz 2 und § 439 betreffen;
§ 138d Abs. 6 bleibt unberührt.

(5) Gegen Verfügungen des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofes und des Oberlandesgerichts (§ 169 Abs. 1) ist die Beschwerde nur zulässig, wenn sie die Verhaftung, einstweilige Unterbringung, Bestellung eines Pflichtverteidigers oder deren Aufhebung, Beschlagnahme, Durchsuchung oder die in § 101 Abs. 1 bezeichneten Maßnahmen betreffen.

Entscheidungen der erkennenden Gerichte, die der Urteilsfällung vorausgehen, unterliegen nicht der Beschwerde. Ausgenommen sind Entscheidungen über Verhaftungen, die einstweilige Unterbringung, Beschlagnahmen, die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis, das vorläufige Berufsverbot oder die Festsetzung von Ordnungs- oder Zwangsmitteln sowie alle Entscheidungen, durch die dritte Personen betroffen werden.

(1) Der Nebenkläger ist, auch wenn er als Zeuge vernommen werden soll, zur Anwesenheit in der Hauptverhandlung berechtigt. Er ist zur Hauptverhandlung zu laden; § 145a Absatz 2 Satz 1 und § 217 Absatz 1 und 3 gelten entsprechend. Die Befugnis zur Ablehnung eines Richters (§§ 24, 31) oder Sachverständigen (§ 74), das Fragerecht (§ 240 Absatz 2), das Recht zur Beanstandung von Anordnungen des Vorsitzenden (§ 238 Absatz 2) und von Fragen (§ 242), das Beweisantragsrecht (§ 244 Absatz 3 bis 6) sowie das Recht zur Abgabe von Erklärungen (§§ 257, 258) stehen auch dem Nebenkläger zu. Dieser ist, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, im selben Umfang zuzuziehen und zu hören wie die Staatsanwaltschaft. Entscheidungen, die der Staatsanwaltschaft bekannt gemacht werden, sind auch dem Nebenkläger bekannt zu geben; § 145a Absatz 1 und 3 gilt entsprechend.

(2) Der Nebenkläger kann sich des Beistands eines Rechtsanwalts bedienen oder sich durch einen solchen vertreten lassen. Der Rechtsanwalt ist zur Anwesenheit in der Hauptverhandlung berechtigt. Er ist vom Termin der Hauptverhandlung zu benachrichtigen, wenn seine Wahl dem Gericht angezeigt oder er als Beistand bestellt wurde.

(3) Ist der Nebenkläger der deutschen Sprache nicht mächtig, erhält er auf Antrag nach Maßgabe des § 187 Absatz 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes eine Übersetzung schriftlicher Unterlagen, soweit dies zur Ausübung seiner strafprozessualen Rechte erforderlich ist.

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
eine Schwangere zum Schwangerschaftsabbruch nötigt oder
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger mißbraucht.

(1) Der erhobenen öffentlichen Klage oder dem Antrag im Sicherungsverfahren kann sich mit der Nebenklage anschließen, wer verletzt ist durch eine rechtswidrige Tat nach

1.
den §§ 174 bis 182, 184i bis 184k des Strafgesetzbuches,
2.
den §§ 211 und 212 des Strafgesetzbuches, die versucht wurde,
3.
den §§ 221, 223 bis 226a und 340 des Strafgesetzbuches,
4.
den §§ 232 bis 238, 239 Absatz 3, §§ 239a, 239b und 240 Absatz 4 des Strafgesetzbuches,
5.
§ 4 des Gewaltschutzgesetzes,
6.
§ 142 des Patentgesetzes, § 25 des Gebrauchsmustergesetzes, § 10 des Halbleiterschutzgesetzes, § 39 des Sortenschutzgesetzes, den §§ 143 bis 144 des Markengesetzes, den §§ 51 und 65 des Designgesetzes, den §§ 106 bis 108b des Urheberrechtsgesetzes, § 33 des Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie, § 16 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und § 23 des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen.

(2) Die gleiche Befugnis steht Personen zu,

1.
deren Kinder, Eltern, Geschwister, Ehegatten oder Lebenspartner durch eine rechtswidrige Tat getötet wurden oder
2.
die durch einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 172) die Erhebung der öffentlichen Klage herbeigeführt haben.

(3) Wer durch eine andere rechtswidrige Tat, insbesondere nach den §§ 185 bis 189, 229, 244 Absatz 1 Nummer 3, Absatz 4, §§ 249 bis 255 und 316a des Strafgesetzbuches, verletzt ist, kann sich der erhobenen öffentlichen Klage mit der Nebenklage anschließen, wenn dies aus besonderen Gründen, insbesondere wegen der schweren Folgen der Tat, zur Wahrnehmung seiner Interessen geboten erscheint.

(4) Der Anschluss ist in jeder Lage des Verfahrens zulässig. Er kann nach ergangenem Urteil auch zur Einlegung von Rechtsmitteln geschehen.

(5) Wird die Verfolgung nach § 154a beschränkt, so berührt dies nicht das Recht, sich der erhobenen öffentlichen Klage als Nebenkläger anzuschließen. Wird der Nebenkläger zum Verfahren zugelassen, entfällt eine Beschränkung nach § 154a Absatz 1 oder 2, soweit sie die Nebenklage betrifft.

Wer wider besseres Wissen in Beziehung auf einen anderen eine unwahre Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen oder dessen Kredit zu gefährden geeignet ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe und, wenn die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) begangen ist, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.