Landgericht Essen Beschluss, 21. Jan. 2014 - 15 S 239/13
Gericht
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom 12.08.2013 – 202 C 38/13 – wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung wird zurückgewiesen.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 3.497,40 €
1
Gründe
2Die Berufung war wie angekündigt gemäß § 522 Abs. 1 ZPO mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zu verwerfen, weil sie nicht binnen der Frist des § 520 Abs. 2 ZPO von zwei Monaten ab Zustellung des Urteils des Amtsgerichts am 28.08.2013, verlängert durch Verfügung vom 31.10.2013 um drei Wochen bis zum 18.11.2013, sondern erst mit dem am 19.11.2013 eingegangenen Fax begründet wurde.
3Dem Beklagten kann keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gewährt werden.
4Der mit Schriftsatz vom 10.12.2013, bei Gericht eingegangen am selben Tage, gestellte Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung ist bereits unzulässig, weil dieser nicht binnen der gemäß § 234 Abs. 1 ZPO laufenden 2 Wochenfrist eingelegt wurde. Diese Frist beginnt nach § 234 Abs.2 ZPO mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist, das der Fristwahrung entgegenstand. Das ist nach der Rechtsprechung des BGH der Zeitpunkt, zu dem die Partei oder ihr Rechtsanwalt erkannt hat oder bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können und müssen, dass die Rechtsmittelfrist versäumt war. Dem Beklagtenvertreter war anhand seiner Fax- Übertragungsprotokolle bereits in der Nacht vom 18. auf den 19.11.2013 aufgefallen, dass beide Faxübertragungen erst nach Mitternacht erfolgreich waren und zwar um 00.06 Uhr und um 00.09 Uhr. Ergibt sich aus den Übersendungsprotokollen des selbst genutzten Faxgeräts, dass der Schriftsatz an das Gericht in zwei getrennten Übertragungen jeweils kurz nach 24 Uhr des Fristablaufs bei Gericht eingegangen ist, dann besteht für einen Rechtsanwalt bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt hinreichender Anlass, sich unverzüglich beim Gericht zu vergewissern, ob der Schriftsatz vielleicht dennoch rechtzeitig eingegangen sei. Die Wiedereinsetzungsfrist beginnt mit diesem Tag zu laufen (BGH NJW-RR 2000,1591). Der Beklagtenvertreter hatte die Pflicht, sich nach den Eingangsdaten der zwei Faxe zu erkundigen und dann unmittelbar im Rahmen der zwei- wöchigen Wiedereinsetzungsantragsfrist zu reagieren. Diese hat er hier, was die formal ordnungsgemäße Antragstellung angeht, verletzt.
5Ein Antrag auf Wiedereinsetzung kann aber auch konkludent gestellt werden, wenn die Wiedereinsetzungsgründe aktenkundig sind und nicht einer besonderen Glaubhaftmachung bedürfen (Münchener Kommentar zur ZPO/ Gehrlein, 4. Auflage 2013, § 236 ZPO, Rdnr. 16). Eine rechtzeitige konkludente Antragstellung kann hier demnach in dem Schriftsatz vom 19.11.2013 gesehen werden, in dem der Beklagtenvertreter bereits die für ihn maßgeblichen Gründe für die Wiedereinsetzung darlegt und durch die eingereichten Sendeprotokolle und das Foto vom Display des genutzten Faxgerätes zu belegen versucht, dass er nicht damit habe rechnen müssen, dass es ihm nicht gelingen werde, die Berufungsschrift rechtzeitig vor Mitternacht zu übermitteln.
6Die Begründung des Beklagtenvertreters, ihn, der versucht habe, die 15- seitige Berufungsbegründungsschrift am 18.11.2013 um 23.53 Uhr ans Landgericht unter der Nummer … zu faxen, und als sein Faxgerät den Status „Warten“ angezeigt habe, nochmals um 23.57 Uhr versucht habe, dieses unter der Nummer … zu übersenden, treffe kein Verschulden daran, dass das erste Fax laut Sendeprotokoll erst um 00.09 Uhr am 19.11.2013, das 2. Fax kurz zuvor um 00.06 Uhr am 19.11.2013 und damit jeweils verspätet eingegangen ist, überzeugt nicht. Der Beklagtenvertreter kann sich nicht erfolgreich damit rechtfertigen, dass die reine Übersendung eines 15 – seitigen Faxes in der Regel nur 2 Minuten in Anspruch nehme und er somit sieben bzw. drei Minuten vor Mitternacht noch rechtzeitig mit der Übersendung begonnen habe.
7Die Kammer geht zwar von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax aus, dass, wenn dies durch ein Gericht eröffnet werde, die aus den technischen Gegebenheiten dieses Kommunikationsmittels herrührenden besonderen Risiken - wie insbesondere Störungen des Empfangsgeräts, aber auch der Übermittlungsleitungen - nicht auf den Nutzer dieses Mediums abgewälzt werden dürften, sondern in der Sphäre des Gerichts lägen (beispielsweise in seiner grundlegenden Entscheidung, abgedruckt NJW 1996, 2857; weit. Nachw. zur Rspr. des BGH auch bei Zöller/Greger § 233 ZPO Rdnr. 23, Stichwort „Telefax“). Das gilt jedoch nur für den Fall, dass technische Störungen, welcher Art auch immer, die rechtzeitige Übertragung hinderten. Der Nutzer hat mit der Wahl eines anerkannten Übermittlungsmediums, der ordnungsgemäßen Nutzung eines funktionsfähigen Sendegeräts und der korrekten Eingabe der Empfängernummer das seinerseits Erforderliche zur Fristwahrung getan, wenn er so rechtzeitig mit der Übermittlung beginnt, dass unter normalen Umständen mit ihrem Abschluss bis 24.00 Uhr zu rechnen ist. (Unterstreichung seitens der Kammer). Hiervon kann bei dem erstmaligen Übermittlungsversuch eines 15- seitigen Schriftstückes sieben Minuten vor Mitternacht nicht ausgegangen werden. Insoweit darf nicht auf die reine Übermittlungsdauer von 2 Minuten abgestellt werden. Der Versender des Faxes muss immer damit rechnen, dass er sich bei der Versendung eines Faxes einmal vertippt und noch einmal beginnen muss und insbesondere damit, dass so kurz vor Mitternacht die Leitung kurzzeitig anderweitig besetzt ist, wobei letzteres nicht den oben angesprochenen Fall der Störung der Übermittlungsleitungen meint. Diese Würdigung entspricht auch der des BGH aus dem Beschluss vom 03.05.2011 – XI ZB 24/10- NJOZ 2011,1810. Der BGH hat dort ebenfalls festgehalten, dass bei der Fax-Übermittlung eines fristgebundenen Schriftsatzes am letzten Tag der Frist der Anwalt das zur Fristwahrung Gebotene nur getan hat, wenn er mit der Übermittlung so rechtzeitig begonnen hat, dass unter gewöhnlichen Umständen mit ihrem Abschluss am Tage des Fristablaufs bis 24 Uhr hätte gerechnet werden können. Er muss dabei Verzögerungen einkalkulieren, mit denen üblicherweise zu rechnen ist, wozu – insbesondere auch in den Abend- und Nachtstunden – die Belegung des Telefaxempfangsgeräts bei Gericht durch andere eingehende Sendungen gehört, so dass dem mit einem Sicherheitszuschlag Rechnung zu tragen ist. Dass das Empfangsgerät eines Gerichts in den Abend- und Nachtstunden für eine Zeit von 20 Minuten belegt ist, sei kein ungewöhnliches Ereignis, mit dem der Absender eines Telefaxes nicht rechnen müsse.
8Soweit der Klägervertreter darauf abhebt, dass er nicht damit hätte rechnen können, dass sein erster Fax- Versuch zur Fax- Nummer der für die 15. Zivilkammer zuständigen Serviceeinheit auf das zentrale Faxgerät der Wachtmeisterei des Landgerichts umgeleitet würde, trägt er falsch vor. Sowohl das 1. als auch das 2. Fax war an die Faxgeräte der Wachtmeisterei des Landgerichts Essen gerichtet, auf dem unter den Nummern … und … Faxe eingehen können. Beide Faxversuche wurden nicht wegen einer Umleitung, sondern weil die Anschlüsse jeweils kurzzeitig anderweitig besetzt waren, auf „warten“ gestellt. Die Fax- Nummer der Serviceeinheit lautet … und ist vom Beklagtenvertreter offensichtlich nicht erfragt worden. Soweit er die Fax- Nummer … dem Schreiben der Serviceeinheit vom 17.10.2013 in Bezug auf seine Aktenanforderung oder anderen Schreiben entnommen hat, so geben diese Schreiben keinen Anlass zu der Annahme, dass es sich bei dieser Fax- Nummer um eine solche speziell der Serviceeinheit handelt. Denn diese Fax- Nummer ist rechts unten bei den allgemeinen Adressdaten des Landgerichts genannt, während oben konkret in Bezug auf die zuständige Kammer lediglich die Durchwahl des Sachbearbeiters angegeben ist.
9Die Annahme des Beklagtenvertreters, dass andere Rechtsanwälte fristgebundene Schriftsätze nicht kurz vor Mitternacht an das Gericht faxen, entbehrt der Lebenserfahrung.
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(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.
(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.
(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:
- 1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge); - 2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt; - 3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.
(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:
- 1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt; - 2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.
(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.
(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.
(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.
(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.
(1) Die Form des Antrags auf Wiedereinsetzung richtet sich nach den Vorschriften, die für die versäumte Prozesshandlung gelten.
(2) Der Antrag muss die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten; diese sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Prozesshandlung nachzuholen; ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.
War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.