Landgericht Dortmund Urteil, 14. Jan. 2016 - 2 O 209/14
Gericht
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 11.882,50 € (in Worten: elftausendachthundertzweiundachtzig 50/100 Euro) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 23.04.2014 und weitere 958,19 € außergerichtliche Rechtsanwaltskosten zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
2Der am ##.##.1940 geborene Kläger unterhielt bei der Beklagten seit 06.07.2007 eine Unfallversicherung. Vereinbart wurde u. a. seit 01.07.2011 eine Invaliditätsleistung von 339.500,00 € mit 350 % Progression. Grundlage waren die Versicherungsscheine vom 18.07.2007 (Anlage K 1) und 21.04.2011 (Anlage K 2) sowie die C AUB 99.
3Am 27.02.2012 stürzte der Kläger beim Skifahren auf die linke Schulter. Mit Schreiben vom 29.05.2013 (Anlage K 6) meldete der Kläger Invaliditätsansprüche an. Nach Einholung eines Gutachtens des Facharztes für Orthopädie H vom 15.08.2013 (Anlage K 7) erkannte die Beklagte mit Schreiben vom 22.08.2013 (Anlage K 8) eine unfallbedingte Funktionsbeeinträchtigung des linken Armes von 1:20 an und zahlte 11.882,50 € an den Kläger. Weitere Leistungen lehnte sie mit Schreiben vom 21.02.2014 (Anlage K 11) ab.
4Der Kläger behauptet, Unfallfolge sei neben der unstreitigen Bursitis (Schleimbeutelentzündung) eine Rotatorenmanschettenruptur mit Abriss des Musculus Supraspinatus. Die unfallbedingte Funktionsbeeinträchtigung betrage 3:20 Armwert.
5Der Kläger beantragt,
6die Beklagte zu verurteilen, an ihn 23.765,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit dem 23.04.2014 und 1.242,84 € außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren zu zahlen.
7Die Beklagte beantragt,
8die Klage abzuweisen.
9Sie behauptet, die Rotatorenmanschettenläsion sei Folge einer altersbedingten, knöchernen Engpasssymptomatik und keine Unfallfolge.
10Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen und mündlichen Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. L. Wegen der Einzelheiten wird auf das schriftliche Gutachten vom 10.05.2015 und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14.01.2016 verwiesen.
11Entscheidungsgründe:
12Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen versicherungsvertraglichen Anspruch auf Zahlung einer Invaliditätsleistung in Höhe von 11.882,50 €.
13Die in 2.1.1.1 der AUB 99 geregelten Anspruchsvoraussetzungen liegen vor. Der Kläger hat bewiesen, dass er bei dem unstreitigen Sturz am 27.02.2012 eine Ruptur der Supraspinatussehne der linken Schulter erlitten hat.
14Die nach § 276 ZPO erforderliche Überzeugung (dazu BGH IV ZR 36/10, Beschluss vom 13.04.2011 = VersR 2011, 1177) des Gerichts erfordert keine absolute unumstößliche Gewissheit und auch keine „an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit“, sondern nur einen für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit, der Zweifeln schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (Zöller § 286 ZPO, Rdn. 19).
15Nach dem schriftlichen und dem mündlichen Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. L geht das Gericht davon aus, dass zwar überwiegend alters- und verschleißbedingte Veränderungen des Sehnengewebes Ursache für die Entstehung von Rotatorenmanschettenläsionen sind. Biomechanische Modellversuche, klinische Beobachtung und der Einsatz moderner bildgebender Verfahren haben jedoch eindeutig die Möglichkeit einer traumatischen Zerreißung der Rotatorenmanschette aufgezeigt, wenn vorbestehende degenerative Prozesse noch nicht zu strukturellen Schäden geführt haben. Es ist daher nicht gerechtfertigt, in der Zusammenhangsbegutachtung eine Kausalität zwischen dem Unfall und dem Schaden pauschal abzulehnen. Es ist vielmehr eine Einzelfallanalyse notwendig, die im vorliegenden Fall dazu führt, dass mit der oben beschriebenen Sicherheit fest steht, dass die Ruptur der Supraspinatussehne der linken Schulter unfallbedingt ist. Dafür sprechen folgende Umstände:
161.
17Das Vorerkrankungsverzeichnis des Klägers ist leer. Nach dem Unfall wurde zwar eine AC-Arthrose diagnostiziert, die vor dem Unfall vorhanden gewesen sein muss. Daraus allein ergibt sich aber keine Krankheit, weil die AC-Arthrose gering ausgeprägt war und vor dem Unfall bei dem Kläger keinerlei Auswirkungen und Symptome gezeigt hat. Aus medizinischer Sicht muss zwischen Diagnose und Krankheit unterschieden werden. Die Krankheit ist die Auswirkung bzw. das Symptom einer Diagnose. Die Diagnose bedeutet nicht zwangsläufig, dass das auch Auswirkungen auf das Befinden des Betroffenen hat.
182.
19Der Kläger war Rechtshänder und am rechten Schultergelenk zeigen sich keine Krankheitsanzeichen, was dafür spricht, dass auch am weniger belasteten Arm keine Krankheitszeichen/Symptome vorhanden waren.
203.
21Der unstreitige Unfallhergang nämlich der Anstoß auf einer glatten Skipiste und der Sturz nach hinten ist geeignet, eine Ruptur der Supraspinatussehne herbeizuführen.
224.
23Nach dem Unfall bildeten sich am linken Arm mehrere Blutergüsse und der Kläger konnte den linken Arm nach dem Unfall nicht anheben (Drop-Arm-Syndrom). Daraus folgt, dass der Kläger durch den Unfall eine Verletzung erlitten haben muss.
245.
25Die Untersuchungen nach dem Unfall zeigten keine knöchernen Verletzungen und keine wesentlichen Sekundärveränderung am Humeruskopfes sowie AC-Gelenk, aber einen Riss mithin eine Ruptur der Supraspinatussehne.
266.
27Es gibt keinerlei signifikante Indizien, die gegen die Annahme sprechen, dass der Riss der Supraspinatussehne durch den unstreitigen Unfall vom 27.02.2012 eingetreten ist.
28Festzuhalten bleibt damit, dass mit einer für eine Verurteilung der Beklagten hinreichenden Sicherheit fest steht, dass der Kläger durch den unstreitigen Sturz am 27.02.2012 eine Rotatorenmanschettenruptur erlitten hat.
29Die dadurch versursachte Funktionsbeeinträchtigung ist nicht nach der Gliedertaxe (2.1.2.2.1 C-AUB 99) zu bestimmen, weil das Schultergelenk in den streitgegenständlichen Bestimmungen der Gliedertaxe über den Verlust oder die vollständige Funktionsbeeinträchtigung eines Armes keine Erwähnung findet (BGH IV ZR 104/13, Urteil vom 01.04.2015). Teile der Schulterpartie, mögen sie auch funktionell dazu bestimmt sein, die zwischen Arm und Rumpf auftretenden Kräfte aufzunehmen sind nicht vom Bedingungswortlaut der in 2.1.2.2.1 geregelten Gliedertaxe erfasst.
30Es steht fest, dass die Rotatorenmanschette dazu dient, die zwischen Arm und Rumpf auftretenden Kräfte aufzunehmen und somit die Funktionsfähigkeit des Armes zu gewährleisten. Diese Feststellung beruht auf dem entsprechenden Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. L.
31Die demnach nach Nr. 2.1.2.2.2 zu bemessende Invalidität beläuft sich nach dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. L auf 1:10. Das Gericht hat keinerlei Zweifel an der Bemessung des Invaliditätsgrades durch den Sachverständigen an dessen Sachkunde und Erfahrung in der Beurteilung von Funktionsbeeinträchtigungen und Schmerzbeschreibungen durch Patienten keinerlei Zweifel besteht.
32An diesem Invaliditätsgrad haben nach dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. L verschleißbedingte Veränderungen an der linken Schulter mit einem Anteil von 1/3 mitgewirkt, so dass insoweit nach 2.1.2.2.3 der Versicherungsbedingungen der Invaliditätsgrad insoweit gemindert werden muss. Die unfallbedingte Invalidität beläuft sich damit auf 6,66 % und aufgerundet (dazu BGH IV ZR 124/15, Urteil vom 18.11.2015, Rdn. 24) auf 7 %.
33Die von der Beklagten zu zahlende Invaliditätsentschädigung berechnet sich damit wie folgt:
34339.500,00 € x 7 % = 23.765,00 € abzüglich unstreitig gezahlter 11.882,50 € = 11.882,50 €
35Der Zinsanspruch des Klägers folgt aus § 288 BGB und der Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nach einem Gegenstandwert von 11.882,50 € aus §§ 280, 286 BGB. Der Kläger kann nach § 250 BGB Zahlung statt Freistellung verlangen, weil die Beklagte die Leistung verweigert hat.
36Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
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(1) Bestimmt der Vorsitzende keinen frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung, so fordert er den Beklagten mit der Zustellung der Klage auf, wenn er sich gegen die Klage verteidigen wolle, dies binnen einer Notfrist von zwei Wochen nach Zustellung der Klageschrift dem Gericht schriftlich anzuzeigen; der Kläger ist von der Aufforderung zu unterrichten. Zugleich ist dem Beklagten eine Frist von mindestens zwei weiteren Wochen zur schriftlichen Klageerwiderung zu setzen. Ist die Zustellung der Klage im Ausland vorzunehmen, so beträgt die Frist nach Satz 1 einen Monat. Der Vorsitzende kann in diesem Fall auch eine längere Frist bestimmen.
(2) Mit der Aufforderung ist der Beklagte über die Folgen einer Versäumung der ihm nach Absatz 1 Satz 1 gesetzten Frist sowie darüber zu belehren, dass er die Erklärung, der Klage entgegentreten zu wollen, nur durch den zu bestellenden Rechtsanwalt abgeben kann. Die Belehrung über die Möglichkeit des Erlasses eines Versäumnisurteils nach § 331 Abs. 3 hat die Rechtsfolgen aus den §§ 91 und 708 Nr. 2 zu umfassen.
(3) Der Vorsitzende kann dem Kläger eine Frist zur schriftlichen Stellungnahme auf die Klageerwiderung setzen.
(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.
(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.
(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.
(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.
(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.
(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn
- 1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist, - 2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt, - 3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert, - 4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.
(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.
(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.
(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.
Der Gläubiger kann dem Ersatzpflichtigen zur Herstellung eine angemessene Frist mit der Erklärung bestimmen, dass er die Herstellung nach dem Ablauf der Frist ablehne. Nach dem Ablauf der Frist kann der Gläubiger den Ersatz in Geld verlangen, wenn nicht die Herstellung rechtzeitig erfolgt; der Anspruch auf die Herstellung ist ausgeschlossen.
(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.
(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn
- 1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder - 2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.