Landgericht Detmold Anerkenntnisurteil, 31. Jan. 2014 - 10 S 133/13
Gericht
Tenor
Die Kosten des Verfahrens werden den Verfügungsbeklagten
als Gesamtschuldnern nach einem Gegenstandswert von bis
zu 5.000,-- € auferlegt.
1
I.
3Der Verfügungskläger hat im Wege der einstweiligen Verfügung von den Verfügungsbeklagten Folgendes begehrt:
4Die Verfügungsbeklagten haben es sofort zu unterlassen, das Grundstück H2 in S zu betreten und/oder für die Ausführung von Bauarbeiten an dem Hausgrundstück H3, insbesondere das Aufstellen eines Baugerüstes und/oder das Lagern von Werkzeugen und/oder Baumaterialien zu nutzen.
5Weiterhin hat er beantragt, die Verfügungsbeklagten zu verurteilen, das auf dem Grundstück H-Straße errichtete Baugerüst sofort zu entfernen.
6In dem Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht am 20.06.2013 haben die Verfügungsbeklagten zu Protokoll des Amtsgerichts folgenden Widerantrag gestellt:
7Der Verfügungskläger hat es zu dulden, dass die Verfügungsbeklagten das Grundstück H-Straße im Zwischenbereich zwischen H-Straße und H in S betreten, um dort die Bauarbeiten an dem Hausgrundstück H durchzuführen. Hierbei sind insbesondere das Aufstellen eines Baugerüstes sowie das Lagern von Werkzeugen und/oder Baumaterialen in dem genannten Bereich zu dulden.
8Der Verfügungskläger hat es zu dulden und sicher zu stellen, dass die Verfügungsbeklagten den Bereich zwischen H und H-Straße in S für oben genannte Arbeiten betreten können, wobei dieses Betretungsrecht einen Monat ab Ermöglichung des Zugangs durch den Antragsschuldner ab heute bestehen soll. Hierfür ist das Tor zwischen den beiden Grundstücken zu öffnen, wobei es den Verfügungsbeklagten auch nachzulassen ist, den oben genannten Bereich früher zu betreten.
9Für jeden Verstoß gegen die vorstehende Verpflichtung sollte dem Verfügungskläger ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 250.000,00 Euro je Einzelfall angedroht werden.
10Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien I. Instanz wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils wird Bezug genommen.
11Das Amtsgericht hat durch ein am 20.06.2013 verkündetes Urteil den Antrag des Verfügungsklägers auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 11.06.2013 zurückgewiesen und dem Widerantrag der Verfügungsbeklagten entsprochen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass zwar die Nutzung des klägerischen Grundstücks durch die Verfügungsbeklagten eine Beeinträchtigung im Sinne des § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB darstelle, der Verfügungskläger diese jedoch zu dulden habe, da die Verfügungsbeklagten vorliegend das Hammerschlags- und Leiterrecht nach den §§ 24 ff. NachbG NRW berechtigterweise ausübten bzw. beabsichtigten, dies zu tun. Die Gegenanträge der Verfügungsbeklagten seien zulässig und begründet. Zwar lasse sich die Zulassung eines wie die Widerklage zu behandelnden Gegenverfügungsantrages grundsätzlich nicht damit vereinbaren, dass das Eilverfahren auf eine schnelle Entscheidung angelegt und insbesondere eine Vertagung der mündlichen Verhandlung ausgeschlossen sei. Dieser Grundsatz gelte jedoch dann nicht, wenn der Sinn und Zweck des Verfahrens nicht gefährdet wäre, was hier der Fall sei. Im Übrigen lägen die Voraussetzungen des Hammerschlags-und Leiterrechts nach den §§ 24 ff. NachbG NRW vor.
12Gegen dieses Urteil, das dem Verfügungskläger am 11.07.2013 zugestellt worden ist, hat er mit einem am 17.07.2013 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese begründet.
13Der Verfügungskläger macht im Wesentlichen geltend, dass er keinerlei Gelegenheit gehabt habe, auf den erst am Ende der mündlichen Verhandlung vom 20.06.2013 gestellten Widerklageantrag substantiiert zu erwidern. Insbesondere sei er erstmals in der mündlichen Verhandlung mit einem angeblich am 13.03.2013 in den nicht beschrifteten Briefkasten an dem leer stehenden Hausgrundstück H2 eingelegten Brief konfrontiert worden. Er habe das streitgegenständliche Schriftstück vom 13.03.2013 in dem Briefkasten nicht vorgefunden. Zu Unrecht gehe das Amtsgericht davon aus, dass ein Zugang gem. § 16 NachbG NRW wirksam erfolgt sei. Darüber hinaus verkenne das Amtsgericht auch die Voraussetzungen des § 24 NachbG NRW.
14Nachdem die Bauarbeiten mittlerweile abgeschlossen sind und das streitgegenständliche Gerüst unstreitig abgebaut worden ist, haben die Parteien den Rechtsstreit im Termin vom 29.01.2014 in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.
15II.
16Gem. § 91 a ZPO war demnach durch Beschluss, der keiner mündlichen Verhandlung bedarf, über die Kosten des Verfahrens unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Danach waren die Kosten des Verfahrens den Verfügungsbeklagten aufzuerlegen, da sie ohne die Erledigung in dem Verfahren voraussichtlich unterlegen wären.
171.
18Der Verfügungskläger hatte gegen die Verfügungsbeklagten einen Anspruch auf Unterlassung des Betretens, Aufstellens des Baugerüstes sowie Lagerns von Werkzeugen bzw. Baumaterialien sowie auch einen Anspruch auf Entfernung des Baugerüstes aus § 862 Abs. 1 BGB.
19a.
20Der Verfügungskläger ist unzweifelhaft unmittelbarer Besitzer des mit einem leer stehenden Haus bebauten Grundstücks H2 in S.
21b.
22Durch das Aufstellen des Gerüstes ist der Verfügungskläger in der Ausübung seines Besitzrechtes jedenfalls teilweise gestört worden. Insoweit kann es dahinstehen, ob durch das Aufstellen und Lagern des Gerüstes teilweise eine Besitzentziehung gem. § 861 BGB vorliegt, da die Voraussetzungen identisch sind.
23c.
24Der Verfügungsbeklagten zu 2.), der das Gerüst aufgestellt hat, ist als unmittelbarer Handlungsstörer anzusehen, während der Verfügungsbeklagte zu 1.) dessen Störung durch die Beauftragung des Gerüstbaus adäquat verursacht hat.
25d.
26Das Verhalten der Verfügungsbeklagten stellt eine verbotene Eigenmacht im Sinne des § 858 Abs. 1 BGB dar.
27aa.
28Die Störung erfolgte jedenfalls ohne den Willen des Verfügungsklägers, da er nach seinem unbestritten gebliebenen Vortrag von der Aufstellung des Gerüstes keine Kenntnis hatte.
29bb.
30Eine gesetzliche Gestattung der Störung ist ebenfalls nicht gegeben. Insbesondere ergibt sich eine solche nicht aus dem hier allein in Betracht kommenden § 24 NachbG NRW. Nach dieser Vorschrift haben der Eigentümer und die Nutzungsberechtigten zu dulden, dass ihr Grundstück einschließlich der baulichen Anlagen zum Zwecke von Bau- oder Instandsetzungsarbeiten auf dem Nachbargrundstück vorübergehend betreten und benutzt wird, wenn und soweit die Arbeiten anders nicht zweckmäßig oder mit unverhältnismäßig hohen Kosten durchgeführt werden können, die mit der Duldung verbundenen Nachteile oder Belästigungen nicht außer Verhältnis zu dem von dem Berechtigten erstrebten Vorteil stehen, ausreichende Vorkehrungen zur Minderung der Nachteile und Belästigungen getroffen werden und das Vorhaben öffentlich-rechtlichen Vorschriften nicht widerspricht, wobei das Recht so schonend wie möglich auszuüben ist. Ein Nachbar darf nach dem Sinn des Gesetzes nur in dem unbedingt notwendigen Rahmen belastet werden, auch wenn damit höhere Kosten für den Berechtigten verbunden sind (vgl. Schäfer u.a., NachbG NRW, § 24 RandNr. 9). Schon diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, da die Verfügungsbeklagten die Inanspruchnahme des Grundstücks nicht auf den unbedingt notwendigen Umfang begrenzt haben.
31aaa.
32So ist es weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, warum es erforderlich sein sollte, Werkzeuge und Baumaterialien auf dem Grundstück des Verfügungsklägers zu lagern. Diese hätte ohne weiteres an einem anderen Ort ohne Inanspruchnahme des Grundstücks des Verfügungsklägers gelagert werden können.
33bbb.
34Zudem ergibt sich aus der eidesstattlichen Versicherung des Verfügungsbeklagten zu 2.), dass das Gerüst am 17. oder 18.04.2013 auf dem Grundstück des Verfügungsklägers zwischengelagert wurde, obwohl die Bauarbeiten nach dem Schreiben vom 13.03.2013 erst am 15.05.2013 begonnen werden sollten. Ein solches Verhalten überschreitet den unbedingt notwendigen Rahmen i.S.d. § 24 NachbG NRW und ist von der Vorschrift nicht gedeckt.
35ccc.
36Darüber hinaus fehlt es auch an einer hinreichenden Glaubhaftmachung, dass Bau- oder Instandsetzungsarbeiten durchgeführt wurden, die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Urteil vom 14.12.2012, V ZR 49/12) eine Reparaturbedürftigkeit voraussetzen.
37ddd.
38Ferner ist es unstreitig, dass die Verfügungsbeklagten das Gerüst durch das im Eigentum des Verfügungsklägers stehende Welldach des Carports geführt und dafür Löcher in das Dach geschlagen haben. Ein solches Verhalten ist durch § 24 NachbG NRW eindeutig nicht gedeckt, denn bei der vorzunehmenden Abwägung sind Arbeiten stets als unverhältnismäßig anzusehen, wenn vorher abzusehen ist, dass durch die Ausübung des sog. Hammerschlags- und Leiterrechts substantielle Beeinträchtigungen des Nachbars nötig werden (vgl. Schäfer, a.a.O., RandNr. 20). Insoweit kommt es auch nicht auf das Alter oder den Wert des Daches an. Entscheidend ist, dass allein der Verfügungskläger als Eigentümer und Besitzer des Daches darüber zu bestimmen hat. Bei der erforderlichen Abwägung der Vor- und Nachteile hat außer Betracht zu bleiben, dass dem Nachbarn etwaige Schäden zu ersetzen sind (vgl. Schäfer, a.a.O., RandNr. 20). Das Argument des Amtsgerichts, der Verfügungsbeklagte zu 2.) unterhalte eine Haftpflichtversicherung, greift mithin - unabhängig von der Frage, ob diese im vorliegenden Fall überhaupt ersatzpflichtig ist - nicht durch.
39eee.
40Darüber hinaus liegt auch ein Verstoß gegen die Anzeigepflicht gem. § 24 Abs. 3
41i. V. m. § 16 NachbG NRW vor, die bereits die vorliegende Eigenmacht begründet. Der Berechtigte darf sein Recht aus § 24 NachbG NRW nicht im Wege der Selbsthilfe nutzen (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.07.2000 – 9 U 112/00; OLG Hamm, Beschluss vom 13.10.2011 – 5 W 48/11). Vielmehr ist die ordnungsgemäße Anzeige Voraussetzung für die Ausübung des Rechts.
42Unabhängig von der streitigen Frage, ob das Schreiben vom 13.03.2013 tatsächlich in den Briefkasten des unbewohnten Nachbarhauses geworfen wurde, reicht dieses jedenfalls formell und materiell nicht aus.
43Es wäre dem Verfügungsbeklagten zu 1.), der als Eigentümer des Nahbargrundstücks in erster Linie zur Anzeige verpflichtet war, ohne weiteres möglich und zumutbar gewesen, die Wohnanschrift des Verfügungsklägers zu ermitteln. Dieser musste nicht damit rechnen, dass in dem unstreitig nicht bewohnten Nachbarhaus derartig wichtige Schreiben eingeworfen wurden. Die Argumentation des Amtsgerichts, der Verfügungskläger hätte dafür Sorge tragen müssen, dass der Briefkasten geschlossen wurde, verfängt nicht. Eine Zustellung an eine natürliche Person hat grundsätzlich an ihrem Wohnort zu erfolgen, wobei es unstreitig ist, dass der Verfügungskläger in dem Haus H2 nicht wohnt.
44Darüber hinaus ist die Anzeige jedoch auch inhaltlich nicht ausreichend, da sie schon die Dauer der Baumaßnahme nicht nennt. Dies ist aber Voraussetzung für die ordnungsgemäße Anzeige (vgl. Urteil des BGH vom 4.12.2012 - V ZR 49/12).
452.
46Die für den Unterlassungsanspruch gem. § 862 Abs. 1 S. 2 BGB erforderliche Wiederholungsgefahr wird durch Störung indiziert. Da die Verfügungsbeklagten verboten eigenmächtig gehandelt zu haben, ist ein gesonderter Verfügungsgrund nicht erforderlich. Im Übrigen war die Störung schon eingetreten, so dass Eilbedürftigkeit gegeben war.
473.
48Da – wie bereits ausgeführt – die Voraussetzungen der §§ 24 und 16 NachbG NRW nicht vorlagen, war der Widerantrag der Verfügungsbeklagten unbegründet, wobei die Kammer bereits ernsthafte Bedenken gegen die Zulässigkeit des sogenannten Widerantrags hat. Im einstweiligen Verfügungsverfahren ist eine Widerklage grundsätzlich unzulässig. Soweit ein Gegenantrag bei mündlicher Verhandlung in engen Grenzen als zulässig angesehen wird (vgl. Zöller-Vollkommer, 30. Aufl., ZPO, § 33 Rdnr.19 und § 935, RdNr. 4 mit Nachweisen aus dem Jahr 1959), teilt die Kammer die vom Oberlandesgericht Frankfurt in seiner Entscheidung vom 20.10.2011 – 6 U 101/11 – geäußerten Bedenken. Da eine Vertagung im einstweiligen Verfügungsverfahren nicht zulässig ist, führt die Erhebung eines Gegenantrags im Termin zu einer erheblichen Verkürzung des rechtlichen Gehörs. Soweit das Landgericht Köln in einem Verfahren vom 12.10.2005 – 28 O 417/05 – einen Gegenantrag als eigenständigen Verfügungsantrag gewertet und deshalb seine Zulässigkeit bejaht hat, liegt ein solcher Fall hier nicht vor.
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(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.
(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.
(1) Wird der Besitzer durch verbotene Eigenmacht im Besitz gestört, so kann er von dem Störer die Beseitigung der Störung verlangen. Sind weitere Störungen zu besorgen, so kann der Besitzer auf Unterlassung klagen.
(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Besitzer dem Störer oder dessen Rechtsvorgänger gegenüber fehlerhaft besitzt und der Besitz in dem letzten Jahre vor der Störung erlangt worden ist.
(1) Wird der Besitz durch verbotene Eigenmacht dem Besitzer entzogen, so kann dieser die Wiedereinräumung des Besitzes von demjenigen verlangen, welcher ihm gegenüber fehlerhaft besitzt.
(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der entzogene Besitz dem gegenwärtigen Besitzer oder dessen Rechtsvorgänger gegenüber fehlerhaft war und in dem letzten Jahre vor der Entziehung erlangt worden ist.
(1) Wer dem Besitzer ohne dessen Willen den Besitz entzieht oder ihn im Besitz stört, handelt, sofern nicht das Gesetz die Entziehung oder die Störung gestattet, widerrechtlich (verbotene Eigenmacht).
(2) Der durch verbotene Eigenmacht erlangte Besitz ist fehlerhaft. Die Fehlerhaftigkeit muss der Nachfolger im Besitz gegen sich gelten lassen, wenn er Erbe des Besitzers ist oder die Fehlerhaftigkeit des Besitzes seines Vorgängers bei dem Erwerb kennt.
(1) Wird der Besitzer durch verbotene Eigenmacht im Besitz gestört, so kann er von dem Störer die Beseitigung der Störung verlangen. Sind weitere Störungen zu besorgen, so kann der Besitzer auf Unterlassung klagen.
(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Besitzer dem Störer oder dessen Rechtsvorgänger gegenüber fehlerhaft besitzt und der Besitz in dem letzten Jahre vor der Störung erlangt worden ist.