Landgericht Bonn Urteil, 22. Sept. 2015 - 18 O 30/15
Gericht
Tenor
1.
Die Klage wird abgewiesen.
2.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
1
Tatbestand:
2Der Kläger war seit 1975 zunächst als angestellter Versicherungskaufmann tätig. Aufgrund eines Vertretervertrages vom 19.06.1985 arbeitete er beginnend ab dem 01.07.1985 als selbständiger hauptberuflicher Handelsvertreter für die E Lebensversicherung AG und für die E2 Versicherung AG (Anlage B 3). Die Vertragsparteien regelten in der Anlage Nr. 6 zum Vertretervertrag den Versorgungsplan zur Alters-, Hinterbliebenen- und Berufsunfähigkeitsversorgung des selbständigen Außendienstes. Insoweit war konkret vorgesehen, dass die E Versicherungsgesellschaften für einen näher beschriebenen Personenkreis eine Alters-, Hinterbliebenen- und Berufsunfähigkeitsversorgung einrichten. Dabei sollte nach § 2 des Versorgungsplans die Versorgung aus „einer leistungsunabhängigen Grundversorgung und aus einer leistungsabhängigen Zusatzversorgung“ bestehen; wegen der diesbezüglich näheren Einzelheiten wird auf die zu den Akten gereichte Anlage B 3 (dort mit Anlage Nr. 6) Bezug genommen.
3Mit Datum vom selben Tage schloss die E Lebensversicherung AG als Versicherungsnehmerin für den 1946 geborenen Kläger als Versicherten einen Lebensversicherungsvertrag ab (Anlage K 6). Die Versicherungsnehmerin erbrachte hierauf monatliche Zahlungen in Höhe von zunächst 32,67 € und ab dem 01.04.2009 von monatlich 33,67 €. Die Versicherungsbeiträge zur Zusatzversorgung wurden jährlich aufgrund der Ausschreibungsbestimmungen zur Zusatzversorgung zur Alters – und Hinterbliebenenversorgung für den hauptberuflichen Handelsvertreter ermittelt (vgl. Anlage B 4). Die Gesamtbeitragsaufstellung des streitgegenständlichen Lebensversicherungsvertrages ergibt sich aus der zu den Akten gereichten Übersicht, Anlage B 5 (Zusatzversorgung und Grundbeiträge).
4Der Lebensversicherungsvertrag endete zum 01.07.2011 und an den Kläger wurde ein Betrag von 160.378,04 € ausgezahlt.
5Die E2 Versicherung AG verschmolz als übertragender Rechtsträger nach Maßgabe des Verschmelzungsvertrag vom 14.08.2006 mit der A Versicherung AG (Anlage B 1). Die E Lebensversicherung AG beschloss in der Hauptversammlung vom 14.08.2006 die Änderung der Firma in A2 Lebensversicherung AG; der Verschmelzungsvertrag datiert vom 14.08.2006 (Anlage B 2).
6Das Vertretervertragsverhältnis des Klägers endete mit Wirkung zum 31.12.2013. Die Beklagte übermittelte dem Kläger in der Folge eine vom 18.02.2014 datierende Ausgleichsberechnung nach § 89 b HGB. Sie errechnete eine unstreitige Zwischensumme von 214.737,67 €, von der sie einen kapitalisierten Arbeitgeberanteil aus Versorgungswerken in Höhe von 160.378,04 € abzog (Anlage K 1). Die Beklagte zahlte den so errechneten Ausgleichswert von 54.359,63 € an den Kläger aus.
7Der Kläger ist der Ansicht,
8sein Ausgleichsanspruch könne nicht unter Anrechnung des Barwertes der Kapitallebensversicherung ermittelt werden, da dies im konkreten Falle nicht der Billigkeit entspreche. Die Zahlung in die Lebensversicherung durch die Beklagte bzw. deren Rechtsvorgänger sei vorliegend nicht freiwillig erfolgt, da sie von einer klägerischen Gegenleistung abhängig gewesen sei. So habe der Kläger jedenfalls den Beitrag für die Zusatzversorgung durch seine Leistungen und Produktivität selbst erarbeitet. Überdies könne es nicht der Billigkeit entsprechen, wenn der Kläger mit der Auszahlung des Kapitallebensversicherungsbetrags schlechter stehe, als ohne denselben. Er habe auf den Auszahlungsbetrag Sozialbeiträge (etwa 44.000,00 €), insbesondere Krankenkassen- und Pflegebeiträge zahlen müssen, was bei einem (reinen) Handelsvertreterausgleich ohne Altersversorgung nicht der Fall gewesen wäre.
9Der Kläger beantragt daher,
10die Beklagte zu verurteilen, an ihn 160.378,04 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2014 zu zahlen.
11Die Beklagte weiter zu verurteilen, an ihn 2.874,92 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Sie ist der Ansicht,
15bei der Berechnung des klägerischen Ausgleichsanspruchs nach § 89 b HGB sei der Kapitalwert der ausschließlich von dem Unternehmen für den Kläger als Versicherten angesparten betrieblichen Altersversorgung aus Billigkeitsgesichtspunkten zu berücksichtigen.
16Wegen des näheren Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Unterlagen und Schriftsätze der Parteien verwiesen.
17Entscheidungsgründe:
18Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen weitergehenden Ausgleichsanspruch gegen die Beklagte. Ein solcher ergibt sich weder aus §§ 89 b Abs. 1, Abs. 5, 92 Abs. 1 HGB noch aus sonstigen Anspruchsgrundlagen.
19Der durch die Beklagte berechnete Ausgleichsbetrag in Höhe von 54.359,63 € entspricht unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Einzelfalles der Billigkeit. Die an den Kläger erfolgte Auszahlung von 160.378,04 € aus der Lebensversicherung führt zu einer Reduzierung der zunächst ermittelten Zwischensumme von 214.737,67 €.
20Es handelte sich bei der an den Kläger erfolgten Auszahlung des Lebensversicherungsbetrages um eine allein aus den Mitteln des Unternehmers finanzierte Altersversorgung. Eine solche kann nach ständiger Rechtsprechung billigerweise bei der Berechnung des Handelsvertreterausgleichsanspruchs nicht unberücksichtigt bleiben (vgl. auch OLG Köln 28.11.2014, 19 U 71/14, zitiert nach juris). Entscheidend ist demnach bei der Billigkeitsentscheidung nach § 89 b HGB, dass die Altersversorgung im Wesentlichen den praktischen Zweck einer Ausgleichszahlung übernimmt und dass eine doppelte Belastung des Unternehmers durch freiwillige Finanzierung einer Altersversorgung auf der einen Seite und durch die Ausgleichszahlung auf der anderen Seite nicht gerechtfertigt ist (vgl. BGH BB 1966, 79).
21Im konkreten Falle erfolgte die Auszahlung des Lebensversicherungsbetrages nach einer Versicherungsdauer von 26 Jahren (vgl. Anlage K 6) zeitnah zum Ende des Vertretervertrages. Der Lebensversicherungsbetrag dient nach den Gesamtumständen und den konkreten vertraglichen Vereinbarungen ebenso der klägerischen Altersversorgung, wie die Ausgleichszahlung (vgl. auch Anlage B 3, dort Anlage Nr. 6). Diese Versorgungsleistung wurde vollumfänglich von dem Unternehmen finanziert und nicht vom Kläger selbst aufgebracht. Die monatlichen Grundbeiträge entrichtete das Unternehmen. Auch die Beiträge für die Zusatzversorgung zahlte das Unternehmen. Es handelt sich ausweislich der insoweit eindeutigen vertraglichen Unterlagen nicht etwa um die Kürzung von vertraglich dem Kläger zustehenden Provisionen um die Aufwendungen des Unternehmers. Diese Zahlungsmodalitäten stellt auch der Kläger nicht substantiiert in Abrede.
22Wenn jedoch die Beitragszahlungen an die Versicherung nicht aus Mitteln des Klägers flossen, hat er faktisch keinerlei Zahlungen – weder mittelbar noch unmittelbar – zu der Altersversorgung beigesteuert (OLG Celle, 16.05.2002, 11 U 193/01, zitiert nach juris). Allein die Tatsache, dass die Zusatzversorgung nur demjenigen Versorgungsberechtigten erwachsen sollte, der die von den E Versicherungsgesellschaften jedes Jahr neu zu erlassenden Ausschreibungen erfüllte (vgl. Anlage B 3, dort Anlage Nr. 6, § 2 des Vertrages und Anlage B 4), lässt die Freiwilligkeit der Unternehmerleistungen nicht entfallen. Es handelt sich dabei lediglich um eine Bemessungsgrundlage (vgl. auch Ziffer 2, Anlage B 4). Das Argument des Klägers, dass er die Zusatzversorgungsbeiträge erst durch intensiven Einsatz für die Beklagte selbst erwirtschaftet habe, greift nicht. Zwar wird die Höhe der Versorgung durch die Arbeitsleistung des Klägers bestimmt, es handelt sich aber dennoch um eine freiwillige Leistung der Beklagten und es ist nicht ersichtlich, dass die Beiträge nicht allein aus ihren Mitteln erbracht worden sind (vgl. OLG Köln, 28.11.2014, a.a.O.; OLG Köln, Beschluss vom 20.10.2014, 19 U 67/14). Die Freiwilligkeit der Leistungen liegt immer dann vor, wenn der Unternehmer mit der Finanzierung der Altersversorgung – wie hier – eine Aufgabe übernimmt, die an sich dem Vertreter obliegt (BGH, Urteil vom 08.05.2014, VII ZR 282/12, zitiert nach juris).
23Der an den Kläger ausgezahlte Lebensversicherungsbetrag beeinflusst demnach dem Grunde nach die Höhe der Ausgleichszahlung aus Billigkeitsgesichtspunkten. Dabei ist für die Ausgleichsminderung darauf abzustellen, was dem Vertreter auf Grund der Altersversorgung effektiv zufließt (hier: 160.378,04 €). Auf die konkret an die Lebensversicherung gezahlten Aufwendungen des Unternehmers kommt es demgegenüber nicht an, abzustellen ist vielmehr auf den Versorgungseffekt (vgl. BGHZ 45, 268; Küstner/Thume, Handbuch des gesamten Außendienstrechtes Band 2., 8. Aufl. X Rn. 52 ff).
24Der Kläger verweist weitergehend darauf, dass er auf die ausgezahlte Lebensversicherungssumme Sozialbeiträge habe entrichten müssen, so dass die Minderung der Ausgleichszahlung um den vollen Lebensversicherungsbetrag unbillig sei. Im Rahmen des § 89 b HGB können nach ständiger Rechtsprechung die auf Seiten des Unternehmens durch die Finanzierung der Altersversorgung gezogenen steuerlichen Vorteile nicht in Rechnung gestellt werden (BGH BB 1984, 365), wobei dies im Gegenzug auch für die steuerliche Situation auf Seiten des Versicherungsvertreters gilt. Sachliche oder rechtliche Gesichtspunkte, die eine hiervon abweichende Beurteilung für gegebenenfalls zu zahlende Sozialversicherungsbeiträge auf Seiten des Versicherungsvertreters rechtfertigen würden, sind nicht ersichtlich. Etwaige Gesetzesänderungen, die den Kläger zur Abführung von Sozialabgaben aus dem ausgezahlten Lebensversicherungsbetrag verpflichteten, ändern nichts an der Doppelbelastung des Unternehmens durch die Altersversorgung und die Ausgleichszahlung. Wie die finanzielle Situation des Klägers aussehen würde, wenn er sich selbst um seine Altersversorgung in Gestalt einer Kapitallebensversicherung gekümmert hätte und ob dies bei exakter Vergleichbarkeit sämtlicher Parameter besser wäre, als die nun vorliegende Kombination von betrieblich finanzierter Altersversorgung und Handelsvertreterausgleichsanspruch, kann abschließend nicht beurteilt werden. Jedenfalls hat der Kläger durch die nicht unerheblichen Beiträge der Beklagten in erheblichem Maße eigene Beiträge für die – eigentlich ihm selbst obliegende - Altersvorsorge erspart.
25Nicht unberücksichtigt bleiben kann im Rahmen der Billigkeitsentscheidung schließlich, dass die Vertragsparteien auch durch die Vereinbarung der Anrechenbarkeit der (Alters-) Versorgung auf Ausgleichsansprüche in § 9 des Versorgungsplanes aus dem Jahre 1985 (Anlage B 3, dort Anlage Nr. 6) ihr grundsätzliches Verständnis darüber zum Ausdruck gebracht haben, was sie für billig im Sinne des § 89 b HGB halten. Dabei kommt es auf die rechtliche Wirksamkeit des § 9 Anlage Nr. 6 nicht an. Selbst wenn eine vertragliche Bindung insoweit nicht zustande gekommen sein sollte, können die Vorstellungen der Parteien bei der zu treffenden Billigkeitsabwägung berücksichtigt werden (vgl. OLG München 21.12.2005, 7 U 2941/05, zitiert nach juris; OLG Köln, 28.11.2014, a.a.O., OLG Köln, 20.10.2014, a.a.O.). Diese grundsätzlichen Billigkeitserwägungen der Parteien spiegeln sich auch in § 1 e des Versorgungsplans vom 19.06.1985 (Anlage Nr. 6 zu Anlage B 3), wonach ein hauptberuflich selbständiger Mitarbeiter nur dann versorgungsberechtigte Person im Sinne des Versorgungsplans ist, soweit „eine andere Versorgung durch die E noch nicht gewährt wird“. Der nunmehr fällige Ausgleichsanspruch ist zwar rechtlich kein Versorgungsanspruch, dient aber dem Kläger, der nach etwa 28 Jahren als selbständiger Handelsvertreter aus dem Unternehmen ausscheidet, tatsächlich doch zur Sicherung seiner Altersversorgung (vgl. auch BGH NJW 2003, 1241). Ein doppelter Versorgungsanspruch des Klägers zu Lasten der Beklagten war ersichtlich nicht gewollt.
26Bei der vorgenannten Gesamtschau der zu berücksichtigenden Umstände entspricht die Berücksichtigung des ausgezahlten Kapitallebensversicherungsbetrages bei der Bemessung des klägerischen Ausgleichsanspruchs der Billigkeit. Ein weitergehender Ausgleichsanspruch besteht nicht.
27Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
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(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.