Landgericht Bonn Urteil, 19. Dez. 2014 - 15 O 420/13
Gericht
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
2Der Kläger nimmt den Beklagten aus Anwaltshaftung im Zusammenhang mit der Geltendmachung von Ansprüchen aus einer Unfallversicherung in Anspruch.
3Der Kläger unterhielt bei der W AG, die zwischenzeitlich in der F2 Versicherungsgruppe aufgegangen ist, eine private Unfallversicherung. Vereinbart war darin unter anderem eine Invaliditätssumme von 55.500,00 Euro mit einer Progression von 500 %, eine monatliche Unfallrente in Höhe von 1.125,00 Euro ab einem Invaliditätsgrad von 50 % sowie in Höhe von 2.250,00 Euro ab einem Invaliditätsgrad von 90 %, eine einmalige Zusatzleistung von 11.250,00 Euro ab einem Invaliditätsgrad von 50 % sowie in Höhe von 22.250,00 Euro ab einem Invaliditätsgrad von 90 %. Dem Versicherungsvertrag lagen die AUB 2006 zugrunde. Gemäß deren Ziffern 2.1.1.1 und 2.2.1 AUB 2006 muss die Invalidität innerhalb von fünfzehn Monaten nach dem Unfall von einem Arzt schriftlich festgestellt und bei der Versicherung geltend gemacht worden sein.
4Unter dem 05.09.2008 zeigte der Kläger bei der Versicherung an, dass er bei einem behaupteten Unfallereignis am 17.07.2008 eine „WS-Prellung mit neurologischen Lähmungszeichen“ erlitten habe und machte Versicherungsleistungen aus der Unfallversicherung geltend. Zum Zeitpunkt des behaupteten Unfallereignisses war der Kläger nicht krankenversichert. Er ließ sich zunächst von einem Bekannten, dem Heil- und Chiropraktiker T, behandeln. Außerdem konsultierte der Kläger Frau Dr. L, die am 19.09.2008 eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellte. Diese Bescheinigung enthielt keine Feststellung einer überwiegenden, unfallbedingten Kausalität für eine Invalidität. Weiter befand sich der Kläger bei Herrn E, einem Facharzt für physikalische und rehabilitative Medizin, in Behandlung. Auf dessen Veranlassung wurde der Kläger am 19.08.2009 in der Praxis Dr. F in C röntgenologisch untersucht. Herr Dr. E stellte dem Kläger am 24.09.2009 eine Heilmittelverordnung aus, aus welcher sich eine unfallbedingte Gesundheitsstörung ergab, jedoch nicht die begrifflich für eine Invalidität erforderliche Dauerhaftigkeit der Gesundheitsstörung.
5Die Versicherung wies den Kläger mit Schreiben vom 18.08.2008 darauf hin, dass die Invalidität innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfall eingetreten, von einem Arzt schriftlich festgestellt und bei der Versicherung geltend gemacht werden solle, da anderenfalls mögliche Invaliditätsansprüche ausgeschlossen seien. Zur Prüfung einer etwaigen beim Kläger vorliegenden Invalidität holte die Versicherung im Januar 2009 ein Gutachten bei einem Facharzt für Chirurgie, Dr. T, ein (Gutachten vom 18.01.2009, Bl. ### ff. d.A.). Nachdem dieses bei der Versicherung eingegangen war, lehnte der Unfallversicherer gegenüber dem Kläger Invaliditätsleistungen ab und begründete dies im Wesentlichen damit, dass bei dem Kläger kein unfallbedingter Dauerschaden, sondern allenfalls eine vorübergehende Prellung der Wirbelsäule vorliege. Wegen des erstatteten Gutachtens sandte der Kläger am 24.01.2009 ein Schreiben an Herrn Dr. T mit der Anrede: „Sonderbarer Herr Dr. T, Sie sind ein elender Lügner! Sie sind eine Gefahr für die Volksgesundheit!“ (Bl. ### f. d.A.). Mit Schreiben vom 15.07.2009 übersandte der Kläger der Versicherung eine Bescheinigung des Heilpraktikers T (Bl. ### d.A.) sowie eine Bescheidung des Arztes E (Bl. ### d.A.). Das Schreiben trägt den Betreff: „Invaliditätsfrist-Wahrung“ (Anlage B 5, Bl. ### d.A.). Sodann kündigte der Kläger gegenüber der Versicherung mit Schreiben vom 10.09.2009 die „unverzügliche“ Erstellung einer ärztlichen Stellungnahme zu der Invalidität an (Anlage B 6, Bl. ### d.A.). Am 15.09.2009 setzte sich der Kläger mit Frau Dr. L in Verbindung und schrieb: „Am 17.10.2009 läuft meine entscheidende Vertragsfrist mit der W Versicherung ab. Die entstandenen Folgeschäden sind massiv, somit werde ich gezwungen sein, Ihre Praxis in Regress nehmen zu müssen. Es bleibt einzig und allein Ihnen überlassen, hier klärend einzugreifen.“ (Anlage B 8, Bl. ### f. d.A.).
6Nachdem die Unfallversicherung mit Schreiben vom 16.09.2009 die von dem Kläger begehrten Leistungen erneut abgelehnt hatte, mandatierte der Kläger im September 2009 den Beklagten mit dem Auftrag, für den Kläger gegenüber der Unfallversicherung Invaliditätsleistungen, notfalls im Gerichtswege, geltend zu machen. Mit Schreiben vom 29.09.2009 wandte sich der Beklagte an die Rechtsschutzversicherung des Klägers und bat um Deckungszusage für ein gerichtliches Verfahren erster Instanz bzw. ein selbstständiges Beweisverfahren. Die Rechtsschutzversicherung erteilte am 08.10.2009 Deckungszusage. Weitere Schritte unternahm der Beklagte nicht.
7Der Kläger kündigte mit Schreiben vom 19.07.2010 das Mandat und beauftragte in der Folge Frau Rechtsanwältin I aus C mit der Wahrnehmung seiner Interessen. Der Kläger ließ sich sodann auf Empfehlung von Frau Rechtsanwältin I am 15.02.2011 von Herrn Dr. B, Arzt für Chirurgie/Unfallchirurgie und Sozialmedizin untersuchen. Dieser erstellte am 08.03.2011 ein Gutachten, nach dem bei dem Kläger ein inkomplettes Querschnittssyndrom mit einem sich hieraus ergebenden unfallbedingten Invaliditätsgrad von 100 % vorlag. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Gutachten des Dr. B, Bl.## ff d.A., Bezug genommen. Rechtsanwältin I reichte am 04.04.2011 Klage beim Landgericht Bonn (Az. 9 O 114/11) gegen die Versicherung ein, unter anderem mit den Anträgen, die Versicherung zu verurteilen, an den Kläger eine einmalige Zusatzleistung ab 90 % Invalidität in Höhe von 22.500,00 Euro zu zahlen, an den Kläger eine Invaliditätsleistung in Höhe von 277.500,00 Euro zu zahlen sowie an den Kläger eine Unfallrente ab Juli 2008 in Höhe von monatlich 2.250,00 Euro zu zahlen. Die Klage wurde durch Urteil des Landgerichts Bonn vom 05.10.2011 insgesamt abgewiesen. Zur Begründung führte das Landgericht aus, es könne dahinstehen, ob der Kläger durch das Sturzereignis Verletzungen davongetragen habe, bzw. ob es zu einem Sturzereignis gekommen sei, da der Kläger nicht binnen der 15-Monatsfrist nach den Ziffern 2.1.1.1 und 2.2.1 AUB 2006 die erforderliche Feststellung der Invalidität eingeholt habe. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Urteil des Landgerichts Bonn vom 05.10.2011, Bl. ### ff. d.A., Bezug genommen. Die gegen dieses klageabweisende Urteil durch den Kläger eingelegte Berufung wurde vom Oberlandesgericht Köln durch Urteil vom 11.05.2012 zurückgewiesen. Zur Begründung führte das Oberlandesgericht aus, der Kläger habe keinen Anspruch auf Invaliditätsleistungen und Unfallrente mit Zusatzleistung, da die Invalidität nicht innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfall von einem Arzt schriftlich festgestellt worden sei. Auf das Urteil, Bl. ### ff. d.A., wird vollinhaltlich Bezug genommen. Die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde vom 11.05.2012 wurde durch den Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 08.05.2013 zurückgewiesen.
8Der Kläger behauptet, am 17.07.2008 einen häuslichen Unfall erlitten zu haben, indem er auf einer Betontreppe in seinem damaligen Haus in C ausgerutscht und hierbei mit dem Rücken auf die Betontreppe gefallen sei. Hierdurch sei bei ihm eine 100%ige Invalidität eingetreten. Der Beklagte habe nicht erkannt oder nicht beachtet, dass gegenüber der Unfallversicherung gemäß Ziffern 2.1.1.1 und 2.2.1 AUB 2006 die Invalidität innerhalb von fünfzehn Monaten nach dem Unfall von einem Arzt schriftlich festgestellt und bei der Versicherung geltend gemacht worden sein muss. Obgleich dem Beklagten bekannt gewesen sei, dass der Kläger nicht über eine entsprechende ärztliche Bescheinigung verfügte, habe der Beklagte den Kläger nicht darauf hingewiesen, dass die vorhandenen Bescheinigungen der Ärzte Dr. L und Dr. E nicht ausreichend seien und der Kläger diese binnen der unbedingt einzuhaltenden 15-monatigen Frist (Ausschlussfrist) hätte einreichen müssen. Insoweit ist unstreitig, dass die Ausschlussfrist am 17.10.2009 ablief. Der Kläger behauptet weiter, dass er sich, wenn der Beklagte ihn auf die Erforderlichkeit der Nachreichung einer ärztlichen Invaliditätsfeststellung innerhalb der Ausschlussfrist hingewiesen hätte, einem Arzt hätte vorstellen können. Dieser hätte dann auch eine Invalidität im Sinne der AUB 2006 festgestellt. Insbesondere hätte Herr Dr. B in diesem Fall für den Kläger sehr kurzfristig, notfalls über Nacht, das jetzt vorgelegte Gutachten nach vorheriger Untersuchung fertiggestellt, damit dieses noch bis spätestens zum 17.10.2009 bei der Versicherung eingegangen wäre. Die Versicherung hätte sodann erkannt, dass das von ihr zuvor eingeholte Gutachten des Dr. T unter erheblichen Fehlern und Widersprüchen leide und hätte dem Kläger die vertraglichen Invaliditätsleistungen erbracht. Selbst wenn es zu einem Gerichtsverfahren gekommen wäre, wäre ein Sachverständigengutachten eingeholt worden, das bei dem Kläger wie in dem Gutachten des Dr. B vom 08.03.2011, ein unfallbedingtes inkomplettes Querschnittssyndrom bestätigt hätte, das zu einem Invaliditätsgrad von 100 % in der privaten Unfallversicherung führe. Als vertragliche Leistungen hätte der Kläger dann eine einmalige Zusatzleistung in Höhe von 22.250,00 Euro erhalten (Klageantrag zu 1), als Invaliditätssumme 277.500,00 Euro (Klageantrag zu 2.), sowie eine monatliche Unfallrente ab dem 01.07.2008 in Höhe von 2.250,00 Euro (ausgerechnet bis zum 30.11.2013: 146.250,00 Euro = Klageantrag zu 3., sowie bis zum Lebensende: Klageantrag zu 4.). Außerdem wären weder die an Frau Rechtsanwältin I zu zahlenden Rechtsanwaltskosten noch die Kosten des Verfahrens vor dem Landgericht Bonn, Az. 9 O 114/11, in Höhe von insgesamt 27.746,29 Euro entstanden (siehe zur Berechnung im Einzelnen Bl. ## bis ## d.A.). Diese macht der Kläger aus abgetretenem Recht mit dem Klageantrag zu 5. geltend.
9Der Kläger beantragt,
101. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 22.500,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
112. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger weitere 277.500,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
123. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger eine Rente ab Juli 2008 bis November 2013 in Höhe von insgesamt 146.250,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
134. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ab dem 01.12.2013 jeweils monatlich im Voraus eine monatliche Rente in Höhe von 2.250,00 Euro bis zum Ende des Monats zu zahlen, in dem der Kläger stirbt;
145. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger weitere 27.746,29 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
15Der Beklagte beantragt,
16die Klage abzuweisen.
17Der Beklagte behauptet, er habe den Kläger sogleich darauf hingewiesen, dass dieser die angebliche Invalidität ärztlich schriftlich feststellen lassen müsse. Er habe den Kläger darüber belehrt, dass die Ausschlussfrist nach den einschlägigen Versicherungsbedingungen bereits am 17.10.2009 ablaufen werde und bis dahin zum einen eine ärztliche schriftliche Bestätigung der Invalidität und zum anderen auch eine förmliche Geltendmachung gegenüber der Versicherung erforderlich werden würde. Der Kläger habe dem Beklagte zu verstehen gegeben, dies bereits zu wissen. Der Beklagte ist der Ansicht, eines Hinweises habe es auch nicht bedurft, da der Kläger selbst Kenntnis von der Ausschlussfrist und der Notwendigkeit der Beibringung einer ärztlichen Invaliditätsfeststellung gehabt habe. Gleichwohl habe der Kläger keinerlei Anstrengungen unternommen, die ärztliche Bescheinigung zu beschaffen und den entsprechenden Hinweis des Beklagten ignoriert. Außerdem sei dem Kläger kein kausaler Schaden entstanden, da es tatsächlich keine traumatisch bedingten Schäden aufgrund des Ereignisses vom 17.07.2008 gebe. Die vorgelegte Stellungnahme des Herrn Dr. B sei unergiebig, da der Kläger sich dort erst zweieinhalb Jahre nach dem angeblichen Unfall vorgestellt habe. Die Anwalts- und Prozesskosten seien ohnehin nicht kausal auf eine unterstellte Pflichtverletzung des Beklagten zurückzuführen, weil ein nach Ablauf der Ausschlussfrist veranlasstes Klageverfahren von vornherein aussichtlos gewesen sei. Schließlich erhebt der Beklagte den Einwand der Verjährung. Der Kläger habe die Ausschlussfrist bereits im Jahr 2009 gekannt.
18Die Akte des Landgerichts Bonn, Az. 9 O 114/11 (= 20 U 221/11 OLG Köln), war beigezogen und wurde zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.
19Entscheidungsgründe:
20I.
21Die zulässige Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Schadensersatz gegen den Beklagten zu.
22Insbesondere besteht kein Anspruch gegen den Beklagten gemäß §§ 280 Abs. 1, 675, 611 BGB aus dem Anwaltsvertrag, da die Kammer nicht zu der Überzeugung gelangt ist, dass dem Kläger ein kausaler Schaden entstanden ist.
231. Zunächst bestehen schon Zweifel, ob der Beklagte eine ihm gegenüber dem Kläger obliegende Pflicht aus dem Mandatsverhältnis verletzt hat. Diesbezüglich liegt die Darlegungs- und Beweislast aus Seiten des Klägers. Zwischen dem Kläger und dem Beklagten bestand unstreitig ein Mandatsverhältnis. Gegenstand des Mandats war es, gegenüber der Unfallversicherung Invaliditätsleistungen, ggf. auch gerichtlich, durchzusetzen.
24Aus Sicht der Kammer verbleiben hier nach der persönlichen Anhörung der Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 06.11.2014 Zweifel daran, dass der Beklagte ihn nicht darauf hingewiesen hat, dass er ein Attest über die unfallbedingte Invalidität innerhalb der am 17.10.2009 ablaufenden Ausschlussfrist vorlegen müsse. Hätte er dies nicht getan, hätte der Beklagte seine Pflichten aus dem Anwaltsvertrag verletzt, da es zu den Grundpflichten des Anwalts gehört, den Mandanten über das Ergebnis der Prüfung der Sach- und Rechtslage zu belehren und ihm geeignete Wege für das weitere Vorgehen – vor allem den sichersten Weg – aufzuzeigen. Bei Missachtung der Ausschlussfrist waren die Ansprüche verloren, deshalb gehört die Sicherung gegen das Versäumen von Ausschlussfristen zu den Pflichten des Anwalts (Zugehör u.a., Handbuch der Anwaltshaftung, 3. Aufl. 2011, Rn. 539, Rn. 697; OLG Karlsruhe, NJW 2010, 1760). Der Beklagte behauptet hierzu, den Kläger bereits bei Mandatsübernahme (mündlich) auf die Ausschlussfrist hingewiesen zu haben. Auch habe er ihm mitgeteilt, dass die vorliegenden ärztlichen Bescheinigungen nicht ausreichen würden und der Kläger diese innerhalb der Frist, die am 17.10.2009 ablief, beschaffen müsse. Diese schriftsätzliche Behauptung hat der Beklagte im Rahmen seiner persönlichen Anhörung bestätigt. Dem Beklagten war insbesondere noch die aus seiner Sicht unerwartete Reaktion des Klägers auf diesen Hinweis in Erinnerung. Der Kläger habe nicht so reagiert, als wenn er hiervon nichts wisse, sondern mit „ja, ja.“ geantwortet.
25Aber selbst wenn der Beklagte den Kläger nicht über die Notwendigkeit der Beibringung einer ärztlichen Invaliditätsbescheinigung innerhalb der Ausschlussfrist und darüber, dass die vorhandenen Bescheinigungen nicht ausreichten, aufgeklärt hätte, läge keine Pflichtverletzung vor, wenn der Kläger nicht belehrungsbedürftig gewesen wäre. Der Rechtsanwalt muss zwar grundsätzlich von der Belehrungsbedürftigkeit des Mandanten ausgehen, weil dieser auf die Pflichterfüllung des Rechtsanwalts vertrauen darf. Den anwaltlichen Berater trifft aber keine weitere Beratungspflicht gegenüber seinem Mandanten, wenn diesem die Risiken bereits hinreichend deutlich geworden sind. Behauptet der Anwalt, eine Belehrung sei entbehrlich gewesen, weil der Mandant die Rechtslage gekannt habe, ist er hierfür darlegungs- und beweispflichtig (Zugehör, a.a.O, Rn. 621, unter Hinweis auf BGH NJW 1992, 1159, 1160; NJW 1993, 1320, 1322; BGH v 08.11.2007, IX ZR 100/05). Vorliegend trägt der Beklagte substantiiert zu einer Kenntnis des Beklagten von der Ausschlussfrist vor und belegt diese durch Bezugnahme auf die vom Kläger unstreitig verfassten Dokumente, wohingegen der Kläger selbst nur pauschal vorträgt, die Ausschlussfrist und das Nichtausreichen der vorhandenen Bescheinigungen nicht gekannt zu haben. Aus Sicht der Kammer folgt zunächst aus dem Schreiben der Unfallversicherung vom 18.08.2008, dass der Kläger über die Ausschlussfrist in Kenntnis gesetzt worden war. In diesem Schreiben heißt es: „Bitte beachten Sie hinsichtlich möglicher Invaliditätsansprüche, dass die Invalidität innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfall eingetreten, von einem Arzt schriftlich festgestellt und bei uns geltend gemacht sein soll. Bei Fristversäumnis sind mögliche Invaliditätsansprüche ausgeschlossen.“ Darüber hinaus hat der Kläger selbst jedenfalls zwei Schreiben an die Versicherung verfasst, aus denen sich ergibt, dass der Kläger die Ausschlussfrist und die Notwendigkeit eines innerhalb dieser Frist vorzulegenden ärztlichen Attests bezogen auf die unfallbedingte Invalidität kannte (Schreiben des Klägers an die Versicherung mit dem Titel „Invaliditätsfrist-Wahrung“ vom 15.07.2009, Anlage B 5, und Schreiben des Klägers an die Versicherung v. 10.09.2009, im Betreff: „Fristwahrung“). Dass der Kläger auch das Ablaufdatum der Frist kannte, ergibt sich aus seinem Schreiben an die Dr. L vom 15.09.2009 (Anlage B 8), in dem es wörtlich heißt: „Am 17.10.2009 läuft meine entscheidende Vertragsfrist mit der W Versicherung ab. Die entstandenen Folgeschäden sind massiv, somit werde ich gezwungen sein, Ihre Praxis in Regress nehmen zu müssen. Es bleibt einzig und allein Ihnen überlassen, hier klärend einzugreifen.“ Aus diesem Schreiben lässt sich auch mittelbar entnehmen, dass der Kläger wusste, dass seine bis dahin erlangten ärztlichen Befundberichte nicht ausreichten, um die Feststellung der Invalidität zu begründen. Denn er verlangte von den Ärztinnen L mit diesem Schreiben, hier klärend einzugreifen. Zudem hatte der Kläger mit Schreiben vom 15.07.2009 der Versicherung eine Bescheinigung des Heilpraktikers T (Bl. ### d.A.) sowie eine Bescheidung des Arztes E (Bl. ### d.A.) übersandt, und nach Vorlage dieser Bescheinigungen lehnte die Versicherung mit Schreiben vom 16.09.2009 die von dem Kläger begehrten Invaliditätsleistungen erneut ab. Damit war die Belehrungsbedürftigkeit des Klägers zumindest äußerst fraglich.
262. Die Frage der Pflichtverletzung kann letztlich jedoch offenbleiben. Denn die Kammer ist jedenfalls nicht davon überzeugt, dass dem Kläger durch eine etwaige Pflichtverletzung des Beklagten in Form der unterlassenen Belehrung über die Notwendigkeit eines weiteren, innerhalb der 15-Monatsfrist einzureichenden Attests, ein kausaler Schaden entstanden ist.
27Ein kausaler Schaden läge nur vor, wenn unter Wahrung der Ausschlussfrist die Invalidität aufgrund des Unfallereignisses ärztlich festgestellt worden wäre. Das setzt voraus, dass der Kläger bei entsprechendem – gegebenenfalls deutlicherem – Hinweis des Beklagten ein solches Attest vor Ablauf der 15 Monate, d.h. bis zum 17.10.2009 beigebracht hätte. Damit verblieb, wenn man auf die früheste Möglichkeit der Belehrung durch den Beklagten bei Mandatierung abstellt, weniger als ein Monat für den Kläger Zeit, um eine solche ärztliche Invaliditätsbescheinigung zu beschaffen. Hierzu behauptet der Kläger zwar, bei einem entsprechenden Hinweis hätte er sich einem Arzt vorstellen können. Dieser hätte dann auch eine Invalidität im Sinne der AUB 2006 festgestellt. Insbesondere hätte Herr Dr. B in diesem Fall für den Kläger sehr kurzfristig, notfalls über Nacht, das jetzt vorgelegte Gutachten nach vorheriger Untersuchung fertiggestellt, damit dieses noch bis spätestens zum 17.10.2009 bei der Versicherung eingegangen wäre.
28Die Kammer ist jedoch auch nach Anhörung des Klägers persönlich in der mündlichen Verhandlung vom 06.11.2014 nicht davon überzeugt, dass es dem Kläger gelungen wäre, bis zum 17.10.2009 eine ärztliche Bescheinigung einer unfallbedingten Invalidität einzuholen und rechtzeitig bei der Versicherung vorzulegen. Dagegen sprechen maßgeblich folgende Gesichtspunkte: Das durch die Unfallversicherung eingeholte fachchirurgische Gutachten des Dr. T vom 18.01.2009 geht nicht von einer unfallbedingten Invalidität aus. Das im Jahr 2011 eingeholte private Gutachten des Dr. B bescheinigt zwar ein „inkomplettes Querschnittssyndrom“, das durchaus unfallbedingt sein könne. Von der schriftsätzlichen Behauptung des Klägers, Dr. B hätte dann ein entsprechendes Gutachten früher erstattet, kann jedoch schon deshalb nicht ausgegangen werden, weil der Kläger Herrn Dr. B im September/Oktober 2009 noch nicht kannte. Der Kläger hat im Rahmen seiner persönlichen Anhörung angegeben, Herr Dr. B sei ihm bei Beauftragung von Frau Rechtsanwältin I empfohlen worden, mithin ca. ein Jahr nach Ablauf der Ausschlussfrist. Realistischer Weise hätte der Kläger ein Attest somit nur von den bereits behandelnden Ärzten anfordern können. Diese waren aber nach der vorgelegten Korrespondenz nicht gewillt oder aus ärztlicher Sicht nicht in der Lage, eine entsprechende Bestätigung abzugeben. Für Frau Dr. L ergibt sich dies ohne Weiteres aus dem Schreiben vom 15.09.2009 (Anlage B 8), in dem der Kläger von Frau Dr. L verlangt, hinsichtlich der Feststellung der Invalidität „klärend einzugreifen“. Gleichwohl erhielt er in der Folge keine ärztliche Bestätigung von Frau Dr. L bezogen auf eine unfallbedingte Invalidität. Eine Bescheinigung seines Bekannten, des Heil- und Chiropraktikers T stellte keine „ärztliche“ Bescheinigung dar. Im Übrigen hatte der Kläger eine solche Bescheinigung zusammen mit einer Bescheinigung des Arztes E bereits mit Schreiben vom 15.07.2009 der Versicherung vorgelegt, mit dem Ergebnis, dass diese Invaliditätsleistungen erneut ablehnten. In der ärztlichen Bescheinigung von Herrn E heißt es auch sehr deutlich: „Zur Klärung, ob es sich bei dem Schmerzsyndrom der LWS um eine eindeutige Verletzungsfolge handelt, ist eine CT-Untersuchung der LWS erforderlich, da der zeitliche Zusammenhang gegeben ist“. Herr E wollte also eine Aussage über die Unfallbedingtheit der Beschwerden des Klägers offensichtlich ohne weitere Diagnostik gerade nicht treffen. Aber auch nachdem der Kläger röntgenologisch untersucht worden war, stellte Herr E dem Kläger am 24.09.2009 eine Heilmittelverordnung aus, aus welcher sich zwar eine unfallbedingte Gesundheitsstörung ergab, jedoch nicht die begrifflich für eine Invalidität erforderliche Dauerhaftigkeit der Gesundheitsstörung.
29Schließlich ist ein weiteres Indiz gegen die Vorlage einer ärztlichen Invaliditätsbescheinigung innerhalb der Ausschlussfrist auch bei entsprechender Belehrung durch den Beklagten, dass dem Kläger das Erfordernis der Vorlage einer Invaliditätsbescheinigung bewusst war (siehe hierzu die unter 1. zitierten Schreiben sowie die Äußerungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung, Bl. ### oben d.A.) und er gleichwohl kein weiteres Attest vorgelegt hat.
30Im Ergebnis zeigt der Kläger damit nicht auf, von wem er innerhalb der verbleibenden kurzen Frist eine Invaliditätsbescheinigung erhalten hätte. Da die behandelnden Ärzte diese nicht ausstellen wollten und er nach eigener Aussage im Termin auch kein Geld für ein Gutachten ausgeben wollte, ist nicht dargelegt und auch sonst nicht ersichtlich, dass er eine entsprechende Bescheinigung beigebracht hätte.
31Sämtliche geltend gemachten Invaliditätsleistungen hätte der Kläger mangels ärztlicher Bestätigung der Invalidität innerhalb der Ausschlussfrist damit nicht erhalten, und ein geführter Rechtsstreit wäre auch nicht gewonnen worden.
32II.
33Mangels Hauptanspruchs besteht auch kein Anspruch auf die geltend gemachten Nebenforderungen (Zinsen).
34III.
35Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen hinsichtlich der Kosten auf § 91 ZPO und hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
36Streitwert: bis 550.000 Euro
37(22.500 Euro + 277.500 Euro + 146.250 + 75.600 Euro f. Feststellungsantrag, dreieinhalbfacher Jahresbetrag der beantragten Leistung minus 20 % wg. Feststellung) + 27.746,29 Euro)
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(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.