Landgericht Bochum Beschluss, 11. Feb. 2016 - IV StVK 32/15
Gericht
Tenor
Die Unterbringung dauert fort.
1
G r ü n d e :
2I.
3Das Landgericht Kleve hat mit Urteil vom 16.10.2000 gegen den Verurteilten eine Freiheitsstrafe von 5 Jahren verhängt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB angeordnet. Es wurde weiter bestimmt, dass 3 Jahre der Freiheitsstrafe vor der Maßregel zu vollstrecken sind.
4Nach den Feststellungen des Urteils ist der Verurteilte in problematischen Verhältnissen aufgewachsen. Die Ehe seiner Eltern war früh geschieden worden, er lebte überwiegend bei seiner Mutter, die Sozialhilfe erhielt, zeitweise aber auch bei seinem Vater oder in Heimen. Im Alter von 10 Jahren musste er mit ansehen, wie sein jüngerer Bruder im Eis einbrach und ertrank.
5Er besuchte die Sonderschule bis zur 9. Klasse, ohne einen Abschluss zu erreichen. Bereits im strafunmündigen Alter beging er zahlreiche Diebstähle. In der Folgezeit wurde er mehrfach, überwiegend wegen Diebstahls, aber auch wegen Körperverletzung, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und einmal wegen Vergewaltigung straffällig. Unter anderem musste er bis zum 27.10.1995 eine Jugendstrafe von 6 Monaten verbüßen.
6Am 16.08.1990 wurde er durch Urteil des Landgerichts Hagen wegen Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten und erstmals zur Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB verurteilt. Die Maßregel wurde vom 28.05.1991 bis zum 10.10.1994 vollzogen. Mit Beschluss vom 02.09.1994 wurde der Vorabvollzug der Strafe angeordnet, weil sich der Betroffene nicht an seiner Behandlung beteiligte. Nach der Entlassung aus dem Strafvollzug wurde die Maßregel aber dann nicht weiter vollstreckt, allerdings erst am 18.11.1999 durch das Landgericht Bielefeld zur Bewährung ausgesetzt. Aufgrund der dem vorliegenden Verfahren zu Grunde liegenden Tat wurde die Strafaussetzung am 10.07.2001 widerrufen.
7Nach den Urteilsfeststellungen im vorliegenden Verfahren hatte sich der Betroffene im April 2000 von seiner Lebensgefährtin getrennt und eine eigene Wohnung bezogen. Bereits einen Tag nach Einzug in diese Wohnung stieg er über das Dach in die Wohnung einer Nachbarin ein, nachdem er bemerkt hatte, dass diese allein lebte. Er bedrohte die Frau mit einem Messer und versuchte mehrfach, mit seinem Glied in ihre Vagina einzudringen, was ihm aufgrund von Erektionsstörungen nicht gelang. Schließlich verließ er die Wohnung.
8Das Landgericht stellte fest, dass er bei der Begehung dieser Tat aufgrund einer Borderline-Störung nur vermindert schuldfähig war und milderte die Strafe nach den Voraussetzungen des § 21 StGB. Da die Gesamtwürdigung des Betroffenen und seiner Tat ergab, dass von ihm infolge seines Zustandes weitere erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten waren und er deshalb für die Allgemeinheit als gefährlich einzustufen war, wurde seine Unterbringung gemäß § 63 StGB angeordnet, jedoch gleichzeitig bestimmt, dass vor der Maßregel drei Jahre der verhängten Freiheitsstrafe zu verbüßen sind.
9Nach entsprechender Vorabverbüßung eines Teils der Freiheitsstrafe wurde die angeordnete Maßregel seit dem 17.10.2003 zunächst in den Rheinischen Kliniken Langenfeld vollstreckt. Vom 29.09.2005 bis 04.12.2008 befand sich der Betroffene in der Klinik in Rheine. Am 04.12.2008 wurde er in das LWL-Zentrum Lippstadt-Eickelborn verlegt, am 04.02.2011 sodann in die LWL-Klinik Herne.
10Ein Antrag des Verurteilten, gem. § 67 Abs. 3 StGB anzuordnen, dass die Vollstreckung der Maßregel unterbrochen und die Restfreiheitsstrafe vollstreckt wird, wurde mit Beschluss der Strafvollstreckungskammer Bochum vom 10.01.2013 zurückgewiesen. Dieser Beschluss ist seit dem 12.03.2013 rechtskräftig.
11Ein Antrag des Verurteilten vom 24.03.2014, die Unterbringung gem. § 67 d Abs. 6 StGB für erledigt zu erklären, sowie der Antrag des Verurteilten vom 10.04.2014, die Vollstreckungsreihenfolge nachträglich zu ändern, wurden mit Beschluss der Strafvollstreckungskammer Bochum vom 10.04.2014 zurückgewiesen. Dieser Beschluss ist seit dem 13.06.2014 rechtskräftig.
12Nachdem die Fortdauer der Unterbringung zuletzt mit Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum vom 10.04.2014 angeordnet worden war, stand jetzt erneut die Überprüfung gemäß § 67e StGB an.
13Der Betroffene hatte Gelegenheit, sich im Rahmen einer mündlichen Anhörung am 16.04.2015 zu äußern. Er ist jedoch – wie auch bei früheren Anhörungsterminen - nicht erschienen. An dem Termin nahm sein Verteidiger Rechtsanwalt Dr. X aus Hamburg und der Sachverständige Prof. Dr. X aus X teil. Der Verteidiger hat beantragt, ein Gutachten zur Frage, ob die Voraussetzungen des § 20 StGB bei dem Verurteilten noch vorliegen und zu dessen Gefährlichkeit einzuholen. Nach Anhörung des Verurteilten zur Person des Gutachters hat dieser über seinen Verteidiger als Sachverständigen Prof. Dr. X aus X vorgeschlagen. Mit Beschluss vom 29.06.2015 hat die Kammer den Sachverständigen Prof. Dr. X gemäß §§ 463 Abs. 3 und 4 StPO beauftragt, ein Gutachten über den Verurteilten zur Vorbereitung der Prüfung, ob die Voraussetzungen der Maßregel (noch) vorliegen (§ 67 d Abs. 6 StGB). Darin sollte der Sachverständige insbesondere zu der Frage Stellung nehmen, ob bei dem Verurteilten (noch) eine Persönlichkeitsstörung vorliegt. Soweit diese Frage bejaht werden sollte, sollte der Sachverständige auch dazu Stellung nehmen, ob und ggfs. mit welcher Wahrscheinlichkeit von dem Verurteilten infolge seines Zustandes weiter erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind, welcher Art diese Taten wären und ob er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich sei.
14Am Nachmittag des 09.10.2015 begab sich der Sachverständige Prof. Dr. X in die X, um ein Explorationsgespräch mit dem Verurteilten zu führen. Obwohl ihm der Besuch durch das Sekretariat des Sachverständigen und über seinen Verteidiger angekündigt war, lehnte es der Verurteilte ab, mit dem Sachverständigen Prof. Dr. X zu sprechen, so dass der Sachverständige sein unter dem 26.10.2015 vorgelegtes Gutachten nur nach Aktenlage erstatten konnte.
15Der Betroffene hatte sodann Gelegenheit, sich im Rahmen einer mündlichen Anhörung am 11.02.2016 zu äußern. Er ist jedoch auch zu diesem Termin nicht erschienen. An dem Termin nahm sein Verteidiger Rechtsanwalt Dr. X aus X teil. Der Sachverständige Prof. Dr. X wurde zu seinem Gutachten vom 26.10.2015 und zur Gefährlichkeitsprognose des Verurteilten angehört.
16II.
17Unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände, der Entwicklung des Betroffenen im Überprüfungszeitraum, der Stellungnahme der X vom 09.02.2015 und dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. X kommt eine Aussetzung der Unterbringung auch heute nicht in Betracht.
18Nach der Darstellung der Klinik besteht bei dem Betroffenen weiterhin keine Bereitschaft zur Mitarbeit. Er verneine auch weiterhin das Anlassdelikt der Maßregel begangen zu haben. Er habe wiederholt geäußert, dass er sich selbst als „Longstay-Patient“ (d.h., ohne Entlassungsperspektive) ansehe, und den Wunsch geäußert, in eine andere entsprechend spezialisierte Einrichtung verlegt zu werden. Der Betroffene verbitte sich, von seinem Therapeuten angesprochen zu werden und lehne auch eine Teilnahme an der Sozio-Milieutherapie (Pflegerische Gruppen, Reflexionsgespräche mit der Bezugspflege etc.) ab. Er lasse sich auf oberflächliche Gespräche nur ein, solange diese ohne therapeutischen Ansatz und Inhalt blieben. In den Alltagskontakten zeige er sich weiterhin freundlich und formal angepasst, allerdings ohne dass es zum Aufbau tragfähiger Beziehungen komme. In pflegerischen Alltagskontakten sei festzustellen, dass er im Laufe der Zeit offener und zugänglicher geworden sei und nur noch unter extremer Anspannung zu cholerischen Interaktionen neige. Wegen seiner weiterhin nicht ausreichend bearbeiteten sexuellen Gewaltdelikte bestehe weiterhin ein 1:1 Kontaktverbot zu Frauen. Anfang 2014 sei aufgefallen, dass er zunehmend von bestimmten Mitpatienten aufgesucht worden sei, die sich augenscheinlich von ihm juristisch beraten ließen. In der Folgezeit habe sich eine Gruppe von Patienten gebildet, die auf das Personal feindselig und destruktiv gewirkt habe, und von anderen Mitpatienten, die nicht dazugehört hätten, als belastend für das Stationsklima geschildert worden sei. Der Betroffene sei daraufhin auf die Station 4 verlegt worden, wo er weiterhin ein Einzelzimmer bewohne. Im Mai 2014 habe er das Amt eines „Küchenarbeiters“ auf der neuen Station übernommen. Diesen Dienst versehe er täglich adäquat und gewissenhaft. Im weiteren Verlauf habe er auch an der Sport- und Arbeitstherapie teilgenommen, wobei er allerdings eine Beteiligung an der therapeutischen Reflexion auch in diesem Rahmen strikt ablehne.
19Die Behandlungsprognose sei unverändert ungünstig, da bei dem Verurteilten eine absolute Krankheitsuneinsichtigkeit bzw. eine ausgeprägt Ich-Syntonie bzgl. des eigenen Verhaltens und Non-Compliance gegenüber einer Behandlung bestehe. Er sehe sich weiterhin als Justizirrtum an. Eine Erfolg versprechende Behandlung sei auch im Überprüfungszeitraum nicht möglich gewesen. Seine Sozialprognose sei vor dem Hintergrund der langjährigen Aufenthalte in Justizvollzugsanstalten und Maßregelvollzugseinrichtungen, mit zwischenzeitlicher Arbeitslosigkeit und nur zeitweiser Tätigkeit als Maurer nach einer früheren Entlassung ebenfalls unverändert ungünstig. Zu seiner Mutter und anderen Verwandten bestehe lediglich telefonischer oder postalischer Kontakt, Besuche empfange er nicht. Ein irgendwie gearteter deliktpräventiv wirksamer sozialer Empfangsraum bestehe derzeit also in keiner Weise.
20Aufgrund des fehlenden Behandlungsfortschritts gehen die Ärzte unverändert von einer äußerst ungünstigen Kriminalprognose aus.
21Das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. X vom 26.10.2015 stützt die Einschätzung der behandelnden Ärzte. Auch der Sachverständige Prof. Dr. X kommt nach Auswertung der Akten zu dem Schluss, dass – nach den Vorgutachten und ohne direkte Untersuchung des Verurteilten – weiterhin von einer sehr hohen Rückfallwahrscheinlichkeit für sexuell-gewalttätige Straftaten ausgegangen werden muss, da es aufgrund der umfangreichen und verfestigten Verweigerungshaltung des Betroffenen nicht möglich gewesen sei, zu dem Ergebnis zu gelangen, dass die von den Vorgutachtern beschriebene Symptomatik bei dem Verurteilten nicht mehr bestehe, auch wenn aus der Stellungnahme der Klinik deutlich werde, dass die Impulsivität des Betroffenen nachgelassen habe. Der Sachverständige Prof. Dr. X hat seine Einschätzung im Rahmen der mündlichen Anhörung aufrechterhalten.
22Da der Betroffene die Teilnahme an der mündlichen Anhörung verweigert hat, konnte sich die Kammer keinen eigenen persönlichen Eindruck von ihm verschaffen.
23Seine schriftlichen Eingaben und Anträge geben keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung. Seine Beanstandungen im Hinblick auf die Stellungnahme der Klinik und des Sachverständigengutachtens greifen nicht durch. Da sich der Betroffene Gesprächen und Explorationen verweigert, müssen für die Einschätzung der Ärzte und Gutachter die äußeren Umstände, objektiven Gegebenheiten und die Aktenlage verwertet werden. Die dadurch gewonnenen Erkenntnisse, Folgerungen und Einschätzungen sind daher auch im Rahmen der gerichtlichen Entscheidungen verwertbar.
24Da nach den vorliegenden Erkenntnissen nach wie vor ein therapeutischer Prozess nicht begonnen hat, ist der Zustand unverändert. Das Ziel der Unterbringung ist bei weitem nicht erreicht, eine Reduzierung der Gefährlichkeit des Betroffenen kann unter keinem Gesichtspunkt festgestellt werden. Vor diesem Hintergrund sind weiterhin erhebliche Gewalttaten insbesondere gegenüber Frauen zu befürchten.
25Die Fortdauer der Unterbringung ist daher weiterhin geboten.
26Die Fortdauer der Unterbringung ist auch nicht unverhältnismäßig. Zwar übersteigt die Dauer des Maßregelvollzuges inzwischen deutlich die neben der Maßregel im Urteil verhängte Freiheitsstrafe von 5 Jahren. Angesichts der unveränderten Gefährlichkeit des Betroffenen und des Gewichts der zu erwartenden Gewalttaten überwiegt das Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit jedoch den Freiheitsanspruch des Betroffenen nach wie vor deutlich. Mildere Maßnahmen sind nicht geeignet, der Gefahr entgegenzuwirken, zumal der Betroffene auch in der Vergangenheit nicht durch den Vollzug von Strafe und Unterbringung und einer anschließende Aussetzung der Maßregel von weiteren Taten abgehalten werden konnte. Die dem vorliegenden Verfahren zu Grunde liegende Tat beging er nach vollzogener Unterbringung und Strafe letztlich nur wenige Monate nach dem Beschluss der Strafvollstreckungskammer Bielefeld vom 18.11.1999, mit dem der weitere Vollzug der durch das Urteil des Landgerichts Hagen vom 16.08.1990 angeordneten Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ausgesetzt worden war.
27Angesichts des bis heute fehlenden Behandlungserfolges kann die Wahrung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit nur durch die Fortdauer der Unterbringung erfolgen.
28Rechtsmittelbelehrung
29Sie können diesen Beschluss mit dem Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde anfechten.
30Die sofortige Beschwerde ist binnen einer Woche nach der Zustellung des Beschlusses schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle bei dem Gericht, das den Beschluss erlassen hat, einzulegen.
31Die sofortige Beschwerde ist nur dann rechtzeitig, wenn sie innerhalb der Frist bei Gericht eingegangen ist. Fällt das Ende der Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.
32Die schriftliche Rechtsmitteleinlegung muss in deutscher Sprache erfolgen.
33Wenn Sie sich nicht auf freiem Fuß befinden, können Sie innerhalb der Rechtsmittelfrist die sofortige Beschwerde auch zu Protokoll der Geschäftsstelle des Amtsgerichts geben, in dessen Bezirk die Anstalt liegt, in der Sie verwahrt werden.
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Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.
(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen.
(2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird. Bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren soll das Gericht bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Dieser Teil der Strafe ist so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach Absatz 5 Satz 1 möglich ist. Das Gericht soll ferner bestimmen, dass die Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn die verurteilte Person vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und zu erwarten ist, dass ihr Aufenthalt im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe beendet wird.
(3) Das Gericht kann eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 nachträglich treffen, ändern oder aufheben, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen. Eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 kann das Gericht auch nachträglich treffen. Hat es eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 getroffen, so hebt es diese auf, wenn eine Beendigung des Aufenthalts der verurteilten Person im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe nicht mehr zu erwarten ist.
(4) Wird die Maßregel ganz oder zum Teil vor der Strafe vollzogen, so wird die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind.
(5) Wird die Maßregel vor der Strafe oder vor einem Rest der Strafe vollzogen, so kann das Gericht die Vollstreckung des Strafrestes unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 zur Bewährung aussetzen, wenn die Hälfte der Strafe erledigt ist. Wird der Strafrest nicht ausgesetzt, so wird der Vollzug der Maßregel fortgesetzt; das Gericht kann jedoch den Vollzug der Strafe anordnen, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen.
(6) Das Gericht bestimmt, dass eine Anrechnung nach Absatz 4 auch auf eine verfahrensfremde Strafe erfolgt, wenn deren Vollzug für die verurteilte Person eine unbillige Härte wäre. Bei dieser Entscheidung sind insbesondere das Verhältnis der Dauer des bisherigen Freiheitsentzugs zur Dauer der verhängten Strafen, der erzielte Therapieerfolg und seine konkrete Gefährdung sowie das Verhalten der verurteilten Person im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen. Die Anrechnung ist in der Regel ausgeschlossen, wenn die der verfahrensfremden Strafe zugrunde liegende Tat nach der Anordnung der Maßregel begangen worden ist. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.
(1) Das Gericht kann jederzeit prüfen, ob die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung auszusetzen oder für erledigt zu erklären ist. Es muß dies vor Ablauf bestimmter Fristen prüfen.
(2) Die Fristen betragen bei der Unterbringung
in einer Entziehungsanstalt sechs Monate,
in einem psychiatrischen Krankenhaus ein Jahr,
in der Sicherungsverwahrung ein Jahr, nach dem Vollzug von zehn Jahren der Unterbringung neun Monate.
(3) Das Gericht kann die Fristen kürzen. Es kann im Rahmen der gesetzlichen Prüfungsfristen auch Fristen festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag auf Prüfung unzulässig ist.
(4) Die Fristen laufen vom Beginn der Unterbringung an. Lehnt das Gericht die Aussetzung oder Erledigungserklärung ab, so beginnen die Fristen mit der Entscheidung von neuem.
Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.
(1) Die Vorschriften über die Strafvollstreckung gelten für die Vollstreckung von Maßregeln der Besserung und Sicherung sinngemäß, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(2) § 453 gilt auch für die nach den §§ 68a bis 68d des Strafgesetzbuches zu treffenden Entscheidungen.
(3) § 454 Abs. 1, 3 und 4 gilt auch für die nach § 67c Abs. 1, § 67d Abs. 2 und 3, § 67e Abs. 3, den §§ 68e, 68f Abs. 2 und § 72 Abs. 3 des Strafgesetzbuches zu treffenden Entscheidungen. In den Fällen des § 68e des Strafgesetzbuches bedarf es einer mündlichen Anhörung des Verurteilten nicht. § 454 Abs. 2 findet in den Fällen des § 67d Absatz 2 und 3 und des § 72 Absatz 3 des Strafgesetzbuches unabhängig von den dort genannten Straftaten sowie bei Prüfung der Voraussetzungen des § 67c Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Strafgesetzbuches auch unabhängig davon, ob das Gericht eine Aussetzung erwägt, entsprechende Anwendung, soweit das Gericht über die Vollstreckung der Sicherungsverwahrung zu entscheiden hat; im Übrigen findet § 454 Abs. 2 bei den dort genannten Straftaten Anwendung. Zur Vorbereitung der Entscheidung nach § 67d Abs. 3 des Strafgesetzbuches sowie der nachfolgenden Entscheidungen nach § 67d Abs. 2 des Strafgesetzbuches hat das Gericht das Gutachten eines Sachverständigen namentlich zu der Frage einzuholen, ob von dem Verurteilten weiterhin erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind. Ist die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet worden, bestellt das Gericht dem Verurteilten, der keinen Verteidiger hat, rechtzeitig vor einer Entscheidung nach § 67c Absatz 1 des Strafgesetzbuches einen Verteidiger.
(4) Im Rahmen der Überprüfung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 des Strafgesetzbuches) nach § 67e des Strafgesetzbuches ist eine gutachterliche Stellungnahme der Maßregelvollzugseinrichtung einzuholen, in der der Verurteilte untergebracht ist. Das Gericht soll nach jeweils drei Jahren, ab einer Dauer der Unterbringung von sechs Jahren nach jeweils zwei Jahren vollzogener Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus das Gutachten eines Sachverständigen einholen. Der Sachverständige darf weder im Rahmen des Vollzugs der Unterbringung mit der Behandlung der untergebrachten Person befasst gewesen sein noch in dem psychiatrischen Krankenhaus arbeiten, in dem sich die untergebrachte Person befindet, noch soll er das letzte Gutachten bei einer vorangegangenen Überprüfung erstellt haben. Der Sachverständige, der für das erste Gutachten im Rahmen einer Überprüfung der Unterbringung herangezogen wird, soll auch nicht das Gutachten in dem Verfahren erstellt haben, in dem die Unterbringung oder deren späterer Vollzug angeordnet worden ist. Mit der Begutachtung sollen nur ärztliche oder psychologische Sachverständige beauftragt werden, die über forensisch-psychiatrische Sachkunde und Erfahrung verfügen. Dem Sachverständigen ist Einsicht in die Patientendaten des Krankenhauses über die untergebrachte Person zu gewähren. § 454 Abs. 2 gilt entsprechend. Der untergebrachten Person, die keinen Verteidiger hat, bestellt das Gericht für die Überprüfung der Unterbringung, bei der nach Satz 2 das Gutachten eines Sachverständigen eingeholt werden soll, einen Verteidiger.
(5) § 455 Abs. 1 ist nicht anzuwenden, wenn die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet ist. Ist die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet worden und verfällt der Verurteilte in Geisteskrankheit, so kann die Vollstreckung der Maßregel aufgeschoben werden. § 456 ist nicht anzuwenden, wenn die Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung angeordnet ist.
(6) § 462 gilt auch für die nach § 67 Absatz 3, 5 Satz 2 und Absatz 6, den §§ 67a und 67c Abs. 2, § 67d Abs. 5 und 6, den §§ 67g, 67h und 69a Abs. 7 sowie den §§ 70a und 70b des Strafgesetzbuches zu treffenden Entscheidungen. In den Fällen des § 67d Absatz 6 des Strafgesetzbuches ist der Verurteilte mündlich zu hören. Das Gericht erklärt die Anordnung von Maßnahmen nach § 67h Abs. 1 Satz 1 und 2 des Strafgesetzbuchs für sofort vollziehbar, wenn erhebliche rechtswidrige Taten des Verurteilten drohen.
(7) Für die Anwendung des § 462a Abs. 1 steht die Führungsaufsicht in den Fällen des § 67c Abs. 1, des § 67d Abs. 2 bis 6 und des § 68f des Strafgesetzbuches der Aussetzung eines Strafrestes gleich.
(8) Wird die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollstreckt, bestellt das Gericht dem Verurteilten, der keinen Verteidiger hat, für die Verfahren über die auf dem Gebiet der Vollstreckung zu treffenden gerichtlichen Entscheidungen einen Verteidiger. Die Bestellung hat rechtzeitig vor der ersten gerichtlichen Entscheidung zu erfolgen und gilt auch für jedes weitere Verfahren, solange die Bestellung nicht aufgehoben wird.