Landgericht Bielefeld Urteil, 02. Mai 2014 - 4 O 449/08
Gericht
Tenor
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin aufgrund der Ereignisse der zahnärztlichen und zahnprothetischen Behandlungen ab dem 22.05.2003 bis 2004 ein Schmerzensgeld in Höhe von 4.000,00 € zu zahlen, das mit 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank ab dem 16.09.2009 verzinst wird. Die Beklagte zu 1) wird darüber hinaus verurteilt, der Klägerin Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank auf das ausgeurteilte Schmerzensgeld in Höhe von 4.000,00 € bereits seit dem 12.12.2008 zu zahlen.
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin aufgrund der Ereignisse der zahnärztlichen und zahnprothetischen Behandlungen ab dem 22.05.2003 bis 2004 einen Betrag in Höhe von 3.987,32 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank ab dem 16.09.2009. Die Beklagte zu 1) wird darüber hinaus verurteilt, der Klägerin Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank auf den ausgeurteilten Betrag in Höhe von 3.987,22 € bereits seit dem 12.12.2008 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen weiteren materiellen und zukünftigen, derzeit aber nicht voraussehbaren immateriellen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die Ereignisse der zahnärztlichen und zahnprothetischen Behandlungen ab dem 22.05.2003 bis 2004 entstanden ist oder entstehen wird, soweit der Anspruch nicht auf einen Sozialversicherungsträger übergegangen ist oder noch übergeht.
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.275,68 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank ab dem 16.09.2009. Die Beklagte zu 1) wird darüber hinaus verurteilt, der Klägerin Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank auf den ausgeurteilten Betrag in Höhe von 1.275,68 € bereits seit dem 12.12.2008 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Gerichtskosten tragen die Klägerin zu 62% und die Beklagten zu 38%. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin und des Streithelfers tragen die Beklagten zu 38%. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten trägt die Klägerin zu 62%. Im übrigen tragen die Parteien und der Streithelfer ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Die Klägerin darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten. Die Beklagten dürfen die Vollstreckung des Streithelfers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Streithelfer vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand
2Die Parteien streiten um Schadensersatz aufgrund einer vermeintlichen zahnärztlichen Fehlbehandlung in der Praxis des Beklagten zu 2), in der die Beklagte zu 1) vom 30.11.2002 bis zum 31.12.2004 tätig war.
3Der Klägerin wurden am 09.12.2002 von ihrem Streithelfer – einem Zahnarzt und Facharzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie – sechs Implantate im Bereich der Zähne 14, 11, 21, 22, 24 und 26 inseriert. Die Beklagte zu 1) assistierte bei diesem Eingriff.
4Der Implantation vorausgegangen war ein am 14.10.2002 mit der Klägerin geführtes (Planungs-) Gespräch, nach dem der Oberkiefer mit einer teleskopierenden Modellgussprothese auf sechs Implantaten versorgt werden sollte. Von den Beklagten waren die Zähne 12, 11, 21, 22 und 23 für extraktionswürdig befunden worden, die daraufhin am 29.10.2002 von dem Streithelfer der Klägerin gezogen worden waren.
5Die Implantate selbst wurden danach am 13.03.2003 wiederum von dem Streithelfer der Klägerin freigelegt, der auch noch ihre eigenen Zähne 13 und 17 überkronte. Die Behandlung der Klägerin durch ihren Streithelfer war damit abgeschlossen, so dass deren weitere zahnärztliche Betreuung nunmehr durch die Beklagten erfolgte.
6Die Beklagte zu 1) setzte der Klägerin anschließend am 22.05.2003 die prothetische Versorgung ein, bei der es sich um einen festsitzenden Zahnersatz im Oberkiefer unter Einbindung der beiden eigenen Zähne 13 und 17 sowie der sechs Implantate handelte. Der Beklagte zu 2) berechnete der Klägerin für diese Arbeiten insgesamt 9.205,02 €.
7Bei einem Kontrolltermin am 15.10.2003 behandelte die Beklagte zu 1) anschließend eine an diesem Tag festgestellte Überempfindlichkeit an Zahn 17, die am 12.11.2003 noch eine weitere Behandlung erforderlich machte. Weitere Kontrolluntersuchungen erfolgten danach am 19.04. und 29.04.2004.
8Im weiteren Verlauf stellte sich die Klägerin zu weiteren Kontrollterminen und Zahnsteinentfernungen am 28.10.2004, am 28.02.2005, am 02.08.2005 sowie am 14.02.2006 in der Praxis des Beklagten zu 2) vor.
9Am 04.06.2006 musste die Klägerin schließlich mit akuten Beschwerden im Notdienst die Zahnärztin Dr. I. in C. aufsuchen. Die Untersuchung einschließlich einer Röntgenaufnahme sowie eines OPG ergab eine apikale Ostitis an Zahn 13, die daraufhin behandelt wurde.
10Etwa sieben Monate später – am 26.01.2007 – stellte sich die Klägerin nunmehr bei dem Zahnarzt Dr. V. in H. vor. Der – anschließend entfernte - Zahn 13 zeigte sich jetzt bei einer Sondierungstiefe von 7 mm tief zerstört mit einem deutlichen apikalen Entzündungsbefund und die Konstruktion auf den Implantaten der Zähne 14, 11, 21, 22, 24 und 26 imponierte durch eine fast vollständige Freilegung der Mesostruktur hauptsächlich im vestibulären Bereich, wobei die Gingiva um die Implantate hoch entzündet war. Dr. V. nahm bei der Klägerin deshalb die Kronenrekonstruktion ab und fertigte für die Kronen neue Langzeitprovisorien an. Im Juli und November 2007 erhielt die Klägerin schließlich die Provisorien.
11Die Klägerin wirft den Beklagten Behandlungs- und Aufklärungsfehler vor.
12Sie behauptet, sie habe nach der prothetischen Versorgung im März 2003 unter erheblichen Beschwerden und Schmerzen auch an den beiden überkronten Zähnen gelitten. Die Beklagte zu 1) habe ihr jedoch immer wieder versichert, dass alles in Ordnung sei. Selbst bei dem (Kontroll-) Termin am 29.04.2004 habe sie – die Klägerin – allerdings noch unter einer Überempfindlichkeit an Zahn 13 gelitten, woraus sich anschließend erhebliche Beschwerden und Schmerzen entwickelt hätten, die bis Pfingsten 2006 sehr stark geworden seien.
13Als Dr. V. die Kronenkonstruktion schließlich wieder abgenommen habe, seien die Schraubenköpfe, die die Mesostruktur auf den Implantaten befestigt hätten, teilweise bis zur Hälfte abgeschnitten bzw. abgeschliffen gewesen. Ein Austausch der Verbindungselemente sei deshalb nur sehr schwer möglich gewesen, was deren Neuanfertigung sowie ein Langzeitprovisorium für die Kronen erforderlich gemacht habe.
14Ihre Behandlung in der Praxis des Beklagten zu 2) sei vor diesem Hintergrund insgesamt fehlerhaft gewesen.
15Die Beklagte zu 1) habe nicht fachgerechte Änderungen und nicht gerechtfertigte Manipulationen an den Implantaten vorgenommen, was sich insbesondere daran zeige, dass die Schraubenköpfe der Implantate teilweise bis zur Hälfte abgeschliffen worden seien.
16Der unpassende Zahnersatz hätte zudem niemals in der gewählten Form auf die Implantate gesetzt werden dürfen. Die Beklagte zu 1) hätte für die Verbindung zwischen Implantaten und Suprakonstruktion vielmehr abgeknickte Abutments verwenden müssen und erst darauf den Zahnersatz bzw. die Prothetik eingliedern dürfen. Da die Abutments bei ihr – der Klägerin – jedoch auch nicht richtig gesessen hätten, habe die Prothese nicht hoch genug eingesetzt werden können, woraufhin die Beklagte zu 1) die deshalb bestehende Lücke zum Oberkiefer mit zahnfleischfarbigem Material ausgefüllt habe, was ebenfalls fehlerhaft gewesen sei.
17Der implantatgetragene Zahnersatz sei darüber hinaus viel zu starr gewesen und habe keine physiologische Bewegung zugelassen. Vor diesem Hintergrund habe der – eigene – Zahn 13 überhaupt nicht in die starre prothetische Versorgung einbezogen werden dürfen.
18Die Beklagte zu 1) habe daneben aber auch die gebotenen Röntgenuntersuchungen nicht durchgeführt und deshalb einen – anschließend erst von Dr. V. festgestellten – Fremdkörper an der Wurzel des Zahnes 14 nicht gesehen, der indes sofort hätte entfernt werden müssen.
19Vor der prothetischen Versorgung sei sie schließlich nicht ausreichend aufgeklärt worden. Die Beklagte zu 1) habe ihr zwar festsitzenden Zahnersatz mittels Implantaten vorgeschlagen und dabei dessen Vorteile, nicht aber die damit verbundenen Nachteile geschildert. Tatsächlich aber hätte sie von der Beklagten zu 1) (auch) darüber aufgeklärt werden müssen, dass sich der Zahnersatz auf einem Implantat nicht bewegen dürfe. Im Falle der demnach gebotenen Aufklärung über Nachteile und Risiken des implantatgetragenen Zahnersatzes hätte sie einem festsitzenden Zahnersatz mit Implantaten jedoch nicht zugestimmt. Sie hätte dann vielmehr die von ihrem Streithelfer vorgeschlagene Versorgung durchführen lassen, der von Anfang an keinen festsitzenden Zahnersatz habe durchführen wollen.
20Unter den Folgen der damit insgesamt fehlerhaften Behandlung in der Praxis des Beklagten zu 2) habe sie schließlich erheblich zu leiden. Die Implantate seien unbrauchbar und hätten erhebliche Veränderungen am Zahnhalteapparat sowie an den Zähnen 13 und 17 verursacht. Insgesamt sei deshalb nunmehr eine komplette Neuversorgung erforderlich geworden.
21Die Beklagten seien ihr demnach insgesamt zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von mindestens 20.000,00 € sowie zum Ersatz ihres materiellen Schadens in Höhe von insgesamt 4.000,26 € verpflichtet, der sich aus Fahrtkosten (216,60 €) und den bei Dr. V. angefallenen Behandlungskosten (3.783,66 €) zusammensetze.
22Der Streithelfer der Klägerin behauptet, sie - die Klägerin - habe das der Implantation vorausgegangene Planungsgespräch am 14.10.2002 mit den Beklagten geführt. Er selbst habe ein solches Gespräch schon deshalb gar nicht führen können, weil die Übernahme und Ausführung einer (späteren) Behandlung nur auf der Grundlage einer eigenen adäquaten Behandlung fachgerecht vorgenommen werden könne. (Auch) die folgende Extraktion der Zähne habe er demnach nur im Auftrag der Beklagten vorgenommen.
23Am 01.04.2003 habe die Klägerin dann abweichend von der vorherigen Planung mit den Beklagten ein Gespräch über die Möglichkeit einer Versorgung mit festsitzendem Zahnersatz auf sechs Implantaten und zwei eigenen Zähnen geführt, von denen er – der Streithelfer jedoch nichts erfahren habe.
24Die Klägerin und ihr Streithelfer beantragen,
251. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin aufgrund der Ereignisse der zahnärztlichen und zahnprothetischen Behandlungen ab dem 22.05.2003 bis 2004 ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, und das mit 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank ab dem 21.12.2007 verzinst wird;
262. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin aufgrund der Ereignisse der zahnärztlichen und zahnprothetischen Behandlungen ab dem 22.05.2003 bis 2004 einen Betrag in Höhe von 4.000,26 € zu zahlen nebst 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank ab Klagezustellung;
273. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin allen weiteren materiellen und zukünftigen immateriellen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die Ereignisse der zahnärztlichen und zahnprothetischen Behandlungen ab dem 22.05.2003 bis 2004 entstanden ist oder entstehen wird, soweit der Anspruch nicht auf einen anderen Sozialversicherungsträger übergegangen ist oder noch übergeht;
284. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 2.278,85 € zu zahlen nebst 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank ab Klagezustellung.
29Die Beklagten beantragen,
30die Klage abzuweisen.
31Die Beklagte zu 1) behauptet, die Implantatversorgung bei der Klägerin habe deren Streithelfer selbständig und in eigener Verantwortung durchgeführt. Sie selbst habe anschließend (nur) die Versorgung des Lückengebisses übernommen, nachdem der Streithelfer der Klägerin zunächst noch die vom Zahntechniker angefertigten bzw. angepassten Abutments aufgeschraubt und festgezogen habe. Veränderungen und Arbeiten an den Implantaten oder Abutments habe sie – die Beklagte zu 1) – demnach nicht vorgenommen.
32Den Zahnersatz selbst habe sie im März 2003 anschließend passend und fachgerecht eingegliedert. Die Klägerin habe sich (daher) auch bis zu ihrem – der Beklagten zu 1) – Ausscheiden aus der Praxis des Beklagten zu 2) am 31.12.2004 nicht mehr mit Schmerzen oder nennenswerten Beschwerden vorgestellt, die demnach frühestens Ende 2005 erstmals überhaupt aufgetreten sein könnten. Die Ursache der im Jahr 2006 diagnostizierten Ostitis an Zahn 13 könne dabei der schon im Oktober 2002 vorhandene, örtlich unmittelbar im Wurzelbereich des Zahnes 13 gelegene Fremdkörper gewesen sein. Die daneben festgestellte entzündliche Gingiva könne dann ihrerseits ohne weiteres auch auf einen Keimbefall oder schlechte Zahnpflege zurückzuführen sein.
33(Auch) bei dem Kontrolltermin nach der prothetischen Versorgung am 29.04.2004 sei die Klägerin demnach beschwerdefrei gewesen. Der bereits im Zeitpunkt der Implantatversorgung an der Wurzel des Zahnes 14 befindliche Fremdkörper sei damals ebenfalls unauffällig gewesen.
34Daneben sei aber auch der Vorwurf abgeschnittener bzw. abgeschliffener Schraubenköpfe nicht nachvollziehbar. Die Schraubenköpfe seien nach der Bissnahme durch den Zahntechniker angefertigt bzw. angepasst worden. Ein Beschleifen durch den Zahntechniker sei aber nicht zu beanstanden und völlig üblich, wobei diese Maßnahmen auch noch einzig und allein die Implantatversorgung beträfen, die sie – die Beklagte zu 1) – nicht vorgenommen habe.
35Vor der prothetischen Versorgung sei die Klägerin schließlich im März 2003 über die bestehenden Möglichkeiten der Versorgung mit Zahnersatz und insbesondere darüber aufgeklärt worden, dass für eine festsitzende Versorgung im Oberkiefer 8 Pfeiler erforderlich seien. Die Klägerin habe sich daraufhin für festsitzenden Zahnersatz unter Einbindung der beiden eigenen Zähne 13 und 17 sowie der 6 Implantate entschieden.
36Der Beklagte zu 2), der die Klägerin selbst nie behandelt hat, behauptet weiter, die Klägerin habe das Planungsgespräch vom 14.10.2002 mit ihrem Streithelfer geführt.
37Die Klägerin sei zudem während der gesamten Behandlung in seiner Praxis insgesamt beschwerdefrei gewesen und fachgerecht betreut worden. So sei etwa die Entfernung des Fremdkörpers an der Wurzel des Zahnes 14 ohne Befund nicht indiziert gewesen. Die Schraubenköpfe könnten ferner – wenn überhaupt – nur bei der Entfernung des festsitzenden Zahnersatzes durch Dr. V. zerstört bzw. beschädigt worden sein.
38Vor ihrer Versorgung sei die Klägerin schließlich über die Risiken, Vor- und Nachteile der durchgeführten Behandlungen sowie über Behandlungsalternativen aufgeklärt worden.
39Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Dr. Q. sowie durch dessen mündliche Anhörung. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten vom 30.08.2011 (Bl. 125ff d.A.) sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 28.02.2014 (Bl. 255ff d.A.) Bezug genommen.
40Entscheidungsgründe
41Die Klage ist (nur) zum Teil begründet, wobei es für die Entscheidung nicht auf den Schriftsatz der Klägerin vom 27.02.2014 ankommt.
42I.
43Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 4.000,00 € aus den §§ 280 I, 278, 421, 253 II BGB und den §§ 823 I, 831, 840, 253 II BGB.
44Die Beklagte zu 1) hat in der Zeit vom 22.05.2003 bis zum 31.12.2004 die zahnärztliche Behandlung der Klägerin übernommen. Die Beklagten haben deshalb für die Schäden einzustehen, die ihr – der Klägerin – in diesem Zeitraum widerrechtlich durch einen Verstoß gegen die Regeln der zahnärztlichen Heilkunde zugefügt worden sind.
45Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist die Klägerin von der Beklagten zu 1) nicht fachgerecht behandelt worden.
46Der Sachverständige hat festgestellt, dass an den Implantaten 11, 21, 22, 24 und 25 die Schraubenköpfe beim Präparieren der Abutments angeschliffen worden seien. Diese Maßnahme sei möglicherweise jedoch vom zuständigen Dentallabor beim Präparieren der Abutments vorgenommen worden, da nach entsprechender Erstellung der Zahnfleischmaske vom zuständigen Zahntechniker nach vorliegender Bissnahme entschieden werde, welche Kronenabutments (gerade, abgeknickt) genommen werden müssten, um eine entsprechende prothetische Versorgung unter funktionellen und ästhetischen Gesichtspunkten herstellen zu können.
47Bei der Klägerin liege eine progrene Verzahnungstendenz vor. Das heiße, die Unterkieferfrontzähne lägen mit ihrer Schneidekante vor den Oberkieferfrontzähnen. Somit kämen die vom zahntechnischen Labor der Beklagten zu 1) gewählten Abutments hinter den Unterkieferfront- und Seitenzähnen zu liegen, was nicht einer physiologischen Verzahnung entspreche.
48Aus den vorliegenden Unterlagen sei nicht ersichtlich, ob abgeknickte Abutments vom Zahntechniker gewählt worden seien oder nicht. Wenn rein hypothetisch doch abgeknickte Abutments gewählt worden wären, wären diese Abutments eindeutig vom Zahntechniker von der Lippenseite her (vestibulär) zu weit beschliffen und damit die Schraubenköpfe gleichzeitig angeschliffen worden. Auch wenn damals vom zahntechnischen Labor der Beklagten zu 1) gerade Abutments gewählt worden seien, seien diese zu weit vestibulär angeschliffen, so dass die Schraubenköpfe angeschliffen worden seien. Es entspreche nicht dem zahnmedizinischen Standard, dass ein Schraubenkopf so stark angeschliffen worden sei, dass die Schraube selbst unter Einsatz verschiedener Schraubenzieher nicht mehr zu entfernen sei.
49Insgesamt seien daher mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit (über ca. 98 Prozent) die Abutments und die Schraubenköpfe vom zahntechnischen Laboratorium entweder aufgrund einer falschen Bissnahme von den Beklagten oder aufgrund einer falschen Einartikulierung vom Dentallabor so weit abgeschliffen worden, dass letztendlich die Schraubenköpfe angeschliffen und insbesondere der Schraubenkopf an 21 derart beschädigt worden sei, dass er sich nur noch sehr schwer entfernen lasse.
50Die Abutments hätten (deshalb) entfernt werden müsse, was zwangsläufig dazu geführt habe, dass schon unter diesem Gesichtspunkt eine Neuanfertigung erforderlich gewesen sei. Die vorhandene Konstruktion hätte nicht weiter verwandt werden können.
51Zum Zeitpunkt der klinischen gutachterlichen Untersuchung sei die streitgegenständliche Brücke im Oberkiefer nicht mehr eingegliedert gewesen. Die in Folie eingeschweißte streitgegenständliche Brücke sei von Dr. V. im Jahre 2007 an sechs Stellen aufgetrennt und in drei Segmente unterteilt worden und in keinster Weise mehr verwendbar. Soweit eine Beurteilung nur von einer reinen Fotodokumentation möglich sei, könne festgehalten werden, dass die streitgegenständliche Oberkieferbrücke zumindest nach funktionellen Gesichtspunkten weitestgehend funktionsgerecht auf den Implantaten von der Beklagten zu 1) eingegliedert worden zu sein scheine. Allerdings zeige die Fotodokumentation auch deutlich, dass die Brücke ästhetischen Ansprüchen nicht gerecht werde.
52Ob der Zahnersatz insbesondere ausschließlich nur auf abgeknickten Abutments auf den Implantaten hätte eingliedert werden dürfen, sei aufgrund der fehlenden klinischen Untersuchungsmöglichkeit nicht zu beantworten.
53Ob die Prothese zu hoch eingesetzt worden sei, könne aufgrund der fehlenden klinischen Untersuchungsmöglichkeiten und den obigen Ausführungen ebenfalls in keinster Weise mehr gutachterlicherseits beurteilt werden. Auf einem Foto erkenne man allerdings leicht eingefärbte rosafarbene Keramik. Diese zahntechnischen Maßnahmen seien jedoch durchaus üblich, um zum Beispiel bei entsprechend hoher Lachlinie den Zahnfleischverlauf zu simulieren. Diese Vorgehensweise sei auf keinen Fall fehlerhaft und werde von vielen Zahntechnikern, insbesondere bei fortgeschrittener dreidimensionaler Alveolarfortsatzatrophie und gleichzeitig hoher Lachlinie angewendet, um das ästhetische Erscheinungsbild der Restaurationen zu verbessern.
54Der Beklagte zu 2) habe hier entsprechend seinem Rechnungsbeleg vom 22.05.2003 über 9.205,02 € entsprechend den Vorgaben der inserierten Implantate von Dr. D. in regio 14, 11, 21, 22, 24 und 25 im rechten Seitenzahnsegment (14 – 17) und Frontzahnsegment (13 – 23) eine Verbundbrückenkonstruktion gewählt. Dass heißt, hier seien eigene Zähne 17 und 13 mit Implantaten in einer Konstruktion verbunden worden.
55Bei diesem sog. implantologischen Konzept der strategischen Pfeilervermehrung von Zähnen mittels Implantaten sei es von Bedeutung, dass strategisch gleichwertige Pfeiler miteinander verbunden würden. Implantatkörper seien, wenn sie osseointegriert seien, ankylotisch eingeheilt, dass heiße, sie hätten keinen – auch nicht im Millimeterbereich – Auslenkungswinkel und seien starr im Knochen verankert. Dagegen seien generell Zähne immer mit elastischen Fasern im Knochen aufgehängt, so dass selbst bei parodontal absolut gesunden Zähnen eine elastische Dämpfung und Auslenkung des Zahnes bei Einwirkung von Kaudruck passiere. Ankylotisch/osseointegrierte Implantate hätten diese Erscheinung jedoch nicht. Wenn also Zähne in eine Verbundbrückenkonstruktion mit Implantaten einbezogen werden sollten, sei darauf zu achten, dass die betreffenden Zähne keine parodontale Vorschädigung hätten, ansonsten wäre die Auslenkung bei diesen Zähnen entsprechend noch größer, so dass die im Verbund mit einbezogenen Implantate eine noch größere Stützungsfunktion und damit höhere Beanspruchung für diese Zähne hätten.
56Bei Betrachtung des OPGs vom 09.12.2002 erkenne man hier bereits am Zahn 17 mesial einen vertikalen Knocheneinbruch mit ca. 5 mm und distal von ca. 3 mm. Auch der Zahn 13 habe einen deutlich erweiterten Parodontalspalt. Insofern wäre es von der chirurgisch/prothetischen Planung besser gewesen, wenn der parodontal geschwächte Zahn 17 mit dem pathologisch veränderten PA-Spalt Zahn 13 in eine zusammenhängende Brückenkonstruktion gebracht worden wäre. Das Implantat 14 wäre dann in regio 12 gekommen und es hätte auf 6 Implantaten von regio 12 bis regio 25 eine auf gleichwertigen Implantatpfeilern verbundene Brückenkonstruktion angefertigt werden können. Dazu hätte vom Behandlerteam Dr. Dr. D. und den Beklagten eine entsprechende Aufklärung erfolgen müssen, dass diese auf einem parodontal geschädigten und mit einem PA-Spalt erweiterten Zahn versorgte Brücke nicht die gleichen Langzeiterfolge haben würde wie eine reine Implantatbrücke auf osseointegrierten Implantaten.
57Alternativ wäre bei der Planung vom Behandlerteam auch zu überlegen gewesen, ob vor Implantation die beiden mit pathologisch unterschiedlichem Ausmaß veränderten Zähne 13 und 17 extrahiert worden wären und gleichzeitig bei der Implantation durch Implantate ersetzt worden wären. Somit wäre eine rein implantatgetragene Brücke auf acht Implantaten und damit gleichwertigen Pfeilern möglich gewesen. Allerdings hätte diese Konstruktion aufgrund zweier zusätzlich zu inserierender und prothetisch zu versorgender Implantate deutlich mehr Kosten verursacht, worüber der Patient mit Hilfe von Kostenplänen natürlich hätte aufgeklärt werden müssen.
58Hier sei vom Behandlerteam Dr. Dr. D. und den Beklagten ein „alternativer Plan C“ gewählt worden. Dass heiße, es sei hier in regio 14 von Dr. Dr. D. ein Ankylos-Implantat gesetzt worden, um den parodontal geschwächten Zahn 17 mithilfe einer Verbundbrückenkonstruktion zu stützen. Das gleiche gelte für die Implantate in regio 22, 21, 11, diese Implantate sollten den PA-Spalt erweiterten Eckzahn 13 stützen und stabilisieren. Wenn möglicherweise auf Kostenersparnisgründen nach entsprechender Aufklärung so eine risikoreichere Planung gewählt werde, sei natürlich der Patient entsprechend aufzuklären, insbesondere über möglicherweise kurz- und mittelfristig anfallende Reparaturen an derartigen Verbundbrückenkonstruktionen.
59Laut Rechnung vom 22.05.2003 über 9.205,02 € sei am 22.05.2003 die streitgegenständliche Brücke eingesetzt worden.
60Am 06.12.2007 sei aus der Praxis Dres. M., V.. L. und I. zu erkennen, dass am 04.06.2006, also drei Jahre nach Eingliederung, der Zahn 13 aufgrund einer apikalen Ostitis im Notdienst bei Frau Dr. I. habe behandelt werden müssen. Das entsprechende am 13.04.2006 gemachte Röntgenbild zeige eine Sekundärkaries unter der Krone mit einer apikalen Ostitis. Daraufhin sei korrekterweise von Frau Dr. I. eine Wurzelbehandlung angefangen worden. Auf dem Kleinröntgenbild vom 16.05.2007 sei sogar zu erkennen, dass die klinische Zahnkrone von 13 nicht mehr vorhanden sei, so dass hier die Indikation für eine Extraktion mit weiter bestehender apikaler Ostitis eindeutig gegeben sei.
61Desweiteren sei von Dr. V. mit Schriftsatz vom 15.01.2008 an die Prozessbevollmächtigte der Klägerin festgehalten worden, dass an dem Zahn 17 zum Zeitpunkt der Erstuntersuchung am 26.01.2007 in der Praxis Dr. V. bereits ein Sondierungsbefund von ca. 7 mm nachweisbar gewesen sei. Korrekterweise sei von Dr. V. der Zahn 13 entfernt worden. Auch bezüglich des Zahnes 17 sei die Prognose zum Erhalt desselben mehr als fragwürdig.
62Abschließend müsse zur Beantwortung des Fragenkomplexes festgehalten werden, dass unter dem Aspekt einer langfristig optimalen Versorgung die geschwächten Pfeilerzähne 17 und 13 nicht in die Implantatversorgung hätten einbezogen werden dürfen. Die hier gewählte Lösung sei daher nur dann medizinisch vertretbar, wenn der Patient vorher über die zeitliche Limitierung dieser Lösung vom Arzt aufgeklärt worden sei. Die Zähne 13 und 17 als strategische Pfeiler seien eben nicht gleichwertig mit den eingebrachten Implantaten gewesen. Angesichts des Umstandes, dass die Zähne 13 und 17 parodontal vorgeschädigt gewesen seien, seien sie in keinster Weise vergleichbar gewesen mit Implantaten als Pfeiler. Es sei dabei auch Aufgabe des Hauszahnarztes gewesen, die Behandlungsalternativen mitzuteilen und die Lösung zu entwickeln.
63Bei der hier gewählten prothetischen Versorgung sei zudem erforderlich gewesen, dass die parodontale Schädigung der Zähne 13 und 17 (weiter) behandelt werde. Es sei nicht zu erkennen, dass diese Behandlung in dem erforderlichen und notwendigen Umfang durchgeführt worden sei. Eine bloße Zahnsteinentfernung reiche dafür jedenfalls nicht aus.
64Die Erhebung von Röntgenbefunden mit OPG vom 14.10.2002, 09.12.2002, 13.12.2002 und 19.04.2004 sei suffizient und ausreichend für eine präimplantologische/prothetische Neuversorgung.
65Die Beklagten hätten mit dem Eintrag vom 19.04.2004 „OPG-Kontrolle der Implantate 1 Jahr nach Eingliederung des ZE, Fremdkörper distal der Wurzel des Implantates regio 14 unverändert vorhanden, ohne Befund, kein Behandlungsbedarf, Patient beschwerdefrei“ zu erkennen gegeben, dass sie den Fremdkörper (möglicherweise Amalgamrest) auch in den vorherigen Bildern erkannt hätten. Röntgenologisch sei auf allen vier oben erwähnten OPGs kein pathologischer Befund um diesen Fremdkörper herum zu erkennen.
66Natürlich hätte bei Implantatinsertion in der entsprechenden regio der Fremdkörper mit entfernt werden können. Jedoch wäre dann weiteres Knochenersatzmaterial und eine entsprechende Membran notwendig gewesen, um den entstandenen Knochendefekt nach Entfernung des Fremdkörpers wiederum aufzufüllen. Wenn ein Fremdkörper unter ständiger röntgenologischer Beobachtung keinerlei Veränderungen zeige, wie im vorliegenden Fall, sei es nicht unbedingt behandlungsfehlerhaft, denselbigen nicht zu entfernen. Trotzdem wäre es aufgrund der unmittelbaren Nähe zu Implantat 14 medizinisch sinnvoll gewesen, diesen während der Implantatinsertion auszufräsen und zeitgleich aufzufüllen. Somit wäre dann auch die mögliche zukünftige Gefahr einer späteren Infektion des Fremdkörpers mit Überschreiten auf das Implantat nicht mehr vorhanden gewesen.
67Das behandlungsfehlerhafte Verhalten der Beklagten sei hier demnach darin zu sehen, dass die Beklagten das höhere Risiko durch die damit verbundene Reparatur- und Wiederherstellungskosten bei Einbeziehung der parodontal schlechten Zähne 13 und 17 für die Klägerin nicht genügend herausgearbeitet hätten.
68Die Implantate seien bei der gutachterlichen Befundung am 29.03.2011 laut OPG-Röntgenbefund im Knochen gut verankert gewesen. Sie könnten weiter verwendet werden. Der Zahn 13 sei korrekterweise von Dr. V. entfernt worden. Der Zahn 17 müsse bei weiter bestehender Knochentasche von ca. 7 mm kurz- bis mittelfristig entfernt werden.
69Bezüglich der Neuversorgung sei auszuführen, dass das von Dr. V. gewählte Langzeitprovisorium von 21 – 26 und 11 – 17 mit Trennung in der Mitte medizinisch notwendig geworden sei nach korrekter Extraktion des Zahnes 13. Die voraussichtlichen Gesamtkosten von ca. 3.770,72 € seien für den nunmehr dreijährigen Sitz des Langzeitprovisoriums angemessen und gerechtfertigt. Bei der definitiven Neuversorgung müssten zwei weitere Implantate in regio 13 und 15/16 bei gleichzeitiger Entfernung des Fremdkörpers inseriert werden.
70Naturgemäß träten schließlich nach einer chirurgischen Operation Schmerzen auf, die hier aber nicht in einem außergewöhnlichen Umfang aufgetreten seien.
71Die Kammer folgt den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen, an dessen Sachkunde nicht zu zweifeln ist. Dr. Q. hat seinem Gutachten alle vorhandenen Krankenunterlagen einschließlich der Ergebnisse bildgebender Untersuchungsverfahren sowie die Befunde einer eigenen Untersuchung der Klägerin zugrunde gelegt, die er am 29.03.2011 durchgeführt hat. Aus den damit vollständig ermittelten Befund- und Anknüpfungstatsachen hat unter verständiger Darlegung der zahnmedizinischen Vorgaben in jeder Hinsicht nachvollziehbare und widerspruchsfreie Schlussfolgerungen gezogen.
72Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme kann die Klägerin ihren Schmerzensgeldanspruch demnach auf Behandlungsfehler der Beklagten zu 1) stützen.
73Die Abutments sind - unabhängig davon, ob es sich um gerade oder ungerade Abutments handelt – zu stark angeschliffen worden. Der Grund dafür liegt entweder in einer falschen Bissnahme durch die Beklagte zu 1) oder in einer nachfolgend falschen Einartikulierung durch das Dentallabor. Folge dieses Fehlers ist, dass nunmehr eine Neuanfertigung der Prothetik erforderlich ist.
74Die Beklagte zu 1) hat hier für die fehlerhaften Abutments auch dann einzustehen, wenn sie Folge einer fehlerhaften Einartikulierung durch das Dentallabor sind. Auch im Falle mangelhafter zahntechnischer Leistungen haftet allein der Zahnarzt dem Patienten auf Schadensersatz (vgl. Heidemann, Haftpflichtrecht für Zahnärzte, S. 109/110), so dass sich Schadensersatzansprüche der Klägerin unabhängig davon gegen die Beklagten richten, ob die Ursache für die zu stark angeschliffenen Abutments von ihnen oder später vom Dentallabor gesetzt worden ist.
75Weiter fehlerhaft war die Einbeziehung der vorgeschädigten Zähne 13 und 17 in die Brückenkonstruktion. Das damit verbundene erhöhte Risiko für kurz- und mittelfristig anfallende Reparaturen (an der Brücke) hat sich anschließend verwirklicht, als der Zahn 13 wegen einer apikalen Ostitis extrahiert werden musste. Die von den Beklagten gewählte Versorgung hat daher nicht dem fachzahnärztlichen Standard für eine langfristige Versorgung entsprochen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme war sie allenfalls dann eine medizinisch noch vertretbare Lösung, wenn der Patient vorher über die zeitliche Limitierung dieser Lösung aufgeklärt worden ist. Ein solche Aufklärung aber haben die Beklagten nicht dargelegt.
76Die Beklagten haben sich zunächst auf die bloße und ohne jede Substanz vorgetragene Behauptung beschränkt, die Klägerin sei „umfassend aufgeklärt“ worden, soweit diese Aufklärung nicht ohnehin durch den Streitverkündeten zu leisten gewesen sei bzw. geleistet worden ist. In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte zu 1) dann dargestellt, dass sie davon ausgehe, mit der Klägerin besprochen zu haben, dass in die Behandlung einkalkuliert worden sei, dass die eigenen Zähne eher gehen als die Implantate. Selbst eine solche Erläuterung genügt den bestehenden Anforderungen indes nicht. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme war es vielmehr schon aus medizinischen Gründen erforderlich, der Klägerin eindrücklich vor Augen zu führen, dass die eigenen Zähne als strategische Pfeiler in keinster Weise mit Implantaten zu vergleichen seien und deshalb eine Prothese möglicherweise nur zwei Jahre halten werde. Eine solche Aufklärung aber ergibt sich weder aus der Dokumentation der Beklagten noch aus der Erklärung der Beklagten zu 1), man habe pauschal kalkuliert, dass die eigenen Zähne eher gehen würden.
77Es entlastet die Beklagten dabei auch nicht, dass sie von einer Aufklärung durch den Streithelfer Dr. Dr. D. ausgegangen sein mögen. Auch hilft es der Beklagten zu 1) nicht, dass sie erst ab dem 30.11.2002 in der Praxis des Beklagten zu 2) beschäftigt war.
78Die Übernahme der Aufklärungspflicht durch einen anderen Arzt entlastet den behandelnden Arzt (noch) nicht von der auf einem Aufklärungsversäumnis beruhenden Haftung. Zwar kann die Haftung des Behandlers mangels Verschulden entfallen, wenn er – ohne, dass dieser Irrtum auf Fahrlässigkeit beruht – eine Einwilligung des Patienten angenommen hat. Das aber ist nur der Fall, wenn der nicht selbst aufklärende Arzt durch geeignete organisatorische Maßnahmen und Kontrollen sichergestellt hat, dass eine ordnungsgemäße Aufklärung durch den damit betrauten Arzt gewährleistet ist. An die Kontrollpflicht des behandelnden Arztes, der einem anderen Arzt die Aufklärung überlässt, sind dabei strenge Anforderungen zu stellen. In einem Arzthaftungsprozess muss er deshalb darlegen, ob er sich etwa in einem Gespräch mit dem Patienten über dessen ordnungsgemäße Aufklärung und/oder durch einen Blick in die Krankenakte vom Vorhandensein einer von Patient und aufklärendem Arzt unterzeichneten Einverständniserklärung vergewissert hat, dass eine für einen medizinischen Laien verständliche Aufklärung erfolgt ist (vgl. BGH, Urteil vom 07.11.2006, VI ZR 206/05). Diese Voraussetzungen aber haben die Beklagten mit ihrem bloßen Verweis auf eine etwaig durch den Streithelfer erfolgte Aufklärung ebenfalls nicht dargelegt.
79Folge der dargestellten Behandlungsfehler ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zunächst die Notwendigkeit einer Versorgung mit einem Langzeitprovisorium sowie anschließend eine definitive Neuversorgung.
80Bei dieser Sachlage kann die Klägerin von den Beklagten ein Schmerzensgeld in Höhe von 4.000,00 € beanspruchen.
81Der Bemessung dieses Betrages hat die Kammer zugrunde gelegt, dass die Klägerin im Jahr 2007 mit einem Langzeitprovisorium versorgt werden musste, wobei sie indes nach den Feststellungen des Sachverständigen keine außergewöhnlichen Schmerzen erlitten hat. Weiter abzugelten sind zudem die mit der Neuversorgung verbundenen Beeinträchtigungen (vgl. OLG Oldenburg, Urteil vom 17.02.2010 – 5 U 156/09: 4.000,00 € für Behandlungsfehler beim Einsatz von Zahnimplantaten mit der Folge von Kieferknochenrückbildung und späterer Implantatentfernung mit allen damit verbundenen erneuten Beeinträchtigungen).
82II.
83Aufgrund der festgestellten Behandlungsfehler kommt es nicht mehr darauf an, ob und inwieweit die Beklagten der Klägerin auch aufgrund eines (weitergehenden) Aufklärungsversäumnisses zum Schadensersatz verpflichtet sind. Etwaig daraus resultierende Ansprüche der Klägerin gehen jedenfalls nicht über die Ansprüche hinaus, die ihr bereits wegen der fehlerhaft durchgeführten Behandlung zustehen.
84III.
85Neben einem Schmerzensgeld kann die Klägerin weiter den Ersatz ihres materiellen Schadens in Höhe von insgesamt 3.987,32 € verlangen.
86Die Beklagten sind der Klägerin – wie ausgeführt – dem Grunde nach zum Ersatz aller aus den Fehlbehandlung entstandenen Schäden verpflichtet. Dazu zählen zunächst die für die Nachbehandlung bisher allein bezifferten und nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme angemessenen Kosten für das Langzeitprovisorium in Höhe von 3.770,72 € (vgl. den von Dr. V. erstellten Heil- und Kostenplan vom 21.06.2007).
87Die Klägerin kann weiter den Ersatz der Fahrtkosten verlangen, die ihr aufgrund der notwendigen Nachbehandlung entstanden sind. Der Höhe nach bemisst die Kammer diese Kosten auf Grundlage der Aufstellung der Klägerin nach § 287 ZPO auf die geltend gemachten 216,60 €.
88IV.
89Die Klägerin kann weiter die Feststellung verlangen, dass ihr die Beklagten als Gesamtschuldner zum Ersatz sämtlicher materiellen und derzeit nicht voraussehbaren immateriellen Schäden verpflichtet sind, die ihr aus der fehlerhaften Behandlung zukünftig noch entstehen werden.
90Es steht zu erwarten, dass der Klägerin etwa aufgrund der zusätzlich erforderlichen Behandlungen noch weitere materielle Schäden entstehen oder bereits entstanden sind. Auch ist ohne weiteres denkbar, dass ihr in Zukunft noch immaterielle Schäden entstehen, die – weil sie derzeit noch nicht voraussehbar sind – bei der Bemessung des Schmerzensgeldes nicht berücksichtigt werden konnten. Aufgrund des Grundsatzes der Einheitlichkeit des Schmerzensgeldes waren zukünftige voraussehbare immaterielle Schäden der Klägerin demgegenüber schon in die Bemessung des ausgeurteilten Schmerzensgeldes einzustellen, so dass sie nun nicht mehr zusätzlich in den Feststellungstenor aufgenommen werden können.
91V.
92Die Klägerin kann aus den §§ 280 I, 278, 421 BGB und den §§ 823 I, 831, 840 BGB schließlich noch den Ersatz ihrer nicht anrechenbaren außergerichtlichen Anwaltskosten verlangen, die Teil ihres materiellen Schadens sind. Bei einem Schmerzensgeldanspruch in Höhe von 4.000,00 €, einem Anspruch auf materiellen Schadensersatz in Höhe von 3.987,32 € sowie einem überwiegend begründeten Feststellungsantrag belaufen sie sich bei einem dann anzunehmenden Gesamtwert von 10.500,00 € der Höhe nach auf insgesamt 1.275,68 €, wobei allein eine 2,0 Geschäftsgebühr (noch) billigem Ermessen nach § 14 I 4 RVG entspricht:
932,0 Geschäftsgebühr, §§ 2, 13, 14, VV Nr. 2300 RVG 1.052,00 €
94Auslagenpauschale, VV Nr. 7002 RVG 20,00 €
951.072,00 €
9619% MwSt., VV Nr. 7008 RVG 203,68 €
971.275,68 €
98Die Klägerin kann dabei die Zahlung ihrer außergerichtlichen Anwaltskosten auch dann verlangen, wenn sie selbst ihre Prozessbevollmächtige noch nicht bezahlt hat. Da die Beklagten jedes Schadensersatzverlangen zurückgewiesen haben, ist die Klägerin selbst in diesem Fall nicht auf einen (bloßen) Freistellungsanspruch zu verweisen (vgl. OLG Hamm, MMR 2013, 171).
99VI.
100Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 291, 288 BGB, da die Klägerin einen weitergehenden Anlageschaden nicht schlüssig dargelegt hat.
101Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 I, 101, 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
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(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.
(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.
Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 und des § 289 Satz 1 finden entsprechende Anwendung.
(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.
(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.
(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.
(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.