Landgericht Bielefeld Urteil, 15. Juni 2016 - 22 S 39/16
Gericht
Tenor
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
1
Gründe:
2I.
3Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.
4II.
5Die Berufung des Klägers ist zulässig und begründet. Die zulässige Berufung der Beklagten ist dagegen unbegründet.
61.
7Die Klage ist zulässig. Der Kläger hat ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten. Er begehrt die Feststellung des Bestehens eines Leistungsanspruchs gegen die Beklagte aus § 1 Satz 1 VVG und damit das Bestehen eines Rechtsverhältnisses im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO. Ist in den Versicherungsbedingungen vorgesehen, dass zur Schadenshöhe ein Sachverständigenverfahren beantragt werden kann, kann einer auf Feststellung der Eintrittspflicht gerichteten Klage nicht die Möglichkeit einer Leistungsklage entgegen gehalten werden (Zöller-Greger, ZPO, 31. Aufl., § 256, Rz. 7a m.w.N.). Das ist vorliegend in Ziffer 15 der Hausratversicherungsbedingungen der Beklagten der Fall.
82.
9Die Feststellungsklage ist begründet, weil die Beklagte dem Kläger für den Vorfall vom 23.02.2015 gemäß § 1 Satz 1 VVG i.V.m. Ziffer 2 der Hausratversicherungsbedingungen Versicherungsschutz zu gewähren hat.
10a)
11Die Beklagte schuldet u.a. Entschädigung für versicherte Sachen, die durch Rauch und Ruß zerstört oder beschädigt werden (Ziffern 2.1, 2.1.7). Entgegen der Auffassung der Beklagten enthält Ziffer 2.5 keine Einschränkung des Versicherungsschutzes dahingehend, dass Rauch oder Ruß auf eine Fehlfunktion einer Verbrennungseinrichtung oder Feuerstelle innerhalb der Versicherungsräume zurückzuführen sein müssen. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs auszulegen. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine Interessen an. In erster Linie ist vom Wortlaut der Klausel auszugehen. Der mit ihr verfolgte Zweck und ihr Sinnzusammenhang sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (BGH, Urt. v. 22.01.2014 – IV ZR 344/12 – Rz. 16, zitiert nach juris). Die Verwendung des Begriffs „ebenfalls“ deutet auf eine Erweiterung, nicht aber auf eine Einschränkung des Versicherungsschutzes hin. Aber auch der Vergleich mit den in den anderen Ziffern verwendeten Formulierungen macht deutlich, dass hier nicht ein Begriff definiert werden soll wie z.B. in Ziffern 2.2.1 und 2.4.1. Im Falle einer Einschränkung heißt es in Ziffer 2.4.1 etwa: „eine Explosion eines Behälters … liegt nur vor, wenn…“. Ähnliche Formulierungen werden z.B. in Ziffer 2.3 verwendet.
12Die Schäden sind durch Rauch und Ruß im Sinne von Ziffer 2.1.7 verursacht worden. Laut Duden ist Ruß eine „schwarze, schmierige Substanz aus Kohlenstoff, die bei unvollkommener Verbrennung organischer Substanzen entsteht“. Rauch wird als „von brennenden Stoffen aufsteigendes Gewölk aus Gasen“ definiert. Im vorliegenden Fall ist das vom Kläger in den Topf gefüllte Wasser verdampft und das Fleisch verschmort. Mit dem Dampf ist Fett ausgetreten, das als Schmierfilm auf Einrichtungsgegenständen und Textilien zurückgeblieben ist. Unter Berücksichtigung der vorgenannten Auslegungskriterien handelt es sich gleichwohl um einen Schaden durch Rauch und Ruß. Maßgeblich ist nicht die exakte physikalische Definition; vielmehr erfasst die Klausel nach dem Verständnis des durchschnittlichen Versicherungsnehmers auch solche Schäden, die durch den Qualm verursacht werden, der entsteht, wenn Essen in einem Topf „anbrennt“.
13b)
14Es bedarf nicht der Feststellung, welche konkreten Gegenstände beschädigt worden sind. Dass versicherte Sachen im Sinne von Ziffer 7 der Hausratversicherungsbedingungen beschädigt worden sind, ergibt sich schon aus der Stellungnahme des von der Beklagten beauftragten Sachverständigen.
15c)
16Eine Kürzung des Anspruchs nach § 81 Abs. 2 VVG kommt unstreitig nicht in Betracht, weil nach dem Versicherungsvertrag auch für den grob fahrlässig herbeigeführten Versicherungsfall Versicherungsschutz gewährt wird.
17III.
18Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO.
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Annotations
(1) Anstelle von Tatbestand und Entscheidungsgründen enthält das Urteil
- 1.
die Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen, - 2.
eine kurze Begründung für die Abänderung, Aufhebung oder Bestätigung der angefochtenen Entscheidung.
Der Versicherer verpflichtet sich mit dem Versicherungsvertrag, ein bestimmtes Risiko des Versicherungsnehmers oder eines Dritten durch eine Leistung abzusichern, die er bei Eintritt des vereinbarten Versicherungsfalles zu erbringen hat. Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, an den Versicherer die vereinbarte Zahlung (Prämie) zu leisten.
(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.
(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.
Der Versicherer verpflichtet sich mit dem Versicherungsvertrag, ein bestimmtes Risiko des Versicherungsnehmers oder eines Dritten durch eine Leistung abzusichern, die er bei Eintritt des vereinbarten Versicherungsfalles zu erbringen hat. Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, an den Versicherer die vereinbarte Zahlung (Prämie) zu leisten.
(1) Der Versicherer ist nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich den Versicherungsfall herbeiführt.
(2) Führt der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall grob fahrlässig herbei, ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.