Landgericht Aachen Urteil, 03. Feb. 2016 - 9 O 285/15
Gericht
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 1.902,74 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.10.2015 zu zahlen.
Die Beklagte wird ferner verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 2.630,17 € zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 70% und die Beklagte zu 30%.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
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Tatbestand
2Im Jahr 2003 schloss die Klägerin bei der Beklagten unter der Vertragsnummer ####### nach dem sog. Policenmodell eine fondsgebundene Rentenversicherung mit Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (BUZ) ab; Beginn der Versicherung war am 01.10.2003. Der von der Klägerin zu zahlenden Monatsbeitrag betrug zum Vertragsbeginn 128,09 € und setzte sich zusammen aus einem tariflichen Monatsbeitrag in Höhe von 141,00 € abzüglich einer Überschussbeteiligung in Höhe von 12,91 €. Prämien, die nicht zur Deckung von Abschlusskosten, Verwaltungskosten und Risikokosten benutzt wurden, wurden in den von der Klägerin gewählten Fonds einbezahlt.
3Am 23.10.2003 erhielt die Klägerin von der Beklagten den Versicherungsschein, die Versicherungsbedingungen, das Policenbegleitschreiben sowie die Verbraucherinformationen.
4Im Policenbegleitschreiben vom 10.10.2003 findet sich auf der ersten Seite unter „Wichtige Hinweise“ unter der dritten von insgesamt sechs Überschriften die folgende, sich – einzig – durch Kursivdruck vom übrigen Text unterscheidende Belehrung (wie Muster BLD 8 = Bl. 133 GA):
5„Widerspruchsrecht
6Wie Ihnen bereits aufgrund unseres Hinweises im Versicherungsantrag bekannt ist, können Sie innerhalb von 14 Tagen nach Erhalt des Versicherungsscheins dem Versicherungsvertrag widersprechen. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs. Genaue Angaben über Beginn und Ablauf der Frist enthält Ziffer 5 der beigefügten „Verbraucherinformation zu Ihrer fondsgebundenen Rentenversicherung nach Tarif #####“.“.
7Die Klägerin zahlte Prämien in Höhe von insgesamt 20.582,94 €, wobei es zu einem Beitragsrückstand in Höhe von 229,07 € kam.
8Mit anwaltlichem Schreiben vom 26.02.2014 erklärte die Klägerin gegenüber der Beklagten den Widerspruch gemäß § 5a VVG a.F. und forderte sie zur Rückzahlung der eingezahlten Prämien zuzüglich der Kosten und Zinsen auf. Dies wies die Beklagte mit Schreiben vom 07.03.2014 zurück, woraufhin die Klägerin ihre Forderung mit anwaltlichem Schreiben vom 15.03.2014 wiederholte und hilfsweise die Kündigung des Versicherungsvertrages erklärte. Die Beklagte akzeptierte die Kündigung und zahlte an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 13.643,83 € aus. Ferner führte sie Kapitalertragssteuern nebst Solidaritätsbeitrag in Höhe von insgesamt 565,71 € für die Klägerin ab. Mit anwaltlichem Schreiben vom 09.10.2014 forderte die Klägerin die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 29.10.2014 zur Zahlung eines Restbetrages in Höhe von 14.232,73 € auf. Dem kam die Beklagte nicht nach.
9Die Klägerin behauptet, die Beklagte habe auf der Grundlage der eingezahlten Prämien Nutzungen in Höhe von insgesamt 7.293,62 € gezogen. Sie ist der Ansicht, nicht ordnungsgemäß über ihr Widerspruchsrecht belehrt worden zu sein, überdies sei § 5 a VVG europarechtswidrig. Schließlich stehe ihr aufgrund der fehlerhaften Widerspruchsbelehrung hinsichtlich der Rechtsanwaltskosten ein Schadensersatzanspruch zu.
10Die Klägerin beantragt,
111. die Beklagte zu verurteilen, an sie den Betrag von 6.939,11 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten aus dem Betrag von 128,09 € monatlich vom 10.03.2003 bis zum 01.11.2004, aus dem Betrag von 134,49 € monatlich vom 01.10.2004 bis zum 01.09.2005,, aus dem Betrag von 141,21 € monatlich vom 01.10.2005 bis zum 01.09.2006, aus 148,27 € monatlich seit dem 01.10.2006 bis zum 01.09.2007, aus 155,68 € monatlich vom 01.10.2007 bis zum 01.09.2008, aus 163,46 € monatlich seit dem 01.10.2008 bis zum 01.09.2009, aus 171,63 € monatlich seit dem 01.10.2009 bis zum 01.09.2010, aus 180,21 € monatlich seit dem 01.10.2010 bis zum 01.09.2011, aus 189,92 € monatlich seit dem 01.10.2011 bis zum 01.09.2012, aus 198,68 € monatlich seit dem 01.10.2012 bis zum 01.09.2013 und aus 208,61 € monatlich vom 01.10.2013 bis zum 01.03.2014 zu zahlen sowie
122. die Beklagte zu verurteilen, an sie 7.293,62 € zu zahlen;
133. hilfsweise,
14die Beklagte zu verurteilen, durch Vorlage von nachvollziehbaren Urkundenauskunft zu erteilen,
15a) mit welchen Abschlusskosten sie den Zeitwert der beiden Verträge nach § 176 Abs. 3 VVG a.F. und
16b) mit welchem Abzug sie den Auszahlungsbetrag nach § 174 VVG a.F. belastet hat,
17c) welche Höhe der nach der Kündigung der Verträge ausgezahlte Betrag ohne Berücksichtigung der Stornokosten hatte.
18d) Sollte sich nach den zu Ziffern a-c erteilten Auskünften ein Differenzbetrag zwischen dem so ermittelten und dem tatsächlich ausgezahlten Rückkaufswert zu Gunsten der Klägerin ergeben, die Beklagte zu verurteilen, diesen Betrag nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.10.2015 zu zahlen.
194. vorsorglich, dem EuGH im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens folgende Rechtsfrage vorzulegen:
20„Ist Art. 31 der Richtlinie 92/96 EWG des Rates vom 10.11.1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Dritte Richtlinie Lebensversicherung) Abl. Nr. L vom 09.12.1992, S. 1 dahingehend auszulegen, dass er einer Regelung - wie § 5a VVG in der Fassung des Dritten Gesetzes zur Durchführung versicherungsrechtlicher Richtlinien des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 21.07.1994 - entgegensteht, nach der ein Versicherungsvertrag auf der Grundlage des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformationen als abgeschlossen gilt, wenn der Versicherer dem Versicherungsnehmer bei Antragstellung die Versicherungsbedingungen nicht übergeben oder Verbraucherinformation unterlassen hat, und der Versicherungsnehmer nicht innerhalb einer Frist von 14 Tagen widersprochen hat?“
21Hilfsweise, für den Fall, dass das Gericht der nach Meinung der Klägerpartei notwendigen Auslegung des von § 5a VVG a.F. auf der Grundlage des Gemeinschaftsrechts nicht anschließt, beantragt sie, das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 234 EG das Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH zu folgenden Fragen einzuleiten:
22a. Verlangen Art. 31 und Anhang II.A der Richtlinie 92/96/EWG des Rates vom 10.11.1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) sowie zur Änderung der Richtlinie 79/267 60/EWG und 90/619/EWG (Dritte Lebensversicherung) (ABl. EG L 360 vom 09.12.1992, S. 1 ff.) bzw. Art. 36 Abs. 1 und Anhang III.A. der Richtlinie 2002/83/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 05.11.2002 über Lebensversicherungen (ABl. EG L 345/1 vom 19.12.2002, S. 1 ff.), dass der Versicherungsnehmer vor Abgabe seiner Willenserklärung die vorgeschriebenen vorvertraglichen Informationen vom Versicherer erhält?
23b. Falls die erste Frage zu bejahen ist: Verstößt eine nationale Regelung, derzufolge die unterlassene Übermittlung der vorvertraglichen Informationen lediglich durch ein Widerrufsrecht des Versicherungsnehmers inszeniert wird, gegen die genannten Vorschriften des Unionsrechts und gegen die vom EuGH in der Rechtssache Heininger (Rs C-481/99, Slg. 2001, I-9945) aufgestellten Grundsätze sowie gegen den Grundsatz der „wirksam, verhältnismäßigen und abschreckenden Sanktionierung“(Art. 4 Abs. 3 EUV) und das Gebot des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 1 S. 3 EUV, Art. 47 S. 1 EuGRCh), wenn der Versicherungsnehmer einen Monat nach Zahlung der ersten Prämie das Widerrufsrecht verliert, obwohl er niemals die vorgeschriebene Information erhalten hat und insbesondere nicht über sein Widerrufsrecht gemäß Art. 31 und Anhang II.Aa.13 der Richtlinie 92/96/EWG bzw. 36 Abs. 1 und Anhang III.A.13 der Richtlinie 2002/83/EG belehrt worden ist?
24c. Für den Fall, dass die ersten beiden Fragen zu bejahen sind: Muss nach dem Unionsrecht eine nationale Regelung, derzufolge das Widerrufsrecht des Versicherungsnehmers trotz unterlassener Übermittlung der Informationen und trotz unterlassener Belehrung über sein Widerrufsrecht ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie nicht, und angewendet bleiben?
25d. Verstößt eine nationale Regelung, derzufolge die unterlassene Übermittlung der vorvertraglichen Informationen lediglich durch ein Widerrufsrecht des Versicherungsnehmers inszeniert wird, gegen Art. 31 und Anhang II.A. der Richtlinie 92/96/EWG des Rates vom 10.11.1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) sowie zur Änderung der Richtlinie 79/267 60/EWG und 90/619/EWG (Dritte Lebensversicherung) (ABl. EG L 360 vom 09.12.1992, S. 1 ff.) bzw. Art. 36 Abs. 1 und Anhang III.A. der Richtlinie 2002/83/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 05.11.2002 über Lebensversicherungen (ABl. EG L 345/1 vom 19.12.2002, S. 1 ff.) und gegen die vom EuGH in der Rechtssache Heininger (Rs C-481/99, Slg. 2001, I-9945) aufgestellten Grundsätze sowie gegen den Grundsatz der „wirksam, verhältnismäßigen und abschreckenden Sanktionierung“(Art. 4 Abs. 3 EUV) und das Gebot des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 1 S. 3 EUV, Art. 47 S. 1 EuGRCh), wenn der Versicherungsnehmer sein Widerrufsrecht verliert, weil er aufgrund fehlender Widerrufsbelehrung den Vertrag nicht widerrufen, sondern gekündigt hat?
265. ferner, die Beklagte zu verurteilen, an sie die außergerichtlich angefallene Geschäftsgebühr gemäß §§ 13, 14, Nr. 2300 VV RVG i.H.v. 1.005,55 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 30.10.2014 zu zahlen.
27Die Beklagte beantragt,
28die Klage abzuweisen.
29Sie behauptet, dass von den eingezahlten Prämien ein Betrag in Höhe von 5.121,42 € auf die BUZ und ein solcher in Höhe von 166,77 € auf den Risikobeitrag entfalle. Im Übrigen ist sie der Ansicht, dass die Klägerin ihr Widerspruchsrecht jedenfalls verwirkt habe.
30Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach-und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.
31Entscheidungsgründe
32Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
33I.
341.
35Der Klägerin steht gegen die Beklagte auf der Grundlage von § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt BGB ein Anspruch auf Rückzahlung von Prämien in Höhe von 1.902,74 € zu (Klageantrag zu 1).
36a) Die Klägerin hat die von der Beklagten erlangten Versicherungsprämien rechtsgrundlos geleistet, denn sie hat dem Vertragsschluss wirksam widersprochen.
37aa) Der mit Schreiben vom 26.02.2014 erklärte Widerspruch war nicht verfristet.
38(1) Gemäß § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. betrug die Widerspruchsfrist 14 Tage, ihr Lauf begann gemäß § 5a Abs. 2 VVG a.F. u.a. erst dann, wenn der Versicherungsnehmer bei Aushändigung des Versicherungsscheins schriftlich in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht, den Fristbeginn und die Dauer belehrt worden ist.
39An einer solchen – drucktechnisch deutlich hervorgehobenen – Belehrung fehlt es vorliegend.
40Der erforderlichen Deutlichkeit der Widerspruchsbelehrung steht nicht entgegen, dass sie sich im Policenbegleitschreiben findet. Jedoch hebt sich ihre drucktechnische Gestaltung nicht hinreichend von dem übrigen Text ab (vgl. i.E. wie hier: BGH, Urteil vom 10.06.2015 - IV ZR 272/13). Dieser enthält insgesamt sechs Überschriften mit dazugehörigen mehrzeiligen Ausführungen. Sämtliche Überschriften sind in Fettdruck und die jeweiligen Ausführungen durchgängig in derselben Schriftgröße gehalten. Einzig der Kursivdruck unterscheidet die hier fragliche Widerspruchsbelehrung vom übrigen Text. Gerade aber weil sich die Belehrung inmitten desselben befindet, kann sie leicht überlesen werden – anders beispielsweise, als in den Fällen, in denen sie, ggf. sogar vollständig in Fettdruck gehalten, den Abschluss der Ausführungen bildet.
41Gemessen an Vorstehendem genügt die in den Verbraucherinformationen enthaltene Widerspruchsbelehrung (BLD 12 = Bl. 241 GA) den Anforderungen erst recht nicht.
42(2) Eine Verfristung des Widerspruchs folgt auch nicht aus § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG.
43Zwar bestimmte § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F., dass das Widerspruchsrecht ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt. Das Widerspruchsrecht bestand hier aber nach Ablauf der Jahresfrist und noch im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung fort. Die Regelung muss nämlich richtlinienkonform teleologisch dergestalt reduziert werden, dass sie im Anwendungsbereich der Zweiten und der Dritten Richtlinie Lebensversicherung keine Anwendung findet und für davon erfasste Lebens- und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbesteht, wenn der Versicherungsnehmer - wie hier - nicht ordnungsgemäß über das Recht zum Widerspruch belehrt worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 29.07.2015 - IV ZR 384/14 m. w. N.).
44bb) Schließlich hat die Klägerin das Widerspruchsrecht auch nicht verwirkt.
45Ein schutzwürdiges Vertrauen kann die Beklagte schon deshalb nicht in Anspruch nehmen, weil sie die Situation selbst herbeigeführt hat, indem sie der Klägerin keine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung erteilte (vgl. BGH, a.a.O.).
46b) Der der Klägerin zustehende Rückgewähranspruch umfasst der Höhe nach nicht uneingeschränkt alle gezahlten Prämien. Es ist vielmehr der von der Klägerin faktisch genossene Versicherungsschutz in Ansatz zu bringen, der unter Berücksichtigung der Prämienkalkulation der Beklagten – darunter insbesondere des Risikoanteils - bemessen werden kann (vgl. BGH, a.a.O.). Dies ergibt einen Betrag in Höhe von 1.902,74 €.
47Als Gesamtbetrag der eingezahlten Prämien ist von dem von der Klägerin in ihrer Klageschrift genannten Betrag in Höhe von 20.582,94 € auszugehen. Die Beklagte gibt die Höhe zwar mit 21.623,82 € an (Schreiben vom 14.12.2015, dort Seite 3 = Bl. 233 GA), jedoch bestimmt die Klägerin, die sich hierzu nicht geäußert hat, die Höchstgrenze ihrer Klageforderung.
48Die Beklagte behauptet, dass von den eingezahlten Prämien ein Teilbetrag in Höhe von 5.121,42 € auf die BUZ und ein solcher in Höhe von 166,77 € auf den Risikobeitrag entfallen seien. Von diesen Werten kann jedoch nicht ausgegangen werden. Die Klägerin bestreitet dieses Vorbringen und in Ermangelung näherer Angaben der Beklagten, welche Tatsachen ihrer Berechnung zugrundeliegen, war auch die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht angezeigt; die Einholung einer Auskunft der BaFin ist Sache der darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten.
49Der von der Klägerin in Anspruch genommene Versicherungsschutz kann daher lediglich im Wege der Schätzung gemäß § 287 Abs. 1 ZPO ermittelt werden. Als Grundlage der Schätzung sieht die Kammer mangels Anknüpfungstatsachen einen Betrag von einem Euro pro Versicherungsmonat als angemessen an. Abzuziehen ist bei einer Versicherungszeit von 125 Monaten somit ein Betrag in Höhe von 125,00 EUR. (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 21.04.2015 - 4 U 731/14).
50Ebenfalls in Ansatz zu bringen ist der auf die BUZ entfallene Anteil, der gleichfalls gemäß § 287 Abs. 1 ZPO zu schätzen war, wobei die Kammer von einem Wert in Höhe von 20% der Prämien, mithin einem Betrag in Höhe von 4.116,59 € ausgeht.
51Überdies bestand unstreitig ein Beitragsrückstand der Klägerin in Höhe von insgesamt 229,07 €. Einen Betrag in Höhe von 565,71 € hat die Beklagte als Kapitalertragssteuer abgeführt und einen Betrag in Höhe von 13.643,83 € an die Klägerin bereits ausgezahlt.
52Dies ergibt folgende Berechnung:
53gezahlte Prämien: 20.582,94 €
54./. Risikoanteil: 125,00 €
55./. Anteil für die BUZ: 4.116,59 €
56./. Beitragsrückstand: 229,07 €
57./. bereits ausgezahlt: 13.643,83 €
58./. Steuer: 565,71 €
591.902,74 €
602.
61Der Zinsanspruch besteht gemäß §§ 286, 288 BGB – entgegen dem Klageantrag zu 1), mit dem die Klägerin Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten begehrt – in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz. Für den Zinsbeginn war auf den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit abzustellen; da die Beklagte nicht die pauschale Rückzahlung der geleisteten Prämien schuldet, war eine Staffelung wie im Klageantrag zu 1) nicht vorzunehmen.
623.
63Der Klägerin steht gegen die Beklagte gemäß §§ 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt., 818 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Herausgabe gezogener Nutzungen in Höhe von 2.630,17 € zu (Klageantrag zu 2).
64Nach eigenen Angaben im Schreiben vom 14.12.2015 (dort Seite 4 = Bl. 234 GA) hat die Beklagte Nutzungen in Höhe von 2.630,17 € gezogen. Für weitergehende Nutzungen ist die Klägerin der ihr insoweit obliegenden Darlegungslast nicht nachgekommen; der bloß pauschale Verweis auf vom GDV im Internet veröffentlichte Nettorenditen genügt dem nicht. Denn die Darlegungs- und Beweislast für die Ziehung von Nutzungen trägt der Versicherungsnehmer; sein Tatsachenvortrag muss Bezug zur Ertragslage des jeweiligen Versicherers haben (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 11.11.2015 - IV ZR 513/14 m. w. N.).
654.
66Ein Anspruch auf Erstattung von Rechtsanwaltskosten besteht nicht; ein solcher Anspruch folgt insbesondere nicht aus § 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB.
67Ungeachtet der Frage, ob § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. eine abschließende Regelung darstellt, aufgrund derer Mängel der Widerspruchsbelehrung folgenlos bleiben, fehlt es jedenfalls an Darlegungen zu der von der Beklagten zumindest konkludent bestrittenen Kausalität der Pflichtverletzung für den geltend gemachten Schaden.
685.
69Da die Kammer von einer unwirksamen Widerspruchsbelehrung ausgegangen ist, war über die Hilfsanträge unter Ziffer 3 und die „vorsorglich“ gestellten Anträge unter Ziffer 4 nicht mehr zu entscheiden.
70II.
71Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO.
72Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
73Streitwert: bis 16.000,00 €
74L |
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als Einzelrichterin |
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Annotations
Die §§ 150 bis 170 sind auf die Berufsunfähigkeitsversicherung entsprechend anzuwenden, soweit die Besonderheiten dieser Versicherung nicht entgegenstehen.
(1) Stellt der Versicherer fest, dass die Voraussetzungen der Leistungspflicht entfallen sind, wird er nur leistungsfrei, wenn er dem Versicherungsnehmer diese Veränderung in Textform dargelegt hat.
(2) Der Versicherer wird frühestens mit dem Ablauf des dritten Monats nach Zugang der Erklärung nach Absatz 1 beim Versicherungsnehmer leistungsfrei.
(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.
(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.
(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.
(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn
- 1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist, - 2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt, - 3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert, - 4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.
(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.
(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.
(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.
(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.
(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.
(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.
(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.
(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn
- 1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder - 2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.