Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 08. Dez. 2015 - 6 Sa 269/15
Gericht
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen das Urteil des Arbeitsgerichts Dessau-Roßlau vom 23.02.2012 – 9 Ca 256/10 – soweit darin die Klage hinsichtlich einer Sondergratifikation für das Jahr 2010 in Höhe von 12.500,- EUR nebst Zinsen abgewiesen worden ist und hinsichtlich der Kostenentscheidung teilweise abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt an den Kläger als Sondergratifikation für das Jahr 2010 9.392,48 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.01.2011 zu zahlen.
Im Übrigen wird die auf Zahlung der Sondergratifikation 2010 gerichtete Klage abgewiesen.
Von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens trägt der Kläger 90%, die Beklagte trägt 10%.
Der Kläger trägt weiter 85% der im Berufungsverfahren angefallenen Kosten. Die Beklagte trägt hiervon 15%.
Die Kosten des Revisionsverfahrens 10 AZR 266/14 werden dem Kläger zu 25% und der Beklagten zu 75% auferlegt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
- 1
Die Parteien streiten noch – nach vorangegangenem Revisionsverfahren bei dem Bundesarbeitsgericht (10 AZR 266/14) – über Ansprüche des Klägers auf Zahlung einer Sondergratifikation.
- 2
Der Kläger war seit 01.05.1992 bei der Beklagten in deren Niederlassung S als Bauleiter – so der Kläger – bzw. – so die Beklagte – als Betriebsleiter tätig. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete aufgrund außerordentlicher Kündigung der Beklagten vom 19.11.2010 an jenem Tag. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag existierte zwischen den Parteien nicht.
- 3
Die Beklagte gewährte dem Kläger beginnend im Jahr 2002 neben einer "festen" monatlichen Vergütung jährliche "Sonderzahlungen", die sich wie folgt darstellten:
- 4
Jahr
Sonderzahlung
monatliches Bruttoentgelt
2002
8.045,56 EUR
4.015,00 EUR
2003
10.000,00 EUR
4.400,00 EUR
2004
10.000,00 EUR
4.500,00 EUR
2005
10.000,00 EUR
4.700,00 EUR
2006
10.000,00 EUR
4.700,00 EUR
2007
10.000,00 EUR
4.800,00 EUR
2008
12.500,00 EUR
5.200,00 EUR
2009
12.500,00 EUR
5.300,00 EUR.
- 5
In den Jahren 2002 – 2005 rechnete die Beklagte die Sonderzahlung mit der Monatsvergütung für November jeweils am 10. Dezember ab. Seit dem Jahr 2006 erfolgte die Zahlung der Sondergratifikation mit der Dezembervergütung, die – betriebsüblich – am 10. des Folgemonats zur Auszahlung gelangte.
- 6
Für das Jahr 2010 gewährte die Beklagte dem Kläger keine, auch keine anteilige Sonderzahlung.
- 7
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe auch für das Jahr 2010 eine Sonderzahlung in Höhe von 12.500,00 EUR brutto zu. Dieser Anspruch beruhe auf einer zwischen den Parteien konkludent getroffenen Vergütungsabrede.
- 8
Der Kläger hat hierzu beantragt,
- 9
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger eine jährliche Sondergratifikation in Höhe von 12.500,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.01.2011 zu zahlen.
- 10
Die Beklagte hat insoweit beantragt,
- 11
die Klage abzuweisen.
- 12
Sie hat die Auffassung vertreten, dem Kläger stehe kein Anspruch auf Sonderzahlung für das Jahr 2010 zu. Diese sei, was dem Kläger bekannt gewesen sei, jeweils von einem positiven Betriebsergebnis in der Niederlassung S abhängig gewesen. Ein solches habe jedoch für das besagte Jahr nicht erzielt werden können. Im Übrigen habe es sich bei der Sonderzahlung auch um eine freiwillige, widerrufliche Leistung gehandelt.
- 13
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 23.02.2012 u.a. die auf Zahlung der Sondergratifikation für das Jahr 2010 gerichtete Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dem Kläger stehe aufgrund der als erwiesen anzusehenden Gründe für die außerordentliche Kündigung vom 19.11.2010 – Einbehalt von mehr als 13.000,00 EUR Firmengelder – ein Anspruch auf die begehrte Sondergratifikation nicht zu, weil dieses Begehren mit den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht vereinbar sei. Wegen der weiteren Einzelheiten des vorgenannten Urteils wird auf Bl. 506 – 524 d.A. verwiesen.
- 14
Das Landesarbeitsgericht hat in dem nachfolgenden Berufungsverfahren, in dem die Parteien ihren diesbezüglichen Sachvortrag und ihren jeweiligen Rechtsstandpunkt aufrecht erhalten haben, mit Urteil vom 15.10.2013 die Berufung des Klägers auch hinsichtlich der begehrten Sondergratifikation für das Jahr 2010 zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, für den Kläger bestehe im Hinblick auf das unterjährige Ausscheiden kein Anspruch auf Sondergratifikation. Nach dem sich bietenden Vortrag der Parteien sei davon auszugehen, dass dieser Anspruch an den Bestand des Arbeitsverhältnisses zum 31.12. des jeweiligen Jahres geknüpft sei. Wegen der weiteren Einzelheiten dieser Entscheidung wird auf Bl. 806 – 822 d.A. verwiesen.
- 15
In dem sich anschließenden Revisionsverfahren hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 13.05.2015 (Bl. 851 – 856 d.A.) das Berufungsurteil, soweit es die von dem Kläger begehrte Zahlung einer Sondergratifikation betraf, aufgehoben und den Rechtsstreit insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Das Landesarbeitsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, aufgrund des unterjährigen Ausscheidens des Klägers bestehe schon dem Grunde nach kein Anspruch auf die Sondergratifikation. Dem Kläger stehe vielmehr dem Grunde nach ein anteiliger Anspruch auf Zahlung der Sondergratifikation für das Jahr 2010 zu. Ein solcher Anspruch sei durch konkludentes Verhalten der Parteien in Form der in den Jahren 2007 – 2009 vorgenommenen vorbehaltlosen Zahlungen entstanden. Aus diesem Verhalten lasse sich jedoch kein vertraglicher Bindungswille der Beklagten dahin ableiten, es solle eine jährliche Sondergratifikation in Höhe von 12.500,00 EUR brutto gezahlt werden. Für die Bemessung des Umfangs der Sondergratifikation sei maßgebend, welche Kriterien die Parteien für diesen Entgeltbestandteil vereinbart haben. Sofern sich solche nicht ermitteln lassen, habe der Kläger Anspruch darauf, dass die Beklagte ihm eine billigem Ermessen entsprechende Sondergratifikation gewähre.
- 16
Im erneuten Berufungsverfahren hält der Kläger an seiner Auffassung, ihm stehe für das Jahr 2010 ein Anspruch auf Sondergratifikation in Höhe von 12.500,00 EUR brutto zu, fest. Er verweist hierzu auf die von ihm erstmals im zweiten Berufungsverfahren dezidiert vorgetragenen unbestrittenen Zahlungen der Beklagten in den Jahren 2002 – 2006. Eine Gesamtbetrachtung der in den Jahren 2002 – 2009 vorgenommenen Zahlungen ergebe, dass die Beklagte mit dem Kläger konkludent eine Vergütungsabrede dahin geschlossen habe, ihm jährlich eine Sonderzahlung, die das Zweifache der Bruttomonatsvergütung deutlich übersteige, zu gewähren. Ungeachtet der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 19.11.2010 stehe ihm dieser Anspruch nicht nur anteilig, sondern im vollen Umfang zu. Aufgrund der bis zum Jahr 2005 erfolgten Zahlung der Sondergratifikation jeweils mit der Novemberabrechnung sei als maßgeblicher Stichtag der 30.11. des jeweiligen Jahres in Ansatz zu bringen. Allenfalls komme eine Kürzung hinsichtlich des Zeitraumes 20. – 30.11.2010 in Betracht.
- 17
Der Kläger beantragt,
- 18
das Urteil des Arbeitsgerichts Dessau-Roßlau vom 23.02.2012 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger eine jährliche Sondergratifikation in Höhe von 12.500,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.01.2010 zu zahlen.
- 19
Die Beklagte beantragt,
- 20
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
- 21
Die Beklagte behauptet, Zweck der Sonderzahlung sei es gewesen, den Kläger an den (positiven) Betriebsergebnissen der Niederlassung S zu beteiligen. Weiter sollte die Gratifikation als Belohnung für die von ihm erwartete besondere Loyalität dienen. Diese Zahlungsziele seien schon vor der ersten Zahlung so festgelegt worden. Bereits im Jahr 2009 habe die Niederlassung S jedoch kein positives Geschäftsergebnis mehr erwirtschaftet. Es sei vielmehr ein Fehlbetrag von mehr als 50.000,00 EUR aufgetreten, was der Beklagten bereits im Herbst 2009 bekannt geworden sei. Gleiches gelte für das Jahr 2010. Dabei sei nicht außer Acht zu lassen, dass dieses negative Betriebsergebnis maßgeblich auf das illoyale Verhalten des Klägers, das sich u.a. in der Veruntreuung von rund 14.600,00 EUR manifestiert habe, zurückzuführen sei. Dieser Umstand – der Kläger ist zwischenzeitlich rechtskräftig von dem Arbeitsgericht Dessau-Roßlau mit Urteil vom 12.02.2014 (Bl. 875 – 885 d.A.) zur Zahlung von Schadensersatz aufgrund vorsätzlich unerlaubter Handlung in vorgenannter Höhe verurteilt worden – sei jedenfalls bei der Bestimmung einer billigem Ermessen entsprechenden Höhe der Sondergratifikation zu berücksichtigen. Das Verhalten des Klägers rechtfertige es, die Zahlung für das Jahr 2010 auf "Null" zu reduzieren.
- 22
Der Kläger hat hierzu entgegnet, die von der Beklagten behauptete Zweckbestimmung für die Leistung der Sonderzahlung werde von ihm bestritten. Darüber hinaus seien derartige Vorgaben nie Gegenstand von vertraglichen Abreden der Parteien gewesen. Ebenso werden die von der Beklagten behaupteten negativen Betriebsergebnisse der Niederlassung S in den Jahren 2009 und 2010 bestritten. Die den Gegenstand des Schadensersatzprozesses bildenden Geldbeträge seien in Absprache mit dem Geschäftsführer der Beklagten in bar vereinbart worden, um nach dessen Vorgabe in eine "schwarze Kasse" eingezahlt zu werden, wie sich aus diversen Zeugenaussagen in dem gegen den Kläger eingeleiteten Strafverfahren ergebe.
- 23
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
A.
- 24
Die zulässige Berufung des Klägers ist bezogen auf die zwischen den Parteien noch streitige Gewährung einer Sonderzahlung für das Jahr 2010 teilweise, nämlich in Höhe von 9.392,48 EUR brutto zuzüglich Zinsen begründet.
- 25
Dem Kläger steht in diesem Umfang aus § 611 BGB i.V.m. einer zwischen den Parteien konkludent abgeschlossenen Vergütungsabrede für das Jahr 2010 ein Anspruch auf Sonderzahlung basierend auf der Höhe des zweifachen monatlichen Bruttoentgeltes (10.600,00 EUR) anteilig für den Zeitraum 01.01. – 19.11.2010 zu.
I.
- 26
Einen Anspruch des Klägers auf Zahlung einer jährlichen Sondergratifikation haben die Parteien aufgrund der von der Beklagten vorgenommenen vorbehaltlosen Zahlung einer solchen jedenfalls in den Jahren 2007 – 2009 begründet. Dies hat das Bundesarbeitsgericht in dem im vorangegangenen Revisionsverfahren 10 AZR 266/14 ergangenen Urteil vom 13.05.2015 (Rn. 16) für das Berufungsgericht bindend (§ 563 Abs. 2 ZPO) festgestellt.
II.
- 27
Entgegen der Auffassung des Klägers haben die Parteien jedoch keine Vereinbarung geschlossen, aus der ihm für das Jahr 2010 ein Anspruch in Höhe von (mindestens) 12.500,00 EUR brutto zusteht. Ein solcher Erklärungswert folgt aus den von der Beklagten in den Jahren 2007 – 2009 geleisteten Sonderzahlungen nicht (BAG aaO. Rn. 20). Er wird auch nicht durch die im zweiten Berufungsverfahren von dem Kläger dezidiert vorgetragenen Zahlungen der Beklagten in den Jahren 2002 – 2006 begründet. Hieraus ergibt sich in Verbindung mit der jeweils gezahlten monatlichen Vergütung gerade kein "fester Schlüssel", der für das Jahr 2010 zu einer Gratifikationshöhe von 12.500,00 EUR führt. Zuzugeben ist dem Kläger, dass sich die Höhe der Sondergratifikation an der von ihm jeweils zu beanspruchenden monatlichen Vergütung orientiert hat. Eine "exakte" Berechnungsformel lässt sich hieraus jedoch nicht ableiten. So hat die Beklagte in den Jahren 2003 – 2007 dem Kläger eine jährliche Sonderzahlung in gleichbleibender Höhe (10.000,00 EUR) gewährt, obwohl seine laufende monatliche Vergütung sich in diesem Zeitraum von 4.400,00 auf 4.800,00 EUR brutto erhöht hat.
- 28
Die Kammer geht jedoch unter Berücksichtigung des ergänzenden – von der Beklagten nicht bestrittenen – Sachvortrages des Klägers zu den in den Jahren 2002 – 2006 geleisteten Sonderzahlungen davon aus, dass die Parteien durch konkludentes Verhalten einen Anspruch des Klägers in Höhe von jedenfalls zwei Bruttomonatsgehältern begründet haben. Die Beklagte hat im vorgenannten Zeitraum kontinuierlich an den Kläger einen Betrag geleistet, der – wenn auch im Jahr 2002 nur "knapp" – das Zweifache seines Bruttomonatsgehaltes überstiegen hat.
III.
- 29
Dieser Anspruch ist nach dem sich zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bietenden Sachverhalt nicht an weitere Voraussetzungen geknüpft. Die insoweit darlegungspflichtige Beklagte hat auch nach Auflage durch das Berufungsgericht nicht substantiiert darlegen können, dass die Parteien für die Bestimmung der Höhe der Sonderzahlung weitere Parameter vereinbart haben. Aus ihrem Sachvortrag, bereits vor der ersten Zahlung sei festgelegt worden, diese solle von dem Betriebsergebnis und der Erfüllung von Loyalitätspflichten seitens des Klägers abhängen, ergibt sich nicht hinreichend konkret, ob überhaupt und wenn ja, welche Kriterien genau zum Gegenstand der vertraglichen Vereinbarung gemacht worden sein sollen. So erscheint es wenig plausibel, wenn die Beklagte, obwohl die Sonderzahlung nur bei positivem Betriebsergebnis der Niederlassung S zur Auszahlung gelangen soll, dem Kläger im Januar 2010 eine Gratifikation in Höhe von 12.500,00 EUR für das Jahr 2009 zukommen lässt, obwohl sie bereits seit Herbst 2009 Kenntnis von einem negativen Betriebsergebnis der Niederlassung in Höhe von mehr als 50.000,00 EUR hatte.
IV.
- 30
Ein über zwei Bruttomonatsgehälter hinaus gehender Anspruch auf Sonderzahlung für das Jahr 2010 ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der Grundsätze des billigen Ermessens.
- 31
Nach den die Kammer bindenden Vorgaben des Bundesarbeitsgerichts und unter Berücksichtigung des ergänzenden Vortrages des Klägers geht die Berufungskammer für die Entscheidungsfindung davon aus, dass dem Kläger ein Anspruch auf Sonderzahlung in Höhe von zwei Bruttomonatsgehältern "fest" zusteht und er darüber hinaus die Zahlung einer diesen Betrag übersteigenden Sondergratifikation beanspruchen kann, deren Höhe von der Beklagten nach billigem Ermessen zu bestimmen ist.
- 32
Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber die Ermessensentscheidung zu treffen hat. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Leistungsbestimmung der Billigkeit entspricht, hat der Bestimmungsberechtigte zu tragen. Dem Inhaber des Bestimmungsrechts nach § 315 Abs. 1 BGB verbleibt für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum. Innerhalb des Spielraums können dem Bestimmungsberechtigten mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Diese Sachentscheidung ist wegen der zu berücksichtigenden Umstände des Einzelfalls vorrangig den Tatsachengerichten vorbehalten (BAG 20.03.2013 – 10 AZR 8/12 – Rn. 33, 34).
- 33
Bei Anwendung dieser Rechtssätze entspricht es nach Auffassung der Berufungskammer billigem Ermessen, die dem Kläger für das gesamte Jahr 2010 zustehende Sondergratifikation auf zwei Bruttomonatsgehälter zu begrenzen, mithin den im Ermessen der Beklagten stehenden Teil der Gratifikation auf "Null" festzusetzen. Maßgeblich hierfür ist der Umstand, dass der Kläger nach dem sich insgesamt bietenden Sachverhalt im vorliegenden Rechtsstreit Werklohn aus dem Bauvorhaben "H" in Höhe von mehr als 13.000,00 EUR vereinnahmt und nicht an die Beklagte abgeführt hat, wovon diese erst im Jahr 2010 Kenntnis erlangt hat. Die Kammer hält an ihren diesbezüglichen Ausführungen in dem insoweit rechtskräftigen Urteil vom 15.10.2013 fest und schließt sich weiterhin den Ausführungen des Arbeitsgerichts Dessau-Roßlau in dem ebenfalls rechtskräftigen Urteil vom 12.02.2014 (11 Ca 109/12) an. Das Vorbringen des Klägers in seinem Schriftsatz vom 22.10.2015 auf den Seiten 5 und 6 rechtfertigt keine abweichende Bewertung. Allein aus dem Verweis auf Zeugenaussagen in dem gegen den Kläger eingeleiteten Strafverfahren ergibt sich kein substantiierter Sachvortrag, der die Feststellungen der erkennenden Kammer im Urteil vom 15.10.2013 in Zweifel ziehen könnte. Welchen konkreten Inhalt die Zeugenaussagen haben, trägt der Kläger nicht vor.
- 34
Dabei verkennt die Kammer nicht, dass der jährlichen Sonderzahlung Vergütungscharakter zukommt, sie also die Gegenleistung für im laufenden Jahr bereits erbrachte Arbeitsleistung bildet (BAG aaO. Rn. 25). Andererseits folgt aus der Bezeichnung "Sonderleistung", dass dieser Vergütungsbestandteil nicht auch dann zur Auszahlung gelangen soll, wenn der Arbeitnehmer vorsätzlich das Vermögen seines Arbeitgebers in erheblichem Umfang schädigt. Auch wenn die Parteien die Zahlung der Gratifikation – soweit sie im billigen Ermessen der Beklagten stand – nicht an einen besonderen Einsatz des Klägers für das Unternehmen geknüpft haben, so ergibt sich doch aus dem Entgeltcharakter, dass diese die von dem Kläger geschuldete "Normalleistung" zusätzlich vergüten soll. An einer solchen fehlt es jedoch, wenn der Arbeitnehmer bei Ausübung seiner Tätigkeit, die im Synallagma zur Vergütungspflicht des Arbeitgebers steht, vorsätzlich dessen Vermögen schädigt. Der Pflichtverletzung kommt im Unterschied zu kündigungsrelevanten Nebenpflichtverletzungen (z.B. massive Störung des Betriebsfriedens) damit unmittelbar ein Vergütungsbezug zu.
V.
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Die danach – bezogen auf ein Jahr – mit zwei Bruttomonatsvergütungen zu bemessende Sonderzahlung ist im Hinblick auf das Ausscheiden des Klägers zum 19.11.2010 anteilig zu kürzen. Bemessungsgrundlage für die Sonderzahlung ist der Zeitraum 01.01. – 19.11.2010 (10,633 Monate). Entgegen der Auffassung des Klägers lässt sich aus der bis 2005 erfolgten Abrechnung der Sonderzahlung bereits mit der Novembervergütung am 10. des Folgemonats nicht ableiten, die Parteien haben – auch für das Jahr 2010 noch bindend – den Bezugszeitraum der Sonderzahlung nicht auf das Kalenderjahr, sondern auf den Zeitraum Dezember des Vorjahres bis November des Folgejahres bestimmt. Dabei kann insoweit dahinstehen, welche Abrede die Parteien zur Fälligkeit der Jahresgratifikation konkludent getroffen haben. Allein aus der bis zum Jahr 2005 vorgenommenen Auszahlung der Sondergratifikation bereits zum 10. Dezember ergibt sich kein Erklärungswert dahin, die Beklagte habe jeweils die Leistung des Klägers im Vorjahr zu 1/12 und die im laufenden Jahr zu 11/12 zusätzlich vergüten wollen. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte ist vielmehr von der typischen Verfahrensweise bei einer jährlichen Sonderzahlung auszugehen, wonach diese, wenn ihre Auszahlung kurz vor oder nach dem Jahresende erfolgt, die im Kalenderjahr geleistete Tätigkeit zusätzlich vergüten soll.
VI.
- 36
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 2 Nr. 1, 614 BGB. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Sondergratifikation seit dem Jahr 2006 jeweils zum 10. Januar des Folgejahres mit der Dezembervergütung zur Auszahlung gelangt ist. Ob im Hinblick auf die Abrechnungspraxis der Beklagten in den Jahren 2002 – 2005 eine Fälligkeit der Vergütung bereits zum 10.12.2010 eingetreten ist, kann dahinstehen, weil der Kläger nach seinen schriftsätzlich angekündigten und bisher auch gestellten Anträgen Zinsen erst seit 11.01.2011 begehrt hat. Zwar ist in dem von dem Kläger im Termin am 08.12.2015 zu Protokoll erklärten Antrag als Zinsbeginn der 11.01.2010 aufgenommen worden. Ergänzende Ausführungen des Klägers zur Begründung eines Zinsanspruchs bereits zu dem vorgenannten Zeitpunkt sind aber nicht erfolgt. Die Kammer geht daher davon aus, dass der Kläger seinem bisherigen Klagebegehren entsprechend weiterhin Zinsen seit 11.01.2011 begehrt.
B.
- 37
Die Kostenentscheidung, die aufgrund der sehr unterschiedlichen Streitwerte in den einzelnen Instanzen und der sich aus § 12a Abs. 1 ArbGG ergebenden besonderen Kostenregelung für das Arbeitsgerichtsverfahren nach Instanzen getrennt vorzunehmen war (vgl. BAG 04.05.2010 – 9 AZR 183/09), beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO und entspricht dem jeweiligen Obsiegen und Unterliegen der Parteien in den einzelnen Instanzen.
C.
- 38
Gegen diese Entscheidung findet ein weiteres Rechtsmittel nicht statt. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor. Den entscheidungserheblichen Rechtsfragen kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Die Kammer weicht auch nicht von höchstrichterlicher Rechtsprechung ab, sondern wendet insbesondere die Vorgaben aus der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 13.05.2015 im vorangegangenen Revisionsverfahren der Parteien 10 AZR 266/14 an.
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Auf § 72a ArbGG wird hingewiesen.
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Annotations
(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.
(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.
(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.
(1) Soll die Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden, so ist im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.
(2) Die Bestimmung erfolgt durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil.
(3) Soll die Bestimmung nach billigem Ermessen erfolgen, so ist die getroffene Bestimmung für den anderen Teil nur verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht. Entspricht sie nicht der Billigkeit, so wird die Bestimmung durch Urteil getroffen; das Gleiche gilt, wenn die Bestimmung verzögert wird.
(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.
(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.
(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.
(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.
(1) In Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs besteht kein Anspruch der obsiegenden Partei auf Entschädigung wegen Zeitversäumnis und auf Erstattung der Kosten für die Zuziehung eines Prozeßbevollmächtigten oder Beistands. Vor Abschluß der Vereinbarung über die Vertretung ist auf den Ausschluß der Kostenerstattung nach Satz 1 hinzuweisen. Satz 1 gilt nicht für Kosten, die dem Beklagten dadurch entstanden sind, daß der Kläger ein Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit, der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit, der Finanz- oder Sozialgerichtsbarkeit angerufen und dieses den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht verwiesen hat.
(2) Werden im Urteilsverfahren des zweiten und dritten Rechtszugs die Kosten nach § 92 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung verhältnismäßig geteilt und ist die eine Partei durch einen Rechtsanwalt, die andere Partei durch einen Verbandsvertreter nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 und 5 vertreten, so ist diese Partei hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten so zu stellen, als wenn sie durch einen Rechtsanwalt vertreten worden wäre. Ansprüche auf Erstattung stehen ihr jedoch nur insoweit zu, als ihr Kosten im Einzelfall tatsächlich erwachsen sind.
(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.
(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn
- 1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder - 2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.
(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.
(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn
- 1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.
(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.
(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.
(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.
(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.
(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden.
(2) Die Beschwerde ist bei dem Bundesarbeitsgericht innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefaßten Urteils schriftlich einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils beigefügt werden, gegen das die Revision eingelegt werden soll.
(3) Die Beschwerde ist innerhalb einer Notfrist von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefaßten Urteils zu begründen. Die Begründung muss enthalten:
- 1.
die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtsfrage und deren Entscheidungserheblichkeit, - 2.
die Bezeichnung der Entscheidung, von der das Urteil des Landesarbeitsgerichts abweicht, oder - 3.
die Darlegung eines absoluten Revisionsgrundes nach § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und der Entscheidungserheblichkeit der Verletzung.
(4) Die Einlegung der Beschwerde hat aufschiebende Wirkung. Die Vorschriften des § 719 Abs. 2 und 3 der Zivilprozeßordnung sind entsprechend anzuwenden.
(5) Das Landesarbeitsgericht ist zu einer Änderung seiner Entscheidung nicht befugt. Das Bundesarbeitsgericht entscheidet unter Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluß, der ohne mündliche Verhandlung ergehen kann. Die ehrenamtlichen Richter wirken nicht mit, wenn die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen wird, weil sie nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Dem Beschluss soll eine kurze Begründung beigefügt werden. Von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundesarbeitsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(6) Wird der Beschwerde stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(7) Hat das Landesarbeitsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Bundesarbeitsgericht abweichend von Absatz 6 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverweisen.