Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Beschluss, 30. Sept. 2010 - 8 Ta 169/10
Gericht
Tenor
Die sofortigen Beschwerden der Beklagten zu 1 und des Beklagten zu 2 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Ludwigshafen - Auswärtige Kammern Landau - vom 20.07.2010, Az. 6 Ca 147/10, werden zurückgewiesen.
Die Beklagten haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner zu tragen.
Gründe
- 1
Die gemäß §§ 48 Abs. 1 ArbGG, 17 a Abs. 4 GVG statthaften und vorliegend insgesamt zulässigen sofortigen Beschwerden der Beklagten haben in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat in der angefochtenen Entscheidung zu Recht den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für zulässig erklärt.
- 2
Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 a ArbGG eröffnet. Nach dieser Vorschrift sind die Arbeitsgerichte ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis. Im Streitfall ist davon auszugehen, dass das Rechtsverhältnis, aus welchem der Kläger den streitbefangenen Auskunfts- und Zahlungsanspruch herleitet, rechtlich als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist. Der Kläger war Arbeitnehmer der Beklagten i.S.v. § 5 Abs. 1 ArbGG.
- 3
Der schriftliche Arbeitsvertrag vom 22.12.2005, der die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit für sich hat, belegt, dass der Kläger nicht als freier Dienstnehmer, sondern vielmehr in einem Arbeitsverhältnis tätig war (vgl. BAG v. 9.2.1995 - 2 AZR 389/94 - NZA 1996, 249; BAG v. 12.09.1996 - 5 AZR 1066/94 - NZA 1997, 194; jeweils m.w.N.).
- 4
Das Bundesarbeitsgericht führt in ständiger Rechtsprechung aus, dass es für die rechtliche Einordnung eines Vertrages als Arbeits- oder Dienstverhältnis nicht darauf ankommt, wie die Parteien das Vertragsverhältnis bezeichnen. Der Status des Beschäftigten richtet sich nicht nach den subjektiven Vorstellungen der Vertragspartner, sondern danach, wie die Vertragsbeziehung nach ihrem objektiven Geschäftsinhalt einzuordnen ist. Der wirkliche Geschäftsinhalt ist den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen und der praktischen Durchführung des Vertrages zu entnehmen. Wird der Vertrag abweichend von den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen vollzogen, so ist die tatsächliche Durchführung maßgebend. Zur Begründung führt das Bundesarbeitsgericht aus, durch Parteivereinbarung könne die Bewertung einer Rechtsbeziehung als Arbeitsverhältnis nicht abbedungen und der Geltungsbereich des Arbeitnehmerschutzes nicht eingeschränkt werden.
- 5
Bereits aus dieser Begründung folgt, dass die dargestellten Grundsätze nur für solche Fälle gelten, in denen die Parteien ihr Rechtsverhältnis gerade nicht als Arbeitsverhältnis bezeichnet haben, sondern etwa als freies Mitarbeiter- oder Dienstverhältnis. Haben die Parteien dagegen ein Arbeitsverhältnis vereinbart, so ist es auch als solches einzuordnen. So hat das Bundesarbeitsgericht etwa in Bezug auf Lehrkräfte mehrfach ausgesprochen, dass diese Arbeitnehmer sind, wenn die Parteien es vereinbart haben (BAG v. 01.11.1995 - 5 AZR 84/94 - NZA 1996, 813; BAG v. 24.06.1992 - 5 AZR 384/91 - AP Nr. 61 zu § 611 BGB Abhängigkeit; BAG vom 12.09.1996 - 5 AZR 1066/94 - NZA 1997, 194).
- 6
Bei Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich, dass das Rechtsverhältnis der Parteien als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist. Die Parteien haben das Beschäftigungsverhältnis vertraglich ausdrücklich als Arbeitsverhältnis bezeichnet. Dies kommt nicht nur in der Überschrift des Vertrages vom 22.12.2005 zum Ausdruck, sondern auch in den in den einzelnen Bestimmungen des Vertragswerks mehrfach verwendeten Begriffen "Arbeitsverhältnis" und "Arbeitnehmer". Darüber hinaus enthält der Vertrag Regelungen, die für ein Arbeitsverhältnis geradezu typisch sind. Dies gilt etwa für die in § 5 des Vertrages getroffenen Vereinbarungen zum bezahlten Erholungsurlaub sowie für die in § 6 des Vertrages hinsichtlich der Bestimmung des § 616 BGB enthaltenen Regelungen über Freistellungen von der Arbeit. Auch die vertraglichen Bestimmungen über die Anzeige - und Nachweispflichten des Klägers im Falle krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit (§ 8 des Vertrages) sprechen deutlich für ein Arbeitsverhältnis. Auch ansonsten entspricht das Vertragswerk nach Form und Inhalt einem Arbeitsvertrag.
- 7
Besondere Umstände, aus denen sich ergeben könnte, dass das Beschäftigungsverhältnis der Parteien - ungeachtet des insoweit eindeutigen Vertragsinhalts - nicht als Arbeitsverhältnis anzusehen ist, liegen nicht vor. Insbesondere können sich die Beklagten nicht mit Erfolg darauf berufen, der Kläger habe bei der praktischen Durchführung des Vertrages keinen Weisungen unterlegen. Nach § 3 des Arbeitsvertrages hatte der Kläger "seine Arbeitskraft und seine gesamten Kenntnisse und Erfahrungen der Gesellschaft zur Verfügung zu stellen". Den Beklagten war damit die Befugnis eingeräumt, über die Arbeitskraft des Klägers zu verfügen, d.h. ihnen war insoweit ein umfassendes Direktionsrecht eingeräumt. Im Hinblick darauf rechtfertigt die Behauptung der Beklagten, dem Kläger seien keinerlei Weisungen bezüglich seiner Tätigkeit erteilt worden, nicht die Annahme eines freien Dienstverhältnisses. Zwar kann ein freies Mitarbeiterverhältnis durch die tatsächliche Erteilung von Weisungen und deren Befolgung zu einem Arbeitsverhältnis werden. Hieraus folgt aber nicht, dass ein Rechtsverhältnis, welches als Arbeitsverhältnis vereinbart wurde, durch bloße Nichtausübung des Direktionsrechts zu einem freien Mitarbeiter- oder Dienstverhältnis würde oder gar von vornherein als solches zu qualifizieren ist (so ausdrücklich: BAG v. 12.09.1996 - 5 AZR 1066/94 - NZA 1997, 194). Darüber hinaus leistete der Kläger - unter Zugrundelegung des Vorbringens der Beklagten - Dienste höherer Art. Bei solchen darf der Ausführende in der Regel ein höheres Maß an Gestaltungsfreiheit, Eigeninitiative und fachlicher Selbständigkeit im Rahmen der für ihn geltenden Vorgaben in Anspruch nehmen (vgl. LAG Rheinland-Pfalz v. 29.10.2009 - 10 Sa 399/09 - LAGE § 611 BGB 2002 Arbeitnehmerbegriff Nr. 4).
- 8
Die sofortigen Beschwerden der Beklagten waren daher mit der sich aus §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 4 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.
- 9
Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde bestand keine Veranlassung. Diese Entscheidung ist daher unanfechtbar.
moreResultsText
Annotations
(1) Für die Zulässigkeit des Rechtsweges und der Verfahrensart sowie für die sachliche und örtliche Zuständigkeit gelten die §§ 17 bis 17b des Gerichtsverfassungsgesetzes mit folgender Maßgabe entsprechend:
- 1.
Beschlüsse entsprechend § 17a Abs. 2 und 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die örtliche Zuständigkeit sind unanfechtbar. - 2.
Der Beschluß nach § 17a Abs. 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes ergeht, sofern er nicht lediglich die örtliche Zuständigkeit zum Gegenstand hat, auch außerhalb der mündlichen Verhandlung stets durch die Kammer.
(1a) Für Streitigkeiten nach § 2 Abs. 1 Nr. 3, 4a, 7, 8 und 10 sowie Abs. 2 ist auch das Arbeitsgericht zuständig, in dessen Bezirk der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet oder zuletzt gewöhnlich verrichtet hat. Ist ein gewöhnlicher Arbeitsort im Sinne des Satzes 1 nicht feststellbar, ist das Arbeitsgericht örtlich zuständig, von dessen Bezirk aus der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet oder zuletzt gewöhnlich verrichtet hat.
(2) Die Tarifvertragsparteien können im Tarifvertrag die Zuständigkeit eines an sich örtlich unzuständigen Arbeitsgerichts festlegen für
- 1.
bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus einem Arbeitsverhältnis und aus Verhandlungen über die Eingehung eines Arbeitsverhältnisses, das sich nach einem Tarifvertrag bestimmt, - 2.
bürgerliche Rechtsstreitigkeiten aus dem Verhältnis einer gemeinsamen Einrichtung der Tarifvertragsparteien zu den Arbeitnehmern oder Arbeitgebern.
(1) Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes sind Arbeiter und Angestellte sowie die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten. Als Arbeitnehmer gelten auch die in Heimarbeit Beschäftigten und die ihnen Gleichgestellten (§ 1 des Heimarbeitsgesetzes vom 14. März 1951 - Bundesgesetzbl. I S. 191 -) sowie sonstige Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind. Als Arbeitnehmer gelten nicht in Betrieben einer juristischen Person oder einer Personengesamtheit Personen, die kraft Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrags allein oder als Mitglieder des Vertretungsorgans zur Vertretung der juristischen Person oder der Personengesamtheit berufen sind.
(2) Beamte sind als solche keine Arbeitnehmer.
(3) Handelsvertreter gelten nur dann als Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes, wenn sie zu dem Personenkreis gehören, für den nach § 92a des Handelsgesetzbuchs die untere Grenze der vertraglichen Leistungen des Unternehmers festgesetzt werden kann, und wenn sie während der letzten sechs Monate des Vertragsverhältnisses, bei kürzerer Vertragsdauer während dieser, im Durchschnitt monatlich nicht mehr als 1.000 Euro auf Grund des Vertragsverhältnisses an Vergütung einschließlich Provision und Ersatz für im regelmäßigen Geschäftsbetrieb entstandene Aufwendungen bezogen haben. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz können im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie die in Satz 1 bestimmte Vergütungsgrenze durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, den jeweiligen Lohn- und Preisverhältnissen anpassen.
Der zur Dienstleistung Verpflichtete wird des Anspruchs auf die Vergütung nicht dadurch verlustig, dass er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird. Er muss sich jedoch den Betrag anrechnen lassen, welcher ihm für die Zeit der Verhinderung aus einer auf Grund gesetzlicher Verpflichtung bestehenden Kranken- oder Unfallversicherung zukommt.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)