Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 12. Sept. 2017 - 8 Sa 175/17

ECLI: ECLI:DE:LAGRLP:2017:0912.8Sa175.17.00
published on 12/09/2017 00:00
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 12. Sept. 2017 - 8 Sa 175/17
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Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 02.03.2017 - Az.: 7 Ca 3753/16 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über das Ausmaß der Kürzungsbefugnis der Beklagten hinsichtlich einer (tariflichen) Sonderleistung bei Arbeitsunfähigkeit.

2

Der Kläger ist bei der tarifgebundenen Beklagten zuletzt zu einem Bruttomonatsgehalt von 4.299,78 Euro, beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der zwischen der Beklagten und der Gewerkschaft Verdi abgeschlossene Haustarifvertrag vom 25.06.2009 Anwendung, der seinerseits in § 2 Abs. 1 die Geltung der zum Zeitpunkt des Inkrafttretens zum 01.01.2009 abgeschlossenen, nachwirkenden sowie zukünftig geänderten, neu abgeschlossenen und ergänzenden Tarifverträge für Buch- und Zeitschriftenverlage NRW vorsieht.

3

In dem danach einschlägigen Manteltarifvertrag für Buch- und Zeitschriftenverlage NRW vom 23.06.2008 war unter § 8 die tarifvertragliche Sonderleistung geregelt. Dabei war unter anderem in § 8 Ziffer 3 Abs. 3 dieses Manteltarifvertrag lediglich vorgesehen, dass im Falle der Krankheit des Arbeitnehmers über einen Zeitraum von sechs Wochen hinaus für jeden Tag der krankheitsbedingten Abwesenheit die Sonderleistung um ein Viertel des Arbeitsentgelts, das im Jahresdurchschnitt auf einen Arbeitstag entfällt, gekürzt werden kann.

4

Unter dem 04.07.2006 hatte die Beklagte mit dem Betriebsrat zur Beilegung damals aktueller gerichtlicher Auseinandersetzungen zur gleichlautenden tarifvertraglichen Vorgängerregelung eine Vereinbarung getroffen (Bl. 5 d. A.), die unter anderem unter Ziffer 1 folgendes vorsah:

5

„Tarifliche Sonderleistungen (bestehend aus Urlaubs- und Weihnachtsgeld) werden auch nach mehr als 6-wöchiger Erkrankung weiter gezahlt. Auf den Passus aus dem Manteltarifvertrag (der Arbeitgeber kann diese Sonderleistungen ggf. verweigern) wird im Hause AOK-Verlag (C-Stadt-L.) verzichtet. Der Arbeitgeber verpflichtet sich stattdessen, diese Sonderleistungen auch weiterhin zu zahlen. Dies gilt für die Laufzeit des jetzigen Tarifs, d.h. mindestens bis zum 31.12.2007. Bei Vereinbarung eines neuen Manteltarifvertrags, welcher wieder eine solche Kann-Option oder eine andere Schlechterstellung enthalten würde, wird sich die Geschäftsführung und der Betriebsrat erneut zusammensetzen und über eine Verlängerung dieser Vereinbarung beraten. ….“

6

In dem nunmehr seit dem 01.01.2011 in Kraft befindlichen Manteltarifvertrag für Buch- und Zeitschriftenverlage NRW vom 03.11.2010 (nachfolgend kurz: MTV) ist schließlich in § 8 unter der Überschrift Sonderleistung Nachfolgendes geregelt:

7

„1. Die Arbeitnehmer und Auszubildenden erhalten einmal pro Kalenderjahr eine Sonderleistung, die ganz oder in Teilen zum Urlaubsbeginn und/oder zu Weihnachten zu zahlen ist. Die Auszahlungsmodalitäten können durch Betriebsvereinbarung geregelt werden.

8

Die tarifliche Sonderleistung beträgt 140 Prozent des Tarifentgelts bzw. der tariflichen Ausbildungsvergütung. (Grundlage für die Berechnung der zusätzlichen Leistung ist das Tarifentgelt bzw. die tarifliche Ausbildungsvergütung am 01. Juli des jeweiligen Jahres.)

9

Protokollnotiz: Im Jahr 2011 und 2012 beträgt die tarifliche Sonderleistung 135 % des Tarifentgelts bzw. der tariflichen Ausbildungsvergütung. Ab dem Jahr 2013 beträgt die Sonderleistung wieder 140 % des Tarifentgelts bzw. der tariflichen Ausbildungsvergütung.

10

2. Teilzeitbeschäftigte erhalten diese Leistung Im Verhältnis ihrer tatsächlichen Arbeitszeit zur tariflichen Wochenarbeitszeit.

11

3. Im Kalenderjahr eintretende oder ausscheidende Arbeitnehmer haben Anspruch auf soviel Zwölftel der Sonderleistung, wie sie im Kalenderjahr volle Kalendermonate dem Betrieb angehört haben, ohne dass das Arbeitsverhältnis ruhte. Der Anspruch entsteht erstmalig nach einer sechsmonatigen ununterbrochenen Betriebszugehörigkeit. Über diesen Anspruch hinaus gewährte Teile der Sonderleistung sind beim Ausscheiden in entsprechendem Umfang zurückzuzahlen. Eine Verpflichtung zur Rückzahlung entfällt, wenn das Arbeitsverhältnis wegen Erreichung der Altersgrenze, Krankheit oder Tod des Arbeitnehmers oder durch Kündigung seitens des Arbeitgebers aus betriebsbedingten Gründen endet. Von der Rückzahlungspflicht sind ferner weibliche Arbeitnehmer befreit, die von ihrem Recht gemäß § 10 Mutterschutzgesetz Gebrauch machen.

12

Arbeitnehmer, die sich in der Elternzeit oder in unbezahltem Urlaub befinden, ihren Grundwehrdienst oder Zivildienst ableisten, haben lediglich anteiligen Anspruch auf 1/12 der Sonderleistung je Kalendermonat, den sie im Betrieb tatsächlich voll im Bezugszeitraum gearbeitet haben.

13

Im Falle der Krankheit des Arbeitnehmers über einen Zeitraum von zehn Wochen (50 Arbeitstage bei Arbeitnehmern, die in 5-Tage-Woche arbeiten) hinaus kann für jeden Tag der krankheitsbedingten Abwesenheit die Sonderleistung um ein Viertel des Arbeitsentgelts, das im Jahresdurchschnitt auf einen Arbeitstag entfällt, gekürzt werden. Der Zeitraum von zehn Wochen muss kein ununterbrochener Zeitabschnitt sein, sondern kann sich auch aus einzelnen kürzeren Krankheitszeiten zusammensetzen, die im Kalenderjahr zusammengerechnet zehn Wochen überschreiten. Eine Kürzung wird nicht vorgenommen bei einem Betriebs- oder Wegeunfall.

14

Protokollnotiz: Für Teilzeitkräfte, die nicht in 5-Tage-Woche arbeiten, wird die Zahl der Arbeitstage nach den in zehn Wochen abzuleistenden Arbeitstagen bestimmt.

15

Arbeitnehmer, die das Arbeitsverhältnis unter Nichteinhaltung ihres Arbeitsvertrages gelöst haben und/oder die vom Arbeitgeber rechtswirksam fristlos gekündigt wurden, haben keinen Anspruch auf eine noch nicht ausgezahlte Sonderleistung.

16

4. Während des Kalenderjahres aufgrund betrieblicher, einseitig vom Arbeitgeber festgelegter oder vereinbarter Regelungen bereits gezahlte oder noch zu zahlende Sondervergütungen, insbesondere Gratifikationen, Jahresabschlussvergütungen, Jahresprämien, Ergebnisbeteiligungen und dergleichen, können auf die zusätzliche Leistung angerechnet werden.“

17

Unter Geltung dieses MTV kürzte die Beklagte zumindest über einen Zeitraum von mehr als 3 Jahren sodann bei Vollzeitbeschäftigten die Sonderleistung nur für die Krankheitstage ab dem 51. Tag. Beginnend mit der Sonderleistung für das Jahr 2015 kürzte die Beklagte nunmehr bei Vorliegen der tarifvertraglichen Kürzungsvoraussetzungen des § 8 Ziffer 3 MTV ab dem 1.Tag für jeden Tag der krankheitsbedingten Abwesenheit die Sonderleistung.

18

Der Kläger war im Jahr 2016 insgesamt an 82 Tagen arbeitsunfähig erkrankt, sodass die Beklagte (rechnerisch unstreitig richtig) die Sonderleistung für das Jahr 2016 von 6.019,69 Euro brutto um 4.453,53 Euro brutto (82 Tage zu je 51,19 Euro brutto) kürzte und der Klägerin lediglich ein Betrag von 1.566,16 EUR brutto verblieb.

19

Mit der beim Arbeitsgericht Koblenz am 01.12.2016 eingegangenen Klage, die der Beklagten am 08.12.2016 zugestellt wurde, verfolgte der Kläger das Ziel der Nachzahlung des gekürzten Differenzbetrages.

20

Der Kläger hat erstinstanzlich die Ansicht vertreten,

21

dass die Kürzung, soweit sie auch die ersten 50 Tage der Krankheit erfasst, unzulässig gewesen sei.

22

Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

23

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6.059,69 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2016 zu zahlen.

24

Die Beklagte hat beantragt,

25

die Klage abzuweisen.

26

Sie hat die Ansicht vertreten, dass sie zu der vorgenommenen Kürzung berechtigt gewesen sei.

27

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 02.03.2017 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass das Kürzungsrecht aus § 8 Ziffer 3 Abs. 3 MTV nicht von der Zustimmung des Betriebsrats abhängig sei, sondern allein dem Arbeitgeber und damit der Beklagten zustehe. Ferner lasse die tarifvertragliche Regelung selbst keinen Raum für die Herausbildung einer betrieblichen Übung.

28

 Gegen dieses dem Kläger am 22.03.2017 zugestellte Urteil hat der Kläger mit am 24.04.2017 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 22.06.2017 verlängerten Berufungsbegründungsfrist mit beim Landesarbeitsgericht am 14.06.2017 eingegangenen Schriftsatz begründet.

29

Der Kläger macht zur Begründung ihres Rechtsmittels im Wesentlichen geltend:

30

 Die vom Arbeitsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegten Erwägungen zur Kürzungsmöglichkeit aus § 8 Ziffer 3 Abs. 3 MTV seien nicht zutreffend. Nach der Tarifnorm sei eine Kürzungsmöglichkeit nur für die Krankheitstage, die über 50 Tage hinausgehen, gegeben. Es hätte sonst im Tarifvertrag der Formulierung „ kann vom ersten Tag der krankheitsbedingten Abwesenheit die Sonderzahlung gekürzt werden“ bedurft. Dies entspreche auch dem gemeinsamen Verständnis der Tarifvertragsparteien. Darüber hinaus könne der Arbeitgeber die Kürzungsmöglichkeit nur in Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat ausüben, wie auch die Vereinbarung der Beklagten mit ihrem Betriebsrat vom 04.07.2006 zur tarifvertraglichen Vorgängerregelung belege. Im Übrigen sei aber auch eine betriebliche Übung durch die bisherige Praxis der Beklagten gegeben, da diese mit ihrer bis 2015 praktizierten Handhabung den Arbeitnehmern zu erkennen gegeben habe, dass sie die Vorgaben des Tarifvertrages so ausübe.
Der Kläger beantragt nach teilweiser Klagerücknahme,

31

 das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 02.03.2017 – Az.: 7 Ca 3753/16 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 3.500,19 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2016 zu zahlen.

32

 Die Beklagte beantragt,

33

 die Berufung zurückzuweisen.

34

 Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil als zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

35

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist gem. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und auch ordnungsgemäß begründet worden.

II.

36

In der Sache hat die zulässige Berufung keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung weiterer 3.500,19 EUR brutto tariflicher Sondervergütung für das Jahr 2016 aus § 8 MTV.

37

Zwar erfüllt der Kläger unproblematisch grundsätzlich die Anspruchsvoraussetzungen des § 8 Ziffer 1 MTV für die tarifvertragliche Sonderleistung. Der Kläger kann von der Beklagten dennoch den geltend gemachten Differenzbetrag nicht verlangen, da ein Anspruch in dieser Höhe infolge der 114 Tage krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit entfallen ist. Die Beklagte hat insoweit rechtwirksam von der Kürzungsregelung des § 8 Ziffer 3 Abs. 3 MTV Gebrauch gemacht.

38

1. Die Tarifvertragsparteien haben in § 8 Ziffer 3 Abs. 3 MTV die entsprechende Kürzungsregelung normiert.

39

Die tarifvertragliche Regelung sieht dabei entgegen der Auffassung der Berufung eine Kürzungsmöglichkeit bei Überschreitung der Grenze von 50 Arbeitstagen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit für jeden Tag der Arbeitsunfähigkeit und nicht lediglich für die, die 50-Tage Grenze überschreitenden Fehltage vor. Dies ergibt eine Auslegung des § 8 Ziffer 3 Abs. 3 MTV.

40

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, welche die Berufungskammer zugrunde legt, folgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Über den reinen Wortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der damit von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mit zu berücksichtigen, sofern und soweit er in den tariflichen Regelungen und ihrem systematischen Zusammenhang Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG 28.08.2013 – 10 AZR 701/12 – Rn. 13 mwN, AP TVG § 1 Tarifverträge: Metallindustrie Nr. 227; 22.04.2010 – 6 AZR 962/08, NZA 2011, 1293, 1294 f.).

41

b) Schon die Auslegung des Wortlauts des § 8 Ziffer 3 Abs. 3 MTV ergibt, dass dort eine umfassende Kürzungsmöglichkeit geregelt ist, die sich auf jeden Tag der Arbeitsunfähigkeit bezieht. So heißt es dort wörtlich, dass im Falle der Krankheit des Arbeitnehmers über einen Zeitraum von zehn Wochen (50 Arbeitstage bei Arbeitnehmern, die in 5-Tage-Woche arbeiten) hinaus für jeden Tag der krankheitsbedingten Abwesenheit die Sonderleistung um ein Viertel des Arbeitsentgelts, das im Jahresdurchschnitt auf einen Arbeitstag entfällt, gekürzt werden kann. Danach ist ausdrücklich eine Kürzungsmöglichkeit für jeden Tag der krankheitsbedingten Abwesenheit vorgesehen.

42

Etwas anderes folgt auch nach dem Wortlaut nicht daraus, dass in dieser Tarifnorm ein (ggfs. zusammengerechneter) Zeitraum von 10 Wochen und damit 50 Tagen als Kürzungsvoraussetzung aufgenommen ist. Nach dem Tarifwortlaut soll nämlich erst bei Überschreiten dieses Schwellenwerts die sodann mit der Formulierung „für jeden Tag der krankheitsbedingten Abwesenheit“ normierte Kürzungsberechnung eingreifen. Es handelt sich daher bei der aufgenommenen 10-Wochen-Grenze allein um eine unabhängige Voraussetzung für ein Kürzungsrecht. Es wird damit allein geregelt, ob überhaupt gekürzt werden kann, ohne dass daraus etwas für das „Wie“ und damit den Umfang der Kürzung gefolgert werden kann.

43

Des Weiteren ist festzustellen, dass ein etwaig anderslautender Wille der Tarifparteien jedenfalls im Wortlaut der Kürzungsregelung keinen hinreichenden Niederschlag gefunden hat.

44

c) Auch der gesetzliche Zusammenhang mit § 4a EFZG, in welchem § 8 Ziffer 3 Abs. 3 MTV zu verstehen ist, stützt das vom Wortlaut abgeleitete Auslegungsergebnis und spricht gerade nicht für die vom Kläger vertretene Auslegung der Kürzungsberechnung.

45

Nach § 4a EFZG ist eine Vereinbarung über die Kürzung von Leistungen, die der Arbeitgeber zusätzlich zum laufenden Arbeitsentgelt erbringt (Sondervergütung), auch für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit zulässig. Die Kürzung darf für jeden Tag der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit ein Viertel des Arbeitsentgelts, das im Jahresdurchschnitt auf einen Arbeitstag entfällt, nicht überschreiten.

46

Da es sich bei der Sondervergütung des § 8 MTV um eine Sonderleistung mit Mischcharakter handelt, wie der tarifliche Zusammenhang der weiteren Regelungen des § 8 Ziffer 3 MTV zeigt (vgl. hierzu bereits ausführlich LAG Rheinland-Pfalz 13.01.2010 – 7 Sa 514/09 zu A. II. 3 a) der Gründe), stellt die tarifvertragliche Regelung des § 8 Ziffer 3 Abs. 3 MTV zum einem die von § 4a EFZG vorausgesetzte Kürzungsgrundlage dar. Denn die von § 4a EFZG vorausgesetzte notwendige Vereinbarung kann auch eine Tarifnorm sein (vgl. zu letzterem ErfK/Reinhard, 17. Aufl. 2017, § 4a EFZG, Rn. 2). Zum anderen übernehmen die Tarifvertragsparteien in § 8 Ziffer 3 Abs. 3 MTV für die Kürzungsberechnung wortwörtlich die in § 4a S. 2 EFZG vorgesehene Obergrenze nebst Berechnungsfaktoren. Dies belegt einmal mehr, dass eine Kürzungsmöglichkeit für jeden Tag der Arbeitsunfähigkeit in § 8 Ziffer 3 Abs. 3 MTV normiert wurde, da dies den Vorgaben des § 4a EFZG entspricht.

47

d) Schließlich führt diese am vorrangigen Wortlaut orientierte Auslegung entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht zu sinnwidrigen Ergebnissen.

48

Mit der Regelung des § 8 Ziffer 3 Abs. 3 MTV wollten die Tarifvertragsparteien für die Fälle krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit einen Krankheitszeitraum regeln, der –obwohl innerhalb dessen keine Arbeitsleistung erbracht wird – den vollen Sonderleistungsanspruch unberührt lassen soll. Anders als in den Vorgängerregelungen (vgl. zur dortigen alleinigen Kürzungsmöglichkeit bei zusammenhängender 6-wöchiger Krankheitszeit, LAG Rheinland-Pfalz v. 13.01.2010 – 7 Sa 514/09) haben die Tarifvertragsparteien dabei in § 8 Ziffer 3 Abs. 3 MTV auch die Kürzung für die Fälle der Addition verschiedener Krankheitszeiträume aufgenommen und im Gegenzug dazu den Schwellenwert von 6 Wochen auf 10 Wochen angehoben. Dies hält sich im Rahmen des vom Gericht zu beachtenden Einschätzungs- und Beurteilungsspielraums der Tarifvertragsparteien zur Festlegung unbeachtlicher und relevanter krankheitsbedingter Ausfallzeiten. Denn die Tarifvertragsparteien sind grundsätzlich im Rahmen ihrer Tarifautonomie frei zu bestimmen, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Jahressonderzahlung gewährt wird und welche Tatbestände ggf. zu einer Kürzung führen (BAG 25.09.2013 10 AZR 850/12, NZA 2014, 52 f, zu den Grenzen z.B. BAG 12. Dezember 2012 - 10 AZR 718/11 - Rn. 31 ff.; vgl. auch § 4a EFZG). Es ist auch nicht erkennbar, aus welchem Grunde eine solche Differenzierung unzulässig sein sollte, zumal sie im Einklang mit § 4a EFZG steht.

49

2. Zudem bedurfte es zur wirksamen Kürzung auf Grundlage des § 8 Ziffer 3 Abs. 3 MTV keiner Mitwirkung des Betriebsrats.Der Umstand, dass die Arbeitgeberin von dieser Kürzungsmöglichkeit unter den tariflich geregelten Voraussetzungen im tariflich geregelten Umfang Gebrauch machen "kann", eröffnet dem Betriebsrat kein erzwingbares Mitbestimmungsrecht. Insbesondere besteht insoweit kein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Auch aus der Vereinbarung der Beteiligten vom 04.07.2006 folgt nichts anderes. Wie das Arbeitsgericht ebenfalls zutreffend erkannt hat, steht das Kürzungsrecht allein dem Arbeitgeber zu.

50

a) Der Betriebsrat kann von einem - wie hier - tarifgebundenen Arbeitgeber nicht über § 87 Abs. 1 Nr. 10, Abs. 2 BetrVG die Gewährung bestimmter über- oder außertariflicher Entgeltleistungen erzwingen. Hierauf läuft sein Begehren letztlich hinaus. Die Arbeitgeberin ist nach dem Tarifvertrag - durch die Verwendung des Modalverbs "kann" - frei in ihrer Entscheidung, ob sie die Sonderleistung in den geregelten Fällen kürzt oder nicht. So wie der Arbeitgeber allein darüber entscheidet, ob er übertarifliche Leistungen überhaupt erbringt, kann er mitbestimmungsfrei darüber entscheiden, ob und wann er sie vollständig wieder einstellt (BAG 23.06.2009 - 1 AZR 214/08 - Rn. 16; 15.04.2008 - 1 AZR 65/07 - Rn. 31; 23.01.2008 - 1 ABR 82/06 - Rn. 24, 25 m.w.N.). Es verbleibt kein Finanzvolumen bei dessen Verteilung der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitzubestimmen hat. Ob und in welcher Höhe der Arbeitgeber eine Sonderleistung im Krankheitsfall zu erbringen hat, ist bereits tariflich festgelegt; ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats, mit dem dieser eine andere (günstigere) Regelung für erkrankte Arbeitnehmer erreichen könnte, scheidet wegen § 87 Abs. 1 Einleitungssatz BetrVG aus (LAG Rheinland-Pfalz 20.07.2017 – 5 TaBV 18/17 – Rn. 48 f., juris).

51

b) Entgegen der Ansicht der Berufung ist daher auch die Vereinbarung vom 04.07.2008 ohne Relevanz, wonach die Beklagte als Arbeitgeberin auf ihre Befugnis, die Sonderleistung im Falle einer länger als 6 Wochen dauernden Krankheitsfall kürzen zu können, verzichtet hat. Im Übrigen verfängt der Verweis auf dieses Vereinbarung unabhängig von ihrer Rechtsqualität schon deshalb nicht, da sie nach ihrem eindeutigen Wortlaut für die Laufzeit des früheren Manteltarifvertrags zeitlich befristet war. Die Vereinbarung ist daher seit dem Inkrafttreten des neuen und vorliegend maßgeblichen Manteltarifvertrags vom 03.11.2010 am 01.01.2011 für die Beklagte nicht mehr bindend gewesen.

52

3. Schließlich hat das Arbeitsgericht zu Recht auch das Vorliegen einer der vorgenommenen Kürzung entgegenstehenden betrieblichen Übung verneint. Denn allein aus dem Umstand, dass die Beklagte nach Inkrafttreten der jetzigen Kürzungsregelung des § 8 Ziffer 3 Abs. 3 MTV bei Überschreiten des nunmehr maßgeblichen Schwellenwerts von (insgesamt) 10 Wochen Arbeitsunfähigkeit im Kalenderjahr die Kürzungsmöglichkeit erst seit dem Jahr 2015 vollständig umsetzt und damit zuvor zumindest über einen Zeitraum von mehr als 3 Jahren bei Vollzeitbeschäftigten die Sonderleistung nur für die Krankheitstage ab dem 51. Tag kürzte, reicht nicht für die Darlegung bzw. Annahme einer entsprechenden betrieblichen Übung aus.

53

Denn die Annahme einer betrieblichen Übung und damit von Ansprüchen der Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber durch die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen (insbesondere Zahlungen) des Arbeitgebers setzt stets voraus, dass die Arbeitnehmer aus den Verhaltensweisen des Arbeitgebers schließen können, ihnen solle ein Anspruch auf eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden.

54

Entscheidend für die Entstehung eines Anspruchs ist dementsprechend nicht der Verpflichtungswille des Arbeitgebers, sondern wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) verstehen musste und durfte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine betriebliche Übung grundsätzlich ebenfalls bezüglich übertariflicher Leistungen und übertariflicher Anteile einer einheitlichen Leistung entstehen kann (BAG 24.03.2010 - 10 AZR 43/09 - Rn. 17, AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 90). Allerdings muss dem tatsächlichen Verhalten des Arbeitgebers dann aber aus der Sicht der Arbeitnehmer der Wille zugrunde liegen, eine bestimmte übertarifliche Leistung zu erbringen. Zudem ist es Sache der klagenden Partei, die Anspruchsvoraussetzungen der betrieblichen Übung darzulegen. Dazu gehört auch die Darlegung, dass das Verhalten des Arbeitgebers aus Sicht des Empfängers ausreichende Anhaltspunkte dafür bot, der Arbeitgeber wolle Zahlungen erbringen, ohne hierzu bereits aus anderen Gründen - etwa aufgrund eines Tarifvertrags oder einer Betriebsvereinbarung - verpflichtet zu sein (vgl. BAG 23.08.2011 - 3 AZR 650/09 - Rn. 58, AP BetrAVG § 1 Betriebliche Übung Nr. 10). Erst wenn solche Darlegungen des Arbeitnehmers die Entstehung einer betrieblichen Übung belegen, ist es Sache des Arbeitgebers, dem durch geeigneten Vortrag entgegenzutreten (vgl. BAG 29.08.2012 – 10 AZR 572/11, NZA 2013, 40, 41).

55

Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechungsgrundsätze scheidet das Entstehen einer betrieblichen Übung durch die bis zum Jahr 2015 gehandhabten Praxis der Beklagten aus. Allein der Umstand, dass die Beklagte bei Überschreiten des Schwellenwertes von 50 Tagen bis dahin über einen Zeitraum von mehr als 3 Jahren eine Kürzung der Sondergratifikation nur für die Krankheitstage ab dem 51. Tag vornahm , lässt aus Empfängersicht keinen Rückschluss auf einen Verpflichtungswillen der Beklagten unabhängig von der tarifvertraglichen Kürzungsregelung zu. Denn damit hat die Beklagte mangels besonderer Anhaltspunkte zunächst lediglich zu erkennen gegeben, dass sie (vermeintlich) die Vorgaben des Tarifvertrags zur Kürzungsmöglichkeit umsetzt, indem sie zunächst die Sonderleistung nur um die den Schwellenwert überschreitende Krankheitstage kürzte. Der Umstand, dass dies nicht der zutreffenden am vorrangigen Wortlaut orientierten Auslegung des § 8 Ziffer 3 Abs. 3 MTV entspricht, ändert hieran nichts. Vielmehr stellt sich das gezeigte Verhaltend der Beklagten mangels Hinzutreten besonderer Umstände aus Empfängersicht allein als (vermeintlicher) Normenvollzug dar. Unabhängig von den nicht verlautbarten Vorstellungen des leistenden Arbeitgebers kann die Leistungsgewährung in einem solchen Fall nicht als stillschweigendes Angebot zur Begründung einer betrieblichen Übung mit dem Inhalt einer übertariflichen Verpflichtung wahrgenommen werden, da sie aus Sicht des Arbeitnehmers ausschließlich die Erfüllung eines vermeintlichen tarifvertraglichen Anspruchs darstellt. (vgl. std. Rspr. BAG 17.03.2010 – 5 AZR 317/09, BAGE 133, 337 ff. m.w.N.; MüKoBGB/Mülller-Glöge, 7. Aufl. 2016, § 611 BGB Rn. 414).

56

Schließlich sind sowohl der Kläger als auch die weiteren Klägerinnen zumindest bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz der Auffassung gewesen, die Beklagte sei schon nach § 8 Ziffer 3 Abs. 3 MTV lediglich zur Kürzung im Umfang der über den Schwellenwert hinausgehenden Krankheitstage berechtigt. Sie sind somit selbst von einem Vollzug der tarifvertraglichen Regelung ausgegangen. Dies belegt einmal mehr, dass aus Sicht der Belegschaft die Beklagte mit der bis zum Jahr 2015 praktizierten Kürzung lediglich den Tarifvertrag vollzog, so dass kein Raum für das Herausbilden einer betrieblichen Übung bestand.

57

4. Nach alledem war die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.

III.

58

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 97 Abs. 1, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO, 46 Abs. 2 ArbGG.

59

Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.

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Annotations

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

(1) Der Tarifvertrag regelt die Rechte und Pflichten der Tarifvertragsparteien und enthält Rechtsnormen, die den Inhalt, den Abschluß und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen ordnen können.

(2) Tarifverträge bedürfen der Schriftform.

(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:

1.
Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb;
2.
Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage;
3.
vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit;
4.
Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte;
5.
Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans sowie die Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis erzielt wird;
6.
Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen;
7.
Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften;
8.
Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist;
9.
Zuweisung und Kündigung von Wohnräumen, die den Arbeitnehmern mit Rücksicht auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses vermietet werden, sowie die allgemeine Festlegung der Nutzungsbedingungen;
10.
Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung;
11.
Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze und vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte, einschließlich der Geldfaktoren;
12.
Grundsätze über das betriebliche Vorschlagswesen;
13.
Grundsätze über die Durchführung von Gruppenarbeit; Gruppenarbeit im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn im Rahmen des betrieblichen Arbeitsablaufs eine Gruppe von Arbeitnehmern eine ihr übertragene Gesamtaufgabe im Wesentlichen eigenverantwortlich erledigt;
14.
Ausgestaltung von mobiler Arbeit, die mittels Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird.

(2) Kommt eine Einigung über eine Angelegenheit nach Absatz 1 nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Werden einem Arbeitnehmer Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung aus Anlass seines Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber zugesagt (betriebliche Altersversorgung), gelten die Vorschriften dieses Gesetzes. Die Durchführung der betrieblichen Altersversorgung kann unmittelbar über den Arbeitgeber oder über einen der in § 1b Abs. 2 bis 4 genannten Versorgungsträger erfolgen. Der Arbeitgeber steht für die Erfüllung der von ihm zugesagten Leistungen auch dann ein, wenn die Durchführung nicht unmittelbar über ihn erfolgt.

(2) Betriebliche Altersversorgung liegt auch vor, wenn

1.
der Arbeitgeber sich verpflichtet, bestimmte Beiträge in eine Anwartschaft auf Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung umzuwandeln (beitragsorientierte Leistungszusage),
2.
der Arbeitgeber sich verpflichtet, Beiträge zur Finanzierung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung zu zahlen und für Leistungen zur Altersversorgung das planmäßig zuzurechnende Versorgungskapital auf der Grundlage der gezahlten Beiträge (Beiträge und die daraus erzielten Erträge), mindestens die Summe der zugesagten Beiträge, soweit sie nicht rechnungsmäßig für einen biometrischen Risikoausgleich verbraucht wurden, hierfür zur Verfügung zu stellen (Beitragszusage mit Mindestleistung),
2a.
der Arbeitgeber durch Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrages in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung verpflichtet wird, Beiträge zur Finanzierung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung nach § 22 zu zahlen; die Pflichten des Arbeitgebers nach Absatz 1 Satz 3, § 1a Absatz 4 Satz 2, den §§ 1b bis 6 und 16 sowie die Insolvenzsicherungspflicht nach dem Vierten Abschnitt bestehen nicht (reine Beitragszusage),
3.
künftige Entgeltansprüche in eine wertgleiche Anwartschaft auf Versorgungsleistungen umgewandelt werden (Entgeltumwandlung) oder
4.
der Arbeitnehmer Beiträge aus seinem Arbeitsentgelt zur Finanzierung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung leistet und die Zusage des Arbeitgebers auch die Leistungen aus diesen Beiträgen umfasst; die Regelungen für Entgeltumwandlung sind hierbei entsprechend anzuwenden, soweit die zugesagten Leistungen aus diesen Beiträgen im Wege der Kapitaldeckung finanziert werden.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.