Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 26. Mai 2011 - 7 Sa 506/09
Gericht
Tenor
Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 07.05.2009, Az.: 11 Ca 1484/08 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses auf Basis einer personenbedingten außerordentlichen Kündigung des beklagten Landes mit Datum vom 07.11.2008, dem Kläger am 11.11.2008 zugegangen, mit sozialer Auslauffrist bis 30.06.09.
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Der am 31.07.1963 geborene, ledige Kläger ist ab dem 01.08.1982 zur Ausbildung bei dem Beklagten eingestellt worden und seit dem 03.07.1985 nach Beendigung der Ausbildung als Straßenwärter beim Straßenbauamt Z beschäftigt worden.
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Paragraph 2 des Arbeitsvertrages der Parteien sieht vor, dass sich das Arbeitsverhältnis nach dem Manteltarifvertrag für die Arbeiter der Länder (MTL-II) vom 27.02.1964 und den diesen ergänzenden, ändernden oder an seine Stelle tretenden Tarifverträgen richtet (Bl. 6 d.A.).
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Das beklagte Land versetzte den Kläger zum 01.03.2007 von der Straßenmeisterei Y zur Straßenmeisterei A-Stadt. Ab dem 06.03.2007 nahm der Kläger auf Drängen des beklagten Landes bei dem Diplom-Psychologen X eine ambulante psychotherapeutische Therapie in Anspruch, im Rahmen derer er Therapietermine zwischen dem 06.03.2007 und 05.01.2009 (Bl. 76 d.A.) wahrnahm.
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Im Kalenderjahr 2008 war der Kläger an 144 Arbeitstagen arbeitsunfähig erkrankt (Bl. 115 d.A.).
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Auf Erteilung einer Abmahnung im Februar 2008 hat das beklagte Land verzichtet.
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Im Juli 2008 wurde der Kläger auf Veranlassung des beklagten Landes auf seine Dienstfähigkeit amtsärztlich untersucht. Im Rahmen dessen wurde ein fachärztliches Gutachten durch den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. W aus V erstattet (Bl. 42 - 63 d.A.). Bezugnehmend auf dieses Gutachten hat die Kreisverwaltung U in V mit Schreiben vom 01.10.2008 dem beklagten Land auszugsweise nachfolgendes mitgeteilt (Bl. 40 und 41 d.A.)
- 8
"…
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Aus psychiatrischer Sicht soll eine weitere Beschäftigung von Herrn F. in den Tätigkeitsbereichen mit Eigen-/oder Fremdgefährdung oder Verantwortung für Personen und Gegenstände vermieden werden, da eine Verhaltensänderung nicht mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Unter Berücksichtigung des Ergebnisses der fachärztlichen Begutachtung ist Herr F. aus amtsärztlicher Sicht zukünftig nicht geeignet, seine Tätigkeiten als Straßenwärter auszuüben.
- 10
…"
- 11
Zuvor war der Kläger zumindest mit folgenden Verhaltensweisen (von den Parteien im Berufungsverfahren unstreitig gestellt), auffällig geworden:
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Am 28.02.2008 hat der Kläger, entgegen den Erfordernissen, den ihm zugewiesenen Schutzhelm bei der Arbeitsleistung nicht getragen.
- 13
Am 20.11.2007 während der Durchführung von Gehölzpflegemaßnahmen an der B bei T hat der Kläger ein Stück Holz in Richtung eines Häckslers geworfen, wodurch nebenstehende Kollegen gefährdet worden sind.
- 14
Darüber hinaus hat der Kläger am 20.11.2007 bei den genannten Gehölzpflegemaßnahmen einem Kollegen, der gerade mit der Motorsäge hantierte, Äste unter den Füßen weggezogen.
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Mit Schreiben vom 24.10.2008 (Bl. 64 bis 67 d.A.) unterrichtete das beklagte Land den Gesamtpersonalrat über seine Absicht, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich unter Einhaltung einer sozialen Auslauffrist aus personenbedingten Gründen zu kündigen. Der Vorsitzende des Gesamtpersonalrates antwortete mit Schreiben vom 07.11.2008 (Bl. 68 d.A.) worauf nachmals eine Erläuterung des beklagten Landes mit E-Mail vom 10.11.2008 (Bl. 69 d.A.) erfolgte.
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Mit Schreiben vom 07.11.2008, dem Kläger am 11.11.2008 zugegangen kündigte das beklagte Land das Arbeitsverhältnis außerordentlich unter Einräumung einer sozialen Auslauffrist von sechs Monaten zum 30.06.2009.
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Mit Schriftsatz vom 28.11.2008 am gleichen Tage beim Arbeitsgericht Mainz eingegangen, dem beklagten Land am 08.12.2008 zugestellt, hat der Kläger Kündigungsschutzklage erhoben.
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Der Kläger hat erstinstanzlich vorgetragen,
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bis auf die einmalige Verfehlung mit dem Helm am 28.02.008 müssten alle weiteren Verfehlungen bestritten werden, diese seien unsubstantiiert vorgetragen. Der Kläger sei aufgrund Differenzen mit dem beklagten Land und der persönlichen Belastung aufgrund Krankheit der Mutter, Pflege des Vaters und der heimischen Nebenerwerbslandwirtschaft überbelastet gewesen. Er befinde sich in ärztlicher und psycho-therapeutischer Behandlung, habe bereits im Jahr 2007 erkannt, dass sein in der Vergangenheit liegendes Verhalten nicht richtig gewesen sei. Bereits bei Ausspruch der Kündigung sei bei ihm eine Verhaltensänderung eingetreten, was sich darin zeige, das im Februar 2008 der letzte dokumentierte Fall eines Vorkommnisses mit Eigen- oder Fremdgefährdung aufgetreten sei.
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Auf das Gutachten des Dr. W könne sich das beklagte Land nicht stützen mangels Objektivität. Obwohl der Gutachter eine akute Eigen- und Fremdgefährdung nicht habe erkennen können und dennoch attestiere, dass zumindest derzeit keine Einsichtsfähigkeit in die Gefährlichkeit seines Verhaltens beim Kläger bestehe, beruhe dies lediglich auf der Beschreibung des Verhaltens des Klägers durch das beklagte Land.
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Bestritten werden müsse, dass das beklagte Land den Kläger nicht anderweitig beschäftigen könne. Der Vortrag des beklagten Landes sei insoweit unzureichend insbesondere müsse auf die Tatsache hingewiesen werden, dass ein betriebliches Wiedereingliederungsmanagement nicht durchgeführt worden sei. Letztendlich müsse die ordnungsgemäße Anhörung des Personalrates bestritten werden.
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Der Kläger hat beantragt,
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festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung vom 07.11.2008, zugegangen am 11.11.2008, nicht aufgelöst wird und über die Auslauffrist zum 30.6.2009 hinaus fortbesteht.
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Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt und insoweit vorgetragen:
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Der Kläger zeige bereits seit längerem ein auffälliges Verhalten, er weigere sich standhaft die aus Sicherheitsgründen vorgeschriebene Schutzkleidung zu tragen und stelle Anordnungen und Aufgabenstellungen der Vorgesetzten in Frage, verzögere den Arbeitsablauf und bringe durch grob fahrlässiges Verhalten Kollegen und Verkehrsteilnehmer in Gefahr. So habe er Holz in Richtung des Häckslers geworfen obwohl sich Kollegen unmittelbar in der Nähe der Maschine befunden hätten. Ein Stück sei auf die Fahrbahn geflogen und habe einen Verkehrsteilnehmer gefährdet. Darüber hinaus habe der Kläger abgeschnittene Äste unter den Füßen der Kollegen hervorgezogen, obwohl diese gerade mit der Motorsäge hantierten. Darüber hinaus ignoriert der Kläger Warnungen, verlasse den abgesperrten Arbeitsbereich und laufe unter herabfallenden Bäumen hindurch.
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Daraufhin sei der Kläger auch innerhalb des Landesbetriebs Mobilität zur Straßenmeisterei A-Stadt versetzt worden.
- 27
Die psychotherapeutische Therapie habe der Kläger ausschließlich auf Druck des Arbeitgebers angetreten, ohne das eine Verbesserung eingetreten sei. Aufgrund der unregelmäßigen Teilnahme durch den Kläger sei diese auch von dem betreuenden Arzt abgebrochen worden.
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Ein Einsatz des Klägers als Straßenwärter komme daher nicht mehr in betracht. Er gefährde Kollegen, ihm könnten auch keine Fahrzeuge und Geräte mehr anvertraut werden.
- 29
Im reinen Innendienst bestünde beim beklagten Land für den Ausbildungsgrad und die Fähigkeiten des Klägers keine Tätigkeit.
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Mit Urteil vom 07.05.2009 hat das Arbeitsgericht Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - (Bl. 146 bis 162 d.A.) der Klage des Klägers stattgegeben und festgestellt, dass die Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht beendet habe. Im Wesentlichen hat das Arbeitsgericht insoweit ausgeführt, der Sachvortrag des beklagten Landes hinsichtlich der auffälligen Verhaltensweisen sei nicht ausreichend substantiiert. Darüber hinaus habe das beklagte Land für die von ihm behauptete negative Zukunftsprognose, die dauerhafte Arbeitsunfähigkeit des Klägers, nicht ausreichend Beweise angeboten. Letztendlich habe das beklagte Land auch im Hinblick auf die neue Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes zum betrieblichen Eingliederungsmanagement und etwaiger Unmöglichkeit den Kläger zu veränderten Bedingungen weiterzubeschäftigen nicht ausreichend substantiiert vorgetragen, zumindest jedoch seinen Sachvortrag insoweit nicht ausreichend unter Beweis gestellt.
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Das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - wurde dem beklagten Land unter dem Datum 14.07.2009 zugestellt. Mit bei Gericht am 13.08.2009 eingegangenen Schriftsatz hat das beklagte Land hiergegen Berufung eingelegt (Bl. 167 d.A.). Auf Antrag des beklagten Landes vom 09.09.2009 wurde die Berufungsbegründungsfrist bis 28.09.2009 verlängert (Bl. 180, 181 d.A.). Mit bei Gericht am 25.09.2009 per Telefax und am 28.09.2009 im Original eingegangenem Schriftsatz (Bl. 183 f. d.A.) hat das beklagte Land die Berufung begründet.
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Das beklagte Land trägt zur Begründung der Berufung wie nachfolgend vor:
- 33
Das Arbeitsgericht habe in seiner Entscheidung die Darlegungs- und Beweislast im Rahmen der Frage der Möglichkeiten der Weiterbeschäftigung des Klägers zu veränderten oder unveränderten Arbeitsbedingungen verkannt. Das beklagte Land habe substantiiert im Schriftsatz vom 03.04.2009 auf sechs Seiten dargelegt, warum eine Weiterbeschäftigung des Klägers nicht möglich sei.
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Für den Kläger kämen aufgrund seiner Ausbildung und arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeit als Straßenwärter als Ersatztätigkeit nur einfache verwaltungsdienstliche Tätigkeiten wie zum Beispiel technischer/nichttechnischer Dienst im Empfangsbereich, Pförtner, Hausmeister, Putzhilfe u.ä. in Betracht. Im mittleren Dienst sei der Kläger mangels Realschulabschluss und dienlicher Berufsausbildung nicht geeignet. Es fehle auch der zweijährige Vorbereitungsdienst.
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Innerhalb einer einstündigen Fahrzeit mit öffentlichen oder privaten Verkehrsmitteln, bezogen auf den Einzugsbereich von A-Stadt, seien daher für den Kläger in diesen Tätigkeitsbereichen weder im Verwaltungsbereich des Landesbetriebes Mobilität (detailliert ausgeführt auf Bl. 306 bis 312 d.A., unter Beifügung von Stellenbesetzungsplänen Bl. 321 bis 337 d.A.) noch in sonstigen Verwaltungsbereichen der Landesverwaltung (wird ausgeführt auf Bl. 312 bis 318 d.A. unter Beifügung der Stellungnahmen der einzelnen Landesverwaltungsstellen, Bl. 338 bis 367 d.A.) möglich gewesen. Soweit geeignete Stellen tatsächlich vorhanden seien (wie zuvor ausgeführt wird) seien diese langfristig besetzt.
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Neben den nunmehr unstreitigen gefährlichen Verhaltensweisen habe der Kläger am 23.11.2007 mit der Verkehrssicherung betraut, ungefragt seinen Aufsichtsposten verlassen ohne dies den Arbeitskollegen mitzuteilen. Gleiches sei im Winter 2007/2008 an der K bei S vorgefallen.
- 37
Der Kläger sei darüber hinaus mehrmals am Steuer des KFZ eingeschlafen. Er weigere sich, über den unstreitigen Fall des 28.02.2008 hinaus, regelmäßig die Schutzhelmkombination zu tragen.
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Eine leidensgerechte Anpassung des bisher inne gehabten Arbeitsplatzes sei nicht möglich. Die Tätigkeit des Straßenwärters finde immer im unmittelbaren Nebenbereich des Straßenraumes statt und werde in Kolonnen mit maximal fünf Mitarbeitern durchgeführt. Zur Ausübung der Tätigkeiten seien auch immer geeignete Fahrzeuge und Geräte einzusetzen, beispielsweise für die personalintensive Gehölzpflege. Zum Berufsbild des Straßenwärters gehöre die Beherrschung von Fahrzeugen und Maschinen, was sich daraus ergebe, dass für den erfolgreichen Abschluss der Ausbildung der Erwerb der Führerscheinklasse C/CE für schwere LKW und Lastzüge über 3,5 t und Anhänger über 750 kg gefordert werde.
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Die Tätigkeit setzte daher immer den Einsatz von Maschinen mit erheblichem Wert und Teamwork voraus, so dass die Anpassung des Arbeitsplatzes im Hinblick auf das Gefährdungspotenzial des Klägers nicht möglich sei.
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Da weder eine Arbeitsplatzanpassung noch die Zuweisung einer anderweitigen Tätigkeit möglich gewesen sei, hätte auch die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagement zu keinem anderen Ergebnis geführt.
- 41
Im Falle des Klägers läge auch eine negative Zukunftsprognose vor, bestätigt durch fachärztliches Gutachten. Es mangele dem Kläger an der Einsichtsfähigkeit hinsichtlich der Gefährlichkeit seines Verhaltens und es bestehe kein Anlass anzunehmen, das kurzfristig durch Therapie eine Verhaltensveränderung zu erreichen sei. In Folge dessen habe das Gesundheitsamt V auch amtsärztlich festgestellt, dass der Kläger zukünftig nicht geeignet sei, seine Tätigkeit als Straßenwärter auszuüben. Hierüber hätte das Arbeitsgericht, mangels ausreichend konkretem Hinweis auf die Notwendigkeit des Beweisangebotes durch Sachverständigen-Gutachten, von Amts wegen Beweis erheben müssen.
- 42
Der Berufungskläger beantragt,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 07.05.2009, Az.: 11 Ca 1484/08, abzuändern und die Klage abzuweisen;
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Der Berufungsbeklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil und trägt vor,
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im Falle des notwendigen betrieblichen Eingliederungsmanagements genüge bei Nichtdurchführung nicht den Arbeitnehmer allgemein darauf zu verweisen, das eine Beschäftigungsmöglichkeit nicht vorläge. Im Hinblick auf die tarifvertraglich ordentliche Unkündbarkeit hätte es darüber hinaus des Nachweises der Bemühungen des beklagten Landes bedurft, das dieses im eigenen oder in einem anderen Verwaltungszweig desselben Rechtsträgers oder eines anderen Rechtsträgers keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit habe. Hinsichtlich der Darstellung und Anforderungen an die Tätigkeiten des Straßenwärters müsse darauf hingewiesen werden, dass diese grundsätzlich zutreffend seien, der Kläger jedoch keinen Führerschein der Klasse 2 zum Führen von Schneepflügen habe. Soweit die Beklagte unsubstantiiert Fehlverhalten des Klägers behaupte müssten diese bestritten werden. Insbesondere soweit behauptet werde, der Kläger habe seinen Aufsichtsposten verlassen, sei im KFZ beim Fahren mehrmals eingeschlafen.
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Eine negative Zukunftsprognose läge nicht vor. Das Arbeitsverhältnis sei 28 Jahre lang beanstandungsfrei verlaufen. Lediglich im Zeitraum von drei Monaten hätten sich angebliche Fehlverhalten ergeben (20.11.2007 bis 28.02.2008). Die Dienstunfähigkeit des Klägers lasse sich hieraus nicht ableiten.
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Der Kläger könne weiterhin als Straßenarbeiter eingesetzt werden. Insbesondere in der Straßenmeisterei R. Der dortige Vorgesetzte Herr Q habe erklärt, er sei bereit es mit dem Kläger zu versuchen.
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Die Kammer hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Hinsichtlich des Beweisthemas wird auf den Beschluss vom 21.01.2010 (Bl. 397 d.A.) verwiesen. Hinsichtlich des Inhalts des schriftlichen Gutachtens auf Bl. 484 bis 531 d.A. und auf die Erläuterung des Gutachtens durch die Gutachterin in der Sitzungsniederschrift vom 25.05.2011.
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Das beklagte Land hat nach Erstattung des schriftlichen Gutachtens mit Schriftsatz zum 01.03.2011 behauptet: Das Gutachten gehe vom falschen Betrachtungszeitpunkt aus. Es sei nicht der Zeitpunkt der Begutachtung Ende 2010 sondern der Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung zugrunde zulegen. In ihrem schriftlichen Gutachten habe die Gutachterin festgestellt, dass eine Anpassungsstörung chronifizieren könne je nach Persönlichkeitsstruktur, intellektueller und kognitivierender Fähigkeiten sowie sozialem Umfeld, so dass im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung, da insoweit beim Kläger Negativkriterien vorlägen, von Unabsehbarkeit des Verlaufs der Wiederherstellung auszugehen gewesen sei.
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Darüber hinaus habe die Gutachterin nicht ausgeschlossen, dass hirnorganische Störungen vorlägen, die wohl einer weitere Begutachtung erfordern würden.
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Außerdem habe die Gutachterin unterdurchschnittliche Wert im Bereich der Reaktionskontrolle festgestellt ohne klarzustellen, ob sich hieraus dauerhaft eine Gefährdungslage für den Kläger, Kollegen oder Sachen ergäbe.
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Für den weiteren Sachvortrag der Parteien wird auf die Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 16.12.2009, 21.07.2010 und 25.05.2011 und die zuletzt gemachten Schriftsätze verwiesen.
Entscheidungsgründe
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I. Die nach § 64 ArbGG statthafte Berufung des beklagten Landes ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit §§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist zulässig.
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II. Die Berufung des beklagten Landes bleibt jedoch ohne Erfolg. Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage des Klägers zu Recht stattgegeben. Die dagegen gerichteten Angriffe der Berufung bleiben im Ergebnis erfolglos.
1.
- 57
Die Klage des Klägers war zulässig und begründet.
- 58
a) Zutreffend hat das Arbeitsgericht festgestellt, das die Feststellungsklage des Klägers zulässig war. Das besondere Feststellungsinteresse gemäß § 253 ZPO ergibt sich ohne weiteres aus §§ 4, 7, 13 KSchG.
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b) Die Klage war auch begründet.
- 60
Der Kläger hat rechtzeitig innerhalb der materiellen Ausschlussfrist der § 4, 7 KSchG Kündigungsschutzklage erhoben (1.). Der Kündigung der Beklagten steht kein ausreichender außerordentlicher Kündigungsgrund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB zur Seite, da der Nachweis einer negativen Zukunftsprognose (2.) nicht gelungen ist.
- 61
(1) Das Arbeitsgericht hat in seinem Urteil vom 07.05.2010 zutreffend festgestellt, dass das Kündigungsschutzgesetz auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung findet und der Kläger rechtzeitig Kündigungsschutzklage erhoben hat. Insoweit wird auf die Entscheidungsgründe I. des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - verwiesen, § 69 II ArbGG.
- 62
(2) Ein zur außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist berechtigender wichtiger Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB, § 34 II TVL liegt nicht vor.
- 63
aa) Der Kläger ist vorliegend, wie das Arbeitsgericht zu Recht festgestellt hat, ordentlich unkündbar, was zwischen den Parteien unstreitig ist. Nach dem Arbeitsvertrag des Klägers fand bei Abschluss des Arbeitsvertrages des Klägers auf das Arbeitsverhältnis der Manteltarifvertrag für Arbeiter der Länder (MTL-II) in der Fassung vom 27.02.1964 Anwendung, der in § 58 bei Erfüllung dessen Voraussetzung die ordentliche Unkündbarkeit des Arbeitsverhältnisses vorsah. Wenn der Arbeitsvertrag darüber hinaus bestimmt, dass diesen ergänzende, ändernde oder an seine Stelle tretende Tarifverträge den Inhalt des Arbeitsverhältnisses bestimmen sollen, ist nach Überleitung des Klägers im Rahmen der Einführung des Tarifvertrages der Länder (TVL) gemäß § 34 Abs. 2 TVL, da der Kläger zum Zeitpunkt der Kündigung älter als 40 Jahre war und längere als 15 Jahre Beschäftigungszeiten aufweisen kann, von ordentlicher Unkündbarkeit des Arbeitsverhältnisses auszugehen.
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bb) Der Begriff des wichtigen Grundes im Sinne von § 34 Abs. 2 Satz 1 TVL knüpft inhaltlich an die gesetzliche Regelung des § 626 Abs. 1 BGB an (vgl. BAG. 29.11.2009 - 2 AZR 272/08 NZA 2010, 628). Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Da § 626 BGB keine absoluten Kündigungsgründe kennt (vgl. BAG, 10.06.2010 - 2 AZR 541/09 NZA 2010, 1227), setzt jede Prüfung einer außerordentlichen Kündigung eine umfassende Interessenabwägung voraus. Die Überprüfung einer außerordentlichen Kündigung erfolgt daher in der Regel auf zwei Prüfungsebenen. Auf der ersten Ebene ist festzustellen, ob ein Sachverhalt an sich objektiv geeignet ist einen wichtigen Grund abzugeben, auf einer zweiten Stufe ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles in Abwägung der beiderseitigen Interessen festzustellen, ob dieser Sachverhalt einer außerordentlichen Kündigung rechtfertigt.
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Da es keine absoluten Kündigungsgründe gibt, enthält der wichtige Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB an sich auch kein subjektives Element. Daher ist nicht grundsätzlich erforderlich, das ein schuldhaftes Verhalten Anlass der außerordentlichen Kündigung ist (vgl. m.w.N. Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 11. Aufl. 2010, § 626 BGB Rdnr. 23).
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Auch Krankheit kann eine außerordentliche Kündigung ausnahmsweise dann rechtfertigen, wenn die ordentliche Kündigung ausgeschlossen ist (BAG 28.10.2010 - 2 AZR 688/09, NZA-RR 2011, 155).
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Vorliegend hat das beklagte Land die Kündigung des Klägers mit dessen Dienstunfähigkeit aus psychischen Gründen begründet. Es hat somit krankheitsbedingte Gründe vorgetragen.
- 68
An eine Kündigung wegen Erkrankung eines Arbeitnehmers sind allerdings schon bei einer ordentlichen Kündigung strenge Maßstäbe anzulegen, so dass nur in eng begrenzten Ausnahmefällen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem kranken Arbeitnehmer für den Arbeitgeber im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB, § 34 II TVL unzumutbar sein kann (BAG, 18.01.2001 - 2 AZR 616/99 NZA 2002, 455; 12.01.2006 - 2 AZR 242/05 AP-Nr. 13 zu § 626 BGB - Krankheit 28.10.2010; - 2 AZR 688/09 a.a.O.). Wie bei der ordentlichen Kündigung hat die Prüfung dabei in drei Stufen zu erfolgen (negative Prognose hinsichtlich des voraussichtlichen Gesundheitszustandes, erhebliche Beeinträchtigungen betrieblicher Interessen und abschließende Interessenabwägung). Bei einer außerordentlichen krankheitsbedingten Kündigung ist dabei der zu wahrende strenge Prüfungsmaßstab krankheitsbedingter Kündigung auf allen drei Prüfungsebenen erheblich verschärft.
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Auf der Ebene der negativen Zukunftsprognose nimmt das Bundesarbeitsgericht (vgl. BAG - 2 AZR 984/08, 25.11.2010 zitiert nach juris) im Falle lang andauernder Erkrankung an, das eine negative Prognose festgestellt werden kann, wenn die Dauer der Arbeitsunfähigkeit völlig ungewiss ist oder jedenfalls in absehbarer Zeit mit Genesung nicht gerechnet werden kann. Als absehbare Zeit ist dabei mit Blick auf die Regelung zur sachgrundlosen Befristung (§ 14 Abs. 3 Satz 1 TzBefrG, § 1 Abs. 1 BeschFG (alte Fassung)) ein Zeitraum von bis zu 24 Monaten anzusehen, der mit Einstellung einer Ersatzkraft überbrückt werden könne. Von einer negativen Zukunftsprognose kann bei einer Langzeiterkrankung jedoch nicht ausgegangen werden, wenn vor Zugang der Kündigung bereits ein Kausalverlauf in Gang gesetzt wurde, der die Herstellung der Arbeitsfähigkeit in absehbarer Zeit sicher oder zumindest als möglich erscheinen lässt (vgl. BAG, 21.02.2001 NZA 2001, 1071).
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Maßgebliche Beurteilungsgrundlage für die Rechtsmäßigkeit einer krankheitsbedingten Kündigung sind dabei die objektiven Verhältnisse im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung. Die tatsächliche Entwicklung nach Kündigungsausspruch kann nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zur Bestätigung oder zur Korrektur einer zuvor betroffenen Prognose herangezogen werden (BAG, 10.06.2010 - 2 AZR 541/09 a.a.O., 2 AZR 984/08, 25.11.2010 a.a.O.).
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Die Darlegungs- und Beweislast für alle die Kündigung begründeten Tatsachen so auch die negative Zukunftsprognose, trifft den Kündigenden, im vorliegenden Fall das Land Rheinland-Pfalz.
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Nach diesen Grundsätzen kann vorliegend von einem Nachweis einer negativen Zukunftsprognose im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis des Klägers zum beklagten Land nicht ausgegangen werden.
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Ihrem Gutachten vom 14.01.2011 (Bl. 484 bis 531 d.A.) hat die Gutachterin neben dem aktengegenständlichen Inhalt, ärztlichen Auskünften der Dres. P, O und N, die gutachterlichen Untersuchungen durch ihre Person vom 05.11.2010 und 08.11.2010, die körperlich neurologische Untersuchung durch Dr. M, die testpsychologische Untersuchung durch Dipl. Psychologe L und ein Kernspin des Schädels des Klägers (nativ und mit Kontrastmittel) zugrunde gelegt.
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Wie auch in der mündlichen Erläuterung des Gutachtens im Termin vom 25.05.2011 klargestellt, hat die Gutachterin als Anlassverhalten die Verhaltensweisen zugrunde gelegt, die das beklagte Land vorgetragen und die teilweise unstreitig waren (Bl. 488 d.A., Bl. 5 des Gutachtens). Weiter zurückliegende Fehlverhalten wurden auch im Prozess nicht vorgetragen.
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Ausgehend von dieser Tatsachengrundlage ist der körperlich-neurologische Befund des Klägers unauffällig gewesen, genauso wie die Kernspintomographie des Schädels, die keinerlei Auffälligkeiten zu einem Normalbefund aufweist. Im Bereich der testpsychologischen Untersuchung hat die Gutachterin, wie auch schon die Gutachter zuvor festgestellt, dass insgesamt das intellektuelle Niveau des Klägers unterdurchschnittlich bis durchschnittlich ist. Im sogenannten WIE-Intelligenztest für Erwachsene hat sie festgestellt, das eine hirnorganische Störung nicht ausgeschlossen werden könne; sie bemerkte hierzu, es erscheine indiziert weitere diagnostische Maßnahme durchzuführen. Im Rahmen des Konzentrationstests wurden dem Kläger insgesamt niedrige Konzentrationsleistungen zugewiesen. Den Persönlichkeitstest interpretiert die Gutachterin dahingehend, dass das Vorliegen einer Persönlichkeitsstörung oder pathologischen Persönlichkeitsveränderungen nicht festgestellt werden könne. Im Rahmen des Stressverarbeitungstest stellte sie fest, dass keine grundlegenden Defizite im Bereich Stressverarbeitung vorliegen, auch wenn die Einzelwerte Reaktionskontrolle (Neigung personeneigene Reaktion bei Stress unter Kontrolle zu bringen) und - gedankliche Weiterbeschäftigung - eine leicht unterdurchschnittliche Wertung aufweisen. Dies auch weil der Kläger in dem Bereich Ersatzbefriedigungen, der die Fähigkeit ausweise, sich bei Stress positiven Aktivitäten zuzuwenden, knapp überdurchschnittlich abschneide. Insgesamt hat sie festgestellt, der unterdurchschnittliche Wert im Bereich Reaktionskontrolle gebe keinen Anlass anzunehmen, der Kläger neige in belasteten Situationen dazu, eigene Reaktionen nicht ausreichend unter Kontrolle zu bringen.
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In der Zusammenfassung (Bl. 515, 516 d.A., S. 32 und 33 des Gutachtens) des testpsychologischen Teiles hat die Gutachterin festgestellt, dass das Vorliegen von hirnorganischen Erkrankungen insgesamt unwahrscheinlich ist, für Persönlichkeitsstörung und pathologische Persönlichkeitsstörung keine Hinweise vorlägen, Defizite im Stressbereich nicht feststellbar seien. In der Persönlichkeitsbeurteilung stellte die Gutachterin fest, unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Kläger im Wesentlichen sozial vereinsamt ist, die Mutter nach einjährigem Heimaufenthalt gestorben ist, der Vater kurz darauf, das zum Zeitpunkt der hier (teilweise streitigen) Verhaltensweisen die Diagnose Anpassungsstörung gestellt werden konnte, die in der Regel einen sechsmonatigen, maximal einen 24-monatigen Heilungsprozess nach sich zieht. Die Dauer des Heilungsprozesses sei dabei abhängig von den diesen begleitenden Umständen wie der Persönlichkeitsstruktur, der sozialen Einbindung des Erkrankten wie auch von äußeren Einwirkungen. Bei Berücksichtigung der Persönlichkeitsstruktur des Klägers und der Tatsache, das sowohl der Ausspruch der Kündigung als auch die Krankheiten und der Tod der Eltern nicht gerade unterstützend gewesen seien, konnte die Gutachterin (Bl. 529 d.A.) von einer solchen Anpassungsstörung nur noch milde Auffälligkeiten feststellen, die angesichts der Situation des Klägers angemessen erscheinen. Die Anpassungsstörung ließ sich zum Zeitpunkt der Begutachtung nicht mehr nachweisen.
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Des Weiteren hat die Gutachterin die Vermutung geäußert, das etwaiger Alkoholmissbrauch, der Kläger hat angegeben bis zu drei 0,1 Liter Gläser Wein täglich zu trinken, als auch der Blutdruck zu hirnorganischen Schäden führen könnten. Im Gesamtergebnis hat die Gutachterin (Bl. 47 des Gutachtens) festgestellt, dass nicht behauptet werden kann, das krankheitsbedingt für die Zukunft von Herrn F. als Straßenwärter eine erhebliche Eigen- oder Fremdgefährdung oder Gefährdung von Gegenständen ausgeht. Jedoch für den Fall einer hirnorganischen Schädigung bzw. des Alkoholmissbrauchs eine Eigen- oder Fremdgefährdung im Straßenwärterdienst zu bejahen sei.
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In der Sitzung vom 25.05.2011 wurde die Sachverständige seitens der Kammer und auch der Parteien befragt. Die Sachverständige hat dargelegt, dass zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung keine Prognose gerechtfertigt war, das der Kläger auf Dauer oder auf unabsehbare Zeit arbeitsunfähig/dienstunfähig sei. Sie hat erläutert, ausgehend von der Grunddefinition der Anpassungsstörung heile diese innerhalb von sechs bis maximal 24 Monaten regelmäßig ab. Anhaltspunkte, die im Fall des Klägers zum Zeitpunkt der Kündigung dies hätten anders beurteilen lassen habe sich nicht gefunden. Vielmehr habe sie festgestellt, dass der Kläger durchaus einsichtsfähig sei. Im Begutachtungszeitpunkt sei daher festzustellen gewesen, dass der Heilungsverlauf des Klägers unter Berücksichtigung das Mutter und Vater gestorben seien und man in der Regel nach einem Todesfall von einem Jahr Trauerzeit ausgehen müsse, dem Regelturnus der Gesundung entsprochen habe.
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Diese Feststellung hat die Gutachterin auch nach Frage des Beklagtenvertreters, ob das im Hinblick auf die begrenzten intellektuellen Fähigkeiten des Klägers und dessen sozial Vereinsamung auch gelte, aufrechterhalten.
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Zu den Ausführungen im schriftlichen Gutachten bezüglich hirnorganischer Schäden, hat sie angegeben, dass diesbezüglich die Aufnahmen des CT's unauffällig gewesen seien, zum Zeitpunkt der Begutachtung hirnorganische Schäden nicht festgestellt werden konnten. Im Hinblick auf die Darstellung im Gutachten (Hinweise des Beton-Test, Borreliose, Bluthochdruck) hat sie klargestellt, dass dies Fragen sind, die sich in Zukunft bei weiteren Untersuchungen möglicher Weise im Abstand von zwei Jahren klären ließen, derzeit jedoch nicht. Weitere differenzialdiagnostische Maßnahmen diese Fragen derzeit abzuklären bestünden nicht. Die Gutachterin hat abschließend noch einmal betont, dass nach dem Ergebnis des Gutachtens nicht davon auszugehen war, das der Kläger länger als zwei Jahre arbeitsunfähig erkrankt sei, vielmehr die Ausheilung der Anpassungsstörung bzw. etwaiger Borreliose schon vorher zu erwarten gewesen sei.
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Die Kammer ist zu der Überzeugung gelangt, dass nach der Beantwortung der Beweisfrage durch das schriftliche Gutachten und den ergänzenden Erläuterungen im Termin vom 25.05.2011, im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung vom 08.11.2008, das beklagte Land nicht berechtigt davon ausgehen konnte, dass der Kläger auf Dauer oder auch unabsehbar lange etwa länger als 24 Monate arbeitsunfähig bzw. dienstunfähig sein wird. Die Gutachterin hat im Termin vom 25.05.2011, die auch nach Ansicht des beklagten Landes klärungsbedürftigen Fragen stringent und nachvollziehbar beantwortet. Sie hat klargestellt und dies auch tatsächlich begründet, das im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung am 11.11.2008, der am Gutachtenstag festgestellte Heilungsverlauf den im Gutachten dargestellten üblichen Heilungsfristen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles entsprach. Auch zu den Fragen des Gerichtes und des Beklagtenvertreters hinsichtlich der angesprochenen hirnorganischen Schäden bzw. Borreliose und Alkoholmissbrauch hat die Gutachterin nachvollziehbar vorgetragen und dargelegt, dass sich die Hinweise auf weitere Diagnostik nicht auf eine Feststellbarkeit im Zeitpunkt der Begutachtung bzw. des Ausspruchs der Kündigung bezieht sonder sich auf etwaige zukünftige Entwicklung beschränkt.
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Die abschließende Feststellung des Gutachtens, das nicht feststellbar sei, dass zukünftig von dem Kläger Gefahren für sich oder Dritte zu erwarten seien ist daher für die Kammer überzeugend.
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Da jedoch im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung am 11.11.2008 die Stellung einer negativen Zukunftsprognose nicht berechtigt war, scheitert die Kündigung der Beklagten als außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist schon an der ersten Stufe der Überprüfung der krankheitsbedingten Kündigung.
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Es kann daher offenbleiben, ob die Beklagte für den Kläger andere Einsatzmöglichkeiten zur Verfügung gehabt hätte oder der bei ihr bestehenden Gesamtpersonalrat ordnungsgemäß angehört hat.
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IV. Der Ausspruch zur Revision beruht auf § 72 ArbGG. Revisionszulassungsgründe liegen nicht vor.
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(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.
(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,
- a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist, - b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt, - c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder - d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.
(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft - a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen, - b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder - c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
- 3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.
(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.
(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.
(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.
(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.
(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.
(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.
(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.
Die Berufungsfrist beträgt einen Monat; sie ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.
(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:
- 1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird; - 2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.
(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.
(1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift).
(2) Die Klageschrift muss enthalten:
- 1.
die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts; - 2.
die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag.
(3) Die Klageschrift soll ferner enthalten:
- 1.
die Angabe, ob der Klageerhebung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist, sowie eine Äußerung dazu, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen; - 2.
die Angabe des Wertes des Streitgegenstandes, wenn hiervon die Zuständigkeit des Gerichts abhängt und der Streitgegenstand nicht in einer bestimmten Geldsumme besteht; - 3.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.
(4) Außerdem sind die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze auch auf die Klageschrift anzuwenden.
(5) Die Klageschrift sowie sonstige Anträge und Erklärungen einer Partei, die zugestellt werden sollen, sind bei dem Gericht schriftlich unter Beifügung der für ihre Zustellung oder Mitteilung erforderlichen Zahl von Abschriften einzureichen. Einer Beifügung von Abschriften bedarf es nicht, soweit die Klageschrift elektronisch eingereicht wird.
Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Im Falle des § 2 ist die Klage auf Feststellung zu erheben, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Hat der Arbeitnehmer Einspruch beim Betriebsrat eingelegt (§ 3), so soll er der Klage die Stellungnahme des Betriebsrats beifügen. Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab.
Wird die Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung nicht rechtzeitig geltend gemacht (§ 4 Satz 1, §§ 5 und 6), so gilt die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam; ein vom Arbeitnehmer nach § 2 erklärter Vorbehalt erlischt.
(1) Die Vorschriften über das Recht zur außerordentlichen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses werden durch das vorliegende Gesetz nicht berührt. Die Rechtsunwirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung kann jedoch nur nach Maßgabe des § 4 Satz 1 und der §§ 5 bis 7 geltend gemacht werden. Stellt das Gericht fest, dass die außerordentliche Kündigung unbegründet ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat auf seinen Antrag das Gericht das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzulegen, zu dem die außerordentliche Kündigung ausgesprochen wurde. Die Vorschriften der §§ 10 bis 12 gelten entsprechend.
(2) Verstößt eine Kündigung gegen die guten Sitten, so finden die Vorschriften des § 9 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 und der §§ 10 bis 12 entsprechende Anwendung.
(3) Im Übrigen finden die Vorschriften dieses Abschnitts mit Ausnahme der §§ 4 bis 7 auf eine Kündigung, die bereits aus anderen als den in § 1 Abs. 2 und 3 bezeichneten Gründen rechtsunwirksam ist, keine Anwendung.
Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Im Falle des § 2 ist die Klage auf Feststellung zu erheben, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Hat der Arbeitnehmer Einspruch beim Betriebsrat eingelegt (§ 3), so soll er der Klage die Stellungnahme des Betriebsrats beifügen. Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab.
Wird die Rechtsunwirksamkeit einer Kündigung nicht rechtzeitig geltend gemacht (§ 4 Satz 1, §§ 5 und 6), so gilt die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam; ein vom Arbeitnehmer nach § 2 erklärter Vorbehalt erlischt.
(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.
(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn
- 1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.
(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.
(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.
(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.
(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.