Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 30. Okt. 2014 - 5 Sa 236/13
Gericht
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Rostock vom 30.07.2013 (Aktenzeichen 2 Ca 335/13) wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
- 1
Die Parteien streiten um die Höhe der für das Jahr 2012 zu zahlenden Jahressonderzahlung.
- 2
Die Klägerin ist seit dem 14.05.2001 als vollbeschäftigte Angestellte bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Ihr Einsatz erfolgt in der Klinik für Forensische Psychiatrie. Sie erzielte zuletzt bei Klageeingang ein monatliches Grundgehalt in Höhe von 2.702,60 Euro brutto.
- 3
Ihren Arbeitsvertrag schloss die Klägerin ursprünglich mit dem Land Mecklenburg-Vorpommern. Die Klägerin ist nicht Gewerkschaftsmitglied. Das Land Mecklenburg-Vorpommern ist tarifgebunden.
- 4
Die Parteien vereinbarten im schriftlichen Arbeitsvertrag vom 08.05.2001 unter anderem folgende Regelung:
- 5
„§ 2
Das Arbeitsverhältnis einschließlich der Eingruppierung und Vergütung bestimmt sich nach dem BAT-O und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen, in der für den Arbeitgeber geltenden Fassung. Außerdem finden die für den Arbeitgeber geltenden sonstigen Tarifverträge Anwendung. Der/Die Angestellte ist danach in Vergütungsgruppe Kr.Va der Anlage 1b zum BAT eingruppiert, sofern das entsprechende Tätigkeitsmerkmal erfüllt ist.“
- 6
Das Land M-V wandte daraufhin auf das Arbeitsverhältnis die für das Land geltenden Tarifverträge, insbesondere den BAT und sodann den TV-L auf das Arbeitsverhältnis an. Insbesondere entsprach die Jahressonderzahlung der Höhe nach der tariflichen Regelung.
- 7
Nachfolgend gründete das Land M-V die Universitätsklinik A-Stadt Anstalt öffentlichen Rechts (im Folgenden UKR). Arbeitsverhältnisse wurden per Gesetz vom Land auf die UKR übergeleitet. Dies traf auch die Klägerin. Die UKR erhielt das Recht, eigene Tarifverträge abzuschließen.
- 8
Zum 01.01.2008 vereinbarten sodann v. sowie die UKR und die Universitätsklinik G. die Geltung des Tarifvertrages für die Universitätskliniken A-Stadt und G. im Tarifverbund Nord (TV-UKN). Zur Jahressonderzahlung heißt es dort in § 20:
- 9
„§ 20
Jahressonderzahlung
- 10
(1) Beschäftigte, die am 1. Dezember im Arbeitsverhältnis stehen, haben Anspruch auf eine Jahressonderzahlung.
- 11
(2) Die Jahressonderzahlung beträgt bei Beschäftigten in den Entgeltgruppen
- 12
E 1 bis E 9
71,5 v.H.
E 10 bis E 11
60 v.H.
E 12 bis E 13
45 v.H.
E 14 bis E 15
30 v. H.
- 13
der Bemessungsgrundlage nach Absatz 3.
- 14
…“
- 15
Die UKR zahlte sodann an die Klägerin wie zuvor schon unter Geltung des TV-L 71,5 Prozent der Bemessungsgrundlage als Jahressonderzahlung. Die Klägerin war unter Geltung des TV-UKN in die Entgeltgruppe EG 7A eingruppiert. Soweit die Tarifvertragsparteien eine Anwendungsvereinbarung gemäß § 2 des Tarifvertrages zur Zukunftssicherung der Universitätskliniken A-Stadt und G. im Tarifverbund Nord abgeschlossen hatten, die weitere Bestimmung zur Jahressonderzahlung enthalten, wird von der weiteren Darstellung abgesehen, da von diesem Geltungsbereich die Beschäftigten der Klinik und Poliklinik für Forensik, wo auch die Klägerin beschäftigt ist, ausgeschlossen waren.
- 16
Das Land M-V errichtete sodann durch Gesetz zum 01.01.2012 die Universitätsmedizin A-Stadt – rechtsfähige Teilkörperschaft der Universität A-Stadt (die jetzige Beklagte). Wiederum wurde auch das Arbeitsverhältnis der Klägerin auf die jetzige Beklagte übergeleitet. Das Gesetz zur Errichtung der Teilkörperschaft der Universitätsmedizin A-Stadt enthält dabei unter anderem folgende Regelung:
- 17
„§ 3
Anwendbares Tarifrecht
- 18
(1) Bis zum Abschluss der neuen Tarifverträge gelten für das auf die Universitätsmedizin A-Stadt übergeleitete Landespersonal sowie für das gemäß § 2 Absatz 2 neu eingestellte Personal die für die Landesbeschäftigten einschlägigen Tarifverträge des Landes Mecklenburg-Vorpommern in der jeweils geltenden Fassung fort. Mit Wirkung vom 1. Januar 2013 gelten sie in der an diesem Tage geltenden Fassung fort, solange die Universitätsmedizin A-Stadt für das in Satz 1 genannte Personal keine eigenen Tarifverträge abgeschlossen hat.
- 19
(2) Für das Personal des ehemaligen Universitätsklinikums A-Stadt – Anstalt des Öffentlichen Rechts – ist der Tarifvertrag für die Universitätskliniken A-Stadt und G. im Tarifverbund Nord (TV-UKN) vom 21. Dezember 2007 bis zum Abschluss eines neuen Tarifvertrages weiterhin anzuwenden.“
- 20
Mit Schreiben vom 03.08.2011 kündigte v. den TV-UKN fristgemäß zum 31.12.2011.
- 21
Alle Mitarbeiter der Beklagten bzw. des UKR wurden daraufhin vom Personalrat der Beklagten auf deren Homepage über die tarifliche Situation nach der Kündigung im September/Oktober 2011 informiert. Es wurde mitgeteilt, dass sich der TV-UKN zunächst in Nachwirkung befindet.
- 22
Am 11.11.2011 fand eine Weiterbildung für die Stationsleitungen als Vertreter der Pflegekräfte statt, in welcher ebenfalls über die tarifliche Situation informiert wurde. Anfang 2012 fanden Personalversammlungen für alle Beschäftigten der Beklagten statt, auf denen ebenfalls über die tarifliche Situation informiert wurde.
- 23
Im Februar 2012 informierte v. mit einem Flyer über die Forderungen in den Tarifverhandlungen inklusive der Forderung für einen tariflichen Bonus für v.-Mitglieder. Hier heißt es auszugsweise:
- 24
„…
- 25
Die Tarifkommission hat des Weiteren folgende Forderungen beschlossen:
- 26
…
- 27
• Tariflichen Bonus für v.-Mitglieder
- 28
…“
- 29
Die Verhandlungen über den sodann abzuschließenden Tarifvertrag für die Universitätsmedizin A-Stadt und G. im Tarifverbund Nord (TV-UMN) fanden sodann zwischen den beiden Arbeitgebern und v. am 04.04.2012, 26.04.2012 sowie 22.05.2012 statt. Am letztgenannten Tag wurde der Tarifvertrag endverhandelt und ein Ergebnis erzielt. Eine Unterschriftsleistung erfolgte hier jedoch noch nicht, da die entsprechenden Gremien noch entscheiden mussten.
- 30
Am 22.05.2012 versandte die Beklagte per Rund-Mail eine E-Mail an alle ihre Mitarbeiter, in welcher sie über das Ergebnis der Tarifverhandlungen informierte. Danach waren allgemeine Vergütungssteigerungen zum 01.07.2012, zum 01.07.2013 und zum 01.07.2014 vorgesehen. Die Beklagte informierte auch über Regelungen zur Regelarbeitszeit und zum Urlaubsanspruch. Weiterhin heißt es in der E-Mail:
- 31
„Den Anspruch auf die volle Jahressonderzahlung haben nach Tarifvertrag nur noch v.-Mitglieder. Nicht-Mitglieder erhalten 50% der Jahressonderzahlung. Die Differenzierungsklausel sieht vor, dass v.-Mitglieder, die im Auszahlungsmonat November bereits 15 Monate ununterbrochen v.-Mitglieder waren, Anspruch auf die vollumfängliche Jahressonderzahlung haben.“
- 32
Diese Information erfolgte zudem auch auf der Homepage der Beklagten.
- 33
Der Aufsichtsrat der Beklagten genehmigte am 28.06.2012 den Abschluss des verhandelten Tarifvertrages.
- 34
Im Juni 2012 informierte auch v. mit einem Flyer über den Abschluss der Tarifverhandlungen (vgl. Blatt 233 f d. A.). Zum Stichpunkt Jahressonderzahlung heißt es hier:
- 35
„Jahressonderzahlung:
- 36
Gewerkschaftsmitglieder bekommen Bonus!
- 37
Wie vor den Tarifverhandlungen angekündigt und von der Tarifkommission beschlossen, haben wir die Jahressonderzahlung verknüpft mit einem v.-Bonus.
- 38
Das zahlt sich vor allem für diejenigen Kolleginnen und Kollegen aus, die der Gewerkschaft v. lange die Treue halten. Denn um die volle Jahressonderzahlung zu erhalten, muss man mindestens 15 Monate v.-Mitglied sein.
- 39
Die Regelung zur Jahressonderzahlung sieht vor:
- 40
• V.-Mitglieder erhalten 100 % der Jahressonderzahlung, wenn sie zum Auszahlungsmonat November mindestens 15 Monate lang v.-Mitglied waren.
- 41
• Nicht-Gewerkschaftsmitglieder erhalten 50 % der Jahressonderzahlung.
- 42
Alle, die für 2013 die volle Jahressonderzahlung erhalten wollen, müssen bis zum 31. August 2012 Mitglied werden.“
- 43
Dieser Flyer wurde auch auf der Homepage des Personalrates der Beklagten veröffentlicht.
- 44
Am 13.12.2012 unterzeichnete v. sodann den Tarifvertrag. Noch im Dezember 2012, wobei das genaue Datum unbekannt ist, wurde der Tarifvertrag für die Beklagte unterzeichnet. Am 27.02.2013 erfolgte die Unterschriftsleistung für die Universitätsmedizin G..
- 45
Dieser TV-UMN bestimmt in dessen § 39 Abs. 1, dass er zum 1. Januar 2012 in Kraft tritt.
- 46
Für die Jahressonderzahlung enthält der TV-UMN folgende Regelung:
- 47
„§ 20
Jahressonderzahlung
- 48
(1) Beschäftigte, die am 1. Dezember im Arbeitsverhältnis stehen, haben Anspruch auf eine Jahressonderzahlung.
- 49
(2) Für Beschäftigte, die während der Laufzeit des Vertrages jeweils am 1. November des laufenden Jahres mindestens 15 Monate Mitglied der v. waren, beträgt die Jahressonderzahlung in den Entgeltgruppen:
- 50
E 1 bis E 9
71,5 v.H.
E 10 bis E 11
60 v.H.
E 12 bis E 13
45 v.H.
E 14 bis E 15
30 v.H.
- 51
der Bemessungsgrundlage nach Absatz 3. Für alle weiteren Beschäftigten beträgt die Jahressonderzahlung jeweils 50 vom Hundertsatz der Beträge in den jeweiligen Entgeltgruppen.
- 52
…“
- 53
Die Jahressonderzahlung des Jahres 2012 war für die Klägerin sowohl nach den Regeln des TV-UKN wie auch des TV-UMN zum 30.11.2012 fällig. Die Beklagte zahlte hier an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 1108,94 Euro brutto aus. Dies entspricht 50 Prozent dessen, was sich ergeben hätte, wenn die Klägerin weiterhin 71,5 Prozent der Bemessungsgrundlage erhalten hätte (nämlich 2.217,88 Euro brutto).
- 54
Mit ihrer Klageschrift vom 27.02.2013, eingegangen beim Arbeitsgericht Rostock am 28.02.2013, begehrt die Klägerin die Zahlung weiterer 1.108,94 Euro brutto.
- 55
Mit Urteil vom 30.07.2013 wies das Arbeitsgericht Rostock die Klage ab. Es führte aus, dass der Klägerin nach § 20 TV-UMN nur eine Jahressonderzahlung in Höhe von 50 Prozent der ansonsten für seine Entgeltgruppe vorgesehenen 71,5 Prozent der Bemessungsgrundlage zustehe. Bei § 20 TV-UMN handele es sich um eine zulässige einfache Differenzierungsklausel. Die negative Koalitionsfreiheit werde durch diese Klausel nicht verletzt. Ein Anspruch aufgrund betrieblicher Übung bestehe ebenfalls nicht.
- 56
Das Urteil wurde der Klägerin am 28. Oktober 2013 zugestellt. Eingehend am 27. November 2013 legte die Klägerin hiergegen Berufung ein.
- 57
Die Klägerin verfolgt auch in der Berufungsinstanz ihren Zahlungsanspruch weiter.
- 58
Sie meint, dass ihr auch für das Jahr 2012 eine Jahressonderzahlung in Höhe von 71,5 Prozent der Bemessungsgrundlage zustünde.
- 59
Die Klägerin berufe sich auf ihren Besitzstand und eine betriebliche Übung, da sie unabhängig vom TV-UKN und auch in den Zeiten vor dessen Geltung 71,5 Prozent der Bemessungsgrundlage erhalten habe. Da auch in drei Jahren vor der Geltung des TV-UKN 71,5 Prozent der Bemessungsgrundlage als Jahressonderzahlung vorbehaltlos geleistet wurden, liege eine betriebliche Übung vor.
- 60
Der Anspruch bestehe auch wegen einer Ungleichbehandlung zu v.-Mitgliedern, die weiterhin 71,5 Prozent der Bemessungsgrundlage erhalten. Es gäbe keinen Grund für eine einseitige Vertragsänderung. Ohne einen sachlichen Grund werde hier der Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt. Auf die Arbeitnehmer werde ein unzulässiger Druck ausgeübt, der Gewerkschaft beizutreten. Der Arbeitgeber müsse die Arbeitsbedingungen mit seinen Arbeitnehmern vielmehr einheitlich regeln. Dies folge aus Artikel 3 Grundgesetz.
- 61
Insbesondere in der zweiten Instanz ergänzte die Klägerin, dass die hier vorliegende Differenzierungsklausel nach der Rechtsprechung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts von 1967 unzulässig sei. In § 20 TV-UMN werde nicht Mitgliedern einer Gewerkschaft ein Mehr gewährt, sondern Nichtmitgliedern ein Weniger. Es werde ein sozial inadäquater Druck auf die Arbeitnehmer ausgeübt, wenn Leistungen von der Zugehörigkeit zu einer Gewerkschaft abhängen. Außerdem schränke die Frist von 15 Monaten die Freiheit übermäßig ein. Ansprüche würden unbillig erschwert. Man hätte schon vor Abschluss des Tarifvertrages Mitglied bei v. sein müssen.
- 62
Auch wies die Klägerin nun darauf hin, dass ein rückwirkender Eingriff in schon entstandene Rechte vorliege. Für Tarifverträge sei der Abschluss in Schriftform notwendig. Alle Unterschriften wurden jedoch zu einem Zeitpunkt geleistet, als der Anspruch nach dem alten TV-UKN schon im November 2012 entstanden war. Damit werde unzulässig in einen bestehenden Anspruch eingegriffen. Die Klägerin habe nicht mehr mit einem rückwirkenden Eingriff rechnen müssen.
- 63
Zwei Tage vor der Verhandlung in der Berufungsinstanz bestritt die Klägerin erstmalig, dass der TV-UKN überhaupt gekündigt worden sei. Weitere Erklärungen zu diesem schon in der ersten Instanz unstreitigen Vortrag gab die Klägerin nicht ab.
- 64
In der mündlichen Verhandlung der Berufungsinstanz bestritt die Klägerin erstmalig, dass sie die E-Mail vom 25.05.2012 erhalten habe. Dieser Umstand war seit dem ersten Schriftsatz der Beklagten in der ersten Instanz unstreitig.
- 65
Weiterhin machte die Klägerin zuletzt in der Berufungsinstanz geltend, dass § 3 des Gesetzes zur Errichtung der Teilkörperschaft Universitätsmedizin A-Stadt so zu verstehen sei, dass der TV-UKN solange weiter gelten solle, bis ein neuer Tarifvertrag abgeschlossen sei, wobei der Abschluss erst mit der Unterschriftsleistung erfolge. Es liege somit ein gesetzlicher Eingriff in die Vertragsfreiheit der Arbeitsvertragsparteien wie auch der Tarifvertragsparteien vor. Im November 2012 hätte daher in jedem Fall noch der TV-UKN angewendet werden müssen.
- 66
Die Klägerin beantragt:
- 67
Das Urteil des Arbeitsgerichts Rostock vom 30.07.2013 – Aktenzeichen 2 Ca 335/13 – wird abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 1.108,94 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 01.12.2012 zu zahlen.
- 68
Die Beklagte beantragt:
- 69
Die Berufung zurückzuweisen.
- 70
Die Beklagte ist der Ansicht, dass ein Zahlungsanspruch nicht bestehe. Bei § 20 TV-UMN handele es sich um eine zulässige Differenzierungsklausel. Sie sei als einfache Differenzierungsklausel einzuordnen. Die anspruchsbegründende Regelung für die Mehrleistung an Gewerkschaftsmitgliedern erfolge im Inneren des Tarifvertrages. Das Mehr, was die Gewerkschaftsmitglieder erhalten, sei nicht dazu geeignet, unzulässigen Druck auf Nichtmitglieder auszuüben. Die Frist von 15 Monaten sei in diesem Fall unerheblich und zudem auch angemessen. Aus der Gleichstellungsabrede im Arbeitsvertrag folge auch nicht, dass die Klägerin vollumfänglich wie ein Gewerkschaftsmitglied zu behandeln sei. Auf einen Vertrauensschutz könne sich die Klägerin angesichts des Ablaufes von Kündigung und nachfolgender Informationen durch den Arbeitgeber bzw. v. bzw. den Personalrat nicht berufen. Dies gelte auch, da der TV-UKN nur noch in Nachwirkung bestand. Außerdem sei auch zu berücksichtigen, dass es auch rückwirkend beträchtliche Lohnsteigerungen gegeben hatte.
- 71
Auf eine betriebliche Übung oder einen Besitzstand könne sich die Klägerin nicht berufen. Denn bisher seien die Zahlungen der Jahressonderzahlung nicht unabhängig vom Tarifvertrag, sondern auf dessen Basis erfolgt.
- 72
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst aller Anlagen, die Protokolle der mündlichen Verhandlungen sowie das angegriffene Urteil vom 30.07.2013 des Arbeitsgerichts Rostock verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
- 73
Die form- und fristgerecht eingelegte und im Übrigen auch zulässige Berufung ist unbegründet. Ein weiterer Zahlungsanspruch auf die Jahressonderzahlung 2012 über die bereits geleisteten 1.108,94 Euro brutto hinaus steht der Klägerin nicht zu. Insbesondere hat die Klägerin keinen Anspruch auf Zahlung einer Jahressonderzahlung in Höhe von 71,5 Prozent der Bemessungsgrundlage. Dies ist bereits vom Arbeitsgericht Rostock im erstinstanzlichen Urteil richtig erkannt worden.
1.
- 74
Der Anspruch auf eine Jahressonderzahlung in Höhe von insgesamt nur 1.108,94 Euro brutto, welche bereits ausgezahlt wurden, folgt aus § 2 des Arbeitsvertrages in Verbindung mit § 20 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Satz 1 TV-UMN. Danach steht der Klägerin eine Jahressonderzahlung in Höhe von 50 Prozent von 71,5 Prozent der Bemessungsgrundlage, mithin 35,75 Prozent der Bemessungsgrundlage zu. Dies galt auch bereits für die hier streitgegenständliche Jahressonderzahlung des Jahres 2012, die im November 2012 fällig war.
- 75
Dabei ist § 2 des Arbeitsvertrages unter Berücksichtigung der mangelnden Gewerkschaftszugehörigkeit der Klägerin bei Vertragsabschluss, der Tarifbindung des Landes M-V als damaligem Arbeitgeber und dem Datum des Vertragsabschlusses vor dem Jahr 2002 nach der Rechtsprechung des BAG zu den sogenannten Altfällen als Gleichstellungsabrede zu verstehen, die auch einen Tarifwechsel mit einschließt. Dies sollte zwischen den Parteien unstreitig sein. Dementsprechend wurde zwischen den Parteien zwischenzeitlich in der Vergangenheit auch der TV-UKN und wird derzeit auch der TV-UMN angewandt.
- 76
Durch den Verweis in § 2 des Arbeitsvertrages auf den derzeit bei der Beklagten als Arbeitgeberin geltenden TV-UMN kommt auch dessen § 20 bezüglich der Jahressonderzahlung zu Anwendung. Gemäß § 20 TV-UMN steht einem Arbeitnehmer der Entgeltgruppe 7 eine Jahressonderzahlung von 71,5 Prozent der Bemessungsgrundlage nur dann zu, wenn der Arbeitnehmer bereits 15 Monate Gewerkschaftsmitglied war. Dies trifft bei der Klägerin nicht zu. Deshalb hat die Beklagte an die Klägerin zu Recht in Anwendung des § 20 TV-UMN nur 50 Prozent dessen ausgezahlt, was einem Gewerkschaftsmitglied zusteht.
- 77
Ein Anspruch auf 71,5 % der Bemessungsgrundlage steht der Klägerin auch nicht deshalb unmittelbar bereits aus § 20 TV-UMN zu, weil die Klägerin statusrechtlich als Gewerkschaftsmitglied zu behandeln wäre. Denn einer Verweisungsklausel kann ohne besondere Anhaltspunkte im Wortlaut keine Statusbestimmung für den Arbeitnehmer unterstellt werden. Erkennbare Rechtsfolge soll allein die Anwendung gewisser Tarifnormen sein, nicht die fingierte Annahme einer Gewerkschaftsmitgliedschaft. Entsprechend wird eine Verweisungsklausel auch als verkürzte Absprache über den Vertragsinhalt verstanden. Auch eine Gleichstellungsabrede führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Mit einer Gleichstellungsabrede will sich der tarifgebundene Arbeitgeber nicht weitergehend binden, als er gegenüber einem an den Tarifvertrag gebundenen Arbeitnehmer normativ verpflichtet ist (vgl. BAG, Urteil vom 18.03.2009, 4 AZR 64/08, Rz. 26ff).
a)
- 78
Die Regelung des § 20 TV-UMN galt in zeitlicher Hinsicht auch bereits für die Jahressonderzahlung des Jahres 2012.
- 79
Zwar kam der TV-UMN erst durch Unterschriftsleistung im Dezember 2012 sowie Februar 2013 in der notwendigen schriftlichen Form zustande (§ 1 Abs. 2 TVG), während die Jahressonderzahlung des Jahres 2012 bereits mit dem Novemberentgelt zum 30.11.2012 fällig war. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass die Tarifvertragsparteien den TV-UMN bereits rückwirkend zum 01.01.2012 vereinbarungsgemäß in Kraft gesetzt hatten (§ 39 TV-UMN).
- 80
Damit war § 20 TV-UMN bereits auf Tatbestände des Novembers 2012 anzuwenden.
b)
- 81
Unproblematisch ist es im vorliegenden Fall, dass durch die rückwirkende Inkraftsetzung des TV-UMN in für die Klägerin bereits entstandene höherwertige Ansprüche aus dem TV-UKN eingegriffen wurde.
- 82
Denn grundsätzlich befand sich der TV-UKN im November 2012 auf Grund seiner Kündigung zum 31.12.2011 und mangels zwischenzeitlichen Abschlusses eines neuen Tarifvertrages noch in der Nachwirkung (§ 4 Abs. 5 TVG). Nach der Regelung des alten § 20 TV-UKN war für die Klägerin daher zum 30.11.2012 bereits ein Anspruch auf eine Jahressonderzahlung in Höhe von 71,5 Prozent der Bemessungsgrundlage entstanden. Soweit durch die rückwirkende Inkraftsetzung des TV-UMN in diese schon entstandenen Rechte eingegriffen wurde, indem der Anspruch der Klägerin halbiert wurde, stellt sich dies im vorliegenden Fall als zulässig dar.
- 83
Die Möglichkeit des rückwirkenden Eingriffs in entstandene Rechte ist auch im Arbeitsrecht grundsätzlich anerkannt. Dies betrifft Fälle der rückwirkenden Inkraftsetzung eines neuen Tarifvertrages, der rückwirkenden Änderung eines bestehenden Tarifvertrages sowie auch der rückwirkenden Allgemein-Verbindlich-Erklärung (vgl. z. B. BAG, Urteil vom 08.09.1999, 4 AZR 661/98; BAG, Urteil vom 24.03.2011, 6 AZR 796/09; BAG, Urteil vom 13.11.2013, 10 AZR 1058/12). Denn nach der ständigen Rechtsprechung des BAG tragen tarifvertragliche Regelungen selbst während der Laufzeit des Tarifvertrages den immanenten Vorbehalt ihrer rückwirkenden Abänderbarkeit durch Tarifvertrag in sich. Dies gilt sogar für bereits entstandene und fällig gewordene Ansprüche. Die Gestaltungsfreiheit der Tarifvertragsparteien zur rückwirkenden Änderung ist dabei nur durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes der Normunterworfenen begrenzt. Insoweit gelten nach der Rechtsprechung des BAG die gleichen Regeln wie nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei der Rückwirkung von Gesetzen. Ob und ab wann die Tarifunterworfenen mit einer tariflichen Neuregelung rechnen müssen, ist eine Frage des Einzelfalles (vgl. BAG, Urteil vom 24.03.2011, 6 AZR 796/09, Rz. 22, zitiert nach juris). Für die Frage, ob ein Tarifvertrag rückwirkend in einen tariflichen Anspruch auf eine Sonderzahlung einwirkt, ist auf den Zeitpunkt der Anspruchsentstehung und nicht auf den möglicherweise abweichenden Zeitpunkt der zu erfolgenden Leistung abzustellen (vgl. BAG a. a. O., Rz. 23). Das Vertrauen der Tarifunterworfenen ist dann nicht mehr schutzwürdig, wenn und sobald sie mit einer Änderung rechnen müssen. Auch hier sind die jeweiligen Umstände des Einzelfalles maßgebend. Nach der Rechtsprechung des BAG, der sich die Kammer anschließt, hat der Wegfall des Vertrauensschutzes nicht zur Voraussetzung, dass der einzelne Tarifunterworfene positive Kenntnis von den zu Grunde liegenden Umständen hat. Ausreichend und entscheidend ist vielmehr die Kenntnis der betroffenen Kreise (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. BAG, Urteil vom 24.03.2011, 6 AZR 796/09, Rz. 24, zitiert nach juris, m. w. N.). Vorstehende Maßstäbe gelten unabhängig davon, ob der Tarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit oder auf Grund individual-vertraglicher Vereinbarung gilt (vgl. BAG a. a. O.).
- 84
Unter Berücksichtigung vorstehender Maßstäbe konnte der § 20 TV-UMN rückwirkend in bereits entstandene Rechte aus dem § 20 TV-UKN eingreifen. Ein Anspruch der Klägerin auf Grund Nachwirkung des TV-UKN war somit ausgeschlossen.
(1)
- 85
Unstreitig liegt hier ein Fall der echten Rückwirkung vor. Denn zum Zeitpunkt des schriftlichen Abschlusses des TV-UMN war der Anspruch der Klägerin zeitlich vorhergehend aus dem § 20 TV-UKN bereits entstanden und sogar auch zur Auszahlung fällig.
(2)
- 86
Die rückwirkende Herabsetzung der Jahressonderzahlung für das Jahr 2012 war zulässig, da das Vertrauen der Klägerin in die Fortgeltung der alten Regelung des § 20 TV-UKN nicht schutzwürdig ist.
(aa)
- 87
Das Vertrauen ist bereits deshalb nicht schutzwürdig, da der TV-UKN im November 2012 bereits zum 31.12.2011 gekündigt war. Der TV-UKN befand sich somit nur noch in der Nachwirkungsphase. Gerade in der Phase der bloßen Nachwirkung eines Tarifvertrages müssen Normunterworfene damit rechnen, dass diese Nachwirkung rückwirkend beseitigt wird, indem die Tarifvertragsparteien den ablösenden Tarifvertrag möglichst nahtlos an den Ablauf des vorherigen Tarifvertrages anschließen lassen. Eine derart rückwirkende Inkraftsetzung ablösender Tarifverträge ist auch weitestgehend verbreitet und somit absehbar. Auch müssen die Normunterworfenen damit rechnen, dass der ablösende neue Tarifvertrag teils auch schlechtere Regelungen enthält und diese damit dann auch rückwirkend zur Anwendung gelangen. Gerade wegen der ohnehin nur noch bestehenden Nachwirkung muss jeder Zeit mit einer neuen Normsetzung durch die Tarifvertragsparteien, auch in rückwirkender Form auf den Kündigungszeitpunkt des Tarifvertrages gerechnet werden (vgl. zu einem gleichgelagerten Fall BAG, Urteil vom 08.09.1999, 4 AZR 661/98). Allein aus diesem Grund war das Vertrauen der Klägerin in diesem Fall nicht mehr schutzwürdig und die rückwirkende Geltung des § 20 TV-UMN zulässig.
- 88
Soweit die Klägerin zwei Tage vor der Kammerverhandlung in der Berufungsinstanz erstmalig bestritt, dass der Tarifvertrag TV-UKN überhaupt gekündigt worden sei, ist dieses Bestreiten im Prozess folgenlos. Nachdem der Umstand der Kündigung des Tarifvertrages bereits seit dem ersten Schriftsatz der Beklagten in der ersten Instanz ausdrücklich vorgetragen wurde und immer zwischen den Parteien unstreitig war, genügt es nicht, wenn die Klägerin plötzlich zwei Tage vor der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz erstmalig und ohne Darstellung weiterer Umstände pauschal ins Blaue hinein behauptet, der Tarifvertrag sei nicht gekündigt worden. Dieses pauschale Bestreiten ist auch deshalb unerheblich, da gerade in der Berufungsinstanz weitere Anlagen in den Prozess eingeführt wurden (Kündigungsschreiben, Schulungsunterlagen, Flyer von v.) aus denen sich die Kündigung des Tarifvertrages ergibt. Zudem wäre dieses Bestreiten nach § 67 Abs. 4 ArbGG als verspätet zurückzuweisen, da dieses Bestreiten außerhalb der Berufungsbegründung erfolgte und, falls es darauf ankäme, der Rechtsstreit in einem weiteren Termin hätte fortgesetzt werden müssen, um die tatsächliche Kündigung des TV-UKN durch entsprechende Beweismittel endgültig aufzuklären.
(bb)
- 89
Unabhängig vom Verlust des Vertrauens durch den Umstand des nur noch in Nachwirkung befindlichen TV-UKN bestand auch aus weiteren Gründen kein Vertrauen in die Fortgeltung des TV-UKN mehr. Denn bereits in der ersten Instanz ist mit dem ersten Schriftsatz der Beklagten vorgetragen worden, dass die Beklagte alle ihre Mitarbeiter – und damit auch die Klägerin – im Mai 2012 per E-Mail über den Tarifabschluss informiert hatte. Die Beklagte hatte hier sogar schon konkret auf die künftige Regelung hinsichtlich der gekürzten Jahressonderzahlung für Nichtmitglieder von v. hingewiesen. Angesichts dieses Umstandes war der Klägerin zum Zeitpunkt der Anspruchsentstehung im November 2012 sogar schon die neue Regelung positiv bekannt. Von einem Vertrauen in die Fortgeltung des alten TV-UKN kann in diesem Fall nicht mehr gesprochen werden.
- 90
Soweit die Klägerin erst in der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz erstmalig bestritt, diese E-Mail erhalten zu haben, ist dieser Vortrag gemäß § 67 Abs. 2 wie auch Abs. 3 und wie auch Abs. 4 ArbGG als verspätet zurückzuweisen. Das Bestreiten hätte hier bereits nach dem ersten Schriftsatz der Beklagten in der ersten Instanz erfolgen können. Spätestens mit der Berufungsbegründung hätte das Bestreiten erfolgen müssen. Eine weitere Aufklärung hierzu hätte den Rechtsstreit verzögert.
- 91
Im Übrigen ist von der Beklagten auch vorgetragen worden, dass diese Rund-Mail gleichzeitig auch auf der Homepage der Beklagten veröffentlicht wurde. Auch ist unstreitig nach den Tarifverhandlungen eine Information durch einen Flyer von v. erfolgt. Zwar kann nicht davon ausgegangen werden, dass dieser Flyer auch die Klägerin als Nichtmitglied erreichte. Jedoch ist unstreitig dieser Flyer auf der Personalratsseite der Beklagten veröffentlicht worden. Auch hier sind die konkreten Regelungen bezüglich der Jahressonderzahlung bereits mitgeteilt worden. Es gab somit mehrere Gründe, die gegen ein Vertrauen in den Fortbestand des § 20 TV-UKN sprachen.
(cc)
- 92
In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BAG ist es dabei auch unerheblich, ob die Klägerin selbst von den vertrauenszerstörenden Maßnahmen bzw. Umständen (Kündigung des TV-UKN, Rund-Mail vom 25. Mai 2012, Homepage der Beklagten im Mai 2012, v.-Flyer auf der Homepage des Personalrates im Juni 2012) persönlich positiv Kenntnis genommen hatte. Entscheidend ist die Kenntnis der betroffenen Kreise. Auf Grund der Vielzahl verschiedener Informationen war den Arbeitnehmern der Beklagten die Kündigung des TV-UKN (die allein schon den Vertrauensschutz beseitigte) und darüber hinaus die positive Unterrichtung der Arbeitnehmer über die Regelungen des Tarifabschlusses TV-UMN bekannt.
(dd)
- 93
Soweit die Klägerin sodann in der mündlichen Verhandlung der Berufungsinstanz wiederum erstmalig einwandte, dass sich aus all den Informationen aus ihrer Sicht jedenfalls nicht eine Rückwirkung zum 01.01.2012 ergeben habe, ist auch diesem Argument nicht zu folgen. Allein die Kündigung des alten Tarifvertrages TV-UKN zum 31.12.2011 führt auf Grund der weitverbreiteten Praxis dazu, dass damit gerechnet werden musste, dass die Tarifvertragsparteien den Nachfolgetarifvertrag nahtlos an den gekündigten TV-UKN anschließen werden. Dies wäre der 01.01.2012. Genau zu diesem Datum ist tatsächlich auch der TV-UMN in Kraft gesetzt worden. Es wird noch einmal darauf hingewiesen, dass es für den Verlust des Vertrauens nicht von Bedeutung ist, dass die normunterworfenen Kreise positiv wussten, dass der neue TV-UMN zum 01.01.2012 in Kraft treten wird. Zum Vertrauensverlust führt bereits die Kündigung des TV-UKN zum 31.12.2011 und die daraus folgende Möglichkeit und auch übliche Praxis, den nachfolgenden Tarifvertrag nahtlos hieran anzuschließen (vgl. BAG, Urteil vom 08.09.1999, 4 AZR 661/98).
- 94
Darüber hinaus gab es aber auch andere Anhaltspunkte, die positiv vor Entstehen des Anspruches im November 2012 auf die rückwirkende Inkraftsetzung des TV-UMN hindeuteten. Wiederum spricht die Rund-Mail der Beklagten vom 25.05.2012 eindeutig eine Vergütungssteigerung bereits zum 01.07.2012 an. Für die Bereitschaftsdienste werden neue Regelungen ebenfalls ab dem 01.07.2012 angesprochen. Die Arbeitszeit wurde ab dem 01.01.2012 neu geregelt. Der Urlaubsanspruch wurde ab dem 01.01.2012 neu geregelt. Auch die Tarifinformation von v. aus dem Juni 2012 sprach von der Tarifrunde 2012 und auch mehrfach vom „Tarifvertrag 2012“. Wiederum sind auch hier verschiedene Regelungen angeführt, die bereits ab dem 01.01.2012 gelten sollten. Damit wurde deutlich, dass der neue TV-UMN bereits zum 01.01.2012 – jedenfalls vor dem November 2012 - in Kraft gesetzt werden sollte. Auch insoweit bestand somit positive Kenntnis der betroffenen Kreise.
2.
- 95
Ein von § 20 TV-UMN abweichender höherer Anspruch der Klägerin folgt auch nicht aus einer behaupteten Unwirksamkeit der Differenzierung zwischen v.-Mitgliedern und Nicht-v.-Mitgliedern in § 20 TV-UMN.
- 96
Unabhängig davon, welche Rechtsfolge sich überhaupt aus der Unwirksamkeit der Differenzierung zwischen Gewerkschaftsmitgliedern und Nichtgewerkschaftsmitgliedern ergeben würde, liegt hier jedenfalls eine zulässige Differenzierung vor.
a)
- 97
Bei § 20 TV-UMN handelt es sich um eine nach der Rechtsprechung des BAG zulässige sogenannte einfache Differenzierungsklausel. Eine einfache Differenzierungsklausel ist dadurch charakterisiert, dass sie in einer anspruchsbegründenden einzelnen Tarifregelung „im Inneren des Tarifvertrages“ die Mitgliedschaft in der tarifschließenden Gewerkschaft ausdrücklich zu einer anspruchsbegründenden Voraussetzung macht (vgl. BAG, Urteil vom 18.03.2009, 4 AZR 64/09). Weitere Formen von Differenzierungsklauseln sind die Tarifausschlussklausel, die Spangenklausel sowie die Abstandklausel. Bei diesen Klauseln besteht der Unterschied im Verhältnis zur einfachen Differenzierungsklausel darin, dass sie jeweils regulierend auf die Vereinbarungen oder die Vertragspraxis des tarifgebundenen Arbeitgebers mit nichtorganisierten Arbeitnehmern im Verhältnis zu den Ansprüchen der Gewerkschaftsmitglieder Einfluss nehmen wollen. Um solche Klauseln handelt es sich im konkreten Einzelfall beim § 20 TV-UMN nicht. Der TV-UMN legt in seinem § 20 schlicht nur fest, dass unmittelbar aus den Regelungen des Tarifvertrages heraus Gewerkschaftsmitglieder eine doppelt so hohe Jahressonderzahlung erhalten wie Nichtgewerkschaftsmitglieder. Eine Außenwirkung dieser tariflichen Regelung auf die Vertragspraxis des Arbeitgebers besteht nicht. Dieser ist nach der tariflichen Regelung frei, mit Arbeitnehmern, die Nichtgewerkschaftsmitglieder sind, andere und günstigere Regelungen zur Jahressonderzahlung zu vereinbaren.
b)
- 98
Maßstab für die Zulässigkeit von Differenzierungsklauseln ist die sogenannte negative Koalitionsfreiheit, insbesondere der Außenseiter. Diese umfasst insbesondere das Recht des Einzelnen, sich nicht zu Koalitionen zusammenzuschließen, bestehenden Koalitionen fern zu bleiben und bei bereits erfolgtem Eintritt wieder austreten zu dürfen. Das Recht, einer Koalition fernzubleiben, wird im Kern nicht in Frage gestellt. Andererseits ist es aber auch unbestritten, dass die Mitgliedschaft in einer Koalition nicht folgenlos bleibt und dass von den rechtlichen Folgen der koalitionsmäßigen Organisierung eines Arbeitgebers oder eines Arbeitnehmers für Außenseiter auch ein gewisser Anreiz ausgehen kann, selbst Mitglied der Koalition zu werden. Artikel 9 Abs. 3 Grundgesetz schützt den Nicht-Organisierten lediglich vor einem Zwang oder Druck, einer Koalition beizutreten. Ein bloßer Anreiz, der Koalition beizutreten, erfüllt diese Voraussetzung nicht (Bundesverfassungsgericht, 11. Juli 2006, 1 Bv L 4/00). Eine allgemein akzeptierte, abstrakte Grenze zwischen dem, was noch zulässiger Anreiz zum Gewerkschaftsbeitritt ist, und dem, was als unzulässiger Druck oder gar Zwang anzusehen ist, ist nicht zu erkennen. Gleichzeitig hält eine zulässige Differenzierung dem Diskriminierungsverbot und dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz stand (BAG, Urteil vom 18.03.2009, 4 AZR 64/08, Rz. 37, 38, zitiert nach juris).
c)
- 99
In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BAG (Urteil vom 18.03.2009, 4 AZR 64/08, Rz. 47, zitiert nach juris), geht das Gericht davon aus, dass eine einfache Differenzierungsklausel bereits strukturell keinen unzulässigen unmittelbaren Druck auf Außenseiter ausüben kann und deshalb keinen grundsätzlichen rechtlichen Bedenken begegnet. Vorliegend handelt es sich um eine einfache Differenzierungsklausel. Es werden nur Ansprüche innerhalb des Tarifvertrages geregelt. Auf die Vertragsfreiheit außerhalb des Tarifvertrages wird nicht Einfluss genommen. Irrelevant ist es auch, wenn die Klägerin meint, hier würden Gewerkschaftsmitglieder nicht ein Mehr, sondern Nichtgewerkschaftsmitglieder vielmehr ein Weniger erhalten. Dies ist vorliegend nur eine Formulierungsfrage. Es macht keinen Unterschied, ob zunächst für Gewerkschaftsmitglieder eine gewisse Höhe der Jahressonderzahlung festgelegt wird und sodann im Inneren des Tarifvertrages für Nichtgewerkschaftsmitglieder die Jahressonderzahlung auf 50 Prozent hiervon festgelegt wird oder aber ob andersherum zunächst für Nichtgewerkschaftsmitglieder ein gewisser Betrag festgelegt wird und dieser sodann für Gewerkschaftsmitglieder verdoppelt wird.
- 100
Im Ergebnis beeinträchtigt die hier vorliegende einfache Differenzierungsklausel die Freiheit der Außenstehenden nicht mehr, als ohnehin jede tarifrechtliche Norm ohne Differenzierung. Auch andere für den Arbeitnehmer im Verhältnis zum Gesetz günstige tarifliche Normen enthalten einen gewissen Anreiz, einer Gewerkschaft beizutreten, wenn der Arbeitnehmer es nicht vermag, dieselbe Rechtsfolge auch individual-vertraglich zu erreichen.
- 101
Auch die konkrete Regelung der Jahressonderzahlung im vorliegenden Fall des § 20 TV-UMN ist weder der Art noch der absoluten Höhe nach geeignet, einen unverhältnismäßigen, einem Zwang nahe kommenden Druck auszuüben, von der Entscheidung, keiner Gewerkschaft angehören zu wollen, Abstand zu nehmen. Ebenso wie im Fall des dem Urteil des BAG vom 18.03.2009, 4 AZR 64/08, zu Grunde liegenden Fall, handelt es sich hier um nur eine einmalig jährlich zu zahlende und damit außerhalb des laufenden Austauschverhältnisses liegende Leistung.
- 102
Auch ist zu beachten, dass die Differenz zwischen Gewerkschaftsmitgliedern und Nichtgewerkschaftsmitgliedern nur bei 35,75 Prozent der Bemessungsgrundlage (im Kern einer Monatsvergütung) liegt. Die Differenz erreicht damit nicht ganz drei Jahresmitgliedbeiträge bei v.. Im konkreten Fall der Klägerin hat das Gericht aus den vorliegenden Daten (Rückrechnung der Jahressonderzahlung auf die Bemessungsgrundlage) ermittelt, dass der Eintritt bei v. für die Klägerin durch die erhöhte Jahressonderzahlung eine Steigerung des Jahreseinkommens von knapp 2,9 Prozent bedeuten könnte. Dabei ist das Gericht nur von der Monatsvergütung im Bemessungszeitraum und von der Jahressonderzahlung im November ausgegangen. Sollte die Klägerin weitere Entgeltbestandteile erhalten, würde die Jahressteigerung prozentual noch niedriger ausfallen. Um diese Steigerung von 2,9 Prozent (1.108 €) zu erhalten, müsste die Klägerin jedoch etwa 399 Euro Mitgliedsbeiträge für v. aufwenden. Dies entspricht einem Prozent ihres Jahreseinkommens. Damit könnte die Klägerin mit einem Gewerkschaftseintritt tatsächlich nur noch eine Bruttosteigerung von etwa 709 Euro oder aber 1,8 Prozent im Jahr erreichen. Geht man von etwa 40 Prozent Belastungen für SV-Beiträge und Steuern aus, verbliebe für den Kläger eine Nettosteigerung von 425 Euro (gerundet). Die Kammer ist im Ergebnis der Ansicht, dass diese möglichen Vorteile im Ergebnis nur einen geringen Anreiz darstellen, v. beizutreten. Ein erheblicher Druck bzw. ein schon notwendiger Zwang, der Gewerkschaft v. beizutreten, lässt sich aus diesen Wertverhältnissen nicht ableiten. Die Verletzung der negativen Koalitionsfreiheit (Artikel 9 Abs. 3 GG) lässt sich aus der vorliegenden Differenzierung zwischen Gewerkschaftsmitgliedern und Nichtgewerkschaftsmitgliedern somit nicht ableiten.
d)
- 103
Soweit die Klägerin auf die Rechtsprechung des Großen Senats vom 29. November 1967 abstellt, befassen sich die Antworten des Großen Senats nicht mit einer Regelung, die mit der hier vorliegenden Klausel vergleichbar ist. Insofern ist eine Parallelität zum Sachverhalt zu ziehen, der der Entscheidung des BAG vom 18.03.2009, 4 AZR 64/08, zu Grunde lag. Auch dort ging das BAG davon aus, dass die Ausführungen des Großen Senats seiner Entscheidung zur einfachen Differenzierungsklausel nicht entgegenstehen. Der Große Senat hatte sich in seiner Entscheidung mit einer Differenzierungsklausel in der Form einer Spangenklausel beschäftigt. Eine solche liegt hier jedoch nicht vor. Zu einfachen Differenzierungsklauseln hatte sich der Große Senat 1967 nicht geäußert (vgl. BAG, a. a. O., Rz. 96, zitiert nach juris).
e)
- 104
Im Weiteren folgt auch aus dem Umstand, dass § 20 TV-UMN eine Mitgliedschaft bei v. von 15 Monaten voraussetzt, keine Unwirksamkeit der Differenzierungsklausel. Zum einen hatte schon das Gericht erster Instanz richtigerweise festgestellt, dass die Frage hier im Kern unbeantwortet bleiben kann, da die Klägerin ohnehin nicht der Gewerkschaft beitreten möchte. Damit würde sie ohnehin nicht in den Genuss der erhöhten Jahressonderzahlung gelangen. Die Frage der Zulässigkeit eines Stichtages stellt sich für die Klägerin daher nicht.
- 105
Zum weiteren ist darauf hinzuweisen, dass die Stichtagsregelung im Übrigen ohnehin keinen rechtlichen Bedenken begegnet. Die Tarifvertragsparteien sind grundsätzlich frei darin, die Gewerkschaftsmitgliedschaft zu einem in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt als Kriterium für die Anspruchsentstehung einer Sonderzahlung heranzuziehen (BAG, Urteil vom 18.03.2009, 4 AZR 64/08, Rz. 123 zitiert nach juris)). Die Klägerin war und ist frei, für die Zukunft der Gewerkschaft beizutreten und damit den erhöhten Anspruch auf Jahressonderzahlung im Folgejahr zu erwerben. Der hiesige Fall unterscheidet sich insoweit von der Konstellation des Falles, welcher der Entscheidung des BAG vom 9. Mai 2007, 4 AZR 275/06, zu Grunde lag. Denn im Fall der letztgenannten Entscheidung des BAG war ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Lohnerhöhung dauerhaft davon abhängig, dass er zu einem gewissen festen Datum in der Vergangenheit bereits Mitglied der Gewerkschaft war und dies blieb. In dem damaligen Fall blieb dem Arbeitnehmer aufgrund der starren Stichtagsregelung in der Tat der Ertrag des erst nachfolgenden Gewerkschaftsbeitrittes verwehrt. Im hiesigen Fall gilt dies nicht. Hier ist nur eine einmalige jährliche Sonderzahlung im Streit. Zudem kann sich jeder Arbeitnehmer durch rechtzeitigen Beitritt die Sonderzahlung des jeweiligen Folgejahres sichern. Soweit der Arbeitnehmer durch die hiesige Stichtagsregelung also die Sonderzahlung des laufenden Jahres, und bei ungünstigem Verlauf ggf. auch des Folgejahres, nicht erhält, kann nicht festgestellt werden, dass unzulässig in den eigentlich gesetzlich vorgesehenen Ertrag der Gewerkschaftsmitgliedschaft (§§ 3, 4 TVG) eingegriffen wird. Denn letztlich beträgt der Vorteil der erhöhten Jahressonderzahlung (etwa 35,75 % eines Monatsgehaltes) fast 3 Jahresmitgliedsbeiträge.
- 106
Selbst wenn man annehmen wollte, dass die Vereinbarung einer Mitgliedschaft von mindestens 15 Monaten unwirksam wäre, würde dies nicht zu einem Anspruch der Klägerin führen. Denn die Rechtswidrigkeit der Stichtagsregelung würde nicht zur Rechtsunwirksamkeit der Differenzierungsklauseln im Ganzen führen. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des BAG, dass die Rechtsunwirksamkeit einzelner Tarifbestimmungen grundsätzlich entgegen der Auslegungsregel des § 139 BGB nicht zur Unwirksamkeit der übrigen tariflichen Regelung führt (BAG vom 18.03.2009, 4 AZR 64/08, Rz. 125, zitiert nach juris). Es ist vielmehr maßgeblich, ob der Tarifvertrag ohne die unwirksame Regelung noch eine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung darstellt. Dies wäre hier selbst bei Annahme der Unwirksamkeit der Stichtagsregelung zu bejahen. Danach wäre wiederum zu berücksichtigen, dass eine Regelung verbliebe, wonach ohne Stichtagsregelung Gewerkschaftsmitglieder eine höhere Jahressonderzahlung erhalten würden als Nichtgewerkschaftsmitglieder. Dies entspräche auch dem erkennbaren Willen der Tarifvertragspartner, den Gewerkschaftsmitgliedern in jedem Fall ein Mehr zuzusprechen. Da die Klägerin nicht Gewerkschaftsmitglied ist bzw. seiner Zeit war, würde auch die Nichtbeachtung der Stichtagsregelung nicht zu einer anderen Entscheidung führen.
3.
- 107
Ein weiterer Zahlungsanspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht aus § 3 Abs. 2 des Gesetzes zur Errichtung der Teilkörperschaft Universitätsmedizin A-Stadt.
- 108
Der Ansicht der Klägerin, die Regelung, wonach der TV-UKN „bis zum Abschluss eines neuen Tarifvertrages weiterhin anzuwenden“ ist, sei so zu verstehen, dass entgegen individual-vertraglicher und tariflicher Regelungen der TV-UKN in jedem Fall so lange anzuwenden sei, bis ein Nachfolgetarifvertrag „unterschrieben“ ist, ist nicht zu folgen.
- 109
Die Formulierung „bis zum Abschluss“ im Gesetz bezieht sich in zeitlicher Hinsicht nicht auf den Zeitpunkt der Unterschriftsleistung unter den nachfolgenden Tarifvertrag. Das Gesetz ist hier in sprachlicher Hinsicht zwar etwas ungenau. „Bis zum Abschluss“ ist hier jedoch dahingehend auszulegen, dass in zeitlicher Hinsicht die Geltung eines neuen Tarifvertrages gemeint ist.
- 110
Dies ergibt sich zunächst aus dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung. Das Land hatte zum 01.01.2012 die Beklagte als rechtsfähige Teilkörperschaft öffentlichen Rechts geschaffen. Die Beklagte hatte auf Grund ihrer Neuschaffung zum 01.01.2012 noch keine Tarifverträge abgeschlossen. Damit hätten mangels Tarifbindung keine Tarife zur Anwendung kommen können. Auch individual-vertragliche Verweisungen wären somit ins Leere gegangen. Durch die gesetzliche Regelung sollte somit die Tarifhoheit auf die Beklagte übertragen werden und zugleich eine zeitliche Lücke „bis zum Abschluss“ neuer Tarifverträge geschlossen werden. Diese Lückenschließung ist jedoch nur soweit notwendig, bis neue eigene tarifliche Regelungen für die Beklagte zur Anwendung gelangen. Dieser Zeitpunkt entspricht jedoch nicht der Unterschriftsleistung unter einem neuen Tarifvertrag, sondern ist mit dem Inkraftsetzen des neuen Tarifvertrages gleichzusetzen. Dies kann somit auch ein rückwirkendes Inkraftsetzen des Tarifvertrages sein.
- 111
Das klägerische Verständnis dahingehend, dass „bis zum Abschluss“ auf den Zeitpunkt der Unterschriftsleistung abstellen solle, könnte auch zu praktischen Problemen führen, die durch den angesprochenen § 3 des Gesetzes zur Errichtung der Teilkörperschaft gerade vermieden werden sollten. Denn hätten die Tarifvertragsparteien z. B. ein Inkrafttreten der neuen tariflichen Regelung erst einige Wochen oder Monate nach der Unterschriftsleistung vereinbart, so hätte nach der Leseart des Klägers die Wirkung des TV-UKN mit der Unterschriftsleistung unter dem neuen Tarifvertrag geendet, während der neue Tarifvertrag jedoch erst Wochen oder Monate später in Kraft getreten wäre. Hier wäre wiederum in zeitlicher Hinsicht eine Regelungslücke aufgetreten. Dies kann offensichtlich vom Gesetzgeber nicht gewollt gewesen sein.
- 112
Auch eine verfassungskonforme Auslegung des Gesetzeszweckes zwingt dazu, das Gesetz nicht im klägerischen Sinne zu verstehen. Aus der gesetzlichen Regelung ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Landesgesetzgeber in jedem Fall zwingend ab dem 01.01.2012 bis zur Unterschriftsleistung unter einen nachfolgenden Tarifvertrag den TV-UKN auf die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer der Beklagten angewendet wissen wollte und damit dann zwingend die individual-vertragliche Freiheit von Arbeitnehmern und Arbeitgebern bzw. auch die Freiheit der Tarifvertragsparteien einschränken wollte. Abgesehen davon, dass es schon keine objektiven Anhaltspunkte für eine solche Leseart gibt, würde bei einem solchen Verständnis die landesgesetzliche Regelung in verschiedene Grundrechte der Arbeitnehmer, der Arbeitgeber und der Gewerkschaften (mindestens Art. 2, 9, 12 GG) schwerwiegend eingreifen, ohne dass dafür überhaupt ein rechtfertigender Umstand zu erkennen wäre. Zudem würde der Landesgesetzgeber damit gleichzeitig auch von bundesgesetzlichen, arbeitsrechtlichen Regelungen des BGB sowie des TVG erheblich abweichen. Dies stünde wiederum im Widerspruch dazu, dass das Arbeitsrecht der konkurrierenden Gesetzgebung (Art 74 GG) zuzurechnen ist und der Bundesgesetzgeber mit dem BGB und dem TVG bereits Regelungen geschaffen hat, die die grundrechtlichen Freiheiten von Arbeitnehmern, Arbeitgebern und Gewerkschaften zum Abschluss individual-vertraglicher bzw. tarifvertraglicher Regelungen abschließend regeln.
4.
- 113
Ein Anspruch auf Zahlung einer Jahressonderzahlung von 71,5 Prozent der Bemessungsgrundlage ergibt sich auch nicht aus einer betrieblichen Übung bzw. auf Grund eines so bezeichneten Besitzstandes.
- 114
Bereits das Gericht erster Instanz hat zutreffend festgestellt, dass hier in der Vergangenheit die Zahlungen der Jahressonderzahlung in Höhe von 71,5 Prozent in Übereinstimmung mit tariflichen Regelungen des TV-UKN und des TV-L erfolgten. Auf Grund der individual-vertraglichen Verweisung auf die tariflichen Regelungen, die eine Zahlung von 71,5 Prozent vorsahen, ist nicht erkennbar, dass sich der jeweilige Arbeitgeber der Klägerin dauerhaft unabhängig von der jeweiligen tariflichen Regelung an eine Zahlung in Höhe von 71,5 Prozent der Bemessungsgrundlage binden wollte. Woraus die Klägerin diesen Schluss ziehen möchte, legt sie nicht dar. Sie beschränkt sich hier auf die bloße pauschale Behauptung, der Arbeitgeber habe zwar das geleistet, was tarifvertraglich vereinbar wurde, habe dies jedoch in jedem Fall ohne Bindung an den Tarifvertrag (hier auf Grund Gleichstellungsabrede) leisten wollen.
- 115
Im Ergebnis war die Berufung daher zurückzuweisen.
II.
- 117
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
- 118
Insbesondere weicht die Kammer nicht von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, hier vor allem von der Rechtsprechung des Großen Senats, ab.
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(1) Die Rechtsnormen des Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluß oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, gelten unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen. Diese Vorschrift gilt entsprechend für Rechtsnormen des Tarifvertrags über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen.
(2) Sind im Tarifvertrag gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien vorgesehen und geregelt (Lohnausgleichskassen, Urlaubskassen usw.), so gelten diese Regelungen auch unmittelbar und zwingend für die Satzung dieser Einrichtung und das Verhältnis der Einrichtung zu den tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.
(3) Abweichende Abmachungen sind nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten.
(4) Ein Verzicht auf entstandene tarifliche Rechte ist nur in einem von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich zulässig. Die Verwirkung von tariflichen Rechten ist ausgeschlossen. Ausschlußfristen für die Geltendmachung tariflicher Rechte können nur im Tarifvertrag vereinbart werden.
(5) Nach Ablauf des Tarifvertrags gelten seine Rechtsnormen weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.
(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszug zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.
(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszug entgegen einer hierfür nach § 56 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 oder § 61a Abs. 3 oder 4 gesetzten Frist nicht vorgebracht worden sind, sind nur zuzulassen, wenn nach der freien Überzeugung des Landesarbeitsgerichts ihre Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern würde oder wenn die Partei die Verspätung genügend entschuldigt. Der Entschuldigungsgrund ist auf Verlangen des Landesarbeitsgerichts glaubhaft zu machen.
(3) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszug entgegen § 282 Abs. 1 der Zivilprozessordnung nicht rechtzeitig vorgebracht oder entgegen § 282 Abs. 2 der Zivilprozessordnung nicht rechtzeitig mitgeteilt worden sind, sind nur zuzulassen, wenn ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Landesarbeitsgerichts die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern würde oder wenn die Partei das Vorbringen im ersten Rechtszug nicht aus grober Nachlässigkeit unterlassen hatte.
(4) Soweit das Vorbringen neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel nach den Absätzen 2 und 3 zulässig ist, sind diese vom Berufungskläger in der Berufungsbegründung, vom Berufungsbeklagten in der Berufungsbeantwortung vorzubringen. Werden sie später vorgebracht, sind sie nur zuzulassen, wenn sie nach der Berufungsbegründung oder der Berufungsbeantwortung entstanden sind oder das verspätete Vorbringen nach der freien Überzeugung des Landesarbeitsgerichts die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern würde oder nicht auf Verschulden der Partei beruht.
(1) Tarifgebunden sind die Mitglieder der Tarifvertragsparteien und der Arbeitgeber, der selbst Partei des Tarifvertrags ist.
(2) Rechtsnormen des Tarifvertrags über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen gelten für alle Betriebe, deren Arbeitgeber tarifgebunden ist.
(3) Die Tarifgebundenheit bleibt bestehen, bis der Tarifvertrag endet.
(1) Die Rechtsnormen des Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluß oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, gelten unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen. Diese Vorschrift gilt entsprechend für Rechtsnormen des Tarifvertrags über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen.
(2) Sind im Tarifvertrag gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien vorgesehen und geregelt (Lohnausgleichskassen, Urlaubskassen usw.), so gelten diese Regelungen auch unmittelbar und zwingend für die Satzung dieser Einrichtung und das Verhältnis der Einrichtung zu den tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.
(3) Abweichende Abmachungen sind nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten.
(4) Ein Verzicht auf entstandene tarifliche Rechte ist nur in einem von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich zulässig. Die Verwirkung von tariflichen Rechten ist ausgeschlossen. Ausschlußfristen für die Geltendmachung tariflicher Rechte können nur im Tarifvertrag vereinbart werden.
(5) Nach Ablauf des Tarifvertrags gelten seine Rechtsnormen weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.
Ist ein Teil eines Rechtsgeschäfts nichtig, so ist das ganze Rechtsgeschäft nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde.
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.
(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.
(3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.
(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.
(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.