Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 10. Mai 2016 - 5 Sa 209/15
Gericht
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Rostock vom 04.08.2015 - 2 Ca 235/15 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Zahlung eines Weihnachtsgeldes.
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Die am 21.09.1983 geborene Klägerin nahm zum 01.01.2012 bei der beklagten Ärztekammer eine Beschäftigung als Juristin auf. Zum Ende des Jahres 2012 teilte ihr die Beklagte mit Schreiben vom 01.11.2012 Folgendes mit:
- 3
"…
Weihnachtsgeld
…
ich freue mich, dass wir Ihnen auch in diesem Jahr wieder als besondere Gratifikation das Weihnachtsgeld zum Dank und als Anerkennung für geleistete Arbeit und Betriebstreue, gleichzeitig aber auch als Anreiz und Motivation für das kommende Jahr zahlen können.
Sie erhalten in diesem Jahr ein Weihnachtsgeld in Höhe von 1.295,00 Euro.
Gleichzeitig weisen wir Sie ausdrücklich darauf hin, dass nach dem Beschluss des Vorstandes Gratifikationen und sonstige jährliche Sondervergütungen, wie das Weihnachtsgeld, von der C. freiwillig und ohne Rechtsanspruch darauf, sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach, sowie unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufes gezahlt werden.
Auch durch mehrmalige Zahlungen wird ein Rechtsanspruch für die Zukunft nicht begründet.
…"
- 4
Mit dem Änderungsvertrag vom 18.09./25.11.2013 übertrug die Beklagte der Klägerin die Aufgaben der Kammeranwältin. Der Vertrag enthält des Weiteren folgende Bestimmung:
- 5
"…
- 6
§ 5 - Regelvergütung und Sonderzahlung
- 7
…
- 8
3. Soweit Urlaubs- und Weihnachtsgeld oder andere Gratifikationen gewährt werden, erkennt die Arbeitnehmerin an, dass diese - sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach - freiwillig und unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufes gezahlt werden und hierauf auch bei wiederholter Zahlung kein Rechtsanspruch erwächst.
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4. Die Arbeitnehmerin ist verpflichtet, eine gewährte Weihnachtsgratifikation zurückzuzahlen, wenn sie aufgrund eigener Kündigung oder verhaltensbedingter Kündigung der Arbeitgeberin aus einem von ihr zu vertretenden Grund bis zum 31. März des auf die Auszahlung folgenden Kalenderjahres aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Die Rückzahlungsverpflichtung gilt entsprechend, wenn das Arbeitsverhältnis innerhalb des vorgenannten Zeitraums durch Aufhebungsvertrag beendet wird und Anlass des Aufhebungsvertrages ein Recht zur außerordentlichen oder verhaltensbedingten Kündigung der Arbeitgeberin oder ein Aufhebungsbegehren der Arbeitnehmerin ist.
- 10
…"
- 11
Die Klägerin bezog ab dem 01.10.2013 eine monatliche Bruttovergütung von € 2.310,- bei einer regelmäßigen Arbeitszeit von 30 Wochenstunden.
- 12
Mit Schreiben vom 08.11.2013 sagte die Beklagte der Klägerin für das Jahr 2013 wiederum ein Weihnachtsgeld zu. Dieses Schreiben hat den gleichen Wortlaut wie im vorangegangenen Jahr mit Ausnahme einer Formulierung im dritten Absatz, in der es statt "nach dem Beschluss des Vorstandes" nunmehr "nach der arbeitsvertraglichen Vereinbarung" heißt.
- 13
Am 29.07.2014 teilte die Klägerin der Beklagten mit, erneut schwanger zu sein. Am 04.08.2014 trat die Klägerin ihren Erholungsurlaub an, der am Freitag, 22.08.2014, endete. Ab Montag, 25.08.2014, war die Klägerin krankheitsbedingt arbeitsunfähig. Zum 15.09.2014 trat eine neue Erkrankung auf.
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Ende Oktober 2014 entschied die Beklagte über die Weihnachtsgeldzahlung 2014, wobei sie - wie in den Vorjahren - von 61,6 % des durchschnittlichen individuellen Bruttogehalts in den Monaten Juli bis September (ohne Zulagen) ausging. Die Beklagte beschäftigte zu diesem Zeitpunkt 49 Arbeitnehmer. Zum 15.11.2014 zahlte sie allen Arbeitnehmern mit Ausnahme der Klägerin ein volles oder anteiliges Weihnachtsgeld für das Jahr 2014. Ein anteiliges Weihnachtsgeld bekamen zwei Mitarbeiterinnen, die im Jahr 2014 Elternzeit in Anspruch genommen hatten, Frau H. und Frau E.. Frau H. trat ihren Dienst zum 01.09.2014 wieder an und erhielt ein anteiliges Weihnachtsgeld von 4/12, Frau E. nahm die Arbeit am 01.10.2014 wieder auf und erhielt 3/12. Bei sechs Arbeitnehmern kürzte die Beklagte das Weihnachtsgeld wegen unterjähriger Beschäftigung, das sie abhängig vom Beschäftigungsbeginn wie folgt berechnete:
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Arbeitnehmerin
Einstellungsdatum
Anteiliges Weihnachtsgeld
K.
01.04.2014
9/12
W.
01.05.2014
8/12 x 45 % leistungsbedingt
K.; K.
01.07.2014
6/12
R. (Auszubildende)
18.08.2014
4/12
G.
06.10.2014
3/12
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Vier Arbeitnehmer erhielten aus leistungsbedingten Gründen kein volles Weihnachtsgeld. Kürzungen wegen Arbeitsunfähigkeit nahm die Beklagte nicht vor. Bis Ende Oktober 2014 waren mehrere Mitarbeiter insgesamt länger als 30 Tage krankheitsbedingt abwesend, jedoch nicht in zusammenhängenden Zeiträumen (E., K., K., M.-M., R., W.).
- 17
Mit der E-Mail vom 26.11.2014 bat die Klägerin um Auskunft zu den Gründen für die Nichtzahlung des Weihnachtsgeldes. Da die Beklagte hierauf nicht reagierte, wiederholte die Klägerin mit Schreiben vom 08.12.2014 ihre Anfrage. Die Beklagte teilte der Klägerin daraufhin unter dem 08.01.2015 mit, keinen Anlass für eine Erklärung zur Gewährung der Gratifikation zu sehen.
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Ab dem 11.12.2014 befand sich die Klägerin im Beschäftigungsverbot für werdende Mütter, das sich unmittelbar an die vorangegangenen Erkrankungen anschloss. Zwischenzeitlich zog die Klägerin mit ihrem ersten Kind von C-Stadt nach A-Stadt zu ihrem Lebenspartner und Vater der Kinder.
- 19
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, sie habe aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz einen Anspruch auf ein Weihnachtsgeld für das Jahr 2014. Der Arbeitgeber dürfe zwar den Zweck einer freiwilligen Sonderzahlung festlegen und durchaus Unterschiede machen. Er müsse allerdings sachliche Kriterien zugrunde legen. Die Beklagte habe den Mitarbeitern nie irgendwelche Kriterien für die Zahlung des Weihnachtsgeldes mitgeteilt.
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Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 1.422,96 Sondergratifikation (Weihnachtsgeld) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2014 zu zahlen.
- 22
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Der Klägerin stehe für 2014 kein, jedenfalls kein volles Weihnachtsgeld zu. Die Beklagte entscheide in jedem Jahr neu, ob überhaupt ein Weihnachtsgeld gezahlt werden könne. Sodann prüfe sie, ob es Gründe für eine Kürzung, ggf. bis auf Null, gebe. Hier lege sie folgende Kriterien zugrunde:
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• Bei lang anhaltender Abwesenheit über einen zusammenhängenden Zeitraum von mehr als sechs Kalenderwochen hinaus Kürzung um 1/12 je angefangenem Kalendermonat,
- 24
• bei qualitativen oder quantitativen Minderleistungen oder mangelnder Leistungsbereitschaft bis zu 12/12,
- 25
• abschließende individuelle Betrachtung unter Berücksichtigung des Zwecks der Sonderzahlung.
- 26
Die Klägerin habe sich bei der Offenlegung ihrer persönlichen Planungen nicht loyal verhalten. Sie habe nicht vorgehabt, ihre Arbeit bei der Beklagten wieder aufzunehmen, weshalb ein Weihnachtsgeld seinen Zweck, Anreiz und Motivation für das kommende Jahr zu bieten, nicht erfüllen könne. In der Rechtsabteilung der Beklagten sei es im Sommer 2014 aufgrund des Ausscheidens der Leiterin und des Mutterschutzes der stellvertretenden Leiterin zu einer prekären Situation gekommen. In dieser schwierigen Lage habe die Klägerin auf Nachfrage des Geschäftsführers zu ihren zukünftigen Plänen erklärt, dass sie ihren Lebensmittelpunkt langfristig in C-Stadt sehe und innerhalb der beabsichtigten Elternzeit eine Familienzusammenführung in C-Stadt erreichen wolle. Auch plane sie, ihr erstes Kind in C-Stadt einzuschulen. Zeitgleich habe sich die Klägerin jedoch anderen Mitarbeitern gegenüber dahingehend geäußert, dass sie eher fort sein werde, als mancher glaube. Sie habe ihren Schreibtisch vor dem Urlaub so aufgeräumt, als ob sie nicht mehr an den Arbeitsplatz zurückkehren wolle. Sie habe offensichtlich nicht vorgehabt, bei der Beklagten weiterzuarbeiten. Diese Täuschung stelle einen erheblichen Vertrauensbruch dar, erst recht in einer Situation, in der die Beklagte aus Gründen der Planungssicherheit Ehrlichkeit und Offenheit erwartet habe. Keinesfalls aber habe die Klägerin einen Anspruch auf das volle Weihnachtsgeld. Die Beklagte sei berechtigt, den Betrag um die Abwesenheitszeiten der Klägerin von Ende August bis Dezember 2014 zu kürzen.
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Das Arbeitsgericht Rostock hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verbiete es, einzelne Arbeitnehmer willkürlich von Leistungen auszuschließen. Ein evtl. Abkehrwille der Klägerin rechtfertige es nicht, die Klägerin von der Weihnachtsgeldzahlung auszunehmen. Die Klägerin habe ihr Arbeitsverhältnis nicht beendet, sondern lediglich von ihrem Recht, Mutterschutz und Elternzeit in Anspruch zu nehmen, Gebrauch gemacht. Zwar sei es nach § 4a EFZG zulässig, Sondervergütungen bei Arbeitsunfähigkeit zu kürzen; die Beklagte habe aber nicht dargelegt, weshalb nur die Klägerin betroffen sei.
- 28
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung. Das Arbeitsgericht habe die Fehlzeiten der Klägerin unberücksichtigt gelassen. Schon deshalb sei es zulässig gewesen, das Weihnachtsgeld um 5/12 zu kürzen. Bei der individuellen Abwägung habe der Vorstand dann entschieden, der Klägerin auch den Restbetrag nicht zu zahlen, weil sie sich nicht loyal verhalten und entgegen ihrer Äußerungen nicht den Willen gehabt habe, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, sondern sich schon vor ihrem Sommerurlaub von der Beklagten abgewandt habe.
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Die Beklagte beantragt,
- 30
das Urteil des Arbeitsgerichts Rostock vom 04.08.2015 - 2 Ca 235/13 - abzuändern und die Klage abzuweisen.
- 31
Die Klägerin beantragt,
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die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
- 33
Sie ist der Ansicht, das Arbeitsgericht habe zutreffend entschieden. Die Beklagte versuche im Nachhinein, eine einigermaßen justiziable Begründung für ihr Vorgehen zu finden. Eine Kürzung des Weihnachtsgeldes wegen Krankheit nach § 4a EFZG erfordere eine vorherige Vereinbarung hierüber, die es aber mit der Klägerin nicht gebe. Im Übrigen sei die Arbeitsunfähigkeit durch die Schwangerschaft bedingt gewesen, sodass eine Diskriminierung wegen des Geschlechts vorliegen dürfte.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, die Sitzungsprotokolle sowie das angegriffene arbeitsgerichtliche Urteil verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben.
- 36
Die Klägerin hat aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz einen Anspruch auf eine Sonderzahlung (Weihnachtsgeld) für das Jahr 2014 in Höhe von € 1.422,96 brutto.
- 37
Der Gleichbehandlungsgrundsatz im Arbeitsrecht gebietet dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gesetzten Regel gleich zu behandeln. Wird er verletzt, muss der Arbeitgeber die von ihm gesetzte Regel entsprechend korrigieren. Der benachteiligte Arbeitnehmer hat Anspruch auf die vorenthaltene Leistung (z. B. BAG, Urteil vom 27. Mai 2015 - 5 AZR 724/13 - Rn. 14, juris = ZTR 2016, 154; BAG, Urteil vom 03. September 2014 - 5 AZR 6/13 - Rn. 18, juris = NZA 2015, 222). Dabei ist es unerheblich, ob der Arbeitgeber die von ihm gesetzte Regel ausdrücklich formuliert oder dadurch konkludent bestimmt, dass sich die Anspruchsvoraussetzungen aus einer Gesamtschau der begünstigten Arbeitnehmer und deren Gemeinsamkeiten ergeben (BAG, Urteil vom 21. Mai 2014 - 4 AZR 50/13 - Rn. 21, juris = NZA 2015, 115).
- 38
Bei Vergütungsfragen gilt der Gleichbehandlungsgrundsatz nur eingeschränkt; insoweit hat der Grundsatz der Vertragsfreiheit für individuell ausgehandelte Gehälter Vorrang. Erfolgt die Vergütung jedoch nach einem bestimmten erkennbaren und generalisierenden Prinzip, indem der Arbeitgeber bestimmte Voraussetzungen oder bestimmte Zwecke festlegt, greift der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz auch im Bereich der Entgeltzahlung (BAG, Urteil vom 21. Mai 2014 - 4 AZR 50/13 - Rn. 19, juris = NZA 2015, 115).
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Von einer solchen selbst gesetzten Regel darf der Arbeitgeber nur aus sachlichen Gründen abweichen. Eine Ungleichbehandlung ist gerechtfertigt, wenn sich nach dem Leistungszweck Gründe ergeben, die es unter Berücksichtigung aller Umstände rechtfertigen, einer Gruppe die der anderen gewährte Leistung vorzuenthalten. Die Zweckbestimmung ergibt sich vorrangig aus den tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen, von deren Vorliegen und Erfüllung die Leistung abhängig gemacht wird (BAG, Urteil vom 17. März 2010 - 5 AZR 168/09 - Rn. 15, juris = NZA 2010, 696).
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Die Differenzierung zwischen der begünstigten Gruppe und den benachteiligten Arbeitnehmern ist dann sachfremd, wenn es für die unterschiedliche Behandlung keine billigenswerten Gründe gibt. Die Gründe müssen auf vernünftigen, einleuchtenden Erwägungen beruhen und dürfen nicht gegen höherrangige Wertentscheidungen verstoßen. Die Gruppenbildung ist nur dann gerechtfertigt, wenn die Unterscheidung einem legitimen Zweck dient und zur Erreichung dieses Zwecks erforderlich und angemessen ist. Somit muss die unterschiedliche Leistungsgewährung stets im Sinne materieller Gerechtigkeit sachgerecht sein (BAG, Urteil vom 27. Mai 2015 - 5 AZR 724/13 - Rn. 20, juris = ZTR 2016, 154; BAG, Urteil vom 17. März 2010 - 5 AZR 168/09 - Rn. 16, juris = NZA 2010, 696).
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Die Beklagte hat ihren Beschäftigten auf freiwilliger Grundlage für das Jahr 2014 ein Weihnachtsgeld nach einem bestimmten generalisierenden Prinzip gezahlt. Damit ist der Anwendungsbereich des Gleichbehandlungsgrundsatzes eröffnet. Die Beklagte hat drei Gruppen gebildet. Die Mehrzahl der Beschäftigten hat ein volles Weihnachtsgeld erhalten. Die zweite Gruppe hat ein gekürztes Weihnachtsgeld bekommen, weil das Arbeitsverhältnis erst im Laufe des Jahres begonnen hat, weil es wegen Elternzeit zeitweise geruht hat oder weil Leistungsdefizite bestanden. Die Klägerin bildet als einzige Mitarbeiterin eine dritte Gruppe, die nichts erhalten hat.
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Es gibt keinen sachlichen Grund, die Klägerin vollständig oder teilweise von der Sonderzahlung 2014 auszuschließen.
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Das von der Beklagten gezahlte Weihnachtsgeld hat - ebenso wie in den Vorjahren - einen vergangenheitsbezogen und einen zukunftsbezogenen Zweck. Zum einen dient es dazu, die geleistete Arbeit und Betriebstreue zu belohnen, zum anderen soll es Anreiz und Motivation für das kommende Jahr bieten (sog. Mischcharakter, vgl. BAG, Urteil vom 13. November 2013 - 10 AZR 848/12 - Rn. 13 ff., juris = NJW 2014, 1466). Diese Leistungszwecke finden sich in den vorgenommenen Kürzungen wieder. Die Kürzungen beruhen darauf, dass Mitarbeiter noch keine Leistungen erbringen konnten, weil noch kein Arbeitsverhältnis bestand oder das Arbeitsverhältnis wegen Elternzeit ruhte. Darüber hinaus sieht die Beklagte bei Mitarbeitern mit Leistungsdefiziten nur eingeschränkt Anlass zur Belohnung von geleisteter Arbeit. Ob sachliche Gründe für eine Kürzung oder eine Nichtzahlung des Weihnachtsgeldes vorliegen, richtet sich nach dem Zeitpunkt der Entscheidung. Später eintretende Umstände kann die Beklagte erst im Folgejahr berücksichtigen. Da die Entscheidung über die Zahlung des Weihnachtsgeldes Ende Oktober 2014 fiel, kommt es auf die bis dahin bekannten Umstände an.
- 44
Nach dem von der Beklagten selbst festgelegten Leistungszweck des Weihnachtsgeldes kam eine Kürzung auf Null nicht in Betracht. Das Weihnachtsgeld hat auch den Zweck, die in der Vergangenheit geleistete Arbeit zu honorieren. Die vollständige Streichung des Weihnachtsgeldes ist mit dieser Zielsetzung nicht vereinbar, da die Klägerin bis Ende August 2014 ihre Arbeitsleistung ebenso wie andere Mitarbeiter erbracht hat.
- 45
Das Weihnachtsgeld dient des Weiteren als Anreiz und Motivation für das kommende Jahr. Die Beklagte hat dabei den Zeitraum bis zum 31.03. des Folgejahres im Auge, wie sich aus der vertraglich festgelegten Rückzahlungspflicht ergibt. Nach § 5 Nr. 4 des Arbeitsvertrages der Klägerin hat sie das Weihnachtsgeld zurückzuzahlen, wenn sie aufgrund eigener Kündigung bis zum 31.03. des Folgejahres aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Die Beklagte möchte mit dieser Regelung auf einen Fortbestand des Arbeitsverhältnisses hinwirken. Der zukunftsbezogene Leistungszweck des Weihnachtsgeldes rechtfertigt es nicht, die Klägerin ganz oder teilweise auszuschließen. Eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses stand seinerzeit nicht im Raum. Die Klägerin hat eine Kündigung weder ausgesprochen noch in Aussicht gestellt. In Anbetracht der Schwangerschaft hatte die Klägerin grundsätzlich kein Interesse an einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
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Die langfristigen Zukunftspläne der Klägerin nach der Geburt ihres zweiten Kindes sind für das Weihnachtsgeld 2014 nicht von Bedeutung. Das gilt für die Klägerin ebenso wie für die anderen Mitarbeiter, falls die Beklagte diese nach ihren Zukunftsplänen befragt haben sollte. Die Beklagte konnte von der Klägerin keine verbindlichen Erklärungen zu der persönlichen Lebensplanung erwarten, da dies in die Privatsphäre fällt. Zudem steht es dem Arbeitnehmer frei, seine Pläne abhängig von den persönlichen und familiären Gegebenheiten zu ändern. Soweit sich die Beklagte durch Äußerungen der Klägerin zu ihrer Lebensplanung getäuscht sieht und daraus eine Pflichtverletzung herleitet, gibt das keinen Anlass, das Weihnachtsgeld zu versagen oder zu kürzen. Unabhängig davon, ob die Klägerin überhaupt verpflichtet war, Auskunft über ihre langfristigen Pläne zu geben, fehlt es an einem Zusammenhang mit dem Leistungszweck des Weihnachtsgeldes. Die in dem zurückliegenden Jahr geleistete Arbeit wird dadurch nicht geschmälert noch ist einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses damit der Boden entzogen.
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Die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin ab dem 25.08.2014 ist kein sachlicher Grund, die Weihnachtsgeldzahlung zu kürzen. Die Klägerin war zum Zeitpunkt der Entscheidung über das Weihnachtsgeld Ende Oktober etwa neun Wochen durchgängig erkrankt. Da die Beklagte nur Abwesenheiten, die über sechs Wochen hinausgehen, berücksichtigt, verbleibt eine Fehlzeit von rund drei Wochen als Anknüpfungspunkt für die Kürzung des Weihnachtsgeldes. Die Beklagte unterscheidet zwischen zusammenhängenden und nicht zusammenhängenden Abwesenheiten. Diese Differenzierung ist gemessen am Leistungszweck nicht sachgerecht. Das Weihnachtsgeld dient als Dank und Anerkennung für die geleistete Arbeit und Betriebstreue. Wie viel Arbeit der Beschäftigte geleistet hat, hängt aber nicht davon ab, ob er zusammenhängend oder mit Unterbrechungen abwesend war. Hierfür ist allein die Gesamtdauer der Anwesenheit im Betrieb ausschlaggebend. Dementsprechend hat die Beklagte denjenigen Arbeitnehmerinnen, die erst im Laufe des Jahres die Beschäftigung aufgenommen haben, nur ein anteiliges Weihnachtsgeld gezahlt. Bei Arbeitnehmern, die bereits im Betrieb sind und ihre Arbeitsleistung zeitweise nicht erbringen, ist es für die Anerkennung der geleisteten Arbeit unerheblich, ob sie mit oder ohne Unterbrechungen abwesend waren. Es gibt keinen Anlass, Arbeitnehmer, die mehr als sechs Wochen mit Unterbrechungen abwesend waren (z. B. wegen Erkrankungen), bei der Sonderzahlung besser zu behandeln als Arbeitnehmer mit fortlaufenden Abwesenheitszeiten über sechs Wochen hinaus. Die Arbeitsleistung ist dem Umfang nach die Gleiche. Betriebliche Belange rechtfertigen ebenso wenig eine unterschiedliche Behandlung der beiden Fallgruppen. Das Interesse der Beklagten als Arbeitgeberin ist letztlich darauf gerichtet, die Abwesenheitszeit möglichst gering zu halten, ob mit oder ohne Unterbrechungen.
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Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1 BGB.
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Annotations
(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.
(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn
- 1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist, - 2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt, - 3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert, - 4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.
(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.
(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.
(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.
(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.
(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.
(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.
(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)