Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 08. Dez. 2009 - 5 Sa 156/09

published on 08/12/2009 00:00
Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 08. Dez. 2009 - 5 Sa 156/09
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Tenor

1. Die Berufung wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um Schadensersatz und Zahlung von restlicher Ausbildungsvergütung aus einem beendeten Berufsausbildungsverhältnis. In diesem Rahmen streiten die Parteien auch um die Frage, ob der im Klageverfahren vor dem Arbeitsgericht im März 2005 abgeschlossene Vergleich den Rechtsstreit insgesamt erledigt hat.

2

Die 1979 geborene und schwerbehinderte Klägerin hat bei der Beklagten, einem überbetrieblichen Träger der Berufsausbildung, im September 2000 eine Berufsausbildung mit dem Ziel begonnen, zur Holzbearbeiterin ausgebildet zu werden. Der Abschluss der Berufsausbildung war für August 2003 vorgesehen. Die Aufnahme des Berufsausbildungsverhältnisses war begleitet von unterstützenden Maßnahmen der Bundesagentur für Arbeit (seinerzeit noch unter der Bezeichnung Arbeitsamt handelnd) in Form von Berufsausbildungsbeihilfen im Sinne von §§ 59 ff SGB III. So hat die Bundesagentur für die Klägerin die Kosten für einen Ganztagesplatz der klägerischen Tochter in einer Kindereinrichtung übernommen. Außerdem wurden der Klägerin monatlich 476,00 Euro Fahrtkostenerstattung gezahlt, damit die Klägerin von ihrem Wohnort, einem Dorf in der Nähe von A., die Ausbildungsstätte und die Schule in G. erreichen kann. Auch die Beklagte hat von der Bundesagentur Unterstützung dafür bekommen, dass sie die Klägerin ausbildet.

3

Auf der Wegstrecke zur Ausbildungsstätte bzw. Schule lag auch die Kindereinrichtung, in der die Tochter betreut wurde, so dass mit der Fahrtkostenerstattung im Rahmen der Berufsausbildungsbeihilfe indirekt auch die Fahrtkosten zu der Kinderbetreuungseinrichtung ausgeglichen wurden.

4

Im Berufsausbildungsverhältnis waren anfangs viele Fehltage der Klägerin zu verzeichnen, die im geringen Umfang auf Arbeitsunfähigkeit der Klägerin beruht haben, teilweise auf die Erkrankung des klägerischen Kindes zurückzuführen waren, sowie im Übrigen auf unentschuldigtes Fehlen der Klägerin beruht haben.

5

Vor diesem Hintergrund hat die Beklagte das Berufsausbildungsverhältnis nach Rücksprache mit der Kammer und nach Rücksprache mit der Bundesagentur, die ihrerseits die Klägerin durch eine bei ihr beschäftigte Psychologin hat untersuchen lassen, mit Kündigung vom 15. Oktober 2001 mit Auslauffrist bis zum 21. Oktober 2001 außerordentlich gekündigt. Diese Kündigung hatte die Klägerin gerichtlich angegriffen. Das Arbeitsgericht Stralsund hat der Kündigungsschutzklage in einem Vorprozess mit Urteil aus Mai 2002 entsprochen. Die Beklagte hat auf Rechtsmittel verzichtet.

6

Auf Grund des arbeitsgerichtlichen Urteils ist das Berufsausbildungsverhältnis sodann ab Juni 2002 wieder aufgenommen und fortgesetzt worden. Wegen der Fehlzeiten und der Unterbrechungszeit war nunmehr vorgesehen, die Ausbildung ein Jahr später zu Ende August 2004 abzuschließen. Außerdem wurde die Klägerin in der Schule einer anderen Ausbildungsstufe zugeordnet. Das dafür notwendige Schulangebot war jedoch am bisherigen Standort der Schule in G. nicht mehr gegeben. Die weitere schulische Ausbildung der Klägerin musste daher in einer Schule in N. durchgeführt werden. Dadurch hat sich die Wegstrecke vom Wohnsitz der Klägerin zum Erreichen der Schule um zirka 20 Kilometer erhöht.

7

Auch nach Wiederaufnahme der Berufsausbildung waren erhebliche Fehlzeiten der Klägerin zu verzeichnen. Im Oktober 2003 hatte die Klägerin sodann während des Besuchs der Schule in N. einen Nervenzusammenbruch erlitten, der zu einer durchgehenden Arbeitsunfähigkeit bis Ende des Berufsausbildungsverhältnisses und darüber hinaus geführt hat. In einer nervenärztlichen Stellungnahme vom 20.04.2005 (Anlage K2 im Berufungsrechtszug, Blatt 238 d. A., es wird Bezug genommen) heißt es dazu:

"...

8

Im Oktober 2003 erlitt die Patientin eine akute psychotische Störung in komplexer Überforderungssituation mit einem Wiederauftreten der epileptischen Krampfanfälle gekommen war. Es erfolgte eine komplexe stationäre Pharmakotherapie mit Antipsychotika, Antiepileptika und Antidepressiva sowie eine Psychotherapie."

9

Das Berufsausbildungsverhältnis hat mit der vereinbarten Befristung Ende August 2004 sein Ende gefunden. Die Klägerin hat an den Prüfungen nicht teilgenommen, einen Berufsabschluss hat sie demnach nicht erworben.

10

Bis zur Kündigung der Klägerin hatte diese nach Angaben der Beklagten an 93 Tagen (es ist nicht klar, ob es sich um Kalendertage oder Arbeitstage handelt) unentschuldigt und an weiteren sieben Tagen wegen Erkrankung des Kindes entschuldigt gefehlt. Die Beklagte hat deshalb in den betreffenden Monaten die zu zahlende Ausbildungsvergütung um die Fehltage gekürzt.

11

Nach Wiederaufnahme des Berufsausbildungsverhältnisses im Juni 2002 bis zu dem Zusammenbruch der Klägerin im Oktober 2003 hat die Klägerin an 73 Tagen gefehlt, wobei nur ein Tag unentschuldigtes Fehlen im September 2002 zu verzeichnen war und die übrigen Ausfallzeiten auf der Erkrankung des Kindes der Klägerin beruhen.

12

Die Schadensersatzklage hat die Klägerin im Oktober 2004 rechtshängig gemacht. Ihren Schaden hat sie seinerzeit auf 6.146,78 Euro beziffert. Der geltend gemachte Schaden setzt sich wie folgt zusammen.

13

Die Klägerin sieht sich in Höhe von 393,60 Euro geschädigt, weil sie während der Unterbrechung der Berufsausbildung durch die Kündigung aus öffentlichen Kassen keine vollständige Erstattung der Kosten der ganztäglichen Betreuung ihres Kindes in der Kindertagesstätte mehr erhalten hat.

14

Einen weiteren Schaden in Höhe von 1.151,04 Euro sieht die Klägerin darin, dass sie nunmehr für die Fahrten zur Kindereinrichtung Fahrtkosten aufwenden musste, da die Fahrtkostenerstattung zum Erreichen der Ausbildungsstätte und der Schule wegen der Unterbrechung der Ausbildung weggefallen waren. Dieser Schadensaspekt wird allerdings im Berufungsrechtszug nicht weiter verfolgt.

15

Einen dritten Schadensaspekt sieht die Klägerin in den erhöhten Fahrtkosten, die ihr dadurch entstanden sind, dass die schulische Ausbildung ab Juni 2002 nur noch in N. durchgeführt werden konnte. Die dadurch entstandenen Nachteile hatte die Klägerin ursprünglich in der Klage auf 1.388,00 Euro beziffert, hat die Forderung inzwischen - nach Berücksichtigung ihrer eigenen Fehltage - jedoch auf 777,28 Euro reduziert.

16

Den vierten und letzten Schadensaspekt sieht die Klägerin in dem Umstand, dass sie im letzten Jahr der Ausbildung (September 2003 bis August 2004) lediglich die vereinbarte Ausbildungsvergütung erhalten habe, während sie an sich in jener Zeit entweder bereits Arbeitseinkommen oder jedenfalls Arbeitslosengeld erhalten hätte, das höher ausgefallen wäre als die Ausbildungsvergütung, da der Durchschnittslohn nach erfolgreicher Ausbildung zu Grunde gelegt worden wäre. Die Klägerin beziffert das Arbeitslosengeld, das ihr kalendertäglich zugestanden hätte mit 20,80 Euro, woraus sie die Höhe dieses Schadenspostens (3.214,14 Euro) ableitet.

17

Mit Schriftsatz vom 29.12.2004, der das Gericht noch an diesem Tag per Fax erreicht hatte, hat die Klägerin die Klage noch um einen Betrag in Höhe von 1.795,68 Euro erweitert. Insoweit handelt es sich um einen (Rest-)Entgeltanspruch aus dem Berufsausbildungsverhältnis. Die Klägerin klagt damit die Zahlung der vollen Ausbildungsvergütung für alle Ausbildungsmonate ein und will auf diese Weise die von der Beklagten wegen der Fehltage vorgenommenen Kürzungen in der Ausbildungsvergütung ausgleichen.

18

Die von der Beklagten wegen der Fehlzeiten vorgenommenen Kürzungen belaufen sich auf die Zeit bis zur Kündigung aus Oktober 2001 auf 701,57 Euro sowie für die Zeit nach Wiederaufnahme der Berufsausbildung im Juni 2002 bis zu ihrem Zusammenbruch im Oktober 2003 auf insgesamt 1.094,11 Euro.

19

In der Kammerverhandlung vor dem Arbeitsgericht am 22. März 2005 hatten sich die Parteien auf dringendes Anraten des Gerichtes wie folgt verglichen:

20

"1. Die Beklagte zahlt an die Klägerin als Ausgleich für Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der Verlängerung des Berufsausbildungsverhältnisses und dem daher eingehenden Prozess- und Mehraufwand entstanden sind, einen Betrag in Höhe von 500,00 Euro netto.

21

2. Damit sind sämtliche Ansprüche der Parteien aus dem Ausbildungsverhältnis und anlässlich dessen Beendigung, gleich aus welchem Rechtsgrund auch immer, erfüllt.

22

3. Damit ist der Rechtsstreit beendet."

23

Die Beklagte hat den Vergleich ohne Anerkennung einer Rechtspflicht abgeschlossen und der Vorsitzende Richter beim Arbeitsgericht hat laut klägerischem Vortrag, der von der Beklagten nicht bestritten wurde, zu der Großmutter der Klägerin, die sie vor Gericht vertreten hatte, gesagt, nehmen sie den Vergleich an, sonst kriegen sie gar nichts.

24

Auf Grund des Vergleiches haben die beteiligten Anwälte das Verfahren abgerechnet. Danach ist die Akte beim Arbeitsgericht weggelegt worden.

25

Die Klägerin hat sich von dem Nervenzusammenbruch im Oktober 2003 nie wieder richtig erholt. Sie ist seit Anfang 2005 zunächst befristet, inzwischen jedoch auch unbefristet wegen fehlender Erwerbsfähigkeit verrentet. Auf Grund ihres geringen Alters und der nur geringfügigen Beitragszeiten und Beitragszahlungen fällt ihre Rente sehr bescheiden aus. Die Klägerin bzw. ihre Großmutter hofft, dass sich die Rente merklich aufbessern würde, wenn die Beklagte die mit der Klageerweiterung aus Dezember 2004 eingeklagten Restlohnansprüche einschließlich der Beiträge nachzahlen würde.

26

Nach vergeblichen Bemühungen bei der Rentenkasse und verschiedenen sozialgerichtlichen Verfahren, deren Streitgegenstände das Gericht nicht abschließend aufgeklärt hat, bemüht sich jedenfalls die Klägerin bzw. ihre Großmutter seit Ende 2007 bzw. Anfang 2008 darum, den im hiesigen Verfahren im März 2005 geschlossenen Vergleich aus der Welt zu schaffen, um eine gerichtliche Klärung der streitigen Ansprüche im Sinne der Klägerin zu erreichen. In diesem Zusammenhang hat die Großmutter der Klägerin auf Basis der ihr erteilten Generalvollmacht den gerichtlich protokollierten Vergleich mehrfach außergerichtlich und gerichtlich angefochten.

27

Nachdem die Beklagte eine außergerichtliche Regulierung abgelehnt hat, verlangt die Klägerin mit Schriftsatz vom 25.03.2008 (Blatt 140 f d. A.) die Fortsetzung des Rechtsstreits und eine Entscheidung über die Klageanträge. Im Kammertermin am 14.04.2009 hat die Klägerin sodann - was sie bisher versäumt hatte - ihre Ansprüche neu beziffert und zwar auf 4.150,28 Euro, wobei weder aus dem Protokoll noch aus dem vorangegangenen Schriftverkehr ersichtlich ist, aus welchen Einzelposten in welcher Höhe sich dieser Betrag zusammensetzt.

28

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 14. April 2009 als unbegründet abgewiesen und den Streitwert auf 4.150,00 Euro festgesetzt. Auf dieses Urteil wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes vor dem Arbeitsgericht Bezug genommen.

29

Das Urteil ist der Klägerin am 22. April 2009 zugestellt worden. Die hiergegen gerichtete klägerische Berufung vom 22. Mai 2009 ist hier noch am selben Tag per Fax eingegangen. Auf Grund eines Antrages, der hier am 18.06.2009 per Fax eingegangen war, ist sodann die Frist zur Begründung der Berufung der Klägerin bis zum 22.07.2009 verlängert worden. Die Berufung ist sodann mit Schriftsatz vom 21.07.2009, der hier am 22.07.2009 eingegangen ist, begründet worden.

30

Die Klägerin verfolgt im Berufungsrechtszug ihr ursprüngliches Klagebegehren aus 2004 (einschließlich der Klageerweiterung aus Dezember 2004) unter Ausschluss des Schadenspostens für die Fahrtkosten zur Kindertagesstätte während der Unterbrechung der Berufsausbildung und unter Einschränkung des Schadenspostens hinsichtlich der erhöhten Fahrtkosten für den Schulbesuch in N. auf 777,28 Euro weiter. Zusätzlich wird nunmehr erstmals im Berufungsrechtszug eine ordnungsgemäße Abrechnung der klägerischen Ansprüche von Februar 2001 bis September 2003 verlangt.

31

Die Klägerin meint, der Vergleich aus März 2005 stehe der Fortsetzung des Rechtsstreites nicht entgegen. Denn sie habe den Vergleich erfolgreich angefochten. Sie sei vom Arbeitsgericht zum Abschluss des Vergleiches gedrängt worden, obwohl die Regelungen in dem Vergleich einseitig zu ihren Lasten gehen. Ein am Prozessrisiko ausgerichteter Vergleich hätte für die Klägerin wesentlich günstiger ausfallen müssen, denn die Klage sei in allen Punkten begründet.

32

Außerdem sollte durch den Vergleich nicht der gesamte Rechtsstreit erledigt werden. Vielmehr sollte sich der Vergleich nur auf die Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der Verlängerung des Ausbildungsverhältnisses entstanden sind, beziehen. Die Klageforderungen seien also gerade unberührt geblieben. Das ergebe sich bereits durch Auslegung des Vergleiches. Sollte die Auslegung zu einem anderen Ergebnis führen, stehe ihr jedenfalls das Anfechtungsrecht wegen Irrtums zu.

33

Auch die Ausgleichsklausel in Ziffer 2 des Vergleiches beziehe sich dementsprechend nicht auf die Klagforderung, sondern nur auf die mit dem Vergleich erledigten Ansprüche.

34

Hilfsweise geht die Klägerin davon aus, dass sie mit dem Vergleich auch über Rechte aus zwingenden Schutzgesetzen verzichtet habe, was rechtlich nicht möglich sei. Der Vergleich sei daher insgesamt wegen Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot im Sinne von § 134 BGB unwirksam.

35

Zu den einzelnen Schadensposten führt die Klägerin noch ergänzend aus.

36

Die Klägerin beantragt,

37

1. unter Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 6.180,70 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

38

2. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin für den Zeitraum Februar 2001 bis September 2003 ordnungsgemäße Abrechnungen des Ausbildungsverhältnisses auf Grundlage des Ausbildungsvertrages zu erstellen und auszuhändigen sowie die sich daraus ergebenden Nettobeträge an die Klägerin auszuzahlen.

39

Die Beklagte beantragt,

40

die Berufung zurückzuweisen.

41

Sie verteidigt die ergangene Entscheidung des Arbeitsgerichtes.

42

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die überreichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

43

Die Berufung ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen, weil sich die Parteien über die streitigen Forderungen verglichen haben, wodurch diese untergegangen sind. Die Klageerweiterung im Berufungsrechtszug ist unabhängig hiervon ebenfalls unbegründet.

I.

44

Die Klage ist zulässig.

45

Entsteht zwischen den Parteien eines Rechtsstreites Streit darüber, ob der Rechtsstreit durch einen Vergleich seine Erledigung gefunden hat, ist der ursprüngliche Rechtsstreit fortzusetzen. Hat sich der Rechtsstreit durch den Vergleich erledigt, ist die Klage zwar zulässig jedoch unbegründet (vgl. Stöber in Zöller § 794 ZPO Rn. 15 a).

II.

46

Die Klage ist allerdings nicht begründet, denn der Rechtsstreit ist durch den gerichtlichen Vergleich vom 22. März 2005 insgesamt erledigt worden.

47

Mit dem Vergleichsabschluss spätestens mit der unstreitig vorliegenden Erfüllung des Vergleiches sind daher die ursprünglich eingeklagten Ansprüche untergegangen.

48

Es kann offen bleiben, ob mit dem Vergleich auch der erstmals im Berufungsrechtszug geltend gemachte Anspruch auf ordnungsgemäße Abrechnung von der Ausgleichsquittung in dem Vergleich erfasst ist, denn er ist ohnehin nicht begründet.

1.

49

Die ursprüngliche Klagforderung (Schadensersatz wegen rechtswidriger Kündigung des Berufsausbildungsverhältnisses) und die Lohnforderung aus der Klageerweiterung aus Dezember 2004 sind durch den Vergleichsabschluss untergegangen.

50

Der Vergleich vom 22. März 2004 sollte alle seinerzeit rechtshängigen Forderungen umfassen. Das ergibt sich durch die Auslegung seines Textes. Ein gerichtlich abgeschlossener Vergleich ist auszulegen wie ein Vertrag. Maßgeblich ist daher der wahre Wille der Parteien, wie er sich aus der Analyse des Vertragstextes und unter Berücksichtigung aller erkennbar wichtigen Begleitumstände ergibt (§§ 133, 157 BGB).

51

Legt man diesen Maßstab an, muss man davon ausgehen, dass die Parteien mit dem Vergleich zumindest sämtliche seinerzeit rechtshängigen Streitpunkte des Klagverfahren erfassen wollten.

52

Dies ergibt sich schon aus Ziffer 3 des Vergleiches, nach der mit dem Vergleich der Rechtsstreit erledigt sein soll. Diese Klausel macht nur Sinn, wenn man sich tatsächlich über alle Streitpunkte des Rechtsstreites vergleichen wollte. Andernfalls hätte man einen sogenannten Teil-Vergleich geschlossen, der dann gerade keine Erledigungserklärung enthält.

53

Auch aus der Regelung in Ziffer 1 des Vergleiches kann nicht geschlossen werden, dass die Parteien den Vergleich nur auf einen Teil der Ansprüche beschränken wollten. Denn die Formulierung "Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der Verlängerung des Berufsausbildungsverhältnisses stehen" ist aus der Sicht eines neutralen Dritten, der den Text ließt, nur eine diplomatisch neutrale Formulierung des Klaggegenstandes, nämlich des Schadensersatzanspruches wegen rechtswidriger Kündigung.

54

Es ist richtig, dass diese Formulierung nicht die Lohnansprüche aus der Klageerweiterung von Dezember 2004 erfasst, auf die die Klägerin inzwischen wegen ihrer Verrentung so besonderen Wert legt. Daraus kann aber nicht gefolgert werden, dass sich die Parteien über diesen Teil der Klage nicht vergleichen wollten. Vielmehr ist es völlig normal und üblich, dass bei einer Klage mit vielen Streitgegenständen ein abschließender Vergleich nur Regelungen hinsichtlich einzelner Streitgegenstände enthält. Wenn der Rechtsstreit dennoch durch den Vergleich insgesamt erledigt sein soll, drückt dies nur aus, dass auf die nicht ausdrücklich erwähnten Streitgegenstände keine (Teil-)Zahlungen erfolgen sollten.

2.

55

Das Gericht lässt ausdrücklich offen, ob der Abrechnungsanspruch, den die Klägerin erstmals im Berufungsrechtszug rechtshängig gemacht hat, von der umfassenden Ausgleichsquittung in Ziffer 2 des Vergleiches erfasst ist.

56

Denn der Abrechnungsanspruch der Klägerin besteht nicht. Der Abrechnungsanspruch könnte sich allenfalls auf § 108 Gewerbeordnung (GewO) beziehen. Nach § 108 GewO ist der Arbeitgeber verpflichtet, dem Arbeitnehmer eine Abrechnung zu erteilen. Diese soll dem Arbeitnehmer aufzeigen, wie der Arbeitgeber den Bruttoverdienst durch die Abführung von Beiträgen und Steuern in ein Nettoverdienst umgerechnet hat und welche weiteren Abzüge oder Zusatzzahlungen er vorgenommen hat. Ein Anspruch auf eine rechtlich zutreffende Abrechnung der Entgeltansprüche besteht dagegen nicht (vgl. nur BAG Urteil vom 12. Juli 2006 - 5 AZR 646/05 - BAGE 119, 63 = NZA 2006, 1294).

57

Diesen Anspruch hat die Beklagte durch die von ihr erteilten Abrechnungen, die mehrfach und vollständig zur Akte gereicht wurden, erfüllt. Die erteilten Abrechnungen sind so detailliert, dass die Klägerin ohne weiteres in der Lage ist, auf Grund dieser Abrechnungen die aus ihrer Sicht noch fehlenden Nachzahlungen zu bemessen. Das ergibt sich indirekt schon daraus, dass sie entsprechende Zahlungsanträge gestellt hat. Damit ist der Abrechnungsanspruch durch die Erfüllung untergegangen.

III.

58

Der gerichtlich geschlossene Vergleich aus März 2005 ist wirksam. Die von der Klägerin gegen seine Wirksamkeit erhobenen Einwendungen greifen nicht durch.

1.

59

Der Vergleich ist nicht nach § 134 BGB nichtig, weil er etwa gegen ein gesetzliches Verbot verstößt.

60

Zwischen den Parteien waren die klagweise geltend gemachten Ansprüche dem Grunde und der Höhe nach streitig. Bei den Schadensersatzansprüchen war insbesondere der Kausalzusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis (Kündigung) und den von der Klägerin geltend gemachten Schadensaspekten streitig. Bei der Restlohnforderung hatte sich die Beklagte auf Verjährung berufen. Wenn die Parteien sich in einer solchen Situation gegen die Bezahlung eines Betrages in Höhe von 500,00 Euro auf Beendigung des Rechtsstreites einigen, ist dies ein sogenannter Tatsachenvergleich wie er in § 779 BGB vorgesehen ist. Ein solcher Vergleich ist rechtlich auch möglich, wenn die zugrundeliegenden Forderungen auf zwingenden Schutzgesetzen zu Gunsten des Arbeitnehmers beruhen.

2.

61

Der Vergleich ist auch nicht durch Irrtumsanfechtung der Klägerin untergegangen.

62

Nach § 119 BGB kann ein Vergleich angefochten werden, wenn der Wille der einen Vertragspartei (hier der Klägerin) bei Vertragsabschluss von der Erklärung abweicht, die er gegenüber dem anderen Vertragspartner (hier der Beklagten) abgegeben hat.

63

Das könnte hier der Fall sein, wenn man davon ausgeht, dass die Großmutter der Klägerin, die die Klägerin beim Vergleichsabschluss seinerzeit vertreten hatte, tatsächlich gemeint hätte, mit der Zustimmung zum Vergleich würde tatsächlich nur ein Teil der streitigen Ansprüche erfasst.

64

Die Irrtumsanfechtung muss jedoch unverzüglich nach Erkenntnis des Irrtums erfolgen (§ 121 BGB). Das hat die Klägerin hier versäumt.

65

Da der Rechtsstreit wegen des Vergleichs nicht mehr fortgesetzt wurde, und die beteiligten Anwälte ihre Rechnungen gestellt hatten, ist der Klägerin bzw. ihrer Großmutter in zeitlicher Nähe zum Vergleichsabschluss aufgefallen, dass alle anderen beteiligten Personen den Vergleich so verstehen, dass er alle streitigen Forderungen erfasst hat. Die Klägerin wollte jedoch erst Jahre später nämlich Anfang 2008 von dem Vergleich Abstand nehmen. Damit ist die Anfechtung des Vergleiches nicht mehr unverzüglich erfolgt.

3.

66

Der Vergleich ist auch nicht nach § 123 BGB wegen arglistiger Täuschung anfechtbar.

a)

67

In seiner Hauptbegründung nimmt das Gericht insoweit an, dass auch die Anfechtungsfrist wegen einer arglistigen Täuschung beim Vertragsabschluss noch vor Anfechtung des Vertrages abgelaufen war.

68

Nach § 124 BGB kann im Fall der arglistigen Täuschung die abgegebene Willenserklärung nur innerhalb Jahresfrist angefochten werden. Die Frist beginnt im Falle der arglistigen Täuschung mit dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungsberechtigte die Täuschung entdeckt.

69

Die Klägerin sieht sich vorliegend durch den Kammervorsitzenden beim Arbeitsgericht getäuscht, da dieser sie zum Vergleich gedrängt hat mit der sinngemäßen Aussage, wenn sie den Vergleich nicht annehmen, werde sie gar nichts bekommen.

70

Es ist bereits fraglich, ob durch diese Aussage des Gerichtes bei der Klägerin ein Irrtum entstanden ist, der zum Abschluss des Vergleiches geführt hat, denn die Klägerin vor, während und nach dem Vergleichsabschluss stets die Auffassung vertreten, dass sie eigentlich wesentlich weitergehende Ansprüche gehabt hätte. Aber selbst dann, wenn man zu ihren Gunsten unterstellt, dass sie seinerzeit wirklich der Auffassung war, dass der abgeschlossene Vergleich angemessen ist, so hat sie doch schon sehr schnell in der Folgezeit insbesondere anlässlich des Streites mit dem Rententräger über die Höhe der Rente festgestellt, dass - jedenfalls wenn man ihre Rechtsansicht zu Grunde legt - der Vergleich für sie sehr unvorteilhaft war. Da die Verrentung Anfang 2005 erfolgte und der Streit über die richtige Rentenhöhe möglicherweise sich über die nächsten 12 Monate hingezogen hatte, muss der Klägerin die von ihr behauptete Täuschung durch das Arbeitsgericht spätestens Ende 2006 aufgefallen sein. Die Anfechtung des Vergleichsabschlusses ist aber erst im Laufe des Frühjahrs 2008 im Rahmen des Wiederaufgreifens des vorliegenden Rechtsstreits erfolgt. Die Anfechtungsfrist war zu diesem Zeitpunkt daher bereits abgelaufen.

b)

71

Hilfsweise stellt das Landesarbeitsgericht aber auch darauf ab, dass vorliegend keinerlei Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Kammervorsitzende beim Arbeitsgericht an einer Täuschung zu Lasten der Klägerin beteiligt gewesen sein könnte.

72

Denn in der Aussage des Kammervorsitzenden, die Klägerin solle den Vergleich annehmen, ansonsten erhalte sie gar nichts, kann schon deshalb keine arglistige Täuschung gesehen werden, weil der gerichtlich abgeschlossene Vergleich risikoangemessen war und zu einem fairen Ausgleich der beiderseitigen Interessen geführt hat. Denn die Klage war und ist weitgehend unbegründet.

aa)

73

Der von der Klägerin geltend gemachte Schadensersatzanspruch wegen der rechtswidrigen Kündigung des Berufsausbildungsverhältnisses ist insgesamt unbegründet.

74

Eine Anspruchsgrundlage für den Schadensersatzanspruch ist nicht ersichtlich.

75

Es kann insoweit offen bleiben, ob die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch nach § 16 Berufsbildungsgesetz a. F. (entspricht § 23 Berufsbildungsgesetz in der heutigen Fassung) gegeben sind, denn der Anspruch ist erloschen, da er nicht wie in Absatz 3 der Vorschrift vorgesehen innerhalb von drei Monaten nach der vertraglich vorgesehenen Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses geltend gemacht worden ist. Das fraglich vorgesehene Ende des Ausbildungsverhältnisses war der August 2003. Die Ausschlussfrist für die Geltendmachung des Schadensersatzanspruches nach § 16 Berufsbildungsgesetz a. F. endete daher mit Ablauf des November 2003. Die Klägerin hat ihre Ansprüche jedoch erst im Oktober 2004 mit Klage geltend gemacht.

76

Auch eine andere Anspruchsgrundlage für den klägerischen Schadensersatzanspruch ist nicht ersichtlich. Nach § 280 BGB in der heutigen Fassung muss der Arbeitgeber zwar Schadensersatz leisten, wenn er seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis verletzt und dadurch ein Schaden entstanden ist. Weiter ist dort geregelt, dass ein Schaden allerdings dann nicht zu ersetzen ist, wenn der Schuldner, hier die Arbeitgeberin, die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

77

Die Pflichtverletzung könnte hier allenfalls in dem Ausspruch der Kündigung gesehen werden, die sich hinterher im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Rechtsstreites als unwirksam erwiesen hat. Der Ausspruch einer Kündigung, die vor Gericht keinen Bestand hat, ist aber nicht automatisch als Pflichtverletzung anzusehen. Eine Pflichtverletzung kann im Ausspruch einer Kündigung vielmehr nur dann gesehen werden, wenn sich bereits bei Ausspruch der Kündigung dem Arbeitgeber aufdrängen musste, dass die Kündigung im Falle ihrer gerichtlichen Überprüfung keinen Bestand haben kann. Denn nur in einem solchen Falle liegt im Ausspruch der unwirksamen Kündigung gleichzeitig eine Verletzung der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gegenüber seinen Arbeitnehmern.

78

Vorliegend kann nicht festgestellt werden, dass die ausgesprochene Kündigung in diesem Sinne pflichtwidrig war.

79

Denn die Beklagte hat sich vor Ausspruch der seinerzeitigen Kündigung bei der Bundesagentur, die das Ausbildungsverhältnis umfänglich mitfinanziert hat, rückversichert und diese hat die dortige Psychologin Frau N. eingeschaltet. Diese hat in ihrer gutachterlichen Stellungnahme vom 10.10.2001 (Kopie als Anlage B4 erstinstanzlich überreicht, Blatt 44 d. A., es wird Bezug genommen) ausgeführt:

80

Die Klägerin "neigt zur Selbstüberschätzung und ist nicht in der Lage, selbstkritische Überlegungen anzustellen. Auffällig ist eine massiv gestörte Selbst- und Fremdwahrnehmung. Dieser Punkt stellt ein deutliches Defizit für Ausbildungsfähigkeit dar. Es ist nicht davon auszugehen, dass sie die begonnene Ausbildung erfolgreich beenden kann. Deshalb wird der Abbruch der Maßnahme empfohlen."

81

Die Kündigung beruht also letztlich auf der Empfehlung der Diplom-Psychologin Frau N. aus der gutachterlichen Stellungnahme vom 10.10.2001. In ihrer Stellungnahme geht die Psychologin im Anschluss an die zitierte Textstelle sogar davon aus, dass die Klägerin bei Fortsetzung der Berufsausbildung davon bedroht ist, eine neue und zusätzliche Behinderung in Form einer psychischen Behinderung zu erleiden, eine Prognose, die sich leider mit dem klägerischen Nervenzusammenhang später auf tragische Art bewahrheitet hat.

82

Auf Basis dieser Stellungnahme konnte und musste die Beklagte sogar davon ausgehen, dass die Kündigung erforderlich war, um weiteren psychischen Schaden von der Klägerin abzuwenden.

83

Wenn die Beklagte der Empfehlung der Fachpsychologin folgend die Kündigung ausspricht, ist es daher ohne weiteres nachvollziehbar und erreicht bei weitem nicht den Maßstab einer unrechtmäßigen Kündigung, deren Ausspruch gleichzeitig eine Verletzung der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers darstellt. Ein Schadensersatzanspruch aus § 280 BGB scheidet damit aus.

bb)

84

Teilweise begründet war allein der mit der Klageerweiterung im Dezember 2004 gerichtlich geltend gemachte Anspruch auf Restvergütung. Aber auch insoweit war die Klagforderung nicht vollständig begründet. Im Einzelnen ist auf Folgendes hinzuweisen.

85

Die Klägerin macht insoweit insgesamt 1.795,68 Euro geltend, ein Betrag, der sich errechnet, wenn man die von der Beklagten vorgenommenen Kürzungen der Ausbildungsvergütung wegen der Fehltage der Klägerin aufsummiert. Im Berufungsrechtszug hat die Klägerin zwar auch noch von einer zu geringen Vergütungshöhe gesprochen, hat dazu aber nicht weiter ausgeführt, sondern auf ihre erstinstanzlichen Ausführungen verwiesen. Erstinstanzlich war seinerzeit allerdings nur im Streit, ob die Abzüge wegen der Fehltage berechtigt waren oder nicht.

86

aaa)

87

Soweit sich die Klageerweiterung aus Dezember 2004 auf klägerische Ansprüche aus dem Jahr 2001 (Februar 2001 bis September 2001) bezieht (701,57 Euro), ist die Klage unbegründet, da sich die Beklagte auf Verjährung berufen hat (erstinstanzlicher Schriftsatz vom 09.03.2005, Seite 8, Blatt 86 d. A.) und die Forderung tatsächlich zum Zeitpunkt der Klageerhebung bereits verjährt war.

88

Anzuwenden ist das alte vor dem 01.01.2002 geltende Verjährungsrecht. Nach § 196 Abs. 1 Nr. 9 BGB a. F. verjähren die Lohnansprüche der Auszubildenden nach zwei Jahren, wobei die Verjährung allerdings erst mit Ende des Jahres, in dem sie entstanden sind, begann.

89

Die klägerischen Forderungen sind im Jahre 2001, die letzte Teilforderung zum 30.09.2001, entstanden. Die Verjährung begann also am 31.12.2001 und endete demnach am 31.12.2003. Zum Zeitpunkt der Einreichung der Klageerweiterung Ende 2004 waren sie daher bereits verjährt.

90

Da während des Laufs der Verjährungsfrist das Verjährungsrecht durch Gesetz verändert wurde, ist zusätzlich das Übergangsrecht zu beachten. Aus dem Übergangsrecht ergibt sich für die Klägerin allerdings keine günstigere Rechtslage. Nach neuem Recht verjährt eine Forderung auf Ausbildungsvergütung erst nach drei Jahren. Die Reform hat also zu einer Verlängerung der Verjährungsfrist geführt. Das Übergangsrecht sieht vor, dass es für die Altforderungen, die - wie hier - schon vor dem 01.01.2002 entstanden waren, bei der kürzeren Verjährungsfrist bleibt (Artikel 229 § 6 Abs. 4 Satz 2 EGBGB).

91

bbb)

92

Der nicht verjährte Teil der Forderung betrifft also die Kürzungen, die die Beklagte in den Abrechnungsmonaten Juni 2002 bis September 2003 vorgenommen hat, die sich auf 1.094,11 Euro beziffern.

93

Die Beklagte hat die Kürzungen vorgenommen, da die Klägerin an den fraglichen Tagen nicht zur Ausbildung bzw. zum Schulunterricht erschienen ist. Insoweit besteht zwischen den Parteien auch kein Streit. Die Klägerin meint allerdings, sie hätte für diese Ausfallzeiten Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung nach § 12 Abs. 1 Nr. 2 lit. b Berufsbildungsgesetz a. F. (heute § 19 Berufsbildungsgesetz in der Fassung vom 23. März 2005), da die Ausfalltage entstanden seien, weil sie ihr erkranktes Kind zu Hause hätte betreuen müssen.

94

Der klägerische Fortzahlungsanspruch für diese Tage ist dem Grunde nach insoweit begründet, denn nach § 12 Abs. 1 Nr. 2 lit. b Berufsbildungsgesetz a. F. fällt auch die medizinisch indizierte Betreuung des erkrankten Kleinkindes zu den unverschuldeten Ausfallzeiten (vgl. zur wortgleichen Neuregelung heute Schlachter in ErfK § 19 Berufsbildungsgesetz Rdnr. 5). Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung entsteht für jeden Ausfallanlass neu (Schlachter a. a. O.).

95

Allerdings ist die Klageforderung durchweg der Höhe nach falsch berechnet, denn die Klägerin trägt selbst vor und weist das umfänglich nach, dass sie für die Ausfallzeiten in der überwiegenden Anzahl der Fälle auch Krankengeld nach § 45 SGB V erhalten hatte (Anlagenkonvolut K18 zur Berufungsbegründung, Blatt 358 ff d. A.).

96

In welcher Höhe die Klägerin Abzüge hätte vornehmen lassen müssen, hat das Gericht nicht abschließend berechnet. Entscheidend ist der Umstand, dass auch dieser Teil der Klage zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses im März 2005 mit einem Risiko behaftet war, das man bei der Bemessung der Höhe des Zahlbetrages im Vergleich berücksichtigen musste.

4.

97

Zusammenfassend kann damit festgestellt werden, dass in der Vergleichssituation im März 2005 sich der größte Teil der Klage als unbegründet dargestellt hat. Begründet war allein der Anspruch auf Ausgleich der Vergütungskürzung soweit er nicht bereits verjährt war. Das war ein Anspruch, den die Klägerin selbst mit 1.094,11 Euro beziffert hat, der jedoch der Höhe nach noch mit dem Risiko gleichzeitiger Krankengeldzahlung während der Ausfalltage nach § 45 SGB III belastet war. In dieser Situation war es nur folgerichtig, wenn sich der Kammervorsitzende beim Arbeitsgericht für den Vergleichsabschluss auf Basis der Zahlung von 500,00 Euro stark gemacht hat. Der Vergleichsabschluss war risikoangemessen. Die Klägerin ist durch den Vergleich nicht übervorteilt worden. Die Aussage des Kammervorsitzenden, die Klägerin solle den Vergleich annehmen, ansonsten bekäme sie gar nichts, ist zwar angesichts des begründeten Teils der Klage nicht unbedingt richtig. Angesichts des insoweit jedoch noch nicht vollständig aufgeklärten Sachverhaltes kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass der Kammervorsitzende seinerzeit bewusst einen falschen und für die Klägerin negativen Ratschlag erteilt hat. Im Gegenteil, der Kammervorsitzende war davon überzeugt, dass der Vergleichsabschluss für die Klägerin vorteilhaft wäre. Eine Täuschung durch den Kammervorsitzenden ist damit ausgeschlossen.

98

Dieser Bewertung des Verhaltens des Kammervorsitzenden durch das Berufungsgericht steht im Übrigen auch nicht im Widerspruch zu der Mitteilung, die der amtierende Direktor des Arbeitsgerichtes Stralsund der Großmutter der Klägerin unter dem 15.11.2007 hat zukommen lassen. Der Direktor des Arbeitsgerichtes Herr E. führt dort wörtlich aus (vgl. Blatt 471 ff d. A.):

99

"Sehr geehrte Frau ..., auch wenn es mir als zur Zeit amtierender Direktor des Arbeitsgerichtes Stralsund rechtlich absolut nicht zusteht, über die in einem Rechtsstreit von einem Richterkollegen geäußerten Rechtsansichten zu befinden oder ihn gar zu rügen, kann ich jedoch nicht umhin, Ihnen zu erklären, dass auch ich nach Durchsicht der Akte der Ansicht bin, dass jede einzelne Position der Forderung ihrer Enkeltochter fraglich war und bei Fortführung des Rechtsstreits hätte überprüft werden müssen. Ob bei einer entsprechenden Fortführung mehr als die im Vergleich akzeptierten 500,00 Euro für Ihre Enkeltochter herausgekommen wären, vermag ich zwar endgültig nicht zu sagen. Ich meine jedoch, dass dies im höchsten Grade zweifelhaft ist."

100

Die Klägerin versteht diese Formulierung des Direktors des Arbeitsgerichtes Herrn E. falsch. Wenn Herr E. formuliert, ich meine jedoch, dass dies im höchsten Maße zweifelhaft ist, bezieht sich das Wort "dies" nicht auf das Verhalten des Richters beim Vergleichsabschluss, sondern auf die rechtlichen Chancen der Klägerin, bei Fortführung des Rechtsstreits zu einem anderen Ergebnis zu gelangen, als durch den Vergleichsabschluss.

101

Die von Herrn E. gegebene rechtliche Einschätzung der Erfolgsaussichten der Klage deckt sich daher mit der Einschätzung durch den Kammervorsitzenden beim Arbeitsgericht und der Einschätzung durch das Berufungsgericht.

102

Die Klage ist damit nicht begründet, weil der Vergleich wirksam ist und durch den Vergleich über die streitigen Forderungen verfügt wurde.

IV.

103

Die Kosten der Berufung hat die Klägerin zu tragen, da das Rechtsmittel ohne Erfolg geblieben ist (§ 97 ZPO).

104

Die Revision kann nicht zugelassen werden, da die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür aus § 72 ArbGG nicht erfüllt sind.

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Lastenausgleichsgesetz - LAG

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. (2) Schadensersatz weg
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Lastenausgleichsgesetz - LAG

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. (2) Schadensersatz weg
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published on 26/06/2012 00:00

Tenor 1. Der Antrag der Beklagten auf Feststellung der Erledigung des Berufungsverfahrens wird abgewiesen. 2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 3. Dezember 2007 (6 Ca 2790/06) in seinem Punkt 2 teil
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Annotations

Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

(1) Die Zwangsvollstreckung findet ferner statt:

1.
aus Vergleichen, die zwischen den Parteien oder zwischen einer Partei und einem Dritten zur Beilegung des Rechtsstreits seinem ganzen Umfang nach oder in Betreff eines Teiles des Streitgegenstandes vor einem deutschen Gericht oder vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle abgeschlossen sind, sowie aus Vergleichen, die gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 oder § 492 Abs. 3 zu richterlichem Protokoll genommen sind;
2.
aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen;
2a.
(weggefallen)
2b.
(weggefallen)
3.
aus Entscheidungen, gegen die das Rechtsmittel der Beschwerde stattfindet;
3a.
(weggefallen)
4.
aus Vollstreckungsbescheiden;
4a.
aus Entscheidungen, die Schiedssprüche für vollstreckbar erklären, sofern die Entscheidungen rechtskräftig oder für vorläufig vollstreckbar erklärt sind;
4b.
aus Beschlüssen nach § 796b oder § 796c;
5.
aus Urkunden, die von einem deutschen Gericht oder von einem deutschen Notar innerhalb der Grenzen seiner Amtsbefugnisse in der vorgeschriebenen Form aufgenommen sind, sofern die Urkunde über einen Anspruch errichtet ist, der einer vergleichsweisen Regelung zugänglich, nicht auf Abgabe einer Willenserklärung gerichtet ist und nicht den Bestand eines Mietverhältnisses über Wohnraum betrifft, und der Schuldner sich in der Urkunde wegen des zu bezeichnenden Anspruchs der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat;
6.
aus für vollstreckbar erklärten Europäischen Zahlungsbefehlen nach der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006;
7.
aus Titeln, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union nach der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 zur Einführung eines Europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen als Europäische Vollstreckungstitel bestätigt worden sind;
8.
aus Titeln, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union im Verfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 861/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen (ABl. L 199 vom 31.7.2007, S. 1; L 141 vom 5.6.2015, S. 118), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2015/2421 (ABl. L 341 vom 24.12.2015, S. 1) geändert worden ist, ergangen sind;
9.
aus Titeln eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union, die nach der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen zu vollstrecken sind.

(2) Soweit nach den Vorschriften der §§ 737, 743, des § 745 Abs. 2 und des § 748 Abs. 2 die Verurteilung eines Beteiligten zur Duldung der Zwangsvollstreckung erforderlich ist, wird sie dadurch ersetzt, dass der Beteiligte in einer nach Absatz 1 Nr. 5 aufgenommenen Urkunde die sofortige Zwangsvollstreckung in die seinem Recht unterworfenen Gegenstände bewilligt.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Dem Arbeitnehmer ist bei Zahlung des Arbeitsentgelts eine Abrechnung in Textform zu erteilen. Die Abrechnung muss mindestens Angaben über Abrechnungszeitraum und Zusammensetzung des Arbeitsentgelts enthalten. Hinsichtlich der Zusammensetzung sind insbesondere Angaben über Art und Höhe der Zuschläge, Zulagen, sonstige Vergütungen, Art und Höhe der Abzüge, Abschlagszahlungen sowie Vorschüsse erforderlich.

(2) Die Verpflichtung zur Abrechnung entfällt, wenn sich die Angaben gegenüber der letzten ordnungsgemäßen Abrechnung nicht geändert haben.

(3) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, das Nähere zum Inhalt und Verfahren einer Entgeltbescheinigung, die zu Zwecken nach dem Sozialgesetzbuch sowie zur Vorlage bei den Sozial- und Familiengerichten verwendet werden kann, durch Rechtsverordnung zu bestimmen. Besoldungsmitteilungen für Beamte, Richter oder Soldaten, die inhaltlich der Entgeltbescheinigung nach Satz 1 entsprechen, können für die in Satz 1 genannten Zwecke verwendet werden. Der Arbeitnehmer kann vom Arbeitgeber zu anderen Zwecken eine weitere Entgeltbescheinigung verlangen, die sich auf die Angaben nach Absatz 1 beschränkt.

Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

(1) Ein Vertrag, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird (Vergleich), ist unwirksam, wenn der nach dem Inhalt des Vertrags als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entspricht und der Streit oder die Ungewissheit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden sein würde.

(2) Der Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis steht es gleich, wenn die Verwirklichung eines Anspruchs unsicher ist.

(1) Wer bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte, kann die Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde.

(2) Als Irrtum über den Inhalt der Erklärung gilt auch der Irrtum über solche Eigenschaften der Person oder der Sache, die im Verkehr als wesentlich angesehen werden.

(1) Die Anfechtung muss in den Fällen der §§ 119, 120 ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich) erfolgen, nachdem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat. Die einem Abwesenden gegenüber erfolgte Anfechtung gilt als rechtzeitig erfolgt, wenn die Anfechtungserklärung unverzüglich abgesendet worden ist.

(2) Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit der Abgabe der Willenserklärung zehn Jahre verstrichen sind.

(1) Wer zur Abgabe einer Willenserklärung durch arglistige Täuschung oder widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann die Erklärung anfechten.

(2) Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben war, nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung kannte oder kennen musste. Soweit ein anderer als derjenige, welchem gegenüber die Erklärung abzugeben war, aus der Erklärung unmittelbar ein Recht erworben hat, ist die Erklärung ihm gegenüber anfechtbar, wenn er die Täuschung kannte oder kennen musste.

(1) Die Anfechtung einer nach § 123 anfechtbaren Willenserklärung kann nur binnen Jahresfrist erfolgen.

(2) Die Frist beginnt im Falle der arglistigen Täuschung mit dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungsberechtigte die Täuschung entdeckt, im Falle der Drohung mit dem Zeitpunkt, in welchem die Zwangslage aufhört. Auf den Lauf der Frist finden die für die Verjährung geltenden Vorschriften der §§ 206, 210 und 211 entsprechende Anwendung.

(3) Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit der Abgabe der Willenserklärung zehn Jahre verstrichen sind.

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

Ansprüche auf Übertragung des Eigentums an einem Grundstück sowie auf Begründung, Übertragung oder Aufhebung eines Rechts an einem Grundstück oder auf Änderung des Inhalts eines solchen Rechts sowie die Ansprüche auf die Gegenleistung verjähren in zehn Jahren.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankengeld, wenn es nach ärztlichem Zeugnis erforderlich ist, daß sie zur Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege ihres erkrankten und versicherten Kindes der Arbeit fernbleiben, eine andere in ihrem Haushalt lebende Person das Kind nicht beaufsichtigen, betreuen oder pflegen kann und das Kind das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder behindert und auf Hilfe angewiesen ist. § 10 Abs. 4 und § 44 Absatz 2 gelten.

(2) Anspruch auf Krankengeld nach Absatz 1 besteht in jedem Kalenderjahr für jedes Kind längstens für 10 Arbeitstage, für alleinerziehende Versicherte längstens für 20 Arbeitstage. Der Anspruch nach Satz 1 besteht für Versicherte für nicht mehr als 25 Arbeitstage, für alleinerziehende Versicherte für nicht mehr als 50 Arbeitstage je Kalenderjahr. Das Krankengeld nach Absatz 1 beträgt 90 Prozent des ausgefallenen Nettoarbeitsentgelts aus beitragspflichtigem Arbeitsentgelt der Versicherten, bei Bezug von beitragspflichtigem einmalig gezahltem Arbeitsentgelt (§ 23a des Vierten Buches) in den der Freistellung von Arbeitsleistung nach Absatz 3 vorangegangenen zwölf Kalendermonaten 100 Prozent des ausgefallenen Nettoarbeitsentgelts aus beitragspflichtigem Arbeitsentgelt; es darf 70 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze nach § 223 Absatz 3 nicht überschreiten. Erfolgt die Berechnung des Krankengeldes nach Absatz 1 aus Arbeitseinkommen, beträgt dies 70 Prozent des erzielten regelmäßigen Arbeitseinkommens, soweit es der Beitragsberechnung unterliegt. § 47 Absatz 1 Satz 6 bis 8 und Absatz 4 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(2a) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 besteht der Anspruch auf Krankengeld nach Absatz 1 für das Jahr 2023 für jedes Kind längstens für 30 Arbeitstage, für alleinerziehende Versicherte längstens für 60 Arbeitstage. Der Anspruch nach Satz 1 besteht für Versicherte für nicht mehr als 65 Arbeitstage, für alleinerziehende Versicherte für nicht mehr als 130 Arbeitstage. Der Anspruch nach Absatz 1 besteht bis zum Ablauf des 7. April 2023 auch dann, wenn Einrichtungen zur Betreuung von Kindern, Schulen oder Einrichtungen für Menschen mit Behinderung zur Verhinderung der Verbreitung von Infektionen oder übertragbaren Krankheiten aufgrund des Infektionsschutzgesetzes vorübergehend geschlossen werden oder deren Betreten, auch aufgrund einer Absonderung, untersagt wird, oder wenn von der zuständigen Behörde aus Gründen des Infektionsschutzes Schul- oder Betriebsferien angeordnet oder verlängert werden, die Präsenzpflicht in einer Schule aufgehoben oder der Zugang zum Kinderbetreuungsangebot eingeschränkt wird oder das Kind aufgrund einer behördlichen Empfehlung die Einrichtung nicht besucht. Die Schließung der Schule, der Einrichtung zur Betreuung von Kindern oder der Einrichtung für Menschen mit Behinderung, das Betretungsverbot, die Verlängerung der Schul- oder Betriebsferien, die Aussetzung der Präsenzpflicht in einer Schule, die Einschränkung des Zugangs zum Kinderbetreuungsangebot oder das Vorliegen einer behördlichen Empfehlung, vom Besuch der Einrichtung abzusehen, ist der Krankenkasse auf geeignete Weise nachzuweisen; die Krankenkasse kann die Vorlage einer Bescheinigung der Einrichtung oder der Schule verlangen.

(2b) Für die Zeit des Bezugs von Krankengeld nach Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2a Satz 3 ruht für beide Elternteile der Anspruch nach § 56 Absatz 1a des Infektionsschutzgesetzes.

(3) Versicherte mit Anspruch auf Krankengeld nach Absatz 1 haben für die Dauer dieses Anspruchs gegen ihren Arbeitgeber Anspruch auf unbezahlte Freistellung von der Arbeitsleistung, soweit nicht aus dem gleichen Grund Anspruch auf bezahlte Freistellung besteht. Wird der Freistellungsanspruch nach Satz 1 geltend gemacht, bevor die Krankenkasse ihre Leistungsverpflichtung nach Absatz 1 anerkannt hat, und sind die Voraussetzungen dafür nicht erfüllt, ist der Arbeitgeber berechtigt, die gewährte Freistellung von der Arbeitsleistung auf einen späteren Freistellungsanspruch zur Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege eines erkrankten Kindes anzurechnen. Der Freistellungsanspruch nach Satz 1 kann nicht durch Vertrag ausgeschlossen oder beschränkt werden.

(4) Versicherte haben ferner Anspruch auf Krankengeld, wenn sie zur Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege ihres erkrankten und versicherten Kindes der Arbeit fernbleiben, sofern das Kind das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder behindert und auf Hilfe angewiesen ist und nach ärztlichem Zeugnis an einer Erkrankung leidet,

a)
die progredient verläuft und bereits ein weit fortgeschrittenes Stadium erreicht hat,
b)
bei der eine Heilung ausgeschlossen und eine palliativmedizinische Behandlung notwendig oder von einem Elternteil erwünscht ist und
c)
die lediglich eine begrenzte Lebenserwartung von Wochen oder wenigen Monaten erwarten lässt.
Der Anspruch besteht nur für ein Elternteil. Absatz 1 Satz 2, Absatz 3 und § 47 gelten entsprechend.

(5) Anspruch auf unbezahlte Freistellung nach den Absätzen 3 und 4 haben auch Arbeitnehmer, die nicht Versicherte mit Anspruch auf Krankengeld nach Absatz 1 sind.

(1) Ausbildungsuchende, von Arbeitslosigkeit bedrohte Arbeitsuchende und Arbeitslose können bei Teilnahme an Maßnahmen gefördert werden, die ihre berufliche Eingliederung durch

1.
Heranführung an den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt sowie Feststellung, Verringerung oder Beseitigung von Vermittlungshemmnissen,
2.
(weggefallen)
3.
Vermittlung in eine versicherungspflichtige Beschäftigung,
4.
Heranführung an eine selbständige Tätigkeit oder
5.
Stabilisierung einer Beschäftigungsaufnahme
unterstützen (Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung). Für die Aktivierung von Arbeitslosen, deren berufliche Eingliederung auf Grund von schwerwiegenden Vermittlungshemmnissen, insbesondere auf Grund der Dauer ihrer Arbeitslosigkeit, besonders erschwert ist, sollen Maßnahmen gefördert werden, die nach inhaltlicher Ausgestaltung und Dauer den erhöhten Stabilisierungs- und Unterstützungsbedarf der Arbeitslosen berücksichtigen. Versicherungspflichtige Beschäftigungen mit einer Arbeitszeit von mindestens 15 Stunden wöchentlich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum sind den versicherungspflichtigen Beschäftigungen nach Satz 1 Nummer 3 gleichgestellt. Die Förderung umfasst die Übernahme der angemessenen Kosten für die Teilnahme, soweit dies für die berufliche Eingliederung notwendig ist. Die Förderung kann auf die Weiterleistung von Arbeitslosengeld beschränkt werden.

(2) Die Dauer der Einzel- oder Gruppenmaßnahmen muss deren Zweck und Inhalt entsprechen. Soweit Maßnahmen oder Teile von Maßnahmen nach Absatz 1 bei oder von einem Arbeitgeber durchgeführt werden, dürfen diese jeweils die Dauer von sechs Wochen nicht überschreiten. Die Vermittlung von beruflichen Kenntnissen in Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung darf die Dauer von acht Wochen nicht überschreiten. Maßnahmen des Dritten Abschnitts sind ausgeschlossen.

(3) Die Agentur für Arbeit kann unter Anwendung des Vergaberechts Träger mit der Durchführung von Maßnahmen nach Absatz 1 beauftragen.

(4) Die Agentur für Arbeit kann der oder dem Berechtigten das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Förderung nach Absatz 1 bescheinigen und Maßnahmeziel und -inhalt festlegen (Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein). Der Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein kann zeitlich befristet sowie regional beschränkt werden. Der Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein berechtigt zur Auswahl

1.
eines Trägers, der eine dem Maßnahmeziel und -inhalt entsprechende und nach § 179 zugelassene Maßnahme anbietet,
2.
eines Trägers, der eine ausschließlich erfolgsbezogen vergütete Arbeitsvermittlung in versicherungspflichtige Beschäftigung anbietet, oder
3.
eines Arbeitgebers, der eine dem Maßnahmeziel und -inhalt entsprechende betriebliche Maßnahme von einer Dauer bis zu sechs Wochen anbietet.
Der ausgewählte Träger nach Satz 3 Nummer 1 und der ausgewählte Arbeitgeber nach Satz 3 Nummer 3 haben der Agentur für Arbeit den Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein vor Beginn der Maßnahme vorzulegen. Der ausgewählte Träger nach Satz 3 Nummer 2 hat der Agentur für Arbeit den Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein nach erstmaligem Vorliegen der Auszahlungsvoraussetzungen vorzulegen.

(5) Die Agentur für Arbeit soll die Entscheidung über die Ausgabe eines Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheins nach Absatz 4 von der Eignung und den persönlichen Verhältnissen der Förderberechtigten oder der örtlichen Verfügbarkeit von Arbeitsmarktdienstleistungen abhängig machen.

(6) Die Vergütung richtet sich nach Art und Umfang der Maßnahme und kann aufwands- oder erfolgsbezogen gestaltet sein; eine Pauschalierung ist zulässig. § 83 Absatz 2 gilt entsprechend. Bei einer erfolgreichen Arbeitsvermittlung in versicherungspflichtige Beschäftigung durch einen Träger nach Absatz 4 Satz 3 Nummer 2 beträgt die Vergütung 2 500 Euro. Bei Langzeitarbeitslosen und Menschen mit Behinderungen nach § 2 Absatz 1 des Neunten Buches kann die Vergütung auf eine Höhe von bis zu 3 000 Euro festgelegt werden. Die Vergütung nach den Sätzen 3 und 4 wird in Höhe von 1 250 Euro nach einer sechswöchigen und der Restbetrag nach einer sechsmonatigen Dauer des Beschäftigungsverhältnisses gezahlt. Eine erfolgsbezogene Vergütung für die Arbeitsvermittlung in versicherungspflichtige Beschäftigung ist ausgeschlossen, wenn das Beschäftigungsverhältnis

1.
von vornherein auf eine Dauer von weniger als drei Monaten begrenzt ist oder
2.
bei einem früheren Arbeitgeber begründet wird, bei dem die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer während der letzten vier Jahre vor Aufnahme der Beschäftigung mehr als drei Monate lang versicherungspflichtig beschäftigt war; dies gilt nicht, wenn es sich um die befristete Beschäftigung besonders betroffener schwerbehinderter Menschen handelt.

(7) Arbeitslose, die Anspruch auf Arbeitslosengeld haben, dessen Dauer nicht allein auf § 147 Absatz 3 beruht, und nach einer Arbeitslosigkeit von sechs Wochen innerhalb einer Frist von drei Monaten noch nicht vermittelt sind, haben Anspruch auf einen Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein nach Absatz 4 Satz 3 Nummer 2. In die Frist werden Zeiten nicht eingerechnet, in denen die oder der Arbeitslose an Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung sowie an Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung teilgenommen hat.

(8) Abweichend von Absatz 2 Satz 2 und Absatz 4 Satz 3 Nummer 3 darf bei Langzeitarbeitslosen oder Arbeitslosen, deren berufliche Eingliederung auf Grund von schwerwiegenden Vermittlungshemmnissen besonders erschwert ist, die Teilnahme an Maßnahmen oder Teilen von Maßnahmen, die bei oder von einem Arbeitgeber durchgeführt werden, jeweils die Dauer von zwölf Wochen nicht überschreiten.

(9) Die Absätze 1 bis 8 gelten entsprechend für die in § 39a genannten Personen.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.