Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss, 25. Okt. 2016 - 3 Ta 32/16
Gericht
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Stralsund – Kammern Neubrandenburg – vom 01.12.2015 – 13 Ca 195/14 – abgeändert.
Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist nicht eröffnet.
Der Rechtsstreit wird an das Amtsgericht Greifswald verwiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des sofortigen Beschwerdeverfahrens.
3. Die Rechtsbeschwerde gegen diese Entscheidung wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
- 1
Die Parteien streiten um Zahlungs- und Herausgabeansprüche aus einem „Vertrag über freie Mitarbeiter (Freelancing)“ vom 23.04.2014.
- 2
Der Kläger ist der Ansicht, dass die Parteien entgegen der Bezeichnung des Vertrages ein Arbeitsverhältnis begründet und gelebt haben und deshalb der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen eröffnet ist. Nach seinem eigenen Vortrag ist der Kläger hauptberuflich Student, wobei er sich als Berufspilot ein „Zubrot“ verdient. In dem Vertrag vom 23.04.2014 heißt es – soweit hier von Bedeutung – wie folgt:
- 3
„§ 1 Vertragsgegenstand
- 4
(1) Der Freelancer, der zu der vereinbarten Erfüllung seines Vertrages eine Mindestqualifizierung als gewerblicher Berufspiloten nachweisen muss, wird nachfolgende Eckpunkte im gewerblichen Flugunternehmen des Auftraggebers übernehmen. Abwicklung von aktiven Flugzeiten im kommerziellen Flugbetrieb, insbesondere u. a. die Durchführung von Arbeits- und Werbeflügen zu festgelegten Zeiten, als verantwortlicher Luftfahrzeugführer und/oder Co-Pilot, wahlweise auf 1 und/oder 2 motorigen Luftfahrzeugen, ultraleichte Luftfahrzeugen und Tragschraubern. Ihm ist auch einen Anteil von bis zu 40% der in diesem Vertrag geschuldeten Leistung in Form von Peripheriearbeiten zuzumuten, solange diese Arbeiten direkt oder indirekt der Aufrechterhaltung des Flugbetriebes dienen. Vereinbarte Vertragszeit für Flugdienst kann 6 Tage in der Woche betreffen und geht von 09.30-18.30 Uhr. Die Abwicklung der Bodenfunkstelle ergibt sich ebenfalls als Aufgabe. Alle notwendigen fachlichen Voraussetzungen und Qualifikationen für die Erfüllung dieses Vertrages hat der Freelancer selbst zu schaffen und zu erhalten.
- 5
(2) Der Umfang des globalen Gesamtauftrages der sich ergibt, dessen Erfüllung eine Präsenz am Leistungsort EDCP für mindestens 6 Tage in der Woche von 09.30 – 18.30 Uhr vorsieht, ist die folgt definiert:
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- aus dem temporären Einzelunterauftrag mündlicher oder schriftlicher Art,
- aus der Abwicklung der gesetzlichen Vorschriften eines jeden gewerblichen Luftfahrzeugführers unter den Maßgaben der Einhaltung des Durchführungsprozedere eines betriebsinternen Flugbetriebshandbuches,
- unter Einhaltung des Flugplanes wenn aufgegeben,
- unter sorgsamer lückenloser Führung der notwendigen Dokumentationen und Rückübergabe derselben Unterlagen im gesetzlich und betriebsinternen umfänglichen Zustand,
- unter pfleglicher Behandlung und Reinigung des Einsatzluftfahrzeuges,
- unter Holung und Verbringung des Einsatzluftfahrzeuge in die Unterstellung,
- unter Einsatz und Pflege der zum Flugeinsatz notwendigen Peripherie auf dem Landeplatz EDCP.
- Unter Ableistung umfänglicher Towerarbeit mit zugehörigen Nebenarbeiten (Flugbetriebsflächen).
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(3) Der Freelancer nimmt die in Abs. 2 definierten globalen Aufträge durch Unterschrift an.
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§ 2 Liquidation
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(1) Als Vergütung für die Erfüllung des Vertrages werden 10 € plus MwSt. für die Ableistung jeder Flugstunde vereinbart. Für Nebenleistungen, die zur Erhaltung der Sauberkeit der Einsatzluftfahrzeuge gehören, die vor und nach jedem Flugtage notwendig werden oder auch der Zeit die mit dem Towerdienst und seiner Nebentätigkeiten zusammenhängen werden weitere 50 € täglich vereinbart. Diese Regelung gilt jedoch nur bis zu einer Gesamthonorarhöhe von 600 € plus MwSt., die jedoch auch ein garantiertes Salär für die vorgehaltene Leistung des Freelancers ist (außer nach §4) ist.
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(2) Der Freelancer ist verpflichtet, jeweils bis zum 10. des Folgemonats eine Abrechnung in Form einer Rechnung für seine erbrachte Leistung, bzw. den maximal vereinbarten Rechnungsbetrag, nach diesem Vertrag zu stellen. Die Mehrwertsteuer ist in der Abrechnung gesondert auszuweisen.
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(3) Der Freelancer stimmt einer Verrechnung der von ihm verursachten Kosten beim Auftraggeber mit seiner gestellten Leistungsabrechnung ausdrücklich zu.
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(4) Diese Abrechnung wird jeweils am Monatsende fällig und ist spätestens 7 Arbeitstage nach Rechnungslegung kostenfrei auf das Konto des Freelancers zu entlasten:
- 13
IBAN: BIC: Kreditinstitut:
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§ 3 Vertragsdauer und Kündigung
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(1) Das Vertragsverhältnis beginnt am: 01.05.2014 und endet am 30.09.2014, ohne weitere Kündigung.
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(2) Beide Vertragsparteien behalten sich vor, in den ersten 12 Wochen unter Einhaltung einer Frist von 4 Wochen zum Monatsende den Vertrag kündigen zu können. (Erprobungszeit).
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Gegenseitige Ansprüche entstehen daraus nicht.
- 18
(3) Das Vertragsverhältnis außerhalb der Erprobungszeit kann unter Einhaltung einer Frist von 8 Wochen zum Ende des Kalendermonats gekündigt werden.
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(4) Das Recht zur außerordentlichen Kündigung bleibt hiervon unberührt.
- 20
(5) Jede Kündigung bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform.
- 21
(6) Von dem Auftraggeber überlassene Arbeits- und Geschäftsunterlagen, sowie sonstige Arbeitsmittel sind mit Beendigung des Vertragsverhältnisses unaufgefordert zurückzugeben. Die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts ist ausgeschlossen. Für zurückgehaltene oder nicht zurückgeführte Mittel im Sinne dieser Bestimmung, haftet der Freelancer dem Auftraggeber gegenüber umfänglich.
- 22
§ 4 Krankheit, Urlaub, sonstige Arbeitsverhinderung
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(1) Dem Freelancer steht kein Vergütungsanspruch zu, wenn er infolge von Krankheit oder sonstiger Arbeitsverhinderung an der ihm obliegenden Leistungserbringung nach diesem Vertrag verhindert ist.
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(2) Ausgeschlossen von dieser Regelung sind ausschließlich Tage an denen schlechtes Wetter herrscht oder geplant kein Luftfahrzeug zur Verfügung (Maintenance) steht und der Freelancer auf Grund dieser Situation nicht fliegen bzw. auch nicht bei der Bodenfunkstelle eingesetzt werden kann. In dieser Zeit darf der Auftraggeber ihn zu anderen Arbeiten innerhalb der Gesamtorganisation „Flugbetrieb und organisatorische oder technische Abwicklung des Flughafenbetriebes EDCP“ einsetzen. Es besteht auch bei längeren Phasen nach Absatz 2, erster Satz (mehr als 3 voraussehbare Tage in Folge) das Recht, den Vertrag mit dem Freelancer für diese Zeit unbezahlt zu unterbrechen und ihn nach Wegfall der Bedingungen sofort wieder zu aktivieren. Dem Auftragnehmer muss dies bekannt gegeben werden, sowie auch der Zeitpunkt der Wiederaufnahme muss ihm 24h vor Wiederaufnahme mitgeteilt werden.
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§ 5 Weisungfreiheit
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(1) Der Freelancer unterliegt bei der Durchführung der übertragenen Tätigkeiten keine Weisungen des Auftraggebers (Weisungsfreiheit in inhaltlicher Hinsicht). Er ist in der Gestaltung seiner Tätigkeiten, (Zeit, Dauer, Art und Ort der Arbeitsausübung) selbstständig tätig und vollkommen frei. Auf besondere betriebliche und gesetzliche Belange im Zusammenhang mit der Ausübung seiner Tätigkeit hat dieser jedoch die Pflicht, diese einzuhalten.
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(2) Der Freelancer ist an keinerlei Vorgaben zum Arbeitsort oder zur Arbeitszeit gebunden, jedoch ist sein Heimatflughafen EDCP, der nur zu den bestimmten Zeiten, die im AIP veröffentlicht sind und zu den entsprechenden Wetterlagen und Lichtverhältnissen angeflogen werden kann. Gesetzliche und projektbezogene Vorgaben des Auftraggebers sind allerdings einzuhalten, ebenso fachliche Vorgaben des Auftraggebers, die sich aus dem betriebsinternen Flugbetriebshandbuch und der Qualitätssicherung des Unternehmens ergeben, soweit diese zur ordnungsgemäßen Vertragsdurchführung erforderlich sind.
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(3) Gegenüber den Angestellten des Auftraggebers hat der Freelancer keine Weisungsbefugnis.
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§ 6 Pflicht zur höchstpersönlichen Aufgabenerfüllung
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Der Freelancer ist verpflichtet, die vereinbarte Leistung höchstpersönlich zu erbringen. Die Hinzuziehung eigener Mitarbeiter oder die Vergabe von Unteraufträgen bedarf der vorherigen Zustimmung des Auftraggebers.
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§ 7 Fachliche Eignung
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(1) Der Freelancer ist verpflichtet sich im Rahmen der Durchführung dieses Vertrages über den aktuellen Entwicklungsstand seines Aufgabengebietes zu informieren und sich so fortzubilden, dass er den Anforderungen des Auftrages gewachsen bleibt. Die Kosten können nach Vereinbarung und Betriebszugehörigkeitsdauer übernommen werden, wenn der Inhalt der Fortbildung direkt und zu 100% der Tätigkeit beim Auftraggeber zuzurechnen ist.
- 33
(2) Nur für den Fall das der Freelancer seinen Verpflichtungen aus diesem Vertrag nicht gerecht wird, ist das Folgende vereinbart. Der Freelancer bekommt eine Ausbildung, die durch den Auftraggeber bezahlt wird. Eine Lizenz für Tragschrauber. Diese Ausbildung in Gänze ist in ihrem Gegenwert mit einem Pauschalbetrag von 2000 Euro vereinbart. Wenn dieser Vertrag ohne temporäre Unterbrechung inhaltlich von Freelancer so eingehalten wird wie hier vereinbart, sind mit dem 30.09.2014 diese Ausbildungskosten umfänglich abgegolten.
…
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§ 10 Gerichtsstand
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Gerichtsstand für alle Streitigkeiten aus diesem Vertragsverhältnis ist, soweit gesetzlich zulässig, das AG Wolgast. Im nächsten Rechtszug die örtlich zuständige nächst höhere Instanz.
- 36
§ 13 Arbeitsrechtliche Schutzvorschriften
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Die Parteien haben von der Möglichkeit des Abschlusses eines Anstellungsvertrages bewusst keinen Gebrauch gemacht. Die Parteien beabsichtigen mit dem vorliegenden Vertrag keine Umgehung arbeitsrechtlicher oder arbeitsgesetzlicher Schutzvorschriften. Ziel ist es, dem Freelancer die volle Entscheidungsfreiheit bei der Verwertung seiner Arbeitskraft zu belassen. Die Parteien beabsichtigen nicht, eine über den Umfang dieser Vereinbarung hinausgehende persönliche, wirtschaftliche oder soziale Abhängigkeit zu begründen.“
- 38
Der Kläger behauptet, er sei in die betriebliche Arbeitsstruktur bei der Beklagten eingebunden gewesen. Die Arbeitsleistung sei ausschließlich – insbesondere auf Grund seiner Qualifikation – in seiner Person zu erbringen gewesen. Dem Kläger seien feste Arbeitszeiten vorgeschrieben worden. Er sei weisungsabhängig gewesen. Die Arbeitsleistung sei an dem Leistungsort des Flughafens zu erbringen gewesen. Sämtliche Arbeitsmittel z. B. im Tower seien von der Beklagten gestellt worden. Ein eigenes Projekt mit Leistungsversprechen sei nicht vereinbart worden. Die Schlussfolgerung auf das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses ergebe sich aber auch bereits aus dem Vertragstext selbst. So sei in § 1 Abs. 2 ausdrücklich festgelegt worden, dass der Kläger seine Arbeit am Leistungsort an mindestens sechs Tagen in der Woche in der Zeit von 09:30 Uhr bis 18:30 Uhr abzuleisten hatte. Der Geschäftsführer der Beklagten habe vollinhaltlich von seinem Direktionsrecht Gebrauch gemacht. So habe er eigenmächtig ohne Zustimmung des Klägers die Vertragstätigkeit mit E-Mail vom 29.05.2014 in „ganztägige Dienste an der Bodenfunkstelle“ geändert und zudem „40%“ Peripheriearbeiten (wie z. B. Pflege der Flugbetriebsstätten) zugewiesen. Der Kläger sei in der vorgegebenen Arbeitszeit nicht frei gewesen, wann welche Arbeiten zu erledigen waren. Während der Arbeitszeit habe der Kläger auf Touristen warten müssen, welche entsprechende Flüge durchführen wollten. Während der Wartezeiten habe er sich im Tower oder in seinem zugewiesenen Zimmer aufhalten müssen. Er habe ständig verfügbar sein müssen. Zu Beginn des Arbeitstages habe der Kläger die Flugzeuge aus dem Hangar holen und eine Vorflugkontrolle durchführen müssen.
- 39
Zudem seien dem Kläger von dem Geschäftsführer weitere Tätigkeiten zugewiesen worden. Hierzu habe unter anderem das Knüpfen von Bannern und das Assistieren anderer Piloten sowie die Aushilfe im Towerbetrieb parallel zum Flugbetrieb gehört. Die Aufgaben seien spontan vom Geschäftsführer zugewiesen worden. Auch habe der Kläger die Inventur von Materialien durchführen müssen. Er habe das Flugplatzgelände mit Ausnahme der Wahrnehmung der Sonderaufträge – wie z. B. das Abholen bestellter Ausrüstung – nicht verlassen dürfen. In einem Fall habe er trotz Überschreitung der Dienstzeit auf telefonische Weisung des Geschäftsführers der Beklagten an einer nahe gelegenen Tankstelle Benzin besorgen müssen. Er habe ein Namensschild an der Dienstkleidung tragen müssen. Die Kleidung selbst sei ihm ebenfalls vorgeschrieben worden. Allein der Umstand, dass der Geschäftsführer der Beklagten den Kläger als Pilot zum Hilfsarbeiter degradiert habe, zeige deutlich, dass der Kläger weisungsgebunden und in die Betriebsabläufe bei der Beklagten eingebunden gewesen sei.
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Die vorstehenden Behauptungen des Klägers werden von der Beklagten im Einzelnen bestritten. Insbesondere trägt die Beklagte vor, der Kläger habe sich auf dem Flughafengelände jeder Zeit frei bewegen können. Die Anzahl der durchzuführenden Flüge sowie den Umfang der Towerarbeiten sowie der vertraglichen Peripheriearbeiten habe er selbst bestimmen können. Der Kläger sei auch nicht einseitig in Dienstpläne aufgenommen worden. Vielmehr habe der Kläger seine Terminwünsche beim ATC (Airport Touristik Center) eingereicht und habe dann auf Grund seiner eigenen zeitlichen Vorgaben die Flugaufträge zugeteilt bekommen.
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Mit Beschluss vom 01.12.2015 hat das Arbeitsgericht Stralsund – Kammern Neubrandenburg – entschieden, dass der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen eröffnet sei und diesbezüglich aufgeführt, dass eine Arbeitnehmereigenschaft des Klägers dargelegt sei, da sich aus dem Vorbringen der Parteien eine weisungsgebundene, fremdbestimmte Arbeit des Klägers in persönliche Abhängigkeit ergebe. Dieses Ergebnis folge bereits aus § 1 des streitbefangenen Vertrages hinsichtlich der vereinbarten Einsatzzeiten und der möglichen Einsatzbereiche.
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Gegen diese am 11.12.2015 zugegangene Entscheidung richtet sich die am 28.12.2015 bei Gericht eingegangene sofortige Beschwerde der Beklagten nebst der bei Gericht am 15.02.2016 eingegangenen Beschwerdebegründung. Mit Entscheidung vom 27.07.2016 hat das Arbeitsgericht Stralsund – Kammern Neubrandenburg – der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und den Rechtsstreit dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
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Die zulässige sofortige Beschwerde der Beklagten ist begründet.
- 44
Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 a ArbGG hinsichtlich der gestellten Klageanträge nicht eröffnet. Nach der benannten gesetzlichen Vorgabe sind die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis.
- 45
Als Arbeitnehmer im Sinne der genannten Norm ist unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Wertung nach § 84 Abs. 1 Satz 2 Abs. 2 HGB insbesondere derjenige anzusehen, der auf Grund eines privatrechtlichen Vertrages im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist und seine Arbeitszeit nicht selbst bestimmen kann (BAG vom 20.01.2010 – 5 AZR 99/09 – juris, Rn. 13). Die Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation zeigt sich danach insbesondere daran, dass der Arbeitnehmer hinsichtlich Zeit, Dauer und Ort der Ausführung der versprochenen Dienste einem umfassenden Weisungsrecht seines Vertragspartners unterliegt. Für die Abgrenzung von Bedeutung sind demnach in erster Linie Umstände, unter denen die Dienstleistung zu erbringen ist und gerade nicht die Bezeichnung, die die Parteien ihrem Rechtsverhältnis gegeben haben bzw. eine von den Parteien gewünschte Rechtsfolge. Der jeweilige Vertragstyp ergibt sich vielmehr aus dem wirklichen Geschäftsinhalt. Dieser wiederum erfolgt aus den getroffenen Vereinbarungen oder aus der tatsächlichen Durchführung des Vertrages. Widersprechen sich Vereinbarungen und tatsächliche Durchführung, so ist Letztere maßgebend. Insgesamt kommt es zur Beantwortung der Frage, welches Rechtsverhältnis im konkreten Fall vorliegt, auf eine Gesamtwürdigung der maßgebenden Umstände im Einzelfall an (BAG vom 20.01.2010 a. a. O.).
- 46
In diesem Zusammenhang ist weiter zu berücksichtigen, dass – wie hier – außerhalb der sogenannten „sic-non-Fälle“ die Partei, die sich auf die Rechtswegzuständigkeit der Arbeitsgerichte beruft, verpflichtet ist, das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses durch schlüssigen Tatsachenvortrag zu belegen. D. h. zum einen, dass dezidiert vorzutragen ist, zu welchem konkreten Zeitpunkt mit welchen konkreten Konditionen zwischen welchen Personen ein Arbeitsverhältnis vereinbart worden sein soll. Zum anderen ist zudem der Vortrag erforderlich, dass in Ausgestaltung der getroffenen vertraglichen Vereinbarung die tatsächliche Durchführung des Vertrages die Bejahung des Bestandes eines Arbeitsverhältnisses zulässt. Die zuletzt genannte Voraussetzung wird wiederum lediglich dann erfüllt, wenn sich aus dem konkreten Vortrag der darlegungs- und beweispflichtigen Partei ergibt, dass der vermeintliche Arbeitnehmer im Rahmen der tatsächlichen Durchführung des Vertrages einem umfassenden Weisungsrecht des vermeintlichen Arbeitgebers unterliegt und in diesem Zusammenhang in die bei diesem bestehende Arbeitsorganisation im Sinne einer persönlichen Abhängigkeit eingegliedert ist (LAG M-V vom 25.07.2006 – 3 Ta 303 Ta 30/06 – juris, Rn. 10).
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Unter Berücksichtigung der genannten Voraussetzungen ist die angegriffene Entscheidung rechtsfehlerhaft und in Verkennung der tatsächlichen Darlegungs- und Beweislast zu dem Ergebnis gelangt, der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen sei vorliegend eröffnet. Die isolierte Betrachtung des streitbefangenen Vertrages spricht – entgegen der Auffassung des Klägers – bereits gegen das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses. Nach dem lediglich pauschalen Vortrag des Klägers ist auch nicht ersichtlich, dass die tatsächliche Umsetzung und Ausgestaltung der vertraglichen Vereinbarung durch die Parteien im Sinne eines bestehenden Arbeitsverhältnisses zu werten ist.
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Lediglich der Vollständigkeit halber ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass es hinsichtlich der sämtlich streitigen Behauptungen des Klägers an jedweden Beweisantritten fehlt. Im Ergebnis kann damit vorliegend die Eröffnung des Rechtsweges zu den Gerichten für Arbeitssachen nicht festgestellt werden, so dass der Rechtsstreit an das zuständige Amtsgericht Greifswald zu verweisen ist.
1)
- 49
Die vertraglichen Vereinbarungen selbst sind bei isolierter Betrachtung ohne Berücksichtigung der konkreten Vertragsdurchführung nach den oben genannten Grundsätzen als freies Mitarbeiterverhältnis zu werten. Es ergibt sich daraus weder eine persönliche noch eine wirtschaftliche Abhängigkeit. Auch lässt sich eine dem Arbeitsverhältnis vergleichbare Einbindung in die betrieblichen Abläufe sowie ein vergleichbares dezidiertes Weisungsrecht der Beklagten gegenüber dem Kläger nicht feststellen.
- 50
Mit dem „Vertrag über freie Mitarbeit“ vom 23.04.2014 haben die Parteien nach den festgelegten Vertragsgegenständen nicht den Zweck des Abschlusses eines Arbeitsverhältnisses, sondern vielmehr den Zweck des Abschlusses eines freien Mitarbeiterverhältnisses angestrebt. Denn der in § 1 Abs. 1 Satz 1 vereinbarte Vertragsgegenstand der Tätigkeit eines Luftfahrzeugführers – inklusive Co-Pilot – bei maximal 40 Prozent Vertragsgegenstand in Form von Peripheriearbeiten im Zusammenhang mit der Aufrechterhaltung des Flugbetriebes kann sowohl im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses als auch im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses ausgeübt werden (vgl. insoweit BSG vom 28.05.2008 – B 12 KR 13/07 R -, juris Rn. 26). Entgegen der Auffassung des Klägers führt die Formulierung in § 1 Abs. 2 Satz 1 des Vertrages zu keinem anderen Ergebnis. Soweit dort von einer Präsenz am Leistungsort für mindestens sechs Tage in der Woche von 09:30 Uhr bis 18:30 Uhr die Rede ist, kann nach dem Vortrag der Parteien und insbesondere des Klägers selbst nicht davon ausgegangen werden, dass es sich insoweit um verpflichtende Arbeitszeiten gehandelt hat. Dem steht bereits die Formulierung in § 1 Abs. 1 Satz 2 des Vertrages entgegen, wonach die vereinbarte Vertragszeit für Flugdienst sechs Tage in der Woche, und zwar in der Zeit von 09:30 Uhr bis 18:30 Uhr betreffen kann. Außerdem ist in § 5 Abs. 1 Satz 2 festgelegt, dass der Kläger in der Gestaltung seiner Tätigkeit (Zeit, Dauer, Art und Ort) selbstständig und frei agieren kann und er in diesem Zusammenhang lediglich die besonderen betrieblichen und gesetzlichen Belange bei der Ausübung seiner Tätigkeit zu berücksichtigen hat. Im Übrigen trägt der Kläger selbst nicht einmal vor, dass er vollumfänglich an sechs Tagen in der Woche jeweils von 09:30 Uhr bis 18:30 Uhr Arbeitsleistungen erbracht hat. Diesbezüglich bleibt der Vortrag des Klägers an der Oberfläche. Auch § 6 des Vertrages steht dem nicht entgegen. Zwar ist dort eine höchstpersönliche Erbringung der Arbeitsleistung formuliert, jedoch ist in § 6 Satz 2 ausdrücklich die Möglichkeit eingeräumt, mit Zustimmung der Beklagten auch eigene Mitarbeiter einzusetzen. In Verbindung mit § 7 des Vertrages wird deutlich, dass es bei der Formulierung in § 6 Satz 1 des Vertrages lediglich um die Sicherstellung geht, dass der Kläger bzw. ein von ihm eingesetzter Mitarbeiter tatsächlich über die entsprechenden notwendigen Lizenzen als Flugzeugführer verfügt. Auch die weiteren Regelungen des Vertrages vom 23.04.2014 sprechen für den Willen der Parteien, einen freien Mitarbeitervertrag abzuschließen. So ist in § 2 des Vertrages die Rechnungslegung inklusive Mehrwertsteuer vorgesehen. In § 10 ist als Gerichtsstand das Amtsgericht Wolgast vereinbart. In § 13 ist nochmals festgelegt, dass das Ziel der Vereinbarung darin bestehe, „dem Freelancer die volle Entscheidungsfreiheit bei der Verwertung seiner Arbeitsleistung zu belassen“.
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Nach alledem kann aus den vertraglichen Festlegungen der Parteien kein dahingehender Wille geschlossen werden, eine arbeitsvertragliche Bindung eingehen zu wollen.
2)
- 52
Auch die Berücksichtigung der tatsächlichen Vertragsdurchführung lässt vorliegend den rechtlichen Schluss des Bestandes eines Arbeitsverhältnisses nicht zu. Nach dem lediglich pauschalen und zudem noch streitigen Vortrag des Klägers sind keine hinreichenden Rückschlüsse auf die tatsächliche Vertragsdurchführung der Parteien im Sinne eines Arbeitsverhältnisses möglich. Der Kläger behauptet zwar, er habe einem umfassenden Weisungsrecht der Beklagten unterlegen, sei vollumfänglich in die Betriebsabläufe integriert gewesen und habe hinsichtlich der von ihm zu erbringenden Leistungen keine eigene Entscheidungsfreiheit und Entscheidungskompetenz gehabt. Trotz des insoweit dezidierten Bestreitens der Beklagten hat der Kläger keinen substantiierten Tatsachenvortrag geleistet, der seine streitigen Pauschalbehauptungen hätte belegen können. Im Gegenteil bleibt nach den sehr oberflächlichen Ausführungen des Klägers selbst völlig unklar, wie sich der konkrete Tagesablauf denn nun gestaltet haben soll, oder noch konkreter formuliert, zu welchen Zeitpunkten er welche Arbeitsleistungen auf welche konkrete Anweisung hin erbracht haben will. Diesbezüglich werden lediglich einige wenige Beispiele genannt, die zudem keinen zeitlichen Bezug erkennen lassen und mithin nicht im Ansatz geeignet sind, die prägende Substanz eines gelebten Arbeitsverhältnisses in Abweichung zur vertraglichen Ausgestaltung als freier Mitarbeiter belegen zu können. Außerdem ist in diesem Zusammenhang noch darauf hinzuweisen, dass es dem streitigen Sachvortrag des Klägers zur Frage der Weisungsgebundenheit sowie zur Eingliederung in die Betriebsabläufe an jeglichen Beweisantritten mangelt.
- 53
Im Ergebnis ist damit der Kammer allein schon auf der Grundlage des Vortrages des Klägers die rechtliche Feststellung des Bestandes eines Arbeitsverhältnisses nicht möglich.
3)
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Der Kläger kann schließlich nicht als arbeitnehmerähnliche Person im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG angesehen werden.
- 55
Dieser Umstand liegt darin begründet, dass nach dem Vortrag des Klägers keine Schlussfolgerungen möglich sind, welche die Bejahung einer vergleichbaren wirtschaftlichen Abhängigkeit im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG zuließe. Zu dieser Thematik verhält sich der Sachvortrag des Klägers nicht.
4)
- 56
Da die Beklagte hinsichtlich des von ihr eingelegten Rechtsmittels obsiegt hat, hat der Kläger die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
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Diese Entscheidung ergeht ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden allein.
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Gründe für die Zulassung der weiteren Beschwerde gemäß § 17 a Abs. 4 Satz 5 GVG sind nicht ersichtlich.
- 59
Mithin ist ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung nicht gegeben.
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Annotations
(1) Handelsvertreter ist, wer als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer (Unternehmer) Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen. Selbständig ist, wer im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann.
(2) Wer, ohne selbständig im Sinne des Absatzes 1 zu sein, ständig damit betraut ist, für einen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen, gilt als Angestellter.
(3) Der Unternehmer kann auch ein Handelsvertreter sein.
(4) Die Vorschriften dieses Abschnittes finden auch Anwendung, wenn das Unternehmen des Handelsvertreters nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert.
(1) Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes sind Arbeiter und Angestellte sowie die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten. Als Arbeitnehmer gelten auch die in Heimarbeit Beschäftigten und die ihnen Gleichgestellten (§ 1 des Heimarbeitsgesetzes vom 14. März 1951 - Bundesgesetzbl. I S. 191 -) sowie sonstige Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind. Als Arbeitnehmer gelten nicht in Betrieben einer juristischen Person oder einer Personengesamtheit Personen, die kraft Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrags allein oder als Mitglieder des Vertretungsorgans zur Vertretung der juristischen Person oder der Personengesamtheit berufen sind.
(2) Beamte sind als solche keine Arbeitnehmer.
(3) Handelsvertreter gelten nur dann als Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes, wenn sie zu dem Personenkreis gehören, für den nach § 92a des Handelsgesetzbuchs die untere Grenze der vertraglichen Leistungen des Unternehmers festgesetzt werden kann, und wenn sie während der letzten sechs Monate des Vertragsverhältnisses, bei kürzerer Vertragsdauer während dieser, im Durchschnitt monatlich nicht mehr als 1.000 Euro auf Grund des Vertragsverhältnisses an Vergütung einschließlich Provision und Ersatz für im regelmäßigen Geschäftsbetrieb entstandene Aufwendungen bezogen haben. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz können im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie die in Satz 1 bestimmte Vergütungsgrenze durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, den jeweiligen Lohn- und Preisverhältnissen anpassen.